Back to school von abgemeldet (Epilog online!) ================================================================================ Kapitel 29: ------------ Am nächsten Morgen wachte Uruha durch lautes Weckerklingeln auf. Mürrisch und noch immer halb schlafend tastete er neben sich und machte den Wecker aus. Dann rieb er sich die Augen und blinzelte verwirrt. Er lag mit dem Kopf auf Kais Brust und spürte, wie Kai ihn im Schlaf sanft im Nacken kraulte. Alles wie sonst... Aber wieso klingelte der Wecker? Hatte er was verpasst? Dann fiel es ihm siedendheiß wieder ein und er rüttelte an Kai. "Bärchen, aufwachen. Wir müssen zur Schule!" Kai drehte sich nur weg. Interessierte ihn recht wenig, dass der Wecker klingelte. Er war müde und wollte bei Uruha sein. Sich an ihn kuscheln und bis Mittag einfach nur faul im Bett liegen. So wie sie es bisher immer gemacht hatten. "Viel zu früh!" "Nix da. Kai, wir können nicht dauernd die Schule schwänzen. Das geht einfach nicht." Er stand auf und sah ihn an. "Ich geh schon mal duschen, dann kannst du ins Bad." Das tat er dann auch. Er ging ins Bad, duschte sich gründlich und zog sich an. Danach schminkte er sich und stylte seine Haare. Als er endlich zufrieden war mit seinem Äußeren, trat er aus dem Badezimmer und rüttelte an Kai, der immer noch friedlich schlief. "Jetzt beeil dich endlich." Eigentlich war er ja alles andere als ein Morgenmuffel und er kam nie zu spät, aber heute hatte er nicht wirklich das Bedürfnis, zur Schule zu gehen. War doch völlig unnötig. Er langweilte sich dort zwar nicht, sondern nahm interessiert am Unterricht teil, aber es war doch so~ schön mit Uruha hier auf dem Bett zu liegen. Mürrisch erhob er sich, warf die Decke beiseite und stand auf. Verschlafen rieb er sich die Augen und torkelte an Uruha vorbei ins Badezimmer. "Oyahou, Ruha...", flüsterte er und verschwand im Bad. Erleichtert seufzte Uruha auf. Endlich bewegte Kai auch mal seinen faulen Po und trollte sich ins Bad. Wurde aber auch allerhöchste Eisenbahn. Sie hatten nur noch eine halbe Stunde. Vor sich hin pfeifend richtete Uruha nochmal seine Haare und schnappte sich seinen Ranzen. Hoffentlich hatte er auch alles nötige dabei. Und wenn nicht, konnte er es eben jetzt auch nicht mehr ändern. "Wie lange dauert das noch bei dir?", nölte er, als nach einer Viertelstunde immer noch kein Kai aus dem Bad gehuscht war. Er hörte Uruhas Rufe. Mit Zahnbürste im Mund und sich den Bauch kratzend dackelte er nach draußen, um ihn besser verstehen zu können. "Nani?", fragte er mit Schaum im Mund und blickte aus noch immer ziemlich kleinen Auge zu Uruha. Er war nur mit einer Boxer bekleidet und der Zahnpastaschaum lief gerade an seinem Kinn hinunter. Mit der flachen Hand stieß er sich vor die Stirn und stemmte die Hände in die Hüften. Herrgott nochmal! "Kai, beeil dich mal. Du hast nur noch eine Viertelstunde, ansonsten gehe ich ohne dich. Also zack zack!" Er seufzte theatralisch und verdrehte die Augen. Womit bekam er Kai denn jetzt richtig wach? Er grinste fies. Er setzte sich aufs Bett, überschlug die Beine, deutete auf Kai und sagte fies grinsend: "Achja... Bevor du zur Schule gehst, würd ich mir mal die Morgenlatte wegmachen." Kai riss die Augen auf und ließ vor Schreck die Zahnbürste aus seinem Mund auf den Boden fallen. Entsetzt schaute er an sich herunter und stockte. Er merkte nicht, dass er hochrot anlief. "Nani?" Dann schaute er wieder zu Uruha und funkelte ihn an. Sofort hob er seine Zahnbürste auf und drehte sich um. "Baka!", knurrte er und verschwand wieder. Fünf Minuten später stand er in seinem Zimmer und zog sich schlecht gelaunt die Klamotten an. Uruha kugelte sich vor Lachen auf dem Boden. Kais Gesicht war göttlich gewesen. "Kai, nun sei nicht sauer. War ja nur ein Spaß.", grinste er und umarmte ihn von hinten. "Lass uns jetzt gehen, hai?" Er packte seinen Ranzen, schulterte ihn und zog Kai mit sich aus dem Haus. Es war ein wunderschöner Morgen. Die Straßen waren zwar noch nass vom gestrigen Regen, jedoch war es warm und Uruha strahlte. "Endlich sehen wir mal die anderen wieder." Kai grummelte nur und ließ sich mitziehen. Hätte ja eh nichts anderes machen können. "Ja ja, is ja schon gut." Er war doch noch etwas sauer wegen Uruhas Aktion. Wie konnte man ihn einfach so verarschen? Das macht man doch nicht. Und schon gar nicht, wenn man gerade erst aufgestanden ist. Es dauerte nicht lange und sie erreichten das Schulgebäude. "Ja ja heißt 'Leck mich am Arsch' und das hab ich jetzt nicht vor.", grinste er ihn an und zog ihn weiter mit sich. Schließlich erreichten sie die Schule und Uruha sah sich um, hielt Ausschau nach seinen Freunden. "Kai-Chan! Ruha-Chan!", ertönte es laut quietschend hinter ihnen und Uruha fand sich sofort in der engen Umarmung Rukis wieder. Er wuschelte ihm durchs Haar und grinste. "Hab dich auch vermisst." Jeder wurde von Uruha einmal durchgeknuddelt und der Brünette strahlte. "Ich hab euch so vermisst." Kai beobachtet die Szene mit etwas Distanz. Er kannte die anderen zwar, aber nicht so gut wie Uruha. Sie waren ja auch schon länger befreundet. Also hielt er sich zurück. Uruha bemerkte, wie Kai auf Distanz ging und seufzte. Er zog ihn zu sich und meinte: "Kai, nun sei nicht so. Die anderen tun dir doch nichts." Mit einem Ruck schubste er ihn in Rukis Arme. Der Kleine nutzte sofort die Chance und hüpfte an Kai hoch, knuddelte ihn fest durch. "Siehst du, Kai. Wir haben dich alle lieb." Er zog die Augenbrauen nach oben und fand sich schon in einer festen Umklammerung des Kleinsten in der Runde. Und wieder schien es so, als hätte er was verpasst. Aber er ließ es einfach mit sich machen. Sein Blick allerdings richtete sich geradewegs an Uruha und deutete diesem, dass er mit der Situation mal wieder überfordert war. Dann durchzuckte ihn ein Schmerz und er keuchte auf. "Itai!" "Kai!" Sofort war Uruha an seiner Seite und hielt ihn vorsichtig in den Armen. Zärtlich strich er ihm über den Rücken und fragte besorgt: "Ist alles in Ordnung? Tut dir was weh?" Ruki stand geschockt da und starrte zu Kai hoch. Kleine Tränchen sammelten sich in seinen Augen und er schniefte: "Tut mir leid, Kai-Chan!" Sofort wurde er von Reita in den Arm genommen, der leise murmelte: "Deswegen musst du doch nicht heulen, Ruki..." Es tat wirklich etwas weh, aber der Schock darüber war größer als der Schmerz, den er verspürte. "Schon gut, Ruki-chan.", versuchte er den Kleinen vom Weinen abzuhalten. "Hab mich nur erschrocken." Er löste sich aus Uruhas Umarmung und streckte die Hand nach Ruki aus. "Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt hab, Ruki-chan." Laut schniefend kuschelte Ruki sich vorsichtig an Kai und sah ihn an. "Tut mir wirklich leid, ich mach´s nicht wieder." Uruha seufzte. Die Szene war ja wirklich süß, aber wenn sie sich jetzt nicht beeilten, würden sie zu spät in den Unterricht kommen und genau das war es, was Uruha vermeiden wollte. Also nahm er Kai und Ruki bei der Hand und ging mit ihnen in das Schulgebäude. Reita und Aoi folgten ihnen. Endlich erreichten sie den Klassenraum und setzten sich. Uruha saß wie immer zwischen Ruki und Kai und sah Kai süß an. "Tut dir noch was weh?" Kai schüttelte den Kopf. "Nein. Alles okay. Mir geht´s gut." Und schon klingelte es zum Unterricht. Er hatte irgendwie das Gefühl, dass die Stunde nie enden würde. Er war sich nicht sicher, ob es schon eine gute Idee war, wieder zur Schule zu gehen, aber er hatte dem Arzt ja solange in den Ohren gelegen, bis dieser natürlich nachgab. Jetzt hatte er den Salat. Das lange Sitzen tat ihm ganz und gar nicht gut. Langsam bildeten sich Schweißperlen auf seiner Stirn und er wurde kreidebleich. Uruha schlief beinahe während des Unterrichts ein. Englisch. Verdammt, war das langweilig. Wie gern würde er jetzt mit Kai im Bettchen liegen, kuscheln und seine Küsse genießen. Hach ja... Bei diesem Gedanken wurde er leicht rot um die Nase und sein Blick wanderte zu Kai. Nanu? Was war denn mit dem los? "Kai-Chan? Alles okay?", fragte er leise und sah Kai besorgt an. Er nahm nur halbherzig alles um sich herum wahr. Man war ihm mit einem Mal schlecht und alles drehte sich. Kurzzeitig wurde ihm schwarz vor Augen und mit letzter Kraft hob er den Arm, damit der Lehrer auf ihn aufmerksam wurde. "Mir is nicht g..." Zack und schon fiel er vom Stuhl und alles um ihn herum wurde schwarz. Da hatte er sich wohl doch etwas überschätzt. Sein Kreislauf hatte sich von ihm verabschiedet. Er zuckte zusammen, als Kai mit einem leisen Krachen vom Stuhl fiel und der Stuhl sogleich mit umkippte. Erschrocken sprang er auf und ließ sich neben Kai auf den Stuhl sinken. Er rüttelte ihn und schniefte: "Kai! Kai, mach die Augen auf!" In seinen Augen bildeten sich Tränen und er schrie seine geschockten Mitschüler und den Lehrer an. "So tut doch was! Sensei! Rufen Sie die Krankenschwester!" Er starrte Kai mit tränengefüllten Augen an und spürte, wie er sanft von Aoi in den Arm genommen wurde. "Kai..." Kai bekam nicht viel mit von dem, was um ihn herum geschah. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Er war umgeben von Schmerzen und Dunkelheit. Seine Rippen taten unheimlich weh. Irgendwann hörte er von weiter Ferne Uruhas Stimme, die seinen Namen rief. Nur sehr langsam kam er wieder zu sich und öffnete einen winzigen Spalt breit die Augen. "Gomen, Ruha...", stammelte er, bevor die Augen wieder zufielen. "Kai! Kai, bleib wach!", schrie er und rüttelte Kai immer wieder. Was war nur los? Es ging ihm doch die Tage wieder besser, wieso passierte das jetzt? Wieso? Warum gerade sein Kai? Die Krankenschwester kam ins Zimmer gestürmt, schubste Uruha unsanft von Kai weg und legte ihm ein nasses Tuch auf die Stirn. Dann maulte sie den Lehrer an, er solle Kais Beine etwas hochhalten, was dieser dann auch tat. Uruha lehnte sich haltsuchend an Aoi und weinte leise. "Was hat er denn?" Er spürte etwas Kaltes auf seiner Stirn und wie jemand scheinbar seine Beine anhob. Langsam spürte er, dass er wieder klarer im Kopf wurde. Und zum wiederholten Male öffnete er die Augen ein Stück. Sofort kniff er sie wieder zu. Warum starrten ihn denn alle an? Was hatte er denn schon wieder gemacht? "Was is los?", wimmerte er und versuchte nach Uruha zu tasten. Seine Hand wanderte über den kalten PVC-Boden. "Ruha?" Uruha hörte das leise Wimmern Kais und sofort wurde seinem Herzen ein Stich versetzt. Seinen Schatz so aufgelöst zu sehen, machte ihn fertig. Er löste sich von Aoi und krabbelte auf Kai zu. Sanft nahm er seine Hand und schluchzte leise vor sich hin. "Kai-Chan... Hörst du mich?" Seine Schultern bebten. Er verstand einfach nicht. Wieso war Kai ohnmächtig geworden? Was fehlte ihm denn? Endlich. Da war Uruhas Hand. Uruha war also doch da. Hatte er sich doch nicht geirrt. "Gomen, Ruha. War wohl doch zu früh." Er lächelte gequält, denn er hatte das Gefühl, dass sein Freund schon wieder wegen ihm weinte. "Fühl mich etwas schlapp." Langsam schlug er die Augen wieder auf und suchte nach den Augen, die er so sehr mochte. Aber er fand sie nicht. Stattdessen drifteten sie wieder zu und er schlief einfach ein. Mitten auf dem Fußboden seines Klassenraumes. "Kai... Wach bleiben...", murmelte er hilflos und schluchzte immer wieder auf, doch sein Freund reagierte nicht. Plötzlich wurde Kai einfach von ihm weggezogen und der Hausmeister hatte ihn auf dem Arm. "Ich bring ihn ins Krankenzimmer.", mit diesen Worten ging der Hausmeister mit Kai auf den Armen aus dem Klassenraum. Uruha wollte ihm sofort nachstürzen und bei Kai bleiben, doch der Lehrer hielt ihn am Arm gepackt. "Takashima, wo willst du denn hin? Du bleibst schön hier." "Aber... Aber ich muss doch zu Kai...", murmelte Uruha und sah den Lehrer flehend an. "Nichts da. Wir haben hier Unterricht. Und jetzt setz dich." "Sensei, bitte...!" "Setz dich, Takashima!" Mit tränenverschmiertem Gesicht ließ sich Uruha auf seinem Stuhl sinken und hickste immer wieder auf. Wieso durfte er nicht zu seinem Kai? Er wurde blass und zitterte. Was, wenn Kai etwas passierte? "Ruki...", schluchzte er und lehnte sich in die Arme des Kleinen. Nur undeutlich spürte er, wie sein Körper angehoben und weggetragen wurde. Wo sollte es denn jetzt hingehen? Und wo war Uruha? Warum war er nicht hier? Mehr als deutlich bemerkte er, dass das nicht Uruha war, der ihn mit sich trug. Das war nicht Uruhas Wärme, war nicht Uruhas Duft. Wieso? Irgendwann wurde er wieder abgelegt. Unter ihm spürte er etwas Weiches. Scheinbar lag er auf einem Bett oder sowas. Egal. Hauptsache er lag. Er konnte nicht mehr sitzen. Es tat so weh, dass ihm zwischenzeitlich immer wieder schwarz vor Augen wurde. "Uruha..." Immer wieder nuschelte er diesen Namen. Immer wieder wurde sein Körper von Schluchzern geschüttelt. Langsam aber sicher konnte er nun wirklich nicht mehr. Er wollte endlich nicht mehr weinen müssen und glücklich sein mit Kai. Wieso wurde ihnen das nicht gestattet. Wieso? Die ganze Zeit über hielt Ruki ihn im Arm und als es endlich zur Pause klingelte, war Uruha als erster auf den Beinen und rannte zur Krankenstation. "Wo ist Kai?", fragte er atemlos. "Im Zimmer natürlich. Aber du kannst nicht zu ihm. Er braucht Ruhe.", antwortete die Krankenschwester spitz. "Aber... Aber..." "Nichts da. Raus!" Uruha musste die Krankenstation wieder verlassen und brach auf dem Flur zusammen. Schluchzend ließ er sich gegen die Wand sinken. Er wollte doch zu Kai... Er hörte, wie es klingelte. Jetzt würde Uruha sicher zu ihm kommen. Das hoffte er zumindest. Er würde ihn jetzt gerne bei sich haben. Allerdings wurde ihm diese Hoffnung zunichte gemacht, als er eine barsche Stimme aus dem Raum nebenan hörte. Wo war er eigentlich? Und was war passiert? Seine Augen wollten nicht, wie er es wollte und auch sein Körper verwehrte seinen Dienst. Kai, du verdammter Bak! Hattest dich doch wieder etwas zu früh gefreut. Jetzt haste die Quittung dafür bekommen, rügte er sich. Dass er aber auch nie auf andere hören konnte. Plötzlich rutschte ihm doch ein kleiner Ruf über die Lippen. "Uruha?" Der Name hallte laut durch den Raum und die Schwester kam sofort in den Raum gestürmt. Schluchzend lehnte er an der Wand und vergrub sein Gesicht hinter den Händen, während er seine Beine an den Körper zog. Er verstand nicht, warum man ihn nicht zu Kai ließ. Er wollte ihm doch bloß helfen und ihm nahe sein. War das etwa so schlimm? "Ruha... Hey, steh vom Boden auf...", hörte er plötzlich Reitas sanfte Stimme. Reita war Uruhas bester Freund und er mochte es gar nicht, wenn der Jüngere weinte. Also wurde Uruha in den Arm genommen und schmiegte sich haltsuchend an Reita. "Sie lassen mich nicht zu ihm..." Mal wieder wurde er untersucht und mit irgendwelchen kalten Gegenständen belagert. Kein sehr tolles Gefühl. Aber er hatte Fieber. Das hatte er schon mitbekommen. Darüber hatten sich die Leute vorhin schon unterhalten. Und das kühlende Gefühl auf seiner Stirn war da schon angenehm und senkte seine Körpertemperatur um ein paar Grad. Er schwitzte entsetzlich und seine Klamotten klebten ihm am Körper. Am liebsten hätte er sie sich vom Leib gerissen. Aber ihm fehlte dafür die Kraft. Außerdem würde er sich nur einer Person so zeigen. Nicht vor jedem. Das wär zu peinlich. "Uke-kun?" Sanft wurde er gegen die Wangen geschlagen und leicht durchgeschüttelt. Zögerlich öffnete er die Augen und betrachtete die Person vor sich. "Da ist jemand, der zu Ihnen will. Darf ich ihn rein lassen?" Er fragte sich zwar, warum man ihn jetzt sowas Doofes fragte, aber er nickte einfach mal. Uruha lag immer noch in Reitas Armen und schluchzte. Nervös knabberte er an seinem Nagelbett und stierte in die Luft. Er wollte endlich zu Kai! Plötzlich ging die Tür auf und die Krankenschwester bat ihn herein. Das ließ sich Uruha natürlich nicht zweimal sagen und er eilte sofort in Kais Zimmer und ließ sich an seinem Bett nieder. Mit zitternder Hand strich er Kai über die warme Wange. "Schatz... Was ist los?" Da war er. Da war der Mensch, den er so sehr mochte. Nein! Den er liebte und er hörte schon aus seiner Stimmlage, dass er sich Sorgen um ihn machte. Schon wieder. Zögerlich und mit zittriger Hand griff er nach Uruhas. Die Augen schaffte er nicht offenzuhalten. Seine Lider waren zu schwer. Und seine Hand sackte sofort zurück auf die Matratze, als er Uruhas Hand an seiner spürte. "Es tut mir wirklich leid.... Mein Kreislauf hat nen Knacks." Er lächelte. "Mach dir keine Sorgen, bitte." "Kai... Mach die Augen bitte auf, hai? Ich will deine Augen sehen können!" Seine Stimme zitterte genauso wie sein gesamter Körper. Er wollte endlich Ruhe und Frieden haben und nicht dauernd weinen müssen. Wieso gönnte man ihm das nicht? "Schatz... Werd bitte schnell gesund..." Nur schwer konnte er Uruhas Bitte erfüllen. Seine Augen öffneten sich und er versuchte Uruha anzuschauen. Ihn zu erkennen. Es fiel ihm sichtlich schwer. Aber als er sah, dass sein Schatz schon wieder geweint hatte, strengte er sich extra an und hielt sie offen, so gut es ging. "Bitte nicht weinen." Und wieder hob er die Hand. Diesmal legte er sie aber an Uruhas Wange. "Ich werd mich anstrengen. Aber bitte. Bitte weine nicht mehr, ja?" Er lächelte sanft. "Erfüllst du mir diese Bitte?" "Ich kann nicht...", wisperte er gequält und neue Tränen liefen seine Wangen hinab. "Ich hab Angst um dich..." Er schluchzte immer wieder auf und hielt Kais Hand fest mit seiner umschlungen. Die Hand in seiner eigenen fühlte sich kalt und klamm an und er nahm sie fester. "Bitte... Mach das nie wieder." Fahrig versuchte er, sich die Tränen wegzuwischen, jedoch klappte dieses Vorhaben nicht so, wie er wollte. "Ruha..." Er seufzte. Wieso weinte er denn nun schon wieder? Und wie konnte er ihn dazu bewegen, dass nicht mehr zu tun? Mühsam setzte er sich auf. Er wollte seinen Schatz in den Arm nehmen und ihm beistehen. Schließlich war ja auch er hierfür verantwortlich. Sofort zog er ihn in den Arm. Ihm war gerade egal, dass er unter Schmerzmitteln stand. Er nutzte die Chance und drückte Uruha fest an sich. "Komm, Ruha. Hör bitte auf zu weinen." Beruhigend strich er ihm über den Rücken. "Ich versprech dir, dass ich ab morgen den ganzen Tag im Bett bleib, bis der Arzt sagt, dass ich wieder aufstehen darf, ja?" "Ver-Versprochen?" Seine Stimme klang kratzig und er sah Kai aus geröteten und geschwollenen Augen an. Er kuschelte sich eng an seinen Schatz und küsste ihn. "Dann versuch ich auch, nicht mehr zu weinen." Er lächelte schwach und wischte sich mit zittrigen Fingern die Tränen aus dem Gesicht und schmiegte sich weiterhin an Kai. "Besser so?" Jetzt lächelte er liebevoll und strich Uruha eine letzte Träne von den Wangen. "Okay, abgemacht." Er küsste ihn sanft. "Bleibst du noch etwas bei mir?" Doch seine Frage wurde schon beantwortet, als die Schwester ins Zimmer kam und sie verdattert anschaute. "Ich...", wollte er gerade antworten, als die Krankenschwester hereinkam und mit offenem Mund stehenblieb. Kais Hand ruhte immer noch auf Uruhas Wange und ihre Gesichter waren sich noch immer sehr nahe. Sie wurde rot und stammelte: "Ich... Ich wollte bloß sagen, dass Sie nach Hause können, Uke-San. Sie haben eine Schulbefreiung. Und sie, Takashima-San, sollen bitte sofort in die Klasse. Der Unterricht geht weiter." Uruha sah erschrocken auf. "Aber..." Nicht nur die Schwester errötete, auch Kai bekam gerade eine Spur mehr Farbe im Gesicht. Aber es störte ihn so nicht weiter. Sollte sie ruhig wissen, dass da mehr zwischen ihnen war als bloße Freundschaft. Von ihm aus konnte die ganze Welt das wissen. Dann hörte er Uruhas Ansatz zum Protest und legte diesem sofort den Finger gegen die Lippen. "Keine Widerrede, Ruha. Nicht ein Wort. Das hast du versprochen." "Ich hab versprochen, nicht zu weinen! Aber ich lass dich doch jetzt nicht alleine! Spinnst du?" Er schaute Kai grantig an und zog seinen Schmollmund. "Nie und nimmer. Ich begleite dich nach Hause!" Er stand auf und half Kai sanft auf die Beine, stützte ihn so gut es ging. "Du kannst eh nicht alleine nach Hause. Du bist viel zu schwach." Er würde sich nicht davon abbringen lassen. Ihm wurde von seinem Freund aufgeholfen. Doch dass er sich ihm schon wieder widersetzte, passte ihm ganz und gar nicht. "Nein!", gab er offen zu. "Ich will das nicht." Er versuchte sich, von Uruha zu lösen. Nur mit Mühe schaffte er es und torkelte zurück zum Bett, dass nur wenige Zentimeter weg war. "Ich will es nicht! Und keine Widerrede mehr!" Er warf Uruha einen ernsten Blick zu. Uruhas Unterlippe bebte und seine Schultern zuckten. Nein, er wollte jetzt nicht wieder weinen. Aber es ging nicht anders. Zahlreiche Tränen bahnten sich den Weg über seine Wangen und er starrte Kai enttäuscht an. "Weißt du was? Dann geh eben alleine! Mit mir brauchst du dann auch nicht mehr zu rechnen!" Er stürmte aus dem Krankenzimmer und eilte die Gänge entlang aus dem Schulgebäude hinaus. Er wollte einfach nur nach Hause. Und Kai wollte er erst mal nicht mehr sehen. Wie konnte er denn bloß? Wie konnte er ihn so abweisen? Uruha wollte doch nur helfen... Verwirrt blieb er zurück und starrte die offen gebliebene Tür an. Uruha hatte sich einfach aus dem Staub gemacht. Aber wieso? Hatte er sich falsch ausgedrückt? Er hatte doch nur gewollt, dass Uruha nicht noch länger die Schule vernachlässigte. Und das nur wegen ihm. Er seufzte. Na toll. Hast du wieder super hinbekommen, Kai. Du trittst aber auch von einem Fettnäpfchen ins nächste. Aber was sollte er denn jetzt machen? Er konnte Uruha ja schlecht nachlaufen. In seinem Zustand war das unmöglich. Er konnte sich ja kaum auf den Beinen halten. Und schon wurde seine Frage beantwortet, denn Aoi, Ruki und Reita traten ins Zimmer. Uruha war ja wie ein Irrer an ihnen vorbeigefegt. "Was is denn mit Uruha los?", fragte Aoi ihn etwas verdutzt. Kai seufzte. "Hab wohl was Falsches gesagt." Betreten schaute er zu Boden. "Okay, ich werd mal nach ihm sehen." Und schon machte sich Reita auf den Weg. Er wusste ja eh, wo er seinen besten Freund jetzt finden würde. Ruki schaute etwas verwirrt von Kai zu Aoi und dann hastete er auch schon aus dem Zimmer. "Reita! Warte!" Zurück blieben Kai und Aoi. "Was haste denn angestellt, mein Lieber?", begann Aoi auch gleich das Verhör. Wütend vergrub Uruha seine Hände in den Hosentaschen und schnaubte. Pah! Wie konnte es Kai wagen, ihn so abblitzen zu lassen? Er hatte ihm helfen wollen. Und er war sauer. Um nicht zu sagen stinksauer. Mürrisch kickte er einen Stein vor sich her und ließ sich auf eine Bank im Stadtpark sinken. Er hatte eigentlich doch keine Lust, jetzt nach Hause zu gehen. Wäre sowieso niemand da und er würde sich nur noch einsamer fühlen. "Was hast du denn gemacht, Kai?", fragte Aoi, nachdem Ruki aus dem Zimmer gerannt war. Er seufzte und ließ sich neben Kai sinken. "Wieso ist Ruha gerannt, als wären zehn T-Rex hinter ihm her und wieso hat er geweint?" Kai seufzte abermals und ließ sich wieder auf das Bett nieder, in dem er noch vor wenigen Augenblicken geschlafen hatte. "Gute Frage." Er wusste es ja selbst nicht so genau. "Ich hab mich wohl falsch ausgedrückt, glaub ich." Irgendwie wurde er nervös. Er konnte mit Aoi eben nicht so offen reden, wie er es gern wollte. Er kannte ihn schließlich kaum. Gemeinsam rannten sie Uruha hinterher. Okay, sie gingen ihm hinterher. Reita wusste scheinbar wirklich genau, wo Uruha sich hin verzog, wenn er sich zurückziehen wollte. Sofort setzte er sich neben Uruha auf die Bank und legte freundschaftlich einen Arm um dessen Schulter. "Was is denn los, Urupon. Du siehst scheiße aus." Ruki pflanzte sich schweigend neben sie und beobachtete seine zwei Freunde. "Vielen herzlichen Dank für deine Anteilnahme.", fauchte Uruha wie eine Raubkatze und sah Reita stinkig an. "Ich bin so sauer auf Kai, das könnt ihr euch gar nicht vorstellen!" Er ballte die Hände zu Fäusten. "Da will ich ihm helfen und was macht er? Will mich einfach nicht dabei haben. Ich dachte, wir sind ein Paar und helfen dem anderen. Wieso durfte ich ihm nicht helfen?" Aoi hob eine Augenbraue. "Wie? Falsch ausgedrückt? Wie darf ich das jetzt bitte verstehen?" Er nahm Kais Hand und drückte sie. "Nur keine falsche Scheu, mir kannst du doch vertrauen." Gut, dann würde er vielleicht auch endlich verstehen, warum Uruha ständig so austickte, wenn er etwas von ihm wollte. "Es ist so, dass ich gestern beim Arzt war." Er machte eine Pause und schaute Aoi verlegen an. Es war schon merkwürdig, mit jemandem, den man kaum kannte, über den Menschen zu reden, den man liebte. Aber irgendwie schien es Aoi überhaupt nich zu stören. "Eigentlich durfte ich noch nicht zur Schule, aber ich hab nicht nachgelassen. Uruha hatte eh schon viel zu viel verpasst wegen mir." Kurze Pause. "Ich hab ihm zwar versprochen, dass ich jetzt wirklich im Bett bleiben würde, bis ich das Okay vom Arzt bekomme, aber..." "Komm schon." Reita buffte ihm leicht in die Seite und grinste. "Du kannst ihm doch gar nicht böse sein." Er wollte schon gern wissen, warum sein bester Freund jetzt so mies drauf war. Da musste doch schon so einiges passiert sein, was Uruha so aus der Fassung bringen konnte. "Was hat er gemacht?" "Also... Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, bist du trotzdem zur Schule gegangen, auch wenn du nicht durftest. Wusste Uruha, dass du noch Bettruhe hattest?" Er seufzte und fuhr sich durchs Haar. "Aber ich versteh immer noch nicht, wieso Ruha geweint hat. Was war der Grund? Nur, weil du eben umgekippt bist, rennt man doch nicht so raus. Und schon gar nicht Uruha, der ist so treudoof, dass er für immer an deinem Bett sitzen und dein Händchen halten würde, nur damit es dir besser geht." "Bin ich aber! Ich wollte Kai doch bloß nach Hause bringen, weil er es alleine nicht schaffen würde. Und er weist mich ab und meint, er will nicht, dass ich ihm helfe!" Er gestikulierte wild mit den Armen und merkte nicht, wie er wieder weinte. "Ich wollte bei ihm bleiben!" Er atmete einmal tief durch. "Das war wohl auch nicht der Grund dafür. Es ist eher, dass ..." Er drehte den Kopf verlegen weg. "Er wollte mit zu mir nach Hause kommen und ich...ich hab gesagt, dass ich das nicht will." Kai schüttelte den Kopf. Er konnte ja nicht wissen, dass Uruha sich so sehr um ihn sorgte. Das war neu für ihn. Wie sollte er mit so etwas umgehen? "War das etwa falsch von mir?" Er hob den Blick und musterte Aoi, der ihm hoffentlich gleich eine Antwort auf seine Frage geben konnte. Reita nahm den Größeren in den Arm. Eigentlich war das nicht so seine Art und auch nicht das, was er besonders gut konnte, aber eine andere Möglichkeit sah er jetzt nicht. Also legte er die Arme um dessen Körper und zwang ihn so, endlich mal stillzuhalten. "Hey, ich glaub, du hast das was falsch verstanden, mein Lieber." Er lächelte sanft. "Oh je, Kai. Da bist du total ins Fettnäpfchen gefallen, mein Lieber.", er machte eine kurze Pause. "Weißt du... Als ich 17 wurde, da haben wir zu viel getrunken und ich war so angeheitert, dass ich nicht mehr gerade gehen konnte. Uruha hatte mir angeboten, mich nach Hause zu bringen, aber ich hab abgelehnt. Und da hatte er eine ganze Woche nicht mehr mit mir geredet. Wenn er nämlich helfen will, dann WILL er helfen und fühlt sich vollkommen nutzlos und verraten, wenn ihm gesagt wird, dass man keine Hilfe braucht. Verstehst du? So ist Ruha nun mal, das darfst du ihm nicht übelnehmen. Er sorgt sich um dich und wird krank vor Sorge, wenn er dir nicht helfen kann oder darf." Schluchzend kuschelte sich Uruha in Reitas Umarmung und schniefte. Ruki kuschelte sich von hinten an Uruha und dem Gitarristen wurde ganz warm. Er hob den Kopf und sah Reita an. "Was? Was hab ich falsch verstanden?", fragte er verdutzt. Damit hatte er jetzt nicht gerechnet. Uruha war also von Natur aus so ein hilfsbereiter Mensch. "Aber..." Ja, was sollte er denn jetzt sagen? Dass er wollte, dass Uruha lieber zur Schule ging? Dass er es lieber sah, wenn man sich nicht zu viele Sorgen um ihn machte? "Weißt du? Ich...ich hab ihn wirklich gern, aber ..." Er versuchte, seine Gedanken in Ordnung zu bringen. "Er hat so viel geweint und... ich wollte nicht, dass er sich noch mehr Sorgen um mich macht und dann wieder weint. Das ertrag ich nicht." Irgendwie war er den Tränen wieder ein Stück näher gekommen. "Deshalb hab ich ihm auch erst nichts gesagt, dass ich nur auf mein Verlangen zur Schule gehen durfte. Davon wusste er nichts." Er schniefte leise und versuchte die aufkommenden Tränen zu unterdrücken. "Ob er mich jetzt hasst?" "Man, Urupon. Du bist manchmal aber auch echt schwer von Begriff." Ruki stupste ihn von hinten an. "Wenn du das nicht kapierst, dann weiß ich auch nicht." Reita grinste und Ruki kuschelte sich frech an Uruhas Rücken. "Ganz einfach." Reita stupste ihm mit dem Finger leicht gegen die Stirn. "Er sieht, wie mies es dir geht, wenn er bei dir ist und will dich davor schützen." Der Kleinste nickte bestätigend. Auch wenn sie den Schwarzhaarigen wirklich noch nicht sehr lange kannten, so haben sie doch schnell begriffen, dass er ein warmherziger und sehr verlässlicher Mensch ist. "Du solltest dir überlegen, ob du es wie mit Aoi machst damals oder ob du dich mal am Riemen reißt und über deinen eigenen Schatten springst.", machte sich der Kleinste abermals bemerkbar. Aoi sah ihn an. Kurz überlegte er, dann schüttelte er den Kopf und lächelte sanft. "Nein, keine Sorge. Er hasst dich nicht. Er ist jetzt bloß frustriert und enttäuscht, dass er dir nicht helfen konnte. Mehr nicht. Vertrau mir da einfach. Ich kenne Uruha lange genug, um zu wissen, wann er sich wirklich verliebt hat und wann es nur eine Schwärmerei ist. Und dir, mein lieber Kai, kann ich hoch und heilig versichern, dass Uruha bis über beide Ohren in dich verknallt ist. Da wird er dich niemals hassen können." Er grinste leicht und knuffte Kai sanft. "Überleg doch mal. Uruha wird dauernd rot, wenn er dich sieht und er bekommt so ein Glitzern in den Augen. Ihr seid so ein süßes Paar, da solltet ihr euch nicht streiten. Ruha beruhigt sich bald wieder und dann kommt er zu dir zurück. Das verspreche ich dir." Entsetzt sah er Reita an. "Wie bitte? Mir geht es nicht mies, wenn ich bei ihm bin! Wie kommt er denn auf so einen Scheiß? Ich liebe ihn! Und deswegen will ich ihm doch helfen. Versteht ihr mich denn nicht? Ich will ihm einfach nur helfen." Dann wurde er leicht rot bei Rukis Worten und schaute zu Boden. "Das mit Aoi war kindisch, ich weiß... Aber ich bin nun mal so, das kann ich nicht ändern." Kai wurde rot wie eine Tomate. War das so offensichtlich, dass sie verliebt waren? Verhielt er sich denn genauso? Bekam er auch ein Glitzern in den Augen, wenn Uruha bei ihm war? Wurde er auch andauernd rot? Wenn er es sich so recht überlegte, ja. Ja, Kai verhielt sich genauso. Und er war mehr als verliebt. "Aoi?" Er wollte jetzt wirklich mal was fragen. "Kannst du mir noch mehr von ihm erzählen? So von früher." Seine Augen begannen zu strahlen. Er hatte jemanden hier neben sich, der ihm mehr über seinen Freund sagen konnte, als Uruha wohl selbst von sich freiwillig preisgeben würde. Mit einem bittenden Blick schaute er den anderen an. "Bitte." "Hey, hey, hey. Beruhig dich. So war das auch nicht gemeint.", versuchte Ruki seinen Kumpel zu beruhigen. "Man kann es auch so sagen. Kai läuft nicht ganz so sehr mit der rosaroten Brille durch die Gegend wie du, Ruha." Ruki mutierte hier noch zum Oberlehrer. "Er sieht, dass du dir Sorgen um ihn machst." Jetzt mischte sich auch sein bester Freund in die Unterhaltung wieder mit ein. "Er will nicht, dass es dir schlecht geht. Und momentan weiß er nur nicht, wie er dich anders davor schützen kann, als dich etwas auf Distanz zu halten." "Du willst mehr über Uruha erfahren? Na gut... Wo fang ich an... Ich erzähl dir mal von seinem 14. Geburtstag." Er lachte leise, räusperte sich kurz und begann zu erzählen. "Also. Uruha hat am 9. Juni Birthday. Ist ja klar, dass wir dann eine Party im Grünen schmeißen. Und Ruha hat wirklich immer Glück mit seinem Geburtstag. Bis jetzt hat es kein einziges Mal geregnet. Jedenfalls sind wir dann alle gegen Nachmittag bei ihm eingetrudelt und haben ein wenig Vorgeglüht. Wie du ja weißt, sind Uruhas Eltern sehr beschäftigt und deswegen achtet keiner darauf, was Uruha sich kauft. Naja und er hatte eine Menge Alk besorgt. Woher er das hatte, weiß ich nicht. Jedenfalls haben wir uns richtig schon die Kante gegeben und sind dann durch die Straßen gezogen und haben Klingelstreiche gemacht. Klingt zwar kindisch, ist aber so und es hat riesigen Spaß gemacht. Uruha hat dann mal bei einer alten Oma geklingelt und wollte eigentlich weglaufen. Aber er war so besoffen, dass er über seine Füße gestolpert ist, gerade, als die Frau geöffnet hat. Und weißt du was? Unser guter Uruha ist mit dem Gesicht mitten im Ausschnitt von der Oma gelandet. Du ahnst gar nicht, wie süß rot er geworden ist. Und ich glaube, dieses Ereignis hat ihn geprägt. Deswegen ist er schwul geworden." Aoi lachte herzhaft, als er sich an das Gesicht des kleinen Vierzehnjährigen erinnerte und wie hochrot Uruha war. "Mir geht es doch aber nicht schlecht in seiner Gegenwart. Es geht mir fantastisch! Und dass ich mir immer Sorgen machen werde, ist ja wohl selbstverständlich. Ich meine... Ich liebe ihn!" Er seufzte leise und kuschelte sich an Reita und Ruki, die ihn beide fest umarmten. Gespannt verfolgte er Aois Geschichte von Uruha. Irgendwie stellte er sich das gerade bildlich vor und musste kichern. Armer Uruha. Das war bestimmt ein prägendes Ereignis in seinem jungen Leben. Aber war das wirklich ein Grund, warum er schwul war? Moment. Uruha war schwul? War er dann auch schwul? Aber ... Aber er hatte sich doch nur in Uruha verliebt. "Du? Wie is das eigentlich, wenn man schwul is? Ich mein... ich hab mich zwar in Uruha verliebt, aber... " Tja, gute Frage, wie er das jetzt formulieren sollte. Und er wusste ja noch nicht mal, ob Aoi auch auf Männer stand. War wohl echt nicht der richtige Ansprechpartner für diese Sache. Schnell das Thema wechseln, schoss es ihm durch den Kopf. "Und was meinst du? Was soll ich jetzt mit Uruha machen?" "Du stehst ganz schön auf der Leitung." Ruki schnipste mit dem Finger gegen Uruhas Stirn. "Kapier doch endlich mal, dass Kai sich auch Gedanken um dich macht und wie es dir dabei geht." "Genau. Uruha, es ist schön, dass du dich um ihn sorgst. Das verstehen wir auch. Aber momentan geht dir das echt an die Nieren. Kai wird schon wieder gesund, aber du musst auch mal auf ihn hören." "Und auch auf uns.", grummelte Reita. "Keiner will dir was Böses und Kai am allerwenigsten. Der strahlt doch schon, wenn er dich aus 3 Kilometern Entfernung wittert. Er is bis über beide Ohren in dich verschossen. Das sieht doch ein Blinder." Reita nickte zustimmend. "Aber ihr müsst einen Kompromiss finden." Verdutzt starrte er ihn an. Was ging denn nun ab? "Huh? Wie soll ich das verstehen? Du bist nur in Uruha 'verliebt'? Ich dachte, du liebst ihn richtig. Verliebt sein ist was anderes.", er seufzte leise. "Und was soll das heißen: 'Wie ist das, wenn man schwul ist? Das kann ich dir sagen. Man steht nicht auf Möpse, sondern auf Schwänze. Kapische?" Er lachte leise. "Ich finde, ihr solltet nochmal in Ruhe miteinander reden. Anders geht es doch eh nicht." Uruha seufzte. "Hm... Meint ihr, er liebt mich wirklich richtig?", er wurde rot. "Das wäre so wunderschön... Ich liebe ihn jedenfalls richtig und ich will immer bei ihm sein." Schnell winkte er ab. "Du verstehst das falsch, Aoi. Ich...ich liebe ihn schon, aber ich war noch nie vorher mit einem Mann zusammen. Das is so anders und..." Verlegen schaute er zu Boden. "Ich glaub, dass er der erste is, für den ich..." Er wurde richtig rot. "Ich glaub, er ist meine erste große Liebe." Seine Stimme wurde immer leiser. Es war ihm peinlich...irgendwie zumindest, aber er empfand es wirklich so. "Ich möchte, dass er immer an meiner Seite ist, aber..." Er schluckte. "Er weint so viel, wenn er bei mir ist. Das macht mich traurig und... ich weiß nicht, was ich machen soll. Er soll nicht weinen. Schon gar nicht wegen mir." Eine Träne löste sich. Reita seufzte schwer. "Bist du so schwer von Begriff oder tust du grad nur so?" Er boxte ihm leicht gegen die Schulter. "Der Typ is mehr als nur verliebt in dich. Und nach dem Verliebt sein kommt nur noch eine Stufe, oder etwa nicht?" Jetzt grinste er und Ruki wedelte wild mit den Armen. "Ja! Kai-chan liebt dich wirklich. Das sieht man doch sofort." Aoi sah ihn mitleidig an und legte einen Arm um ihn. Auch, wenn sie sich noch nicht lange kannten. Er mochte Kai und er wollte nicht, dass er traurig wurde. "Kai... Uruha ist nun mal sensibel, da kannst du genauso wenig dafür wie irgendeiner von uns anderen. Uruha weint schnell, das kennen wir zu Genüge." Er strich Kai übers Haar und seufzte theatralisch. "Nimm es ihm bitte nicht übel. Er weint nicht, weil er es nicht aushält bei dir, sondern weil er dich so sehr liebt und sich um dich sorgt." Uruha wurde rot und sah zu Boden. Verlegen zuppelte er an seinem Shirt rum. "Wirklich? Aber... Wieso will er dann nicht, dass ich bei ihm bin? Nur, damit ich mir nicht Sorgen mache? Aber ich mache mir doch erst recht Sorgen, wenn er krank ist und ich nicht bei ihm sein kann." Immer wieder rollte eine Träne über seine geröteten Wangen. War das wirklich der Grund, warum Uruha immer weinte, wenn er bei ihm war? Oder lag es doch nur an ihm? Machte er alles falsch, was man falsch machen konnte? "Wirklich?" Er schniefte. "Liegt es nicht an mir?" Er wollte Gewissheit haben. "Ich könnte es nicht ertragen, wenn er mich deshalb hassen würde. Er... er ist der wichtigste Mensch in meinem Leben geworden." Weinend ließ er sich von Aoi in die Arme ziehen und sich trösten. Es tat gut, aber es fühlte sich anders an als bei seinem Liebsten. "Ruha." So langsam verlor er die Geduld. Auch wenn Uruha sein bester Freund war, aber seit er Kai kannte, war er irgendwie anders. Er wirkte immer so verletzlich. Jede Regung, die Kai von sich gab, schien der Größte einfach in sich aufzunehmen und genauestens zu analysieren. Wenn Uruha nicht aufpasste, dann würde das irgendwann nach hinten losgehen. "Wie soll ich das erklären?" Er rieb sich nachdenklich das Kinn. Aber da nahm Ruki ihm diese Aufgabe schon ab. "Du machst dir zu viele Sorgen um ihn. Kai ist kein Baby. Auch wenn du das manchmal gern hättest. Und du kannst ihm derzeit nicht wirklich helfen. Das macht dich fertig und lässt Kai verzweifeln, weil er ja sieht, dass du ihm helfen willst. Geht aber nicht. Also schickt er dich weg." "Ja und er meint es absolut nicht böse." Leicht lächelnd schüttelte Aoi den Kopf und strich Kai sanft über den Rücken. "Mach dir keine Gedanken. Uruha liebt dich so sehr und es liegt nicht an dir persönlich, dass er weint. Er will dich nur beschützen und es verletzt ihn, wenn er das nicht darf. Er kommt sich nutzlos vor. Und das ist ein Gefühl, dass Uruha nur sehr schwer ertragen kann. Ich kenne ihn jetzt schon so lange und weiß, wovon ich rede. Ruha könnte dich nie hassen, Kai. Dafür liebt er dich zu sehr." Er seufzte. "Na komm, ich bring dich jetzt nach Hause. Da ruhst du dich aus und wenn es dir besser geht, schleif ich Uruha zu dir und ihr redet miteinander, ja?" Uruha rieb sich die Schläfen. Er hatte höllische Kopfschmerzen. "Wenn ich gewusst hätte, wie kompliziert die Liebe ist, wär ich Mönch geworden. Die müssen sich nicht mit sowas Rumschlagen." Er seufzte und stand auf. "Trotzdem danke für eure Hilfe. Ich kann damit nur noch nicht umgehen, tut mir leid. Das geht nicht so einfach." Er drehte sich um und winkte ihnen noch einmal zu. "Ich geh nach Hause. Bye!" Kai nickte nur und ließ sich ohne den geringsten Widerstand von Aoi nach Hause bringen. Dort sorgte der Ältere auch sofort dafür, dass er sich ins Bett legte. Er wurde sogar noch mit sämtlichen Kleinigkeiten versorgt, an die er selbst nie gedacht hätte. Aoi legte ihm das Handy neben das Bett, eine Packung Taschentücher, hatte in der Küche nach einer Flasche Apfelsaft gesucht und gefunden. Jetzt stand sie neben ihm und ein Glas auf seinem Nachtschrank. Sogar die Fernbedienung hatte er ihm auf die Bettdecke gelegt. Fehlte nur noch der Nachtpott, damit er auch ja nicht aufstand. "Arigatou, Aoi-sempai." Er wusste wirklich nicht, wie er sich bei ihm für seine Hilfe bedanken sollte. Und vor allem nicht für sein offenes Ohr. Es hatte ihn unendlich erleichtert. Kai schloss die Augen und genoss die Wärme in seinem Bett. Als Aoi allerdings weg war, stiegen ihm wieder Tränen in die Augen. Überall roch es nach Uruha. Aber er war nicht hier. Verwirrt schauten sich Reita und Ruki an. Uruha war einfach abgedüst. "Was geht denn jetzt ab?" Reita zuckte nur mit den Schultern. So haben sie ihren Kumpel noch nie erlebt. Doch dann grinsten sie sich gegenseitig an. "Der is völlig vernarrt in ihn.", meinte der Kleinere nur und kuschelte sich an Reita. Auch der andere nickte nur. "Ja, sieht so aus." Sie beschlossen, Uruha einfach ziehen zu lassen. Sie waren sich sicher, dass er nicht lange bei sich zuhause bleiben würde. Uruha schloss die Tür auf und schmiss sie zurück ins Schloss. Sogleich rannte er in sein Zimmer und warf sich aufs Bett. Verzweifelt drückte er sein Gesicht in sein Kopfkissen und schluchzte leise. Er wusste einfach nicht, was er machen sollte. Es war so schwierig, seinen inneren Schweinehund zu besiegen und Kai in Ruhe zu lassen, wenn er es wollte. "Ich will doch nur helfen...", wisperte er in die Stille des Raumes hinein. Niemand war da, der sich um ihn kümmerte. Niemand. Nicht einmal seine Mutter. Und die hätte er jetzt dringend gebraucht. Eine Mutter, die ihn in den Arm nahm und mit ihm über seine Probleme sprach. Nach einer Weile hielt er es nicht mehr aus. Er tapste in den Vorratskeller, schnappte sich eine Falsche Moet&Chandon und öffnete sie. Erst starrte er sie nur an, dann begann er, etwas davon zu trinken. Er konnte mit der Situation nicht umgehen, dass Kai ihn im Moment einfach nicht zu brauchen schien. Wie lange saß er jetzt hier und starrte den Zettel in seiner Hand an? Ja, einen kleinen Zettel mit einer Nummer drauf. Die Nummer hatte Aoi ihm gegeben. Es war seine Nummer, die er ihm dagelassen hatte, wenn er mal jemandem zum reden brauchte. Oder einfach nur jemanden, der bei ihm war. Und genau das brauchte er jetzt. Er brauchte jemanden, der bei ihm war. Noch eine ganze Weile stierte er auf das Stück Papier, bevor er dann doch nach seinem Handy griff und mit verquollenen Augen die Nummer eintippte. Ungeduldig wartete er, dass Aoi endlich abnahm. Mit glasigem Blick stierte er auf die nun halbleere Alkoholflasche in seiner Hand. Ihm war schwindelig und seine Sicht drehte sich. Anscheinend vertrug er doch nicht so viel Alkohol. Er versuchte aufzustehen, jedoch fiel er sofort wieder auf den Hintern. Was war los? Plötzlich klingelte neben ihm etwas und er hickste auf. Huch? Was war das denn jetzt? Verwirrt bohrte er sich im Ohr und fragte sich, warum das Klingeln denn nicht wegging. Dann kapierte er endlich, dass das sein Handy war und langte danach. Nach einigen Sekunden hatte er es endlich geschafft, den Anruf anzunehmen. "Moshi... Moshi?", lallte er und hickste. "Wir kaufen nichts...", fügte er ernst guckend hinzu. Er hörte etwas, das ihn stutzen ließ. Verdutzt hielt er das Telefon vor sein Gesicht und starrte die Nummer an. Er verglich sie schnell mit der, die auf dem Zettel stand. Aber er konnte keinen Fehler finden, also legte er sich das Handy wieder ans Ohr. "Moshi moshi... Wer is denn da?" Ja, er fragte, denn die Stimme gehörte eindeutig nicht Aoi. Da war er sich sicher. Aois Stimme war tiefer und klang eindeutig anders. Aber Aoi hatte ihm diese Nummer gegeben, also musste er doch bei ihm gelandet sein. "Ich würde gern mit Shiroyama-kun sprechen." Verdutzt zog er die Augenbrauen zusammen. Dann lallte er ins Telefon: "Nun höa mia ma su... Du... Du komisches Telefondingens da... Hia is Uruha und isch bin gerade nisch so wirklisch da. Mia brummt da Kopp." Er hickste nochmal und murmelte dann leise: "Oh, pardon..." Dann legte er einfach auf und schmiss sich zurück ins Bett. Himmel und Hölle, ihm drehte sich alles. Tutututu... Da hatte der einfach aufgelegt? Was war denn das für eine Aktion? Noch verwirrter als vorher starrte er sein angebliches Hightechding an. Wieso war er nicht bei Aoi gelandet? Der hatte ihm doch die Nummer gegeben? Aber? Plötzlich stockte er. "Uruha?" Hatte er das richtig gehört? War das Uruha gewesen? Irgendwie versuchte er seine Gedanken zu ordnen und das eben geführte Gespräch noch einmal Revue passieren zu lassen. Er kam zu dem Schluss, dass das wirklich Uruha war. Die Stimme klang zwar etwas komisch, aber sie gehörte eindeutig zu Uruha. Aber...Was machte er? Er klang, als wäre er besoffen? Kais Kopf rauchte. Er überlegte, was er jetzt machen sollte. Sollte er das jetzt ignorieren? Sollte er es noch einmal versuchen? Oder sollte er einfach zu Uruha gehen und nachsehen, ob es ihm gut ging? Nach einigem Hin und Her entschied er sich, die Nummer abermals zu wählen. Welcher Blödmann wagte es, ihn nochmal anzurufen? Er hatte doch gesagt, dass ihm schwindlig war. Total angepisst hob er erneut ab und knurrte: "Alda... Was willst du? Mia gehts gerade sowas von be... beschissen, Mann..." Er rieb sich die Schläfen und murrte auf. Ihm drehte sich wirklich alles. War das noch normal? Fühlten sich so die Erwachsenen, wenn sie betrunken waren? Oh Gott. "Mia... Mia is schlecht...", brachte er gerade noch so hervor, ehe er das Handy zur Seite warf, taumelt aufsprang, beinahe auf die Klappe geflogen wäre und ins Bad rannte. Dort kniete er sich vor die Toilette und erbrach sich geräuschvoll in der Toilettenschüssel. "Hilfe..." Kami-sama! Das war wirklich Uruha und es schien, als würde es ihm wirklich nicht gut gehen. Eilig warf er die Decke beiseite und torkelte aus seinem Bett. Ihm war schwindlig, aber das war egal. Er musste jetzt etwas unternehmen. Er hatte ja keine andere Möglichkeit. Er wusste nicht, wie er es sonst regeln sollte. Auf wackeligen Beinen ging er die Treppe hinunter. Schnappte sich vom Haken eine Jacke und schlüpfte in seine Schuhe. Sein Handy hatte er immer noch in der Hand. Er verließ das Haus und machte sich in Richtung Uruhas Zuhause auf. Ihm glitten Schweißtropfen die Stirn herab und er erbrach sich solange, bis er nur noch Galle spuckte. Er war sich sicher. Sobald würde er keinen Alk mehr anrühren. Das war so eklig. Und ihm war schlecht und schwindlig. "Verdammter Alk...", murmelte er und versuchte, sich aufzurichten. Er schaffte es und taumelte. Sein Gleichgewichtssinn war futsch, aber er schaffte es irgendwie, ins Bett zu kommen. Er schloss die Augen und keuchte. Plötzlich hörte er ein Klingeln. Wer war das? Etwa Kai? Kami-Sama, lass es Kai sein!, flehte er. "Ist... Ist offen!", rief er so laut er konnte. Aufstehen war wohl keine gute Idee. Kai hatte es mit Mühe und Not geschafft, zu Uruhas Haus zu kommen. Er keuchte schwer und ihm tat alles wie. Es gab nichts, was sich nicht um ihn herum drehte. Aber er war hier und das war wichtig. Ihm wurde schon entgegengerufen, als er geklingelt hatte. Die Tür war also offen. Er trat ins Haus und stockte. Hier roch es irgendwie anders als beim letzten Mal. Der Geruch von Alkohol lag in der Luft. Zögerlich ging er durch den Flur. Noch immer atmete er hastig und torkelte. Dann erreichte er endlich Uruhas Zimmer. Dort sah er ihn auf dem Bett liegen. Schweißnass und nicht sehr gut hatte sich sein Freund quer über die Matratzen gebettet. Schwer atmend lag er auf dem Bett und keuchte. Wo war eigentlich oben und wo war unten? Er wusste es nicht, denn ihm drehte sich die ganze Welt. Und der eklige Geschmack der Galle hatte immer noch nicht seinen Mund verlassen. Es fühlte sich fast so an, als müsse er sich jeden Moment wieder übergeben. Er hörte, wie seine Zimmertür aufgemacht wurde und sah mit trübem Blick zur Seite. "Kai...", murmelte er und grinste schief. "Da bissu ja wieda..." Erschrocken weiteten sich seine Augen. Uruha war betrunken. Uruha hatte sich tatsächlich betrunken. Aber wieso? Schnell ging er auf ihn zu und setzte sich neben ihm auf das Bett. Ihm war nicht gut, aber er musste Uruha helfen. Dann erblickte er die halbleere Flasche und war sich sicher. Sein Freund hatte Alkohol getrunken. "Spinnst du?", blaffte er ihn an. "Wieso trinkst du Alkohol? Warum hast du das gemacht?" Vorsichtig strich er ihm das wirre Haar aus dem Gesicht. "Isch spinn doch net... Wieso auch? Isch bin hellwach und mia gehts prä... prä... Na, du weischt schon... Gut eben. Mia dreht sich bloß so viel... Weiß net, warum..." Er sprach leise und hickste zwischendurch immer wieder auf. Aber jetzt war er wenigstens nicht mehr alleine. Kai war ja da. Und der wusste sicher, wieso sich ihm alles drehte. "Isch glaub, isch muss kotzen...", murmelte er und würgte leicht. Erneut bildeten sich Schweißtropfen auf seiner Stirn. Er musterte Uruha und hörte ihm aufmerksam zu. "Du bist betrunken, Uruha. Du hast Alkohol im Blut und deshalb dreht sich alles." Sanft strich er ihm über die Stirn. Er überlegte, wie er ihm jetzt helfen konnte. Irgendwie musste es ja ein paar Tricks geben, damit er ihm helfen konnte. Ihm war schlecht. das war das erste Problem, dass er beseitigen musste. Und wie bekam man das hin? Kai stand auf. "Ich komm gleich wieder. Bleib schön da liegen." "Isch muss aber ma kotzen...", jammerte er und würgte erneut. Ihm standen die Schweißperlen auf der Stirn und Kai wollte, dass er einfach liegenblieb? Aber ihm war so schlecht. "Isch muss wirklich ma kotzen!" Sofort sprang er auf und torkelte ins Badezimmer, wo er sich erneut in der Toilettenschüssel erbrach. Zitternd klammerte er sich an der Toilettenbrille fest, um nicht zusammenzubrechen. "Da geht mein Middagessen hin...", lallte er. Er kam gerade wieder aus der Küche, als er die Würggeräusche aus dem Badezimmer vernahm. Angewidert verzog er das Gesicht. Na toll. Jetzt kotzte er auch noch. Kurz ging er ins Zimmer seines Freundes und stellte dort den Tee ab, um dann langsam in Richtung Badezimmer zu wandern. Aus dem Türrahmen beobachtete er, wie Uruha sich über der Toilettenschüssel mehrmals übergab und dann etwas von seinem Mittagessen faselte. Oh Gott. Wie besoffen war er eigentlich? "Sag mal. Wie viel hast du getrunken?" Er verschränkte die Arme vor der Brust. Irgendwie tat er ihm schon leid, aber er war ja selbst schuld daran, dass es ihm gerade so schlecht ging. "Wieso hast du das überhaupt gemacht?" Verwirrt hob er den Kopf und wischte seinen Mund mit dem Handrücken ab. Ieh, wie eklig. "Na die Flasche da...", er zeigte in Richtung seines Zimmers. "Moä Schandon oda so... Weiß net... Aber schmeckt gut das Zeuch... Kannst die Hälfte habn, wenne willst..." Taumelnd stand er auf und ließ sich in Kais Arme sinken. "Habsch so lüb, Kai-Schan... Habsch vermisst..." Er grinste ihn schief an und blies ihm seine Alkoholfahne ins Gesicht. "Gib deinem Uru ma a Bussi..." Angewidert drehte er den Kopf beiseite. "Vergiss es!", brummte er und versuchte, Uruha festzuhalten und ihn wieder auf die Beine zu stellen. "Du stinkst nach Alk und das ist widerlich." Er zog ihn mit sich und verfrachtete ihn auf das Bett. Dort setzte er sich auf dessen Hüften und knöpfte ihm die Schuluniform auf. Als er damit fertig war, stand er auf und hielt seinem Freund die Tasse mit dem Tee hin. "Trink das. Das wird dir helfen, wieder etwas klarer zu werden." Kai hatte das mal von seiner Mutter bekommen, als er einen Magen-Darm-Infekt hatte. Es war Kamillentee mit einer Prise Salz. Das half dem Körper wieder etwas Mineralstoffe zu bekommen und linderte die Übelkeit. "Wieso ziehst du misch aus?", kicherte er und sah Kai süß an. Leise begann er zu singen. "Zieh misch aus, kleine Maus, mach misch nackisch..." Er grinste etwas dümmlich und verstummte mit der Singerei, als Kai ihm eine Teetasse vor die Nase hielt. Er zog die Nase kraus, als er den Duft einatmete und murrte: "Ne... Kein Duast... Wenn schon, dann nehm isch noch a Schluck von dem Alk da..." Er wollte schon danach langen, als ihm plötzlich einfach die Augen zufielen und er einschlief. Jetzt hatte er aber die Nase voll von dem Gesinge und dummen Geschwätz. Uruha führte sich wie ein Kleinkind auf und das passte ihm gar nicht. Erst leicht, dann etwas fester schüttelte er ihn. "Du sollst das trinken, verdammt und nicht einpennen. Das kannst du danach immer noch." Und nochmal schütteln. Als auch das nichts half, stellte er die Tasse nochmals auf den Nachtschrank und hob Uruhas Kopf ein Stück an. Mit der freien Hand verpasste er ihm eine leichte Ohrfeige und schaute ihm finster ins Gesicht. "Wach auf! Und trink, sonst gibt´s Ärger, mein Freund!" Murrend öffnete er die Augen einen Spalt und hielt sich die leicht pochende Wange. "Wieso haust du misch? Du bist voll fies...", jammerte er und nahm lieber vorsichtshalber doch die Tasse in die Hand. Schließlich wollte er nicht noch eine Ohrfeige einstecken. Also Augen zu, Nase zu und ab damit runter in den Magen. "Schmeckt saueklig... Darfsch jetzt pennen?" Mehr sagte er schon nicht mehr. Mit einem Ruck zog er Kai zu sich hinunter und schmiegte sich fest an ihn. Er war schon wieder eingeschlafen. Mann, jetzt hatte er ihn zwar dazu gebracht, das Zug zu trinken, aber nun befand er sich in Uruhas Umklammerung. Er hatte so schon keine Kraft im Körper, aber er konnte auch schlecht in dieser Position schlafen. das ging gar nicht. Also versuchte er, sich da auch gleich mit etwas Mühe zu befreien. War leichter gesagt als getan. Es war wirklich nicht so leicht. Aber irgendwann hatte er es dann doch geschafft. Kai stand auf und betrachtete den irgendwie friedlich aussehenden Uruha, der sich in sein Kissen gekuschelt hatte und scheinbar tief und fest schlief. Während dieser seinen Rausch ausschlief, kümmerte er sich um andere Dinge. Er räumte das Chaos auf, dass sein Freund hier wohl in seinem Suff fabriziert hatte, reinigte das Badezimmer, was von Uruha auch nicht verschont geblieben war und stellte dem Betrunkenen noch einen Eimer neben das Bett. Er selbst legte sich im Wohnzimmer auf das Sofa und schnappte sich die dünne Wolldecke, die über der Lehne lag. Er wollte ihn jetzt nicht alleine lassen, also nahm er auch das Sofa in Kauf. Hauptsache Uruha war nicht mehr alleine. Nach einer ganzen Weile schlief er dann auch ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)