Nur ein einziger Kuss von Christine_Wonderland ================================================================================ Prolog: Große Augen und ein kleiner Gefallen... ----------------------------------------------- Ciel konnte die ersten wärmenden Strahlen der aufgehenden Sonne hinter seinen geschlossenen Lidern spüren. So sehr er sich auch tiefer in die flauschige Bettwäsche kuschelte, nichts konnte ihm an diesem Morgen das Gefühl von Geborgenheit vermitteln. Die ganze Nacht über hatte er verzweifelt versucht die Gedanken aus seinem Kopf zu verdrängen. Gedanken an Lizzy, Gedanken an eine Zukunft, die er niemals erleben würde, Gedanken darüber, was ihn nach seinem Tod erwartete, Gedanken an ihn. Alles in allem war es also eine Nacht wie jede Nacht seit diesem irritierenden Ereignis vier Wochen zuvor.... //Rückblende// Alles begab sich am Tag seines 16. Geburtstages, und obwohl er sich inzwischen fast daran gewöhnt hatte, an diesem Tag im Jahr garantiert etwas Schreckliches zu erleben, war es dieses Mal etwas ganz Besonderes. Wie immer hatte Lizzy eine verschwenderisch aufwendige Party organisiert, bei der sich alle wichtigen Persönlichkeiten des Landes – mit Ausnahme der königlichen Familie natürlich – im Anwesen der Phantomhive versammelten. Lizzy und er tanzten, tranken in diesem Jahr sogar etwas Wein, lieferten ihren Besuchern eine perfekte Vorstellung und endeten schließlich wie auch immer gemeinsam auf einer der weit auslaufenden Terassen des Phantomhive Anwesens. Als sie sich auf einer der marmornen Bänke im Schatten eines Glyzinienbusches niederließen und sich gegenseitig ansahen, erwachte in Ciel die unangenehme Vorahnung, daß ihm seine sonst so fröhlich unbeschwerte Verlobte etwas Wichtiges mitteilen wollte. „Ne, Ciel...“, begann sie stockend, ihre Augenlider in Verlegenheit leicht gesenkt, das hübsche Gesicht in zartes Rosa getaucht, die Lippen zu einem zaghaften Lächeln geformt. „Was ist es, daß dich so beschäftigt, Lizzy? Du wirkst schon den ganzen Abend so abwesend. Du weißt doch, daß du mit mir über alles sprechen kannst, nicht wahr?“ Das war nicht nur einfach daher gesagt, Ciel meinte es wirklich so. Immerhin waren sie beide seit Kindertagen eng befreundet und nach Außen hin waren sie sogar noch eine Menge mehr. Aber Ciel wußte genau , daß so etwas niemals Wirklichkeit werden, er Lizzy niemals in seine Misere mit hineinziehen durfte. Seine Worte unterstreichend, nahm er eine ihrer kleinen weichen Hände, mit denen sie aus Nervosität fest den Stoff ihres rosenroten Ballkleids umklammert hielt, in die seine. Erwartungsvoll sah sie zu ihm auf, ihre grünen Augen strahlend wie ein Spiegel der Sterne am klaren Nachthimmel. „Ciel, ich habe mich gefragt...“, wieder versagte ihr die Stimme, „...ich fragte mich, wo wir doch sowiso nächstes Jahr heiraten werden, vielleicht könnten wir...“. Wieder färbten sich ihre lieblichen Wangen und diesmal war ihr ganzes Gesicht in ein kräftiges Rot getaucht. Ciel, der nun wirklich neugierig wurde, hob seine Hand an ihr Gesicht, um ihr beruhigend über die Wange zu streichen - eine Geste, von der er wußte, daß sie ihm immer sehr geholfen hatte, wenn Sebastian sie bei ihm gebrauchte. „Ciel, ich weiß, daß du versuchst mich zu beschützen, aber ganz so blind und naiv wie du vielleicht denkst bin ich nicht. Ich weiß sehr wohl, was in diesem Haus vor sich geht.“ Ciel war sich sicher, daß sein Herz für einen erschrockenen Moment beschloß, nicht mehr zu schlagen. „Nun ja, vielleicht nicht genau,“ fuhr sie fort und der junge Graf konnte seinen erleichterten Seufzer kaum verbergen. „ Aber ich weiß sehr wohl daß du gemeinsam mit Sebastian gefährliche, wenn nicht gar mörderische Aufträge der Königin ausführst. Genauso ist mir bewußt, daß es genau deswegen nie eine friedliche Familienidylle für uns beide alleine geben wird. Aber dennoch Ciel, mag ich dich so sehr, liebe dich vielleicht sogar. Ich habe so Angst dich zu verlieren, sei es an den Tod oder... eine andere Person.“ Schnell senkte sie den Blick, als ihr die Stimme einmal mehr versagte. Ciel war erst im zweiten Moment klar, auf wen sie da eigentlich anspielte. Er schauderte. „Lizzy, weißt du, es ist so...“ „Nein, laß mich bitte erst aussprechen. Seit fast zwei Jahren versuche ich nun schon, deine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen, aber egal was ich auch tat, ich bin immer wieder dabei gescheitert. Ich bin dessen so überdrüssig, Ciel.“ „Lizzy, es ist nicht so wie du denkst. Ich mag dich wirklich. Aber genau deswegen will ich dich auf keinen Fall verletzen. Es gibt Gründe...“ Ciel mußte schlucken. Nie hätte er gedacht, daß sich ihr Gespräch in diese Richtung entwickeln würde, die einzige, mit der er nicht im Stande war umzugehen. Ihre Lippen hoben sich zu einem unlesbaren Lächeln, daß ihre Augen nicht erreichte. „Wenn dem so ist, würdest du mir dann einen Gefallen tun?“, fragte sie ihn mit unsicherer Stimme. „Was immer du möchtest.“ Er meinte es ernst, auch wenn sich seine dunklen Brauen vor Sorge leicht zusammengezogen, da er schließlich nicht wußte, was ihn nun erwarten würde. „Würdest du mir bitte einen einzigen Kuss geben?“, fragte sie mit ihrer glockenhellen Mädchenstimme gerade heraus. „W-Was?!“ Geschockt wechselte sein Gesicht nahezu gleichzeitig von krebsrot zu leichenblaß. „Küss mich nur ein einziges Mal und dann vergleiche. Vergleiche, wer dir näher steht. Das wird das letzte Mal sein, daß ich versuchen werde, dich für mich zu gewinnen.“ Der Kloß, der sich in seinem Hals bildete machte Ciel komplett sprachlos, als hätte er seine eigene Zunge verschluckt. Nach etwas mehr als zwei Minuten, in denen er einfach nur da saß und sie fassungslos anstarrte – eine seltsamerweise viel erwachsenere Lizzy, so ruhig, stolz und mädchenhaft schön, eine junge Lady, die er glaubte noch nie zuvor gesehen zu haben -, nickte er leicht und beugte sich zu ihr hinüber. Die erste Berührung ihrer Lippen war sanft und unschuldig, so leicht, daß sie eher zu erahnen als zu spüren war. Ciel betrachtete das Gefühl ihres weichen warmen Mundes auf dem seinen keineswegs als unangenehm. Im Gegenteil. Dennoch hatte er sich seinen ersten Kuß irgendwie spektakulärer vorgestellt. Dies hier dagegen war kaum mehr als ein gewagtes Spiel zwischen Kindern. Sie war genauso unerfahren in diesen Dingen wie er, und so war es Ciel, der den Kuss mehr aus Neugier denn irgendetwas anderem vertiefte und vorsichtig mit der Zungenspitze ihren leicht nach Apfelwein schmeckenden Mund berührte. Intuitiv öffnete sie die Lippen für ihn, obgleich ihre Hände begannen, vor Unsicherheit leicht zu zittern. Die Zeit schien stehengeblieben zu sein, doch als sich ihrer beider Zungen trafen und sie sich bewußt wurden, was sie beide im Begriff waren zu tun, schraken sie plötzlich voreinander zurück. Ciel fühlte seinen Körper vor Nervosität erzittern, nicht wissend, was er nun tun sollte. In einer schnellen Bewegung stand Lizzy auf und lächelte unsicher auf ihn herab. „Es tut mir so leid, daß ich dir diesbezüglich keine Wahl gelassen habe...Ich muß meinem Herz endlich Frieden verschaffen. Ich habe das Gefühl, daß es sonst für immer brechen könnte.“, sprach sie leise eher zu sich selbst als zu ihm, zurückgehaltene Tränen nur allzu gut sichtbar in den Winkeln ihrer weit geöffneten Augen. „Meine liebe Lizzy, entschuldige dich doch nicht. Du bist im Recht. Ich verspreche dir, mir Gedanken zu machen und mich zu entscheiden.“, antwortete er, während er sich ebenfalls mit der stoischen Ruhe, die man von einem Earl of Phantomhive in einer solchen Situation wohl erwartete, von der Bank erhob. Doch innerlich konnte er sein Herz in tausende Rasiermesser scharfe Stücke splittern fühlen. Nach wie vor war er ein Lügner – und er hasste es. „Du weißt nun wie ich fühle. Vergleiche und entscheide dich, Ciel. Aber lass mich nicht zu lange warten.“. Sie versuchte gefasst zu wirken, aber es gelang ihr nicht. Sie hatte ihn wohl erneut direkt durchschaut. Peinlich berührt davon, daß ihr Liebster sie in so aufgewühltem Zustand sah, drehte sie sich um und floh schnellen Schrittes von der Terrasse, noch bevor Ciel irgendwelche Anstalten machen konnte, sie zurück zu halten. Als sie das Anwesen durch den Dienstboteneingang betrat damit sie nicht unvorbereitet mit ihrer Mutter zusammentreffen konnte, stieß sie beinahe mit Sebastian zusammen, der gerade damit beschäftigt war eine der silbernen Teekannen für die Gäste nachzufüllen. Überrascht wandte er sich zu ihr um, nur um sie bereits wieder durch die gegenüberliegende Tür verschwinden zu sehen noch bevor er eine Möglichkeit hatte, sie standesgemäß zu begrüßen. Neugierig darüber was draußen vor sich ging, stellte er die Kanne vorsichtig auf einem der umstehenden Tische ab und riskierte einen Blick in die Dunkelheit des nächtlichen Gartens. Als er seinen Master zusammengesunken im Mondlicht auf den Steinstufen der naheliegenden Terrasse sitzen sah, den Kopf gedankenverloren an einen der kalten marmornen Pilaster gelehnt, erhellte sich sein Gesicht in einem vorfreudigen wissenden Lächeln, das so garnicht menschlich wirkte. //Ende der Rückblende// Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)