In einer anderen Welt von ahkullerkeks (TaixOC, Koumi, Takari) ================================================================================ Kapitel 2: Pläne ---------------- Meine Augenbraue zuckte, als wir vor der Tür der Yagami’ s standen. Sora hatte mich allen Ernstes zu Tode gehetzt, nur um in das riesige Gebäude direkt nebenan zu kommen! Diese Frau hatte Nerven. Wären wir in normalem Tempo gegangen hätten wir vielleicht fünf Minuten gebraucht, doch so wie Sora mich gepusht hatte, hatten wir bestimmt nicht einmal zwei Minuten gebraucht, wenn man die Dauer fürs Ankommen des Aufzuges mitrechnete. Ich seufzte leise und versuchte mich abzuregen. Ich war ja eigentlich ein ruhiger Mensch, doch wenn es um Sport ging, war nicht mit mir zu spaßen. Ich verstand mich nicht besonders mit sportlichen Aktivitäten. Wir stießen uns ab wie der Plus- und Minuspol eines Magnetes. Sora klingelte Sturm, die Stirn in tiefen Falten, bis sich endlich jemand erbarmte und die Tür öffnete. Vor uns stand ein Mädchen, womöglich Hikari, mit braunen, kurzen Haaren und braunen Augen. Sie sahen fast so aus, wie die von Tai, aber trotzdem anders. Sie grinste uns an. „Tai und Koushiro sind in seinem Zimmer“, informierte sie uns und bevor Hikari zu Ende gesprochen hatte, hatte Sora mich schon an der Hand genommen und in die Wohnung gezerrt. Ich lächelte Tai’ s Schwester im vorbeigehen entschuldigend an und hinkte hinter Sora hinterher, als sie eine der Türen auf der rechten Seite aufstieß und hineinging. Ich zögerte zuerst. Ich war noch nie im Zimmer eines anderen. Geschweige im Zimmer eines Jungen. Ich schüttelte den Kopf, wie um die Gedanken zu verscheuchen. Es geht jetzt um das seltsame zersprungene Ei! Also ging ich in den Raum und schloss leise die Tür hinter mir. Als ich mich umdrehte schauten Tai und Koushiro mich an. Kein Lächeln. Auf eine warme Begrüßung konnte ich also verzichten. Schade eigentlich, ich mochte es, wenn Tai’ s Augen so strahlten, wie sie es gestern getan hatten, bevor ich ihm dieses Digi-Vice gezeigt hatte. Der absurde Wunsch, es ihm nie gezeigt zu haben, flammte kurz in mir auf, doch ich verdrängte ihn. Das graue Ding musste schließlich irgendwie wichtig sein und wenn Tai schon darüber Bescheid wusste… „Hallo“, sagte ich, um die eingetretene Stille zu brechen und schaute verlegen auf meine Füße, die in einer dicken schwarzen Strumpfhose steckten, die irgendwie nicht warm hielt. Es fühlte sich an, als wären meine Beine und Füße aus Eis. Tai nickte mir kurz zu und brachte dabei sogar ein erstaunlich strahlendes Lächeln zu Stande. Meine Wangen wurden warm und ich lächelte ungewollt zurück. Er braunhaarige Junge kam auf mich zu, mit jedem Schritt wurde sein Grinsen breiter und ließ nicht mehr von der tiefen falte von gerade auf seiner Stirn erkennen. Als er vor mir stand streckte er mir seine Hand fordern entgegen. Fragend sah ich in seine Augen, die sich doch ziemlich von Hikari’ s unterschieden. „Zeig mal dein Digi-Vice“, befahl er, immer noch grinsend. Brav holte ich das Ding aus meiner Rocktasche und legte es in seine ausgestreckte Hand. Er musterte es und seine Augen weiteten sich überrascht, als er auf das komische Tier schaute, dass aus dem Ei geschlüpft war. „Koushiro“, sagte er, wandte sich halb dem anderen Jungen zu, der an dem Computer saß, der sich in Tai’ s Zimmer befand. „Tentomon hat uns aber nicht gesagt, dass das Digimon schon geschlüpft ist, oder?“ „Nein, eigentlich nicht“, erwiderte Koushiro verwundert, drehte sich zum Computer und ließ seine Finger über die Tastatur fliegen. Wow! Der Junge tippte, wie ein Weltmeister. So schnell, dass es aussah, als würden seine Finger verschwimmen. Ich kicherte leise und erntete damit einen verwirrten Blick von Sora und Tai. Eine kleine Übertreibung natürlich. Sora saß auf dem Bett, das an der hinteren Wand stand und musterte mich mit seltsamem Gesichtsausdruck, bevor ihre Augen zu Tai wanderten und sie die Stirn runzelte. Tai’ s Blick wandte sich wieder mir zu, sein Körper befand sich aber immer noch seitlich zu mir und damit auch zu Koushiro. Er hob eine Augenbraue. Ich tat es ihm gleich. Und ohne, dass ich es verhindern konnte, wurde ich rot. Musste er mich denn auch so verwirrend anschauen? Das war ich alles überhaupt nicht gewohnt. Die Jungs an meiner Schule beachtete mich kein Stück und nun schaute mich einer von der Wow- Sorte mit durchdringendem Blick an. „Ich glaub’ s ja immer noch nicht“, schmunzelte Tai plötzlich in die Stille, die nur vom Klacken der Tastatur gebrochen wurde. „Du bist tatsächlich eine von uns.“ Meine Augenbraue hob sich noch ein kleines Stückchen weiter. Doch bevor ich etwas erwidern konnte, packte Tai mich überraschenderweise an den Schultern und lotste mich so zu seinem Bett, das ich rückwärts lief und fast einen Herzinfarkt bekam, als ich das Holz des Bettes in meinen Kniekehlen spürte und darauf wegsackte. Schockiert und höchst verwirrt sah ich Tai an, der nichts Besseres erwidern konnte, als zu lachen, nachdem er mein Gesichtsausdruck gesehen hatte. Das war wahrhaft erschreckend für mich gewesen und er lachte mich dazu einfach aus. Doch ich konnte ein Grinsen nicht verhindern, es schlich sich verräterisch auf meine Lippen und klebte dort fest. „Ich komm nicht zu ihm durch, Tai“, hörte ich Koushiro’ s beinahe panischen Ausruf. Schmunzelnd ging Tai zu ihm, lehnte sich auf die Lehne des Stuhls, auf dem der Junge mit den rotbraunen Haaren saß und schaute auf den Bildschirm des Computers. „Hm“, grübelte er und beugte sich etwas mehr zu dem Bildschirm hinunter. „Wieso nicht?“ „Ich weiß es nicht“, erwiderte Koushiro. „Womöglich befindet er sich grade nicht in der Nähe eines Fernsehers. Es wäre möglich, dass sie schon wissen, dass das Ei geschlüpft ist.“ „Dann suchen sie es vielleicht schon?“, hakte Tai nach und sah Koushiro an. Als Antwort kam ein Nicken. „Dann bedeutet das also, dass wir wieder in die Digiwelt müssen?“, erkundigte sich Sora mit einem Anflug eines Lächelns. Tai wandte sich ihr und mir zu und grinste sie an. „Das heißt es wohl“, erwiderte er. Sora klatschte sich einmal in die Hände und ließ die Handflächen aufeinander vor ihrer Brust schweben. In ihre Augen trat ein glückseliger Ausdruck, den ich nicht verstand. Sie eilte zu der Tür, öffnete sie und rief ins Wohnzimmer: „Hikari! Wir können vielleicht bald wieder in die Digiwelt! Wir sehen bald alle wieder!“ Ein seltsames Quieken war aus dem angrenzenden Raum gekommen und Hikari erschien in der Tür. Sie strahlte erst Sora, dann Tai an. „Ist das wahr, Tai?“, fragte sie, als erwarte sie keine negative Antwort. Tai nickte grinsend und ließ sich neben mir auf das Bett fallen. „Und freust du dich schon?“, fragte er mich schmunzelnd. Ich runzelte die Stirn. Wenn ich wüsste, worum es überhaupt ginge, dann hätte ich es ihm vielleicht sagen können. Verlegen blickte ich ihn an. „Sollte ich denn?“, fragte ich leise und wurde wieder rot. Tai’ s Grinsen verschwand und er schaute mich überrascht an. Wie wohl jeder in diesem Raum. Hatte ich mich geirrt oder hatte ich nicht gerade bemüht leise gesprochen? Wieso hatte mich jeder gehört? „Du solltest schon“, antwortete mir Koushiro und rollte mit dem Stuhl vor Tai und mir, wohl, um mich besser ansehen zu können. Hikari kam einige Schritte näher, ein dickes Fragezeichen im Gesicht. Stimmt ja, wir kannten uns noch gar nicht, sie fragte sich wohl, was ich damit zu tun hatte. „Schließlich“, fuhr Koushiro zögernd fort, „hast du jetzt ein Digimon.“ Etwas in meinem Kopf klingelte. Digimon… Ich kannte das irgendwoher. Gab es nicht vor vielen Jahren irgendetwas mit Digimon? Ich war erst…elf? War das zu der Zeit, als…? „Hm“, entwich meinem Mund, ohne, dass ich es wirklich mitbekam. „Ehm, Tai?“, hörte ich und hob meinen Kopf, und schaute Hikari an. Sie schien genauso durcheinander zu sein, wie ich es war. „Ach ja!“, rief Tai plötzlich, als würde er sich an etwas erinnern. „Hikari, das ist Moe. Moe, das ist meine Schwester Hikari.“ Ich lächelte und Hikari kicherte, als Tai meinen Namen nannte. Womöglich erinnerte sie sich an unser Telefonat heute Nachmittag und ich senkte beschämt den Kopf, um die Wärme, die erneut in meine Wangen stieg, leise zu verfluchen. „Gehen wir jetzt sofort?“, fragte Sora aufgeregt und als ich den Kopf hob sah ich, wie sie und Hikari gegenseitig ihre Hände drückten. „Nein“, erwiderte Koushiro grüblerisch und drehte sich etwas auf dem Stuhl. „Wir wissen nicht, wie viele von diesen Fernsehern noch aktiv sind und ob wir immer noch kommen und gehen können, wann wir wollen. Ich muss noch mal mit Tentomon darüber reden.“ Enttäuscht ließen Sora und Hikari die Hände wieder sinken. „Ehm“, begann ich leise. „Ist Tentomon dein…Digimon?“ Es war irritierend über so etwas zu reden und ich war mir noch nicht richtig sicher, ob ich Tai und den anderen glauben sollte, doch ich entschied mich es in diesem Moment einfach mal zu tun. Koushiro nickte lächelnd. „Selbst wenn wir nicht kommen und gehen können, wann wir wollen“, nahm Tai den Faden wieder auf und lehnte sich weiter nach hinten. „Wir müssen in die Digiwelt. Auch wenn es wieder so lange dauert, wie beim ersten Mal. Moe muss nun mal ihren Digi-Partner sehen. Irgendwie kommen wir da schon raus. Das wäre dann fast so wie Ferien in der Digiwelt.“ Tai lachte auf. Ich lächelte mit gehobener Augenbraue. „Nur, dass wir noch keine Ferien haben, Tai“, mahnte Sora ihn und verschränkte die Arme vor der Brust. Tai schob die Unterlippe vor und blickte Sora unter den Wimpern her an. Ich schmunzelte und schaute aus dem Fenster. Es war stockduster draußen. Es würde sowieso niemand auf mich warten zu Hause und den Nachmittag so verbracht zu haben war sehr viel angenehmer, als allein durch die Straßen zu laufen. Wir saßen noch ein wenig in Tai’ s Zimmer. Die anderen erzählten von einigen Dingen, die sie in dieser Digiwelt erlebt hatten, welche sich, wie ich zugeben musste, ziemlich spannend anhörten. Und an einen Teil, der dann in unserer Welt passiert war, konnte ich mich sogar erinnern. Ich war dabei gewesen, hatte mich vor Angst an meine Großmutter geklammert und hatte damals schon keine Ahnung gehabt, wo meine Eltern überhaupt gewesen waren, ob sie etwas von alle dem mitbekommen hatten oder ob sie auch irgendwo festgehalten wurden. Es war schon später, als Tai’ s und Hikari’ s Mutter ins Zimmer kam und uns alle überrascht anschaute. Hikari stellte mich ihr vor, ich verbeugte mich höflich und kurz darauf verließen Koushiro, Sora und ich auch schon die Wohnung der Yagami’ s. Ich wohnte recht nah bei den anderen, nicht direkt gegenüber, so wie Sora es tat, doch es war kein besonders langer Fußmarsch. Vielleicht zehn oder fünfzehn Minuten, also würde ich keine lange Zeit in der schneidenden Kälte bleiben müsse. Koushiro wohnte sogar noch im selben Gebäude und verabschiedete sich als erster von uns. Sora und ich winkten ihm hinterher und gingen nebeneinanderher aus dem großen Haus. Ich fragte mich, wieso sie Tai und mich heute so komisch gemustert hatte, traute mich aber nicht die Frage laut zu stellen. Wir waren noch nicht so weit, dass wir uns über tiefere Sachen unterhielten, als über diese Digimon, das seltsame Digi-Vice und unsere Begegnung von gestern. Als ich links abbiegen musste, war ich erleichtert, nicht mehr von Sora’ s Fragen durchlöchert zu werden, was Tai und ich gestern noch so alles getrieben hatten, nachdem wir von ihnen gegangen waren. Ich realisierte immer noch nicht richtig, dass ich ein Digimon hatte und dass ich eigentlich keine Ahnung hatte, was genau ein Digimon überhaupt war. Dadurch dachte ich auch nicht weiter über Sora’ s leicht aufdringliche Fragen zum Thema Tai nach, denn ich hatte, ehrlich gesagt, andere Sorgen. Ich lief schneller, als ich es sonst tat, um nach Hause zu kommen, denn der Wind schnitt mir schmerzhaft an die Stellen im Gesicht, die nicht mit einer Mütze und einem Schal bedeckt waren. Als dann mein Wohnblock in Sicht kam, stutzte ich. Das Licht in unserer Wohnung war an. Konnte es sein, dass meine Eltern da waren? Ich verdoppelte meine Schritte und raste die Treppen hoch, als ich angekommen war, denn der Aufzug brauchte viel zu lange, um erst mal anzukommen. Ich schloss die Tür auf und versuchte dabei meinen schnellen Herzschlag unter Kontrolle zu kriegen. Mann, jetzt wurden mir die Folgen meiner kleinen Sportabneigung klar. Einmal glitt mir der Schlüssel auf den steif gefrorenen Händen, doch letztendlich schaffte ich doch noch ihn ins Schlüsselloch zu stecken und rumzudrehen. Die Wärme der Wohnung schlug mir heiß ins Gesicht, nachdem ich die Tür geöffnet hatte und ich zwinkerte einige Male, bevor mir auch der Geruch entgegenkam. Es roch nach…etwas Essbarem. Tatsächlich! Eilig schloss ich die Tür, schlüpfte aus den Schuhen und eilte zur Küche. Dort stand, allen Ernstes, meine Mutter und rührte in einem Topf. Als sie mich herpoltern hörte, wandte sie überrascht den Kopf zu mir und lächelte. „Guten Abend, Moe“, begrüßte sie mich und ich bemerkte ein kleines Glitzern in ihren Augen. Sie war neugierig. Das sah man ihr sofort an. Beinahe hätte ich gekichert, doch ich konnte mich zurückhalten und lächelte leicht. „Du kannst dich schon mal zu deinem Vater setzen.“ Mit dem Kopf deutete sie auf den Mann, der einsam am Tisch saß und in einer Zeitung las. Ich hob eine Augenbraue. Sogar er war da? Was war denn heute für ein seltsamer Tag? Wie befohlen setzte ich mich an einen der vier Stühle und zog somit die Aufmerksamkeit meines Vaters auf mich. Erstmal schaute er mich schockiert an, doch dann wurde sein Blick liebevoller, so als hätte er seine verlorene Tochter wider gefunden. „Hey, Dad“, murmelte ich und senkte den Blick. „Hallo, Moe“, hörte ich ihn sagen. Papier knisterte und aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, wie er die Zeitung zur Seite legte, die Arme auf den Tisch legte und die Finger verkreuzte. Das bedeutete schon mal keine Konversation über belanglose Dinge. Was hatte ich denn dieses Mal wieder falsch gemacht? Mom kam mit einem Tablett zu uns, auf dem drei Teller, und drei Becher standen. Behutsam stellte sie die Dinge vor uns ab und setzte sich neben Dad. Ich schluckte. Was hatte ich getan? „Iss, Schätzchen“, befahl meine Mutter in sanften Ton, was meinen Argwohn um Maßen steigerte. Ich nahm die Gabel und aß. Meine Eltern beobachteten mich einen Moment dabei, fingen dann aber selber an zu Essen. „Nun“, fing mein Vater nach einer Weile an, „Was hast du denn heute so getrieben?“ Die Frage klang belanglos, doch ich hatte das Gefühl, dass er das nicht nur aus höflichem Interesse heraus gefragt hatte. „Ich…“ „Warst du wieder ganz alleine draußen, Schatz?“, unterbrach Mom mich mit besorgtem Unterton. „Und dieses Mal so lange. Wir sind extra früh gekommen, damit wir mal wieder Zeit mit dir verbringen könnten und dann treibst du dich so lange alleine draußen rum.“ Ich hob eine Augenbraue. War es denn so klar, dass ich alleine gewesen sein müsste? Was ich ja nicht gewesen war. Und in der Stadt war ich auch nicht. Trauten meine Eltern mir nicht zu, dass ich bei anderen Leuten in meinem Alter sein könnte? Sie kannten mich doch gar nicht! „Keine Sorge, Mom“, versicherte ich ihr. „Ich war nicht in der Stadt und allein war ich auch nicht.“ „Warst du nicht?“, fragte mein Vater nun, die Überraschung trug er unverhüllt in den Augen. „Nein, war ich nicht“, erwiderte ich und senkte meinen Blick auf die Hand, in der sich die Gabel befand. Meine Mutter seufzte. „Das muss dir nicht peinlich sein“, sagte sie in beruhigendem Ton. „Die Kinder in deiner Schule passen einfach nicht zu dir, Liebling.“ Meine Kinnlade klappte runter. Jetzt trauten sie mir nicht einmal zu, dass ich die Wahrheit sagte. Mein Vater schaute mich nur nachdenklich an. „Dann war es also wahr, was Yukio sagte“, grummelte er. Erschrocken schaute Mom ihn an und ich spiegelte ihren Gesichtsausdruck. Yukio war eine Freundin meiner Eltern, die nur zu gerne Spion spielte. Oder hatten die beiden diese verrückte Frau auf mich angesetzt, damit sie erfuhren, was ich ohne sie so alles tat? Ich war restlos schockiert. Nun sah Dad mich eindringlich an. „Wie läuft es denn so mit den Jungen?“, fragte er und kratzte grüblerisch sein Kinn. Eine meiner Augenbrauen verschwand unter meinem Pony. „Bitte?“, sagte ich eine Oktave zu hoch. Beruhigend legte Mom mir eine Hand auf den Arm. „Versteh uns, Schatz“, wollte sie mich beschwichtigen. „Wir sehen dich doch so gut wie nie und da hat Yukio sich nun mal angeboten ein Auge auf dich zu werfen. Und gestern hat sie dich dann in einem Café entdeckt. Mit einem Jungen.“ Sie lächelte stolz. Ich konnte sie nur fassungslos anschauen. „Ich habt mich von dieser verrückten Frau beschatten lassen?“, rief ich aufgebracht und schmiss die Gabel auf den Teller. Es klirrte laut und mein Vater ließ seine Gabel ebenso wütend sinken. „Es war nur zu deinem Besten und jetzt sehen wir ja, was aus dir geworden ist, während wir nicht da waren.“ Seine Stimme war laut und grummelnd. Mir lief ein Schauer über den Rücken. Was aus mir geworden war, während sie nicht hier waren? Was war denn aus mir geworden? Und das sahen sie nur daran, dass ich einmal mit einem Jungen in einem Café saß? „Koizumi“, sagte meine Mutter und legte meinem Vater beschwichtigend eine Hand auf den Arm. „Reg dich nicht so auf, sie hat sich doch nur mit einem Jungen getroffen.“ „Und dazu schreit sie mich auch noch an! Das dulde ich nicht, Moe!“ Versuchte mein Vater grade mich zu erziehen? Vielleicht hätte er damit früher anfangen sollen. Mom kicherte nur, wie ein kleines Schulmädchen. „Es heißt doch, dass alle Rothaarigen sehr temperamentvoll sind“, schmunzelte sie. Dad warf ich einen bösen Blick zu und sie schwieg, immer noch ein Grinsen auf den Lippen. „Wer ist dieser Junge?“, brummte Dad und durchbohrte mich mit seinem Blick. „Wir müssen ihn kennen lernen.“ Bitte nicht! „Wozu?“, flehte ich beinahe. „Wir haben uns durch Zufall getroffen und er hat mich eingeladen. Das war kein Date, er ist nicht mein Freund!“ Mein Vater erhob sich und der Stuhl fiel rücklings und mit lautem Poltern zu Boden. „Du wirst diesen Jungen hierher bringen! Keine Widerrede. Deine Mutter und ich haben ein Recht darauf ihn kennen zu lernen und zu erfahren, wie weit ihr schon gegangen seid“, sagte er und verschwand im Schlafzimmer. Ich spürte wie meine Wangen knallrot wurden. Wie…wie weit…wir schon gegangen sind? Was dachte sich dieser Mann überhaupt! Tai war nicht mein Freund und würde es auch niemals werden. Er war einfach zu…nun ja. Ich hatte das Gefühl, er mochte Sora. Aber ich kam wieder vom Thema ab, schließlich musste ich immer noch wütend auf meinen Vater sein. Mom seufzte genervt auf und erhob sich, um den Stuhl wieder hinzustellen. „So ein Chaos“, murmelte sie. „Dabei hatte ich mich so gefreut in Ruhe mit der ganzen Familie zu essen, nach so langer Zeit.“ Wortlos stand ich auf, nahm meinen Teller und stellte ihn in die Spüle. Dann begab ich mich ins Wohnzimmer und ließ mich seufzend auf das Sofa nieder. Einen Moment lang schloss ich die Augen, bis ich merkte, wie sich jemand direkt neben mich setzte. Jemand, wahrscheinlich meine Mutter, strich mir sanft durchs Haar und drückte mich warm an sich. Ich lächelte leicht und hob den Kopf, um Mom anzusehen. „Hach, ist das lange her“, seufzte sie und lächelte mich glücklich an. „Ich hab dich schon vermisst, Liebling.“ Ich kuschelte mich wie ein kleines Kind an ihre Brust und schloss erneut die Augen. Es war so schön, wenn meine Mutter da war, nur war es leider viel zu selten. Ich hatte schon vergessen, wie lieb sie eigentlich immer zu mir war. Eine Weile verharrten wir so, doch dann schob Mom mich etwas von sich weg und musterte mich. Sie lächelte selig und strich mir erneut durch die Haare. „Du bist wunderschön“, sagte sie und mir stieg wieder Wärme in die Wangen. „Es tut mir so leid, dass wir so selten zu Hause sind. Dieser Job raubt uns all unsere Freizeit und es schmerzt nicht mitzubekommen, wie du langsam zu einer reifen Frau heranwächst.“ Ich lächelte und meine Wangen wurden noch etwas wärmer. Es war schön, dass Mom hier war. Plötzlich veränderte sich ihr Ausdruck und sie schaute mich überrascht an. „Du trägst ja noch deine Schuluniform“, stellte sie fest und schubste mich in die Richtung, in der mein Zimmer lag. „Na los, zieh dich schnell um, ich mach uns einen warmen Kakao und wir reden etwas.“ Sie lächelte mich lieb an und ich verschwand in meinem Zimmer. Während ich mich umzog überlegte ich, wie ich Tai wohl fragen könnte, dass er einmal zu uns kommt, um meine Eltern kennen zu lernen. Was würde er nur denken. Ich kniff verzweifelt die Augen zusammen und drückte einen dicken Wollpullover an meine Brust. Tai würde doch denken, meine Familie sei verrückt, und ich mit eingeschlossen! Als ich meinen Rock auszog und die Jogginghose überstreifte, fiel mir das Digi-Vice aus der Tasche. Es vibrierte leicht und machte klackernde Geräusche auf dem Holzufußboden. Ich nahm es in die Hand und schaute nach, ob sich irgendetwas verändert hatte. Das Digimon auf dem Bildschirm war größer geworden, sah zwar noch aus wie vorher, doch von der Größe her, war es gewachsen. Ich seufzte und steckte den Kopf in den großen, warmen Pullover. Mit einem weiteren Seufzen packte ich das Tamagochi- Ding unter mein Kopfkissen und schlurfte wieder ins Wohnzimmer, wo meine Mutter schon saß. Auf dem Couchtisch zwei Tassen dampfenden Kakaos und Plätzchen. Ich hörte leise Hintergrundmusik und fühlte mich wie in einem Film, wo auch immer Musik zu laufen schien. Träge ließ ich mich neben Mom, im Schneidersitz, auf das Sofa fallen und griff nach einer Tasse. Mh, das roch gut! „Moe.“ Meine Mutter sah mich wieder mit diesem Glitzern in den Augen an. „Nur aus Neugier, wer war denn dieser Junge, mit dem zu gestern im Café warst?“ Ich schmunzelte. War ja klar, dass sie wieder auf dieses Thema zurückkommen würde. Bevor ich antworten konnte, redete Mom schon weiter: „Wie heißt er? Kennst du ihn schon lange? Geht er auf deine Schule? Findest du ihn süß?“ Ich spürte Wärme in meine Wangen steigen. Verflucht noch mal! „Ehm“, erwiderte ich zögernd. „Sein Name ist Taichi Yagami und…ehm, er geht nicht auf meine Schule, sondern auf die, mit den grünen Uniformen“, als würde der Name der Schule ihr irgendwie weiterhelfen, „ehm, und…ich kenne ihn seit gestern.“ Sie nickte ununterbrochen und hob argwöhnisch eine Augenbraue. Vielleicht würde sie nicht merken, dass ich… „Und? Findest du ihn süß?“, hakte sie nach und ein Grinsen erschien wieder auf ihren Lippen. Ich wurde wieder rot, doch das war natürlich keine Antwort, wenn man bedacht, wie oft ich warme Wangen bekam. „Ich denke….schon“, sagte ich verlegen und starrte auf die braune Flüssigkeit in meiner Tasse. „Aber ich kenne ihn erst seit gestern.“ Mom kicherte. „Tut mir leid, dass ich dir das erst jetzt sage, aber…“ Misstrauisch schaute ich sie an. „Aber Yukio hat gestern ein Foto von euch beiden gemacht“, kicherte sie und wurde selber rosa um die Nase. Fassungslose Überraschung spiegelte sich wohl in meinen Augen, denn Mom holte etwas aus ihrer kleinen Handtasche, die neben ihr lag und hielt mir das Foto vor sie Nase. Ich nahm es ihr aus der Hand und musterte es. Man sich mich nicht richtig, ich war nur von hinten sichtbar, doch durch meine auffällige Haarfarbe war es nicht schwer, mich zu erkennen und Tai…nun ja, man sah sein ganzen strahlendes Gesicht. Die braunen Augen waren am leuchten und die Haare verwuschelt durch den Wind, der draußen geherrscht hatte. Das Foto wurde, allem Anschein nach, auch von außerhalb geschossen, jedoch wurde rangezoomt. Die Qualität ließ zu wünschen übrig. Ich hörte meine Mutter erneut kichern. Ich hob meinen Kopf, um sie anzusehen und sie musterte mich mit unverschämter Neugier. Ich hob eine Augenbraue. „Hast du ihn schon angerufen, um zu fragen, ob er kommt oder wieso hast du so lange in deinem Zimmer gebraucht?“, fragte sie argwöhnisch und grinste breiter, als ich gedacht hätte, das ihre Mundwinkel so weit kommen würden. „Nein, hab ich nicht“, erwiderte ich. „Dann tu’ s jetzt!“, forderte Mom mich auch und strahlte mich an. „Morgen ist doch Freitag, frag doch ob er kommen will. Nur zum Essen mit uns, dann könnt ihr auch euren Spaß haben.“ Sie zwinkerte und ich wurde wieder rot. „Mom!“, rief ich vorwurfsvoll und spürte wie meine Wangen heiß wurden. Meine Mutter kicherte und schnappte sich das schnurlose Telefon, das auf dem Couchtisch lag. „Ich kenn seine Nummer doch gar nicht auswendig“, versuchte ich abzulenken, jedoch vergeblich. Irgendwoher zauberte Mom ein Telefonbuch raus und hielt es mir vor die Nase. Ich grummelte und nahm es schmollend an, während sie mir das Telefon in die andere Hand drückte. Verdammt, was würde Tai denn von mir denken? Und wie sollte ich ihn überhaupt fragen? Ich schlug die gleiche Seite auf, wie ich es an diesem Tag zuvor auch getan hatte und wählte die schon bekannte Nummer. Mit zitternder Hand legte ich mir das Telefon ans Ohr und schaute meine Mutter böse an, die darauf nur hinter vorgehaltener Hand kicherte. Es klingelte und dann wurde der Hörer abgenommen. „Taichi Yagami?“, hörte ich seine Stimme sagen. „Ehm…“ Ich stockte. Uh, er würde mich für komplett verwirrt halten. „Hier ist…Moe.“ „Ah, Moe!“, rief Tai erfreut und hörte sich schon gleich fröhlicher an. Ich schmunzelte und Mom schaute mich fragend an. Okay, ich machte es kurz und bündig. „Hast du Lust, morgen zum Abendessen vorbei zukommen?“, fragte ich, wurde rot und kniff die Augen zusammen. Ich hörte, wie Tai’ s Atem kurz stockte und er nach einer Weile dann leise schmunzelte. „Das war direkt“, informierte er mich. „Könnte…sein?“, erwiderte ich zögernd und wartete auf seine Antwort. „Hm“, hörte ich. „Und was bekomm ich dafür?“ Ich schnaubte entrüstet auf. „Was willst du denn?“ Tai stockte kurz und meine Mutter beugte sich weiter vor und schaute mich mit neugierigem Blick an. „Ich komme darauf zurück“, erwiderte er ablenkend und ich hob eine Augenbraue. „Wann soll ich denn morgen da sein?“ Seine letzte Frage überrascht mich ein wenig. Er nahm tatsächlich eine Einladung von einer fast Fremden an? Versprach er sich so viel daraus, dass ich eine von ihnen war? Ich formte mit den Lippen das Wort ‚Wann’ und meine Mutter streckte als Antwort acht Finger in die Luft. „Um Acht“, antwortete ich und schmunzelte leise. „Alles klar“, sagte Tai schon wieder enthusiastisch, wie ich ihn kennen gelernt hatte. „Bis morgen, dann Moe.“ Bevor ich noch ein weiteres Wort sagen konnte, hatte er schon aufgelegt. Fassungslos nahm ich das Telefon von meinem Ohr und drückte auf den roten Knopf. „Und?“, hakte meine Mutter mit riesigen, glitzernden Augen nach. Langsam legte ich das Telefon auf den Couchtisch, nahm die Tasse wieder in die Hand und trank einen dramatisch wirkenden Schluck der heißen Flüssigkeit, an ich mich mir auch gleich die Zunge verbrannte. Eine kleine Schmerzensträne stahl sich aus meinem Augenwinkel und Mom schaute mich schockiert an. „Er kommt nicht?“, rief sie beinahe hysterisch. Beschwichtigend streckte ich ihr meine Handfläche entgegen und schluckte das Brennen meiner Zunge hinunter. „Er kommt“, krächzte ich und stellte die Tasse auf mein Knie, wo ich sie aber immer noch festhielt, so als Vorsichtsmaßnahme. Begeistert klatschte sich meine Mutter in die Hände und hüpfte auf dem Sofa hoch und runter. Strahlend schaute sie mich an und nahm die Hand zwischen ihre beiden, die nicht um die Tasse geschlungen war. „Endlich lernen wir den süßen Jungen kennen, mit dem du dich ’zufällig’ getroffen hast“, schwärmte sie und rieb meinen Handrücken an ihre Wange. Ehm, ja. Ich hob eine Augenbraue und verdrehte die Augen. Was würde es denn bringen, noch einmal zu sagen, dass ich Tai erst seit gestern kannte und nicht mit ihm zusammen war. Meine Mutter schaute auf die Uhr. „Huch“, meinte sie verblüfft. „Tatsächlich schon so spät? Na ja, dann musst du jetzt wohl schlafen gehen.“ Sie lächelte mich an. „Dein Vater und ich haben uns die ganze nächste Woche frei genommen, um ein wenig Zeit mit dir zu verbringen, Schatz. Das heißt, wir können morgen zusammen aussuchen, was du trägst, wenn Taichi kommt.“ Sie kicherte mädchenhaft. Ich verdrehte die Augen. Tai würde es wohl auch überleben mich in normalen Klamotten zu sehen. „Und jetzt Hopp“, befahl meine Mutter und schubste mich, mit der Tasse in der Hand, in Richtung mein Zimmer. Sie drückte mir rasch einen Kuss auf die Stirn, packte das ganze Geschirr zusammen und räumte es weg, während ich schon in meinem Reich verschwand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)