When the rain begins to fall... von sora-linn (...you can´t escape...) ================================================================================ Kapitel 5: ----------- Sanft hob er das tote Mädchen auf seine Arme, legte sie auf ihr Bett und wickelte sie in eines ihrer schönsten Gewänder. Er wollte nicht, dass die Frauen, welche er erlöste, in ihrem Tod aussahen, wie in ihrem Leben, wollte nicht, dass ihre nackten Körper den gierigen Blicken der Polizei ausgeliefert waren. Er strich ihr die Haare aus dem Gesicht und legte einen blauen Kristall in die glänzende Wunde. Er wusste, die Frauen, welche er umbrachte, hätten nie die Kraft gehabt, ein Messer gegen sich selbst zu richten, entweder, weil ihr Glauben nicht zuließ, Selbstmord zu begehen, oder weil sie zu schwach dafür waren... Viele von ihnen verkrafteten die Aussicht auf den roten Lebenssaft nicht, andere hatten schon so oft versucht, sich umzubringen und waren rechtzeitig gefunden worden, dass sie es aufgegeben hatten, weil sie angst vor erneuter Strafe hatten. Nur selten suchte er sich ein Mädchen aus, welches nicht freiwillig in den Tod gehen würde. Aber hinterher waren ihm fast alle dankbar, dass er sie hatte gehen lassen. Er wusste, weshalb er die blauen Steine wählte, dies war bei weitem nicht so willkürlich, wie die Polizei glaubte. Er wusste auf die Wirkung von Farben, und er wusste auch, dass Blau einerseits Erholung förderte, eine Farbe des Friedens und der Wahrheit war, aber auch für die Erschöpfung und den Energiemangel stand. Und genau das war es ja, was seine Opfer am besten beschrieb. Sie wollten den inneren Frieden finden, hatten aber all ihre Energie verloren als sie versuchten, es den Männern recht zu machen. Mit einem leisen seufzen verließ er das Zimmer. Er blickte nicht zurück, schloss aber gewissenhaft die Vorhänge und sicherte die Fenster von Außen mit einem Stein. Er konnte es nicht mit sich vereinbaren, die Frauen ohne einen gewissen Schutz zurück zu lassen, denn genau dies taten all die Männer, welche sie missbrauchten. Wie ein Schatten verschwand er wieder von seinem neuesten Tatort und nichts zeigte dem unaufmerksamen Beobachter, dass hier etwas passiert war, das nicht dem ganz normalen Tagesablauf der Bewohnerin entsprach. Niemand würde darauf kommen, dass hier gerade jemand gestorben war, wenn er nicht in die Wohnung eindrang. Geschockt blickte sie auf die aufgeschlagene Zeitung vor ihr. Sie hatte ja nicht geahnt, dass ein Mörder in der Stadt sein Unwesen trieb. "Und... du bist dir sicher, dass er nicht her kommen wird?" Ungläubig sah sie zu Jeanette auf. "Wie kommst du denn darauf?" Seit ihrer ersten Nacht hier hatte die ältere Frau darauf bestanden, dass sie geduzt wurde, und wenn sie ehrlich war, kam Leah das nur zu Gute. Sie fühlte sich so schon nicht wohl in dieser aufgesetzten Welt, mochte es nicht, wenn man Leute, mit denen man täglich in Kontakt war, siezen musste und hatte ihre Eltern auch nur ungerne mit `Sie´ angeredet. Sie wusste, dass es bei der sogenannten Unterschicht nicht so war, dass die Kinder sich mit ihren Eltern amüsieren konnten, doch sie wusste auch, dass es hier niemals erlaubt werden würde. Nicht in der Gesellschaftsschicht, zu der sie sich eigentlich wohl gar nicht mehr zählen durfte. Sie war hier, um die Beine für irgend welche Männer zu öffnen, die ihren Onkel dafür bezahlten und das bedeutete, dass sie nicht mehr ansehen hatte, als die niederste Angestellte. Seufzend ließ sie sich auf einem Stuhl nieder, zog die Zeitung näher zu sich und las sich den Artikel, der auf der Titelseite prangte, aufmerksam durch. Seit Wochen hält ein Mörder die Unterwelt Londons auf trab. Nun wurde schon die elfte Leiche einer jungen Hure in ihrer Wohnung aufgefunden. Wie auch die anderen Wohnungen musste diese wohl durch das Balkonfenster betreten und auch wieder verlassen worden sein. Die Polizei ermittelt in alle Richtungen doch bisher gibt es keine zuverlässigen Zeugenaussagen, die den Täter beschreiben können. Jedem der helfen kann, den Fall aufzuklären, wird eine Belohnung in Höhe von einigen Tausend Pfund versprochen. Kopfschüttelnd überflog sie die wenigen Zeilen noch ein paar Mal, interessierte sich allerdings nicht für die Ausschmückung des Tatherganges oder den Mutmaßungen der Presseleute. Sie schob die Zeitung von sich und versuchte zu verstehen, wie man eine junge Frau nur wegen ihrer Arbeit umbringen konnte. Kurz, bevor Jeanette den Raum betrat, hatte sie das Papier allerdings erneut in der Hand, und vertiefte sich in den anderen Neuigkeiten der Woche. Sie hatte schon lange keine Zeitung mehr in die Hand bekommen. Und nun war sie natürlich neugierig, was passiert war. "Steht was interessantes drin?", fragte Jeanette, während sie sich einen Kaffee machte und an die Arbeitsplatte lehnte. Die Küche gehörte zu dem Bordell ebenso wie ein Gemeinschaftsbad, denn die Bäder in den Zimmern wurden nur mit Wasser gespeist, wenn Kunden da waren. Sie hatte herausgefunden, dass ihr Onkel nicht wollte, dass sie Wasser vergeudeten, wenn es nur für sie gebraucht wurde. "Es wurde eine Leiche gefunden..." Sie weigerte sich das Wort `Hure´ auszusprechen, schob der Anderen deshalb die Zeitung zu und goss sich ein wenig Saft ein. Sie mochte keinen Kaffee. Das Gebräu war ihr zu bitter, aber die anderen Frauen mochten es, weshalb immer mindestens eine halbe Kanne voll davon in der Küche stand. Sie beobachtete die Frau, wie sie die Zeilen wie sie selbst zuvor überflog, das Papier dann zur Seite legte und leise seufzte. "Manchmal fühle ich mich selbst hier nicht mehr sicher... wie können wir denn wissen, dass nicht einer unserer Kunden dieser Kerl ist?" Leah zuckte mit den Schultern. Natürlich konnten sie sich nicht sicher sein... aber sie hoffte es einfach. Sie wusste, dass sie ohne Hoffnung vielleicht schon aufgegeben hätte. Nein... soweit durfte sie nicht denken. Sie verbot sich, es nur in Erwägung zu ziehen und betete, dass sie diesem Mann nie begegnen musste. Sie blickte zu Jeanette auf. "Glaubst du, ich komm hier irgendwann wieder raus?" Die ältere Frau sah sie unsicher an, es war die erste negative Regung in dem hübschen Gesicht der Anderen, welche Leah bisher hatte sehen können. "Erst, wenn du aufgebraucht bist, verkauft wurdest oder zu alt wirst." Sie machte ihr nicht wirklich Hoffnung... aber vielleicht war es auch besser so. Dann wurde sie zumindest nicht negativ überrascht, wenn es wirklich nicht klappen würde. "Und... denkst du, das wird irgendwann geschehen? Das... mich jemand kauft, meine ich..." Die wesentlich erfahrenere Frau hob eine Braue, seufzte dann leise und lehnte sich zurück, bis ihr Rücken die Theke der Küchenzeile berührte. "Ich will dich nicht anlügen..." Ihre Stimme klang sachlich und ruhig, während sie sprach, aber ihre eisblauen Augen blitzten leicht auf. "... ich denke, dass dein Onkel dich verkaufen wird, sobald ihm jemand einen angemessen hohen Preis zahlt. Er ist geldgierig... und er würde seinen eigenen Sohn verkaufen, wenn er einen hätte." Leah biss sich auf die Lippen um Josh nicht zu verraten. Sie hatte von ihrem Onkel erfahren, dass er nicht wollte, dass jemand wusste, dass Josh sein Sohn war... weshalb interessierte sie nicht. Um von dem Thema weg zu kommen sah sie erneut zu Jeanette hoch und seufzte schließlich. "Kommst du mit mir raus? Ich... brauche frische Luft..." Die Ältere musterte sie kurz, nickte dann allerdings. "Zieh dir was vernünftiges an und komm..." Dann verschwand sie in ihrem eigenen Zimmer und Leah erhob sich, um es ihr gleich zu tun. Sie wusste nicht, was an dem Kleid, welches sie trug, falsch war, allerdings würde sie sich ein anderes anziehen, wenn die Andere es nicht für angemessen hielt. Sie sah weder den Mann vom Vortag, noch jemand anderen, der ihr im Club aufgefallen wäre. Aber sie war froh darüber. Sie hätte nicht gewusst, wie sie reagieren würde, wenn sie plötzlich jemand ansprach. Als sie gegen Abend mit Jeanette zurück ging, spürte sie, wie ihr schon wieder so komisch wurde. Am liebsten wäre sie einfach umgekehrt. Hätte das alles hinter sich gelassen. Zumal sie niemals freiwillig her gekommen wäre, wenn sie eine Wahl gehabt, oder es eine Vorwarnung gegeben hätte. Sie legte ihre Arme um ihren Körper und blickte in den wolkenverhangenen Himmel. Es sah nach Regen aus, aber geschüttet hatte es schon tagelang nicht mehr richtig, für London, eigentlich für gesamt England, sehr ungewöhnlich. "Glaubst du, das Wetter ändert sich heute?" "Du meinst Sonnenschein?" "Nein... eher Regen." Nun warf auch die Frau neben ihr einen Blick in die Wolken. "Ja, ich denke schon. Es war viel zu lange gutes Wetter. Sieh nur, die Straßen sind sogar trocken!" Leah lächelte ein wenig, seufzte dann und senkte den Blick auf ihre Füße. "Wenn ich abhaue fangen sie mich...", murmelte sie leise, worauf hin sie die schmale Hand Jeanettes auf ihrer Schulter spüren konnte. "Denk einfach nicht dran... das macht vieles einfacher." Sie nickte stumm, folgte der Älteren dann in die Hinterzimmer und von dort aus in ihre persönlichen Räume. "Na los, guck nicht so. Lächle ein wenig... nicht jeder Tag ist so schlimm... wirklich!" Sie war gewillt, der Erfahreneren von ihnen zu glauben, aber irgend etwas in ihr weckte Zweifel. Vielleicht war es nur ihre Angst, die ihr einreden wollte, dass es nie gut, oder auch nur besser werden konnte, aber sie wusste, dass sie es wenigstens versuchen musste. "Am besten ziehst du dich um, hm? Wir müssen gleich runter und der Boss wird wütend, wenn wir nicht auftauchen." "Ja... ich weiß..." Sie trennten sich auf, jede hing ihren eigenen Gedanken nach und betrat ihr Zimmer, ohne ein Wort an die Andere zu richten. Sie mussten sich wohl alle hier auf das Kommende vorbereiten, egal, wie oft sie es schon getan hatten und wie wenig es ihnen ausmachte. Dieser Gedanke erschreckte und beruhigte Leah gleichermaßen. So wusste sie wenigstens, dass sie nicht unnormal war, konnte aber auch ahnen, dass sie immer diese Zweifel haben würde. Keine schönen Aussichten für ihr Leben... aber daran hätte sie eh nicht geglaubt. Zumal sie auf unbestimmte Zeit hier bleiben musste. Hinterher lag sie zusammen gesunken auf ihrem Bett. Sie zitterte, blieb aber auch stumm, als die Tür geöffnet wurde und eine Gestalt hinein kam. "Hey, Kleine..." Nicht viele nannten sie `Kleine´, auch wenn dies wohl ein passendes Wort war, um sie zu beschreiben. Sie war durchaus nicht besonders groß, hasste es aber eigentlich, wenn ihr dies noch unter die Nase gerieben wurde. Die Kunden nahmen natürlich keine Rücksicht darauf... Josh normalerweise schon. Nur, wenn er wusste, dass es ihr schlecht ging, griff er darauf zurück, meist in dem Versuch sie aufzumuntern, noch öfter aber, um sie überhaupt auf sich aufmerksam zu machen. Sie gab ein leises Geräusch von sich, das wage nach einem `Ja´ klang, machte aber keine Anstalten sich aufzurichten oder auch nur den Kopf zu bewegen. "Ist alles in Ordnung mit dir?" Wieder gab sie dieses Geräusch von sich. Diesmal klang es allerdings schon wesentlich weniger überzeugend. "Möchtest du mir erzählen, was los ist?" Sie schüttelte leicht den Kopf, versuchte noch immer zu begreifen, was gerade geschehen war. Der Mann hatte gut ausgesehen... wirklich gut, aber seine Wünsche... davon war ihr schlecht geworden. Wie konnte ein Mann solche Wünsche haben? Sie versuchte zu verdrängen, was sie gerade erlebt hatte, aber es ging einfach nicht. Jedes Mal, wenn sie sich bewegte, spürte sie den Schmerz ihrer geröteten Haut wieder durch ihren Körper fahren, hätte am liebsten stumme Tränen vergessen, doch ihre Augen blieben trocken, als hätte ihr Gehirn noch immer nicht verstanden, was daran falsch gewesen war. Dabei war das Wachs nicht das schlimmste gewesen. Es hatte sich sogar, wenn sie ehrlich war, ganz gut angefühlt... im Gegensatz zu einigen anderen Dingen, die der erste Mann mit ihr getan hatte... aber was danach gekommen war, die Fesseln und Peitschen, das war ihr zu viel geworden. Es hatte sie zum Schluss nur noch verletzt, als er immer härter und fester zugeschlagen hatte, sie hatte sogar das Blut über ihre nackte Brust fließen gespürt... und sie fühlte ihre aufgerissene Haut noch immer, stand diese doch im krassen Kontrast zu dem seidigen Kleid, welches sie sich nach diesem Mal wieder über gezogen hatte. Gerade fühlte sie sich, als wäre sie niemals wieder fähig, etwas zu tun, etwas anderes zu tragen, als einen Hauch von nichts und sich je wieder zu bewegen. "Komm, Leah, erzähl mir, was er dir angetan hat..." Joshs Stimme hatte sich zu einem Flüstern gesenkt, sie konnte seinen warmen Atem auf ihrer Wange spüren und erschauderte, als er ihr vorsichtig einen Kuss auf jene hauchte. "Ich werde es auch niemandem verraten." Sie wusste, dass sie ihm vertrauen konnte, aber dennoch würde sie nichts sagen. Die Erinnerung daran war zu neu, als dass sie darüber reden konnte, und die Schmerzen zu präsent, zu stark, als dass sie es überhaupt wollte. Sie konnte fühlen, wie sich langsam die Matratze senkte, während ihr Cousin sich neben sie legte, spürte die Wärme, die von seinem starken Körper aus ging, als er sie ganz langsam an sich zog und entspannte sich unter den Fingern, die sanft über ihr rotes Haar strichen, ihren Kopf und ihren Rücken liebkosten, ohne etwas zu verlangen. "Du weißt doch... du kannst immer zu mir kommen, hm?" Seine Finger hörten nicht auf, sich zu bewegen, seine Muskeln spannten sich unter der dunklen Haut seiner Arme und sie konnte sogar die Haare sehen, die im Kerzenlicht darauf schimmerten. "Ich... möchte nicht..." Vielleicht war er es gewohnt, dass man ihm darauf nicht antwortete, denn er nahm es so hin, zumindest erstmal. Statt dessen nickte er leicht, strich ihr ein paar Haare aus dem Gesicht und lächelte sie leicht an. "Schlaf... wenn du aufwachst, wird es nur eine Erinnerung sein..." Leah blickte zu ihm auf, ihre Augen glasig vor Schmerz und Scham, doch sie vertraute dem Älteren. Sie ließ sich von seiner Stimme mitreißen, schloss langsam die Augen ganz, entspannte ihren Körper unter seinen Worten und wusste, dass er auf sie aufpassen würde. Er würde nicht zulassen, dass einer von ihnen zu ihr kam, während sie schlief. Ihre Hände ließen das Laken los, in welches sie sich geklammert hatte und bevor sie überhaupt wusste, was passierte, war sie in ihren Träumen gefangen. Sie glaubte zu fühlen, wie sie umgedreht und ausgezogen wurde, doch da sie keine Schmerzen dabei erkannte, tat sie es als Unsinn ab und ließ geschehen, was immer da mit ihr gemacht wurde. Sie schlief, und das würde sich auch nicht ändern, egal, was mit ihr gemacht wurde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)