Rückspiegel von Andromeda (Roland about Seto & Joey) ================================================================================ Kapitel 1: Rückspiegel. ----------------------- *+*~*+* I should have seen those signs all around me, But I was comfortable inside these wounds; So go ahead and take another piece of me now While we all bow down to you; You tear me down and then you pick me up, You take it all and still it’s not enough, You try to tell me you can heal me, But I’m still bleeding and you’ll be The death of me ~ Death of me by RED ~ *+*~*+* Der Regen prasselt gegen die Frontscheibe. Seit einer geschätzten Ewigkeit, leise und monoton. Einschläfernd. Seto Kaibas Profil im Rückspiegel verliert sich immer mehr in der hereinbrechenden Dunkelheit und Roland rast mit für diese Wetterverhältnisse unangebrachter Geschwindigkeit über die Landstraße. Seto Kaiba sitzt da, die Stirn gegen die Scheibe gelehnt und alles an ihm wirkt verspannt und geistesabwesend. Der Laptop ist irgendwann von seinem Schoss auf den Sitz gerutscht, doch Kaiba hat es scheinbar nicht einmal zur Kenntnis genommen. Rolands Blick wandert zu der rotleuchtenden Digitaluhr. Es ist noch nicht spät. Doch der trostlose graue Himmel ist viel zu schnell dem hereinbrechenden Abend gewichen. Im Auto ist es so still, dass Rolands Hände schweißnass sind. Er hätte zu gerne das Radio eingeschaltet, diese beklemmende Stille mit Tönen zu übertünchen versucht - aber Seto Kaiba mag keine Musik. Die Dinge, die er mag, kann man an einer Hand abzählen und die halbe Welt ist darauf bedacht, ihn nicht mit den Dingen in Kontakt kommen zu lassen, die er nicht ausstehen kann. Denn Seto Kaiba ist nicht wie der pubertierende Teenager, der er eigentlich sein sollte. Er ist ein Übermensch. Ein Gemälde von Picasso. Abstrakt, voller Konturen, lebendig und doch unrealistisch und unverstanden. Und doch hat das Bild dieses Übermenschen Risse. Risse, die mit jedem Tag, an dem Seto Kaiba sich in seiner mechanischen Hochburg verschanzt, immer größer und größer werden. Und Roland fühlt sich fast erleichtert, dass die Dämmerung hereinbricht und die abgrundtiefe Erschöpfung auf Seto Kaibas Gesicht in der Dunkelheit zerfließt. Hinter ihnen liegt ein Marathon an Meetings, Besichtigungen, Veranstaltungen und Berge von wichtigen Entscheidungen. Seit Tagen ist alles ruhelos. New York, London, Domino, Sidney, Domino, Los Angeles, Domino. Seit Tagen fühlt Roland sich wie in einem zwanghaften Wachzustand versetzt, der seine Sinne abgestumpft hat. Der permanente Jetlag hat seine innere Uhr vollends durcheinander gebracht und Roland weiß nicht mehr, ob er müde oder wach sein sollte. Die Ringe unter seinen Augen verbirgt er gekonnt hinter einer Sonnenbrille. Er wird nie ein Wort gegen Seto Kaiba sagen. Er wird ihn nie kritisieren. Er wird ihn nur im Rückspiegel anstarren und sich seine Gedanken machen. Er wird ihm seinen Kaffee bringen. Und er wird jeden bissig-neutralen Kommentar, den Seto Kaiba ihm vor die Füße werfen wird, kompetent nickend entgegennehmen. In Seto Kaibas Welt existiert keine Kritik. Nur Gehorsam. Er ist es gewohnt, im Mittelpunkt zu stehen. Dieser perfekte Mensch mit eisigen Gesichtszügen und noch eisigeren blauen Augen. Der sich mit einer Selbstverständlichkeit in dieser Welt bewegt und niemals Schwäche zeigen wird. Nur hinter den getönten Scheiben des Autos verliert er seine offen zur Schau gestellte Selbstkontrolle. Er zeigt nicht, dass er literweise schwarzen starken Kaffee trinkt. Dass er sich vor jedem wichtigen Meeting eine Kopfschmerztablette genehmigen muss. Dass er blass und abgemagert wirkt. Er ist nicht 17. Übermenschen haben kein Alter, keine Gefühle, keine Wünsche. Übermenschen funktionieren. So wie Seto Kaiba ein perfektes Abbild seiner Selbst ist und funktioniert. Die Straße vor ihnen, die ins Nirgendwo führt. Um sie herum ist pechschwarze Nacht und im Licht der Scheinwerfer sieht Roland die Bewegung von Millionen von Regentropfen. Im Wagen ist es angenehm warm, aber Rolands Arme werden müde und der akkurat sitzende Anzug fühlt sich auf einmal schrecklich eng an. Er wünscht sich einen Kaffee und ein Sofa. Einen Moment Ruhe, bevor er sein Leben wieder Seto Kaiba widmen wird. Kaibas Präsenz kann unglaublich kraftraubend und nervenaufreibend sein. Ein Leben an der Seite von Seto Kaiba ist ein Seiltanz und man läuft immer Gefahr zu fallen. Roland wünscht sich, dass jemand anders das Steuer übernehmen würde. Normalerweise reisen sie mit einem Stab an Bodyguards, Assistenten, Beratern. Doch hinter ihnen liegt eine dieser Sitzungen, an denen Kaiba nur Roland in seiner Nähe duldet. Feindliche Firmenübernahme. Insidergeschäfte. Steuerhinterziehung. Dinge, die einem Teenager eigentlich egal sein sollten und Dinge, die Roland nicht einmal ansatzweise wissen möchte. Seto Kaiba, der keine Gnade kennt, wenn er ein weiteres Lebenswerk unter seinen Füßen zermalmt und sich selbst opfert, um inmitten dieser korrupten Welt überleben zu können. Um für seinen Bruder einen neuen Freizeitpark zu bauen, den er niemals betreten wird. Er wird Roland hinschicken. Um Mokuba zuzusehen, wie er die Achterbahn einweiht. Wie er Eis isst und die allgegenwärtige Statue des Weißen Drachens bewundernd ansieht. Roland weiß, dass das einzig Lebendige an Seto Kaiba sein kleiner Bruder ist. Mokuba trägt diese Last, ohne auch nur einmal zu straucheln. Womöglich, weil Mokuba etwas in Seto Kaiba sieht, was niemand anderes jemals sehen kann. Den Menschen. Nicht den Übermenschen. Ein tiefes Seufzen von der Rückbank lässt Roland fast zusammenschrecken. Er starrt in den Rückspiegel, doch hinter ihm ist nur schemenhafte Dunkelheit. "Sir?" "Wie lange brauchen wir noch?" Kaibas Stimme ist frei jeglicher Emotion, als würde für ihn so etwas wie Müdigkeit nicht existieren. Als hätte er nicht vor kurzem gedankenverloren und erschöpft aus dem Fenster gesehen. "Eine halbe Stunde, Sir." "Fahren Sie direkt zur Corporation. Ich werde die Unterlagen noch ins Büro bringen." Roland räuspert sich. Das tut er oft. Zu oft in letzter Zeit. "Sir. Es ist sehr spät. Ich würde Ihnen empfehlen, sich in Ihre Villa zurückzuziehen und diese Angelegenheit auf morgen zu verlegen." Es ist eigentlich nicht Rolands Aufgabe, ihm zu widersprechen. Aber in der Dunkelheit ist es einfacher als bei Tageslicht. "Master Mokuba hat Sie seit fast einer Woche nicht mehr gesehen. Er würde sich sicherlich freuen, wenn Sie ihm heute Abend Gesellschaft leisten würden." Es ist ein sehr schmutziger kleiner Trick, mit dem Roland Kaiba umstimmen will. Meistens funktioniert es. Kaiba ist ein guter Geschäftsmann, aber ein besserer Bruder. Auch wenn er das vielleicht nicht einmal weiß. "Fahren Sie zur Corporation", sagt Kaiba wieder, nun eine Spur eisiger, und lässt somit keinen Platz für Diskussionen. "Selbstverständlich Sir." Roland ist erstaunt, wie hart er auf einmal klingt. Kaiba schweigt. Irgendwann weicht die Dunkelheit der Zivilisation von Domino. Erst sind es nur kleine Vororte im allabendlichen Feierabendsverkehr. Heimkehrende Familienväter. Routine für so viele Menschen, die auch unter Seto Kaiba arbeiten. Roland weiß nicht, wann er das letzte Mal wirklich zu Hause gewesen ist. Meistens lohnt sich die Heimfahrt kaum. Er schläft in der Villa, immer auf Abruf. Um da zu sein, wenn Seto Kaiba mitten in der Nacht die Idee kommt, ein neues Turnier zu veranstalten. Oder eine Firma zu übernehmen. Oder einen Freizeitpark für Mokuba zu bauen. Um alles zu tun, um aus Gozaburo Kaibas Schatten emporzusteigen. Und dort, über den Dächern der anderen Gebäude, erhebt sich der Tower der Kaiba Corporation. Das Zentrum von Seto Kaibas viel zu einsamer Welt. Er wird niemals wissen, dass er seinen Stiefvater längst überflügelt hat. Dass er Spielzeug baut und Kinder damit glücklich machen kann. Roland weiß das, aber er wird es niemals sagen. Diese Dinge will Seto Kaiba nicht hören. Seto Kaiba hat eine Glaswand um sich um die Umwelt gezogen. Er beobachtet, er dirigiert, aber er lässt es nie nahe genug an sich heran. Denn Übermenschen kennen keine Nähe. Schweigend lenkt Roland das Auto durch die Straßen. Die Lichter der Reklametafeln und Straßenlaternen lassen Seto Kaibas Gesicht in allen Farben aufleuchten. Kaiba starrt in den Rückspiegel. Unbewegt. Roland weiß, dass Mona Lisas Lächeln zu 2 % ärgerlich ist. Doch wie viel Gefühl in Seto Kaibas unleserlichen Gesichtszügen verborgen liegt, weiß Roland nicht. Niemand weiß das. Roland schaltet den Motor ab und bemerkt erst jetzt, dass der Regen aufgehört hat. Sanftes Licht erfüllt das Innere der Limousine und Roland starrt fest in den Rückspiegel. Kaibas Blick ist auf das Gebäude gerichtet und so fremd, als wüsste er nicht, wo er sich befindet. Und Roland weiß, dass Kaiba nicht bemerkt, wie er beobachtet wird. Sonst hätte er Roland jenen eisigen Blick geschenkt, der selbst Männer, die mehr als doppelt so alt wie Kaiba sind, zusammenzucken lässt. In diesem Moment sieht Seto Kaiba furchtbar jung aus. Zu jung für diese Firma, zu jung für dieses Leben, das nur aus Zahlen und Entscheidungen besteht. Roland hat eine Tochter. Sie ist ein paar Jahre jünger als Seto Kaiba und Roland sieht sie so wenig, dass er nicht einmal weiß, welche Haarfarbe sie nun hat. Oder welche Musik sie nun hört. Oder ob sie einen Freund hat. Aber er weiß, dass seine Tochter ein Leben führt. Dass sie lachen und weinen kann. Dass sie sich freut, wenn ihr Papa nach Hause kommt und ihr irgendwelche sinnlosen Geschenke mitbringt, um sich dafür zu entschuldigen, dass sein Leben mehr Seto Kaiba als seiner eigenen Tochter gehört. Aber er kann damit nicht aufhören. Sein Leben dem Jungen auf der Rückbank zu widmen. Weil der Gefühl hat, dass er alleine Seto Kaiba noch daran erinnert, dass er ein Leben hat. Auch wenn er sich niemals die Haare färben lassen wird. "Roland?" Kaiba richtet seine eisblauen Augen auf den Rückspiegel. Sein Gesicht ist eine einzige Maske. "Ja, Sir?" "Fahren Sie zur Villa. Ich werde nicht ins Büro gehen. Die Unterlagen können bis morgen warten." "Selbstverständlich Sir. Soll ich anrufen und Bescheid geben, dass Sie mit Master Mokuba zu Abend essen werden?" Kaiba nickt nur. Risse, Risse, Risse. Sie werden immer tiefer. Und Seto Kaiba kann es nicht aufhalten. Das Leben, das er zu gerne von sich abschotten möchte und das doch durch diese Risse kriecht und ihn daran erinnert, dass er so niemals auch nur den Hauch von Glück verspüren wird. *** Als sich das vertraute Bild ändert, dass der Rückspiegel wiedergibt, weiß Roland nicht, was er davon halten soll. Es passt nicht. Es ist nicht mehr Seto Kaiba, der da sitzt. Ein Schatten des Übermenschen, den er selbst aufrechterhalten hat. "Wheeler, wir führen hier keine Diskussion", stellt Seto Kaiba aalglatt fest. "Wäre das der Fall, müsste ich dich zuerst als gleichgestellten Gesprächspartner akzeptieren. Und ich bezweifle, dass du überhaupt so viel IQ hast, Köter." "Hey!" Joey pustet sich goldene Haarsträhnen aus der Stirn. "Hunde sind sehr intelligent! Der Dackel meiner Nachbarin kann Männ..." "Verschone mich, Wheeler." Kaiba verschränkt die Arme. "Geschichten über den Dackel deiner Nachbarin interessieren mich nicht." Sie sind wie Tag und Nacht. Wie Chaos und Ordnung. "Und nimm deine Füße vom Sitz. Glaube mir, die Kosten für die Reinigung würden dein lächerliches Budget übersteigen." "Führ dich nicht auf wie eine Diva." "Vorsicht. Schmeiß nicht mit lateinischen Begriffen um dich. Das könnte den Eindruck erwecken, dass du so etwas wie Gehirn besitzt." "Diva ist Latein?" "Vergiss es..." Joey Wheeler ist eine Katastrophe. Seine blonden Haare sind wirr und seine Jeans zerrissen und er trägt eine Hundemarke um den Hals. Warmes Sonnenlicht erhellt sein Gesicht und er lacht und zieht Grimassen und reagiert mit allergischer Widerspenstigkeit auf Seto Kaibas Bosheiten. Joey Wheeler fällt auf wie ein bunter Hund. Er hat keinerlei Selbstkontrolle. Er hat Freunde und Perspektiven. Und Kaiba schenkt ihm mehr Aufmerksamkeit, als Joey Wheeler eigentlich bekommen sollte. Joey Wheeler. Dieses laute, schreiende, fluchende, lachende, Witze reißende Subjekt zur Rechten Yugi Mutos, welcher es bei Bedarf immer schafft, mit Seto Kaiba den Boden zu wischen. Nicht, dass Roland sich jemals darüber ein Urteil bilden würde. Oder diese standfeste Art, mit der Yugi Muto Seto Kaiba ein Stück Arroganz nimmt und ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zurückbefordert, auch nur ansatzweise gutheißen würde. Aber Joey Wheeler ist auch kein Yugi Muto. Er legt sich mit Kaiba an, fällt hin, steht auf und schmeißt Kaiba unbeeindruckt wieder alles an den Kopf, was ihm gerade durch den Kopf geht. Joey Wheeler ist so lebendig und penetrant und strahlend, dass er scheinbar selbst Seto Kaiba blenden kann. Dass Seto Kaiba die Mauer, die er um sich gezogen hat, ein Stück herunterfährt und sich dazu herablässt, seine Aufmerksamkeit Joey Wheeler zu schenken - wenn auch nicht freiwillig, wie er nie müde wird zu betonen. Aber Seto Kaiba verpasst gerade eine Aufsichtsradsitzung. Die Schule ist um und er sollte in seiner Hochburg hocken und Menschen um sich haben, die ihm alles zu Recht rücken und ihn niemals kritisieren werden. Er sollte nicht hier sein, in diesem Auto mit diesem Jungen, der nichts anderes tut, als Kaiba seine ungeschönte Meinung zu sagen. Aber er tut es. Seto Kaiba und Joey Wheeler starren sich an. Sie reden von Wut, Hass und beleidigen sich, doch ihre Augen schreien nach der Aufmerksamkeit des anderen. Wenn Seto Kaiba etwas hasst, ignoriert er es. Er ignoriert Menschen, seine Stimme ist eiskalt und seine Blicke sind es noch mehr. Seto Kaiba ist gut darin, Dinge zu ignorieren. Er ignoriert die meisten Angestellten der Kaiba Corporation. Und eigentlich würde Joey Wheeler in dieser Masse untergehen. Nichts an ihm ist so, dass Seto Kaiba es betrachten müsse. Aber scheinbar ist Kaiba für Joey Wheeler nicht Picasso. Er ist Monet. Lebendig, unwirklich, ein wunderschönes Spiel mit Farben und Licht. Und Roland weiß nicht, ob er das gutheißen soll. Denn er weiß nicht, wie viel von Seto Kaibas Menschlichkeit unter den Füßen des Übermenschen zermahlen wurde. Roland räuspert sich. Zum dritten Mal in fünf Minuten. "Sir, wir blockieren diesen Parkplatz nun schon seit... fast einer halben Stunde." Den Parkplatz vor dem Fastfood-Restaurant. Fastfood. Seto Kaiba isst selten etwas. Er ernährt sich von Kaffee und hie und da einem mageren Fischgericht. Meistens hat er keine Zeit, sein Abendessen anzurühren. Er hört Mokuba zu, nickt und lächelt und ist ein wunderbarer großer Bruder. Und nun stehen sie hier, vor einem Fastfood-Laden, der in Seto Kaibas Gedankenwelt niemals auch nur den geringsten Bestand hat. Weil Joey Wheeler Hunger hat. Und Seto Kaiba so lange genervt hat, bis dieser irgendwann Roland gesagt hat, er soll hierher fahren. Der Rückspiegel hat Joey Wheelers Siegerlächeln reflektiert. Er besiegt Kaiba, auf eine Weise, die Kaiba selbst kaum bemerkt. "Ich habe Sie nicht aufgefordert, hier herumzustehen und meine wertvolle Zeit zu vergeuden. Ich verstehe nicht, was so schwer daran sein soll, diesem Individuum sein Mittagessen zu besorgen, wenn ich darum bitte." Es ist dieser gleichgültige, neutrale Tonfall, den Roland an Seto Kaiba am meisten fürchtet. Weil er jedem Menschen das Gefühl geben kann, auswechselbar zu sein. Selbst Joey Wheelers Blick ist seltsam anders geworden. Er starrt Kaiba an. Gebannt, aber auch vorsichtig. "Nenn mich gefälligst nicht Individuum, Alter", sagt er irgendwann zweifellos völlig verspätet. Wahrscheinlich sagt er nur etwas, weil es seine Art ist, auf Kaibas Bosheiten zu reagieren. "Außerdem würde dir Essen auch nicht schaden. Rippengestell." "Nicht jeder kann so verfressen sein wie du, Köter." "Ich bin nicht verfressen. Das ist der gesunde Hunger eines heranwachsenden Teenagers!" Kaiba verdreht gelangweilt die Augen. Dann blickt er aus dem Fenster auf Eltern mit ihren jungen und noch jüngeren Kindern, die mit Papptaschen bepackt an ihnen vorbeigehen und deren Lachen selbst bis ins Innere des Autos vordringt. Es sind diese glücklichen Multimomentaufnahmen von Familien, an die Seto Kaiba sich niemals erinnern wird. Weil es keine solchen Augenblicke in seinem Leben gibt. Die Zahlen auf der Digitaluhr bewegen sich kontinuierlich. Roland unterdrückt ein weiteres Räuspern. "Sir, möchten Sie aussteigen oder soll ich den Drive-in ansteuern." Kaiba möchte etwas sagen, doch Joey kommt ihm zuvor. Wie ein kleines Kind rutscht er ganz nah an Seto Kaiba, hangelt sich über ihn und presst sein Gesicht gegen die Scheiben. "Drive-in?! Cool, ich war noch nie im Drive-in!" Der plötzliche Körperkontakt überrascht Kaiba. Er starrt auf Joey Wheeler hinunter, der fast auf seinen Beinen sitzt. "Whee..." Kaibas Stimme versagt. Zum ersten Mal sieht Roland Seto Kaiba sprachlos. Der Übermensch ist einem jungen Mann gewichen, dem das Erstaunen ins Gesicht geschrieben steht. "Wow!" Es hört sich fast an wie ein Bellen. "Das ist so... abgefahren! Gugg doch mal, Eisklotz..." Bekräftigend wird ein Ellebogen in Seto Kaibas Magen gerammt. Der augenblicklich die Fassung wieder findet. Beinahe. "Wheeler. Köter." Seto Kaibas Stimme ist ein tiefes Grollen. "Was tust du da?! Geh da weg!" Ein einziger Stoß katapultiert Joey zurück auf den Sitz. "Versuch wenigstens so etwas wie Benehmen an den Tag zu legen. Herrgott, du bist doch kein Kleinkind mehr!" Seto Kaiba fährt sich durch seine Haare, bringt sie minimal durcheinander und seufzt abgrundtief. "Oh." Joey lächelt verplant. "Ähm. Sorry..." Roland startet den Motor. Sein Lachen tarnt er mit einem Husten. "BurgerWorld, was wünschen Sie?", tönt eine gelangweilte weibliche Stimme aus der Sprechanlage. Roland blinzelt. Was Kaiba natürlich nicht sieht. "Sir? Was genau trifft denn Ihren Geschmack?" "Irgendetwas. Das Angebot kann wohl nicht so viel versprechend sein, dass Sie das überfordert, Roland." Seto Kaiba hat keine Ahnung von Fastfood. Und Roland weiß das. Und Roland weiß genauso, dass davon nichts auf Anhieb Seto Kaibas speziellen Geschmack treffen wird. "Was empfehlen Sie denn?" Roland hasst es, mit Sprechanlagen zu reden. Das tut er in der Kaiba Corporation oft genug, da Seto Kaiba den festen Glauben hat, Maschinen wären besser als Menschen. Gehorsam und bei Bedarf gibt es immer eine Ausschalt-Taste. "Wir haben das Mega Spar Menü Chicken Deluxe als Angebot der Woche..." "Oh. Fabelhaft. Wenn das nicht viel versprechend klingt." "Cola?" "Führen Sie auch Evian?" "Evi... was?!" Roland kommt sich furchtbar dumm vor. "Vergessen Sie es. Cola ist gut." Vielleicht hätte er doch öfters mit seiner Tochter zu BurgerWorld gehen sollen. "Sonst noch was?" Bevor Roland weiterspricht, spürt er plötzlich ein Gewicht an seiner Schulter. Seine Sonnenbrille fällt ihm fast von der Nase, als er unsanft gegen die Innenseite des Autos gequetscht wird. Joey Wheeler hat sich zwischen den Sitzen hindurchgezwengt. "Master J..." Und Roland bekommt kaum Luft. Seto Kaibas eiskaltes "Wheeler!" vom Rücksitz geht definitiv unter. "Ich möchte zwei Mal Pommes, drei Burger Supreme mit extra Gurken, Zwiebelringe, Käsenuggets und öhhh... diesen Hähnchenwrap und... Milchshakes. Erdbeer. Zweimal." Roland räuspert sich. "Vortreffliche Wahl, Master Joey. Hätten Sie vielleicht die Güte...?" Joey Wheelers Haare kitzeln Roland in der Nase. Es duftet nach billigem jugendlichem Shampoo. Nach Sonne. Sofern der Sonne eine Duftnote zuzuweisen ist. Joey Wheeler ist auf eine abstrakte Weise so lebendig wie Seto Kaiba perfekt ist. Seto Kaiba ist das leblose Spiegelbild im Rückspiegel. Joey Wheeler hingegen ist das Chaos in Person, aber er steckt Menschen mit seiner Fröhlichkeit und seiner Leidenschaft an. Die meisten jedenfalls. "Uhhh." Joey rutscht ein Stück zurück und Roland richtet sich etwas auf. Seine Krawatte ist verrutscht. "Sorry, Kumpel." "Wheeler." Roland erstarrt gleichermaßen wie Joey Wheeler. Ihr Blick wandert zum Rückspiegel. Seto Kaiba hält sich mit einer Hand den Kopf, als würden ihn schreckliche Migräne plagen. Aber sein Blick ist eiskalt wie der Nordpol und gleichzeitig gemeingefährlich. Das letzte Mal hat Seto Kaiba so ausgesehen, als die Controllingabteilung versucht hat, einen Fehlbetrag vor ihm zu verheimlichen. Was natürlich nicht geklappt hat. Und Roland Gott gedankt hat, nicht zu diesen Personen zu gehören, die Seto Kaiba anlügen oder schlechte Nachrichten überbringen. "Wheeler." Kaibas Stimme bebt, obwohl sie gleichermaßen ruhig und beherrscht klang. "Mir fehlen die Worte. Wirklich. Du bist kein Trottel. Du bist die elfte ägyptische Plage. Du bist mein persönliches Waterloo." Joeys Augen sind furchtbar groß und braun. "Ägyptische Plage?" "Ja, Wheeler. Glückwunsch, du kommst direkt nach der Pest." Roland greift nach dem schneeweißen Taschentuch, dass seine Frau immer wäscht und bügelt und tupft sich damit die Schweißtropfen von den Schläfen. Wahrscheinlich wird Seto Kaiba niemals ein Monet werden. "Hallo?!" Die Lautsprecherstimme schreit fast. "Hallo! Fahren Sie gefälligst, Sie blockieren den Drive-in!" Seine Krawatte ist immer noch verrutscht und Joey Wheeler schlürft viel zu laut Erdbeermilchshake, während Roland Seto Kaibas Pappbecher mit Cola in den Händen hält. Die Eiswürfel haben sich längst in der Cola aufgelöst. Sie stehen wieder auf einem der Parkplätze und während Joey isst und trinkt, starrt Seto Kaiba. Darin ist er auch sehr gut. Im Starren. Jeder andere hätte dabei längst die Nerven verloren. Aber Joey Wheeler ignoriert das, während er fettige Fingerabdrücke auf dem Leder hinterlässt. Stattdessen starrt er aus dem Fenster, als wäre all das hier auf seine seltsame Art und Weise richtig. Normal. Er sitzt mit einer Selbstverständlichkeit neben Kaiba, die Roland erstaunt. Erstaunlicherweise war Kaibas Wutausbruch schneller abgeflaut, als Roland jemals vermutet hätte. In seiner Gedankenverlorenheit bemerkt Roland viel zu spät, dass Joey Wheelers Blick fest auf den Rückspiegel gerichtet ist. "Was is´ denn so witzig?", nuschelt er in den Strohhalm hinein. "Witzig, Master Joey?" "Sie grinsen", präzisiert Joey Wheeler seine Aussage. "Ich hab Sie noch nie lächeln sehen..." Roland starrt auf diesen Jungen. "Ich hatte nur gerade meine Tochter vor Augen." Seine Tochter, die genauso gern Erdbeermilchshake trinkt. Getrunken hat. Vor Jahren. Joey beugt sich etwas weiter vor, mit einer unglaublichen Neugierde in den Augen. "Sie haben ne Tochter, Roland?!" Selbst Seto Kaibas Augen sind fragend auf den Rückspiegel gerichtet, als hätte er dieses Detail in Rolands Lebenslauf überlesen. Womöglich hat er das auch. "Ja. Sie ist vierzehn geworden." Roland verschweigt, dass er an diesem Tag bei Seto Kaiba verbracht hat und seiner Tochter in der knapp bemessenen Mittagspause ein Geschenk nach Hause gebracht hat. Und mit seiner Tochter am Abend nur kurz telefoniert hat. Joey Wheeler grinst ihn an. "Hätt´ nicht gedacht, dass sie neben dem hier", er deutet mehr als herablassend auf Kaiba, "noch eine Familie haben." Es bringt Roland aus dem Konzept. Weil er sagen möchte, dass jeder andere Verwandte seine Tochter mehr zu Gesicht bekommt als er. Familie bedeutete Verantwortung. Eine Verantwortung, die Roland eingetauscht hat gegen ein Leben an der Seite von Seto Kaiba, von dem er niemals ein ernst gemeintes Danke hören wird. Joey Wheeler hat diese Familie nicht mehr. Als Roland die Daten der Turnierteilnehmer angesehen hat, ist er über diese substanzlose Aufstellung von Lebensdaten gestoßen. Joey Wheeler, dessen Eltern schon so lange geschieden sind, dass auch er keine Multimomentaufnahmen einer glücklichen Familie hat. Er hat eine Schwester, die er viel zu selten sieht. Roland hat eine intakte Familie. Er hat eine liebevolle Frau, die ihm keine Vorwürfe macht. Eine Tochter. Sein Einfamilienhaus mit großem Garten, das er längst abbezahlt hat. Vielleicht schweigt er deswegen. Aber Joey Wheeler beugt sich nach vorne, stützt seine Arme auf dem Fahrer- und Beifahrersitz ab. "Wie ist Ihre Tochter so? Spielt sie DuellMonsters?" Roland lacht leise. "Nein, das interessiert sie nicht. Mädchen interessieren sich mehr für Jungs, Rockbands und Klamotten. Und neue Frisuren. Ein typischer Teenager eben." Joey starrt nachdenklich nach vorne. In den Rückspiegel. Auf den 17-Jährigen, der niemals ein Teenager war und sein wird. "Hey Kaiba?" Seto Kaiba reagiert nicht. "Du solltest mal deinen Burger essen." Ein furchtbar blauer, abwertender Blick wird auf die Papptüte gerichtet, die neben ihm auf dem Sitz steht. "Warum isst du ihn nicht?", fragt Kaiba gelangweilt. "Und erstickst daran?" Joey lächelt. "Du wirst mich niemals loswerden, Kaiba." "Diese Befürchtung hege ich schon seit langem. Auch ohne deine haltlosen Drohungen. Joey." Seto Kaiba klingt nicht so, als würde ihm das wirklich leid tun. *** "Was läuft da mit Joey?" Mokuba stellt diese Frage, während er seine Aufmerksamkeit Seto Kaibas Kartendeck widmet. Konzentriert zieht er Karten heraus, ordnet sie und wirkt dabei völlig abwesend. Was er natürlich nicht ist. "Was soll schon mit Wheeler sein?!" Ein strafender Blick wird augenblicklich Richtung Rückspiegel geworfen. Roland spürt die eisigkalte Wut, aber er lächelt. Die Sonne scheint. "Du hattest einen Knutschfleck", stellt Mokuba erbarmungslos fest. "Das heißt, dass da irgendwas laufen muss." Kaiba weicht dem wissbegierigen Blick seines kleinen Bruders aus und starrt aus dem Fenster. Über ihnen ist ein herrlicher blauer wolkenloser, monotoner Sommerhimmel. "Das war kein Knutschfleck. Das war ein Hautausschlag." Kaibas Stimme klingt so überzeugend, als würde das tatsächlich der Wahrheit entsprechen. "Sir", sagt Roland mit seiner besten gewissenhaften Stimme, "ich kann Ihnen da eine ausgezeichnete Hautcreme empfehlen. Meine Tochter schwört darauf..." Mokubas Lachen füllt den Wagen aus. Es ist klar und hell und erinnert Roland an Joey Wheelers Lachen. Das Lachen hält an und hält an. Seto Kaiba reagiert nicht. Er ist nicht der Übermensch. Er ist der große Bruder, der von seinem kleinen Bruder geneckt wird. Er ist 17 und irgendwie plötzlich auch ein pubertierender Teenager. Denn er hat einen Freund, der ihm einen Knutschfleck verpasst hat. Es beruhigt Roland ungemein. "Woran denkst du?", fragt Mokuba irgendwann glucksend. "Wie viel Ablösung ich Roland zahlen muss, wenn ich ihn morgen vor die Türe setze und was es mich kostet, die ganzen Vergnügungsparks wieder abreißen zu lassen", antwortet Kaiba. Roland kennt diesen Tonfall zur Genüge. Jede Silbe sollte ihm eigentlich ein ungutes Gefühl bescheren, aber diesmal bleibt es seltsamerweise aus. Weil nicht der Übermensch auf der Rückbank sitzt. Weil ein Übermensch keinen Knutschfleck hätte. Und Roland und Mokuba wissen das. *** Der Himmel über den Dächern von Domino ist ein Quell aus grauen und schwarzen Wolken. Roland starrt diesen unheilvollen Himmel über die Ränder seiner Sonnenbrille hinweg an. Ein Vorbote dieses Sturms tobt auf dem Rücksitz. Unbeherrschbar, zerstörerisch, donnernd. Und Roland wünscht sich weit weit weg von hier. In den Garten seines Einfamilienhauses, wo seine Frau einen Kräutergarten angelegt hat und noch immer die Schaukel steht, auf der seine Tochter früher einmal mit nackten Füßen und wehenden Röcken geschaukelt war. Rolands Hände umklammern das Steuer, seine Knöchel treten weiß hervor. Eigentlich will er nicht den Rückspiegel fixieren. Aber er starrt Seto Kaiba an. Der 17-Jährige, der beschlossen hat, sein Leben so gekonnt zu ignorieren und sich höheren Dingen zu widmen. Seto Kaiba, der Übermensch. Roland hat nie geglaubt, dass Seto Kaiba jemals die Fassung verliert. Dass es etwas gibt, das die Mauer niederreißt, die Kaiba zwischen sich und allem anderen erbaut hat. Doch Joey Wheeler tut es. Wieder einmal und verheerender als jemals zuvor. Roland möchte sagen, dass es ein altes Spiel ist. Meistens, wenn sie dieses kleine Machtspiel hinter sich gebracht haben, reden sie ein paar Tage nicht miteinander, bevor sie ihren Streit ignorieren und ihre seltsame Beziehung fortführen, die genau genommen keine ist. Diese Beziehung ist furchteinflößend und heilig zugleich. Und unglaublich zerbrechlich, so zerbrechlich, dass sie mit jedem unüberlegten Wort auf den Abgrund zurast, der sich seit Monaten vor den beiden auftut. "Wheeler. Du bist nicht in der Position, mir irgendeinen Vorwurf zu machen." Seto Kaibas Stimme klingt beängstigend ruhig. Joey Wheelers Erwiderung ist laut und hektisch. Aber es sind nicht diese Streitereien von früher, die Roland sooft mitgehört hat. Diese Streitigkeiten sind intimer. Verletzender. Vernichtender. "Du bedeutest mir nichts, Wheeler. Du bist mir absolut egal. Und wenn dir daran etwas nicht passt, dann geh zurück in das Loch, aus dem ich dich herausgezogen habe." Joey Wheeler atmet tief ein, als Seto Kaiba diese Worte zwischen sie wirft. Joey wirkt nicht verletzt oder verstört, nur furchtbar wütend. Es ist diese Gleichgültigkeit, die Seto Kaiba als seinen stärksten Schutzschild aufgebaut hat. "Kaiba. In diesem Auto ist leider nicht genug Platz für mich und dein Ego." Joey Wheeler steigt aus. Schmettert die Autotüre so heftig zu, dass der Wagen für einen Moment vibriert. Und Seto Kaiba sitzt einfach da. Für einen langen Moment schaut er so furchtbar jung aus, das Roland ahnt, dass das nicht so ein Ende genommen hat, wie Seto Kaiba sich das gewünscht hat. "Sir?", fragt Roland leise. "Was?!" Seto Kaiba dreht den Kopf zur Seite, so dass Roland nur einen Schopf brauner Haare sieht. Kaiba atmet übertrieben ruhig und Roland gibt ihm diesen Moment. Joey Wheeler hat den Übermenschen zerstört. So einfach. "Ich muss...", beginnt Kaiba, doch seine Stimme ist anders. Nicht kalt, nicht beherrscht, nicht gelangweilt. Anders. Dann hebt er den Kopf, als würde er etwas wittern. Stoisch. "Wir müssen die Vorstandssitzung noch vorbereiten. Liegen uns schon die Zahlen vom letzten Quartal vor?" Roland ist irritiert. "Natürlich, Sir. Ich habe sie in Ihr Büro bringen lassen." "Gut. Fahren Sie schon los, oder finden Sie den Weg nicht mehr?!" Seto Kaiba versucht verzweifelt, wieder diese starke unnahbare Persönlichkeit von früher zu werden. Aber nichts mehr kann jemals diesen Übermenschen zurückbringen. Tatsächlich ist Joey Wheeler der schleichende Prozess, der alles zerstört hat, woran Kaiba gearbeitet hat. Er ist das Leben, das Seto Kaiba so lange ignoriert hat, bis es sich auf ungewöhnliche Weise einen Weg zu ihm gebahnt hat. Roland gibt Gas. Achtet auf den Verkehr, auf die roten Ampeln - und auf Seto Kaiba, der ausdruckslos auf den Platz neben sich starrt. Dort, wo Joey Wheeler in letzter Zeit mit unverschämter Selbstverständlichkeit gesessen ist. Doch er ist jetzt weg. Für immer? Vielleicht. Irgendwann stecken sie mitten im abendlichen Verkehrschaos. "Sir?" Rolands Stimme ist leise. Er wartet nicht auf eine Reaktion des jungen Mannes ab. "Manchmal muss man Dinge tun, die man nicht tun möchte." Seto Kaiba starrt in den Rückspiegel. "Die denn wären?" Dann werden seine Augen kalt. "Mein Privatleben geht Sie nichts an, Roland. Und dieser Idiot bedeutet mir nichts. Wenn er gehen will, soll er doch gehen." "Er ist bereits gegangen, Sir." Roland bremst ab, als eine Ampel auf Rot umschaltet. "Und Sie haben Recht. Sie brauchen ihn nicht. Eigentlich brauchen Sie niemanden, dort oben." "Ihr herablassender Ton gefällt mir nicht, Roland", meint Kaiba bissig. "Das tut mir leid, Sir." Roland gibt wieder Gas. Vor ihnen erhebt sich die Kaiba Corporation. "Kein Mitglied der Familie Kaiba hat jemals jemanden gebraucht. Auch Gozaburo Kaiba nicht." Dieser Satz hängt auf einmal bedrohlich in der Luft. Seto Kaiba starrt aus dem Fenster, hinaus in die Welt, der er sich so verschlossen hat. Aber seine Gesichtszüge zeigen Wut und... was? Seto Kaiba hat jetzt Multimomentaufnahmen seines Lebens. Er hat sie mit Joey Wheeler. Und er weiß, wohin Einsamkeit einen Menschen treiben kann. Auch wenn er sich seine eigene - aus eigenem Antrieb - gewählte Einsamkeit nie selbst eingestehen würde. Roland seufzt. Auch wenn er zu oft dieser respekteinflößende, ignorierende und beherrschte Mensch ist, ist und bleibt er ein Teenager. Wie Rolands Tochter mit den pinkgefärbten Haaren, wie Joey Wheeler mit seiner Sonnenschein-Laune. Lächelnd entfernt Roland das Autotelefon aus seiner Halterung. Dass das Leben seltsame Wege gehen kann, weiß Roland. Das Leben kann einen 17-Jährigen zum Übermenschen machen und gleichzeitig einen Chaoten dazu erheben, den Übermenschen zu Fall bringen zu lassen. Das Leben hat viel mehr Multimomentaufnahmen zu bieten. Das Leben bringt Fastfood, Sonnenschein, Knutschflecken und schräge Frisuren mit sich. Roland wirft das Telefon hinter sich auf den Rücksitz. Es landet neben Seto Kaiba auf dem schwarzen Leder. "Roland, wenn das ein Mordversuch war, war es ein erschreckend unkompetenter." "Sie werden wissen, was Sie tun, nicht wahr?" Roland lächelt. "Denn Sie sind zu intelligent, um Fehler zu begehen, die Sie bereuen werden. Und es ist ja immer der Klügere, der nachgibt." Seto Kaiba schweigt. Aber seine Finger tasten nach dem Telefon. "Roland. Normalerweise würde ich diese Einmischung in mein Privatleben nicht dulden." "Natürlich Sir." Seto Kaiba öffnet die Autotüre und steigt aus. Als er die Treppe zur Kaiba Corp. erreicht, dreht er sich um. Er starrt zurück zu Roland. Und für einen Moment glaubt Roland, den Übermenschen lächeln zu sehen. Ganz leicht. Wie Mona Lisa. *+*~*+* Thanks a lot for readin´ =) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)