Zu tief, um loszulassen? von Stiffy ================================================================================ Epilog: Herzschlag ------------------ Mit einer Lichterkette bewaffnet trete ich auf den Balkon hinaus. Kälte umfängt mich sofort, ein Schauer durchfährt meinen Körper. Mich nicht davon stören lassend, trete ich an das Geländer heran und hänge die eine Hälfte der Lichterkette darüber. Dann streife ich die Rolle Klebeband von meinem Arm und fange an… ein Licht nach dem anderen arbeite ich mich vor… Stück für Stück am Geländer entlang... „Das ist ziemlich kitschig, weißt du das?“ „Ich weiß“, erwiderte ich. Unbeirrt setzte ich meine Arbeit fort. „Vielleicht hättest du bunte Lichter nehmen sollen…“, greift er nach einem Weißen. „Warum?“ Ich riss das nächste Klebebandstück ab. „Na, das hätte doch zu uns gepasst... ein Balkon so schön in Regenbogenfarben...“ Sein Lachen ertönte. Seine Arme schlangen sich um mich. „Das hätte schön ausgesehen...“ „Und noch kitschiger…“ „Ja…“ Grinsend drehte er mich herum, zog mich näher. Er wollte mich küssen, doch im selben Moment fiel mein Blick an ihm vorbei. „Hey! Du bist fertig!“, drückte ich ihn begeistert ein Stück von mir. „Gefällt es dir?“, folgte er meinem Blick. „Etwas viel Lametta… aber sie ist wunderschön...“ „Sie?“ „Ja. Die Rotfichte… Ich wollte sie Scarlet nennen. Oder gefällt dir Crimson besser?“ Ich grinste breit. „Du Spinner!“, schnipste er mir gegen die Stirn, ehe er mir eine warme Hand an die Wange legte. Er lächelte mich an. „Nein, wirklich“, sagte ich nun, in seine Augen schauend. „Sie ist wunderschön…“ „Naja, ich weiß nicht…“ Seine Finger streichelten meine Haut, er kam mir merklich näher. „Nicht so schön wie du“, war es nur noch ein Hauch, der über meine Lippen glitt. Doch bevor sie mich trafen, ließ ein Klingeln uns auseinander weichen. Das Klebeband fällt zu Boden. Irritiert schaue ich es an, hebe es auf. Auf die Lichter schauen, fällt mir auf, dass ich erst bis zum Fünften gekommen bin. Ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen. Ich bin versunken… und heute muss ich sagen, tut es gut, manchmal. Manchmal sind solche Erinnerungen schön… Sie haben aufgehört, weh zu tun. Ein Klingeln lässt mich herumfahren. Schon das zweite Mal, realisiere ich nun. Und ich glaube, eigentlich hat Daniel mich damals geküsst. Das Lächeln noch immer auf den Lippen, mit der Vorfreude auf einen anderen Kuss, lege ich das Klebeband weg und begebe mich ins Wohnungsinnere, durch den Flur, hin zur Tür. Diese geöffnet, ist mein Besucher jedoch ein… Tannenbaum. „Äh…“ „Ich hatte schon die Befürchtung, dass du nicht da bist…“, kommt es hinter dem Baum hervor. Er dreht sich ein bisschen, die erwartete Person schiebt sich vorbei. „Hallo…“ Ich erwidere den doch sehr flüchtigen Kuss. Stacheln treffen mich an der Wange. „Ups, sorry!“ Er entfernt sich wieder, nimmt die Tanne mit sich. „Wo ist das Netz?“ Ich trete zur Seite. „Das ist gerissen...“, verdreht er die Augen, setzt sich mit dem Baum in Bewegung. „Wohin?“ „Ins Wohnzimmer. Der Ständer ist schon da…“ Ich folge ihm, wie er das Monstrum durch meinen Flur befördert. Nie kam dieser mir so schmal vor. Gemeinsam stellen wir den Baum in seine Vorrichtung. „Geschafft!“ Tobias klatscht in die Hände, welche von grauen Wollhandschuhen umkleidet sind. Dann zieht er diese aus. „Gefällt sie dir?“ „Ja.“ Ich lasse meinen Blick von oben nach unten wandern. „Sehr.“ „Ist ne Rotfichte…“ „Was?“, wende ich ihm meinen Blick überrascht zu, getrieben aus der Erinnerung. „Ne Rotfichte. Sonst hatten sie nur Nordmanntannen da, aber das fand ich irgendwie langweilig, weil die jeder hat… außerdem ist die Dame hier viel hübscher…“ In einem Schritt bin ich bei ihm. Mein Kuss trifft ihn unvorbereitet. „Wow, wofür war der?“, sieht er mich überrascht an. „Einfach so.“ Ich küsse ihn wieder, dieses Mal länger. Ich sehe ihn die Augen schließen. Seine Hände fahren meine Arme entlang zu meinen Händen. Hier aber stoppt er sofort. „Hey, du bist ja ganz kalt!“, stellt er fest und umgreift meine Hände fester. „Ich war gerade dabei, draußen die Lichterkette aufzuhängen…“ Ich verschlinge meine Finger mit seinen. Sein Blick fällt an mir vorbei, dann wieder zu mir. „Du solltest Handschuhe tragen“, hebt er meine Hände, küsst sanft die Finger, während er mir in die Augen sieht. Sie funkeln verspielt. „Soll ich dich wärmen…?“ „Du warst doch draußen in der Kälte…“ Ich strecke meine Finger aus, lasse sie über sein kaltes Gesicht gleiten. „Dann musst du mich wärmen…“ Ein Grinsen. Er küsst meine Handfläche, zieht mich dabei an sich heran. Aus einem unerfindlichen Grund macht mein Herz einen Sprung. „Auf gute Zusammenarbeit.“ Mir wurde eine Hand hingehalten. Sie ergriffen, zog sie mich sogleich in eine andere Richtung. „Na kommen Sie, ich stelle ihnen direkt ein paar Gesichter vor…“ Ich folgte meiner neuen Chefin, wir erreichten zwei junge Männer, die über irgendwelchen Unterlagen brüteten. „Klaas, Tobias, darf ich vorstellen…“ Ich hielt zunächst dem Schwarzhaarigen meine Hand hin, dann drehte ich den Blick und wollte freundlich nach der nächsten Hand greifen, als meine Wahrnehmung verschwamm. Wenn die Zeit wirklich stillstehen kann, so tat sie es in diesem Moment. Genau betrachtet, war es wohl nur ein einfaches Lächeln, das mich traf, doch irgendwie erschien es für mich als mehr als das zu sein. Seine Lippen und seine Augen, sie leuchteten, strahlten mich freundlich an. Ich spürte das Brennen meiner Finger, als sie durch die warme Hand ergriffen wurden. Schon hatte ich seinen Namen wieder vergessen, als ich realisierte, dass ich ihn wohl schon zu lange ansah. Mein Namensgedächtnis war noch nie das Beste, doch in dieser Sekunde störte es mich wie nie zuvor, als ich mit gefühlt nervöser Stimme ein „Schön, Sie kennenzulernen“ sprach. Ich hätte gerne seinen Namen dahintergesetzt. „Ja“, lächelte er noch etwas mehr. Doch dann ließ er meine Hand los und sah zurück zu den Unterlagen. Meine Chefin führte mich weiter, mein Blick aber hing noch eine Sekunde an dem wunderbaren Gesicht. Ihre Erklärungen hörte ich nicht, dafür hörte ich mein Herz. Zum ersten Mal seit über einem Jahr wusste ich wieder, wie es klang… Ich war überwältigt. Auch wenn ich nicht anders konnte, als diesen jungen Mann mit den Augen zu suchen, wann immer ich mein Büro verließ, sah ich ihn erst eine knappe Woche später erneut. Bis dahin hatte ich mich schon selbst davon überzeugt, dass dieses ungewohnt Lebendige in meinem Inneren Einbildung gewesen sein musste. Diese Mühe war allerdings umsonst, als ich ihn an jenem Sommertag in der Kantine entdeckte. Ich erkannte ihn sofort, hing sogleich mit meinen Augen an ihm. Er lächelte nicht, dieses Mal, und doch schlug mein Herz fest, als ich den Lippen folgte, die ins Handy sprachen, den trippelnden Fingern auf dem Tisch. Nervös oder wütend? Ich konnte es nicht ausmachen, bis er das kleine Ding plötzlich aufs Tablett knallte. Ich zuckte zusammen. „Sam?“ Mein Blick fuhr zu Michaela, welche mich verwirrt ansah. Dann drehte sie sich herum, sah die paar Tische hinüber zu dem aufgebrachten jungen Mann, der nun sein Essen schaufelte. „Kennst du Tobias?“, sah sie nun wieder mich an. Ich wurde mit Sicherheit rot, da es mir bewusst war, wie ich seinen Namen an unzähligen Stellen meines Gehirns abspeicherte. Weshalb bloß erschien mir das so wichtig? „Flüchtig.“ Ich ergriff meine Gabel, versuchte, mein Herz zu beruhigen, das sich schon seit Monaten nicht mehr bemerkbar gemacht hatte. Ich hatte nicht gedacht, dass ich es je wieder hören würde, bis zu jenem Tag vor einer Woche. Und nun wieder, hier in der Kantine, aufgrund dieses jungen Mannes, der wahrscheinlich schon längst wieder vergessen hatte, dass ich überhaupt existierte. Michaela sah sich erneut um. „Sie scheinen mal wieder gestritten zu haben…“, kommentierte sie grinsend. „Sie?“ Ich verschluckte mich an den Nudeln, begann sofort zu husten. Ein breites Grinsen nun mir gegenüber. „Er und sein Freund.“ Ich hustete noch heftiger. Sie deutete es mit Sicherheit falsch, wie ich ihn nun wieder fixierte, es nicht glauben konnte. „Brauchst dir keine Sorgen zu machen“, sie tätschelte seinen Arm. „Er ist so verliebt, er sieht keinen anderen…“ Damit war das Gespräch für sie beendet. Für mich eigentlich nicht. Bis Tobias ein paar Minuten später verschwand, konnte ich nicht anders, als ihn anzustarren. Ich saugte den Anblick seines Profils in mir auf, den unglaublich enttäuschten Blick, der sich in meine Erinnerungen fraß, mehr noch als das strahlende Lächeln unserer ersten Begegnung. Ich kämpfte mit meinem fürchterlich schlagenden Herzen und gegen den Drang, aufzustehen, und zu ihm hinüber zu gehen. Ich sehnte danach, mit ihm zu sprechen. Ganze drei Monate sehnte ich vergebens… dann war er der Gesprächsstoff der gesamten Kantine. Ich spüre einen leichten Windzug, der durch die kleine Öffnung der Balkontür über meine nackte Haut streift. Ich rücke ein Stück näher an Tobias heran, dessen Arme mich umfassen. Ein Zittern durchfährt mich. „Warte, ich mach-“ „Nein, lass…“, halte ich ihn auf, küsse ihn wieder. „Mir ist warm genug…“ Seine Hände streifen über meinen Rücken in mein Haar. Zärtlich streichelt er meinen Nacken. Ich schließe meine Augen wieder und lausche auf sein Herz. Gerade ist es nur geringfügig leiser als meines. Ich habe ihm nie gesagt, dass es schon damals so fest in mir geschlagen hat. Manchmal frage ich mich, ob er sich überhaupt an unsere erste Begegnung erinnert. Ich glaube nicht, doch eigentlich ist es auch unwichtig. Damals war ein anderes Leben. Auch ich war noch ein anderer Mensch, noch getrieben von der Vergangenheit, so sehr ich es auch schaffte, in der Gegenwart zu leben. Heute ist es anders, mit ihm, heute, hier… es ist leicht und es ist ehrlich. Neue Sehnsüchte sind in mir entstanden, Sehnsüchte, die erfüllt werden können… immer wieder, ganz einfach und selbstverständlich… „Ich habe gestern Nate angerufen…“ Erneut nehme ich den Luftzug wahr. Dieses Mal um einiges stärker. Er nimmt die Wärme meiner Gedanken mit sich. „Aha…“, sage ich vorsichtig. Ich versuche, mich nicht zu versteifen und dennoch kann ich nicht anders, als wieder dies Profil in meiner Erinnerung hervorzurufen… oder seine Anspannung damals am Fuße des Mietgebäudes… eben vergessen, ist es plötzlich so unglaublich präsent. „Es war eine plötzliche Idee“, redet er weiter, als ich nicht wirklich darauf eingehe, „eigentlich hatte ich das gar nicht vor…“ „Und… wie war es?“ Mir ist kalt. „Gut.“ Ruhe liegt in seiner Stimme. Ich sehe ihn an und ich spüre, wie ich unruhig werde, als er nicht weiter spricht. Ich versuche in seinen Augen zu lesen, doch gerade ist es schwer, ihre Sprache zu entschlüsseln. Muss ich ihm wirklich alles aus der Nase ziehen? „Tobias, das-“ „Sie sind zusammengezogen“, unterbricht er mich, sieht mich nun direkt an. „Vor zwei Wochen. Das Komischste ist, dass es Nates Idee war… Ich dachte eigentlich, er will endlich ganz alleine wohnen…“ Ein Lächeln. Es ist wehmütig, glaube ich. Ich halte dem kaum stand. „Ich hab ihn gefragt, ob er sich das gut überlegt hat… Er hat ja gesagt… und dann hat er sich noch mal bei mir entschuldigt… So richtig ehrlich, meine ich, als habe er verstanden, was er die ganze Zeit gemacht hat. Es war ein komisches Gefühl…“ Ich setze mich auf. Ich will das nicht hören. Nicht noch mehr davon. Nicht heute, nicht an diesem Tag. „Mir ist kalt“, erkläre ich und stehe auf. Ich schließe die Tür zum Balkon, an dem noch immer die Lichterkette herunterhängt. Meine Finger zittern… und das nicht vor Kälte, da bin ich mir sicher. Ich balle sie zur Faust. „Sam… ist etwas?“ „Nein.“ Lächelnd drehe ich mich wieder zu ihm herum, während die Faust sich lockert. „Ich geh den Baumschmuck holen…“ Damit will ich mich bücken, um nach meinen Klamotten zu greifen. Doch bei der Shorts hält Tobias plötzlich meine Hand fest. Mein Herz bleibt stehen. „Was-“ „Du trägst den Ring nicht“, setzt er sich auf. Ich will ihm meine Hand entreißen. Es klappt nicht. Ich lasse den Kopf sinken. „Nein.“ Alle anderen Gedanken und Sorgen sind plötzlich aus meinem Kopf verschwunden. Zaghaft sehe ich Tobias an. In seinen Augen ist die Frage deutlich zu erkennen. Dabei will ich mich gerade so ungern erklären… „Wo ist er?“, ist seine Stimme vorsichtig. „Im Bad.“ Ich sinke zurück auf den Boden. Es hat keinen Zweck, nun zu gehen, das spüre ich. Innerlich werde ich immer unruhiger. Ich hoffe, das sieht er mir nicht an. „Ich habe ihn heute Morgen abgenommen, nachdem du gegangen bist…“ „Wa... Warum?“ Mittlerweile haben sich seine Finger mit meinen verflochten. Ich seufze, hebe den Blick, sehe die Rotfichte an. Ich wusste, dass es zu dem Gespräch kommen würde, wenn er das Fehlen des Rings bemerken würde. Ich wusste, dass ich dann darüber reden muss, mich erklären… warum fällt es nur immer so schwer? „Daniel hat Weihnachten geliebt…“, spreche ich schließlich leise. „Er hat immer den Weihnachtsbaum geschmückt und Lieder gesungen. Letztes Jahr, als er nicht mehr da war… Ich habe, glaub ich, kein einziges Weihnachtslied zu Ende gehört, ohne zu weinen oder zu fluchen… oder beides… und den Weihnachtsschmuck habe ich im Keller gelassen… Ich wollte noch nicht mal daran denken, wie es mit ihm war, nicht eine Sekunde lang. Aber dieses-“ „Hätte ich das nicht vorschlagen sollen?“ Erschrocken unterbricht Tobias mich. Seine Finger spannen sich um meine. „Nein.“ Ich lächle und streichle mit meinem Daumen seinen Handballen entlang. „Das ist es nicht. Lass mich ausreden, okay?“ Ein zaghaftes Nicken. Statt allerdings zu reden, sehe ich ihn einen weiteren Moment lang einfach nur an. Ich lasse zu, dass ich für Sekunden in den Augen versinke und habe plötzlich das Bedürfnis, die nervösen Lippen zu küssen. Ich weiß, dass er noch immer nicht genau abschätzen kann, was er zu diesem Thema sagen soll. Doch es ist diese Unsicherheit, die mich in den letzten Monaten dazu gebracht hat, endlich über so vieles zu sprechen. Es tut gut und es bringt mich dem Menschen näher, der mir heute hier gegenübersitzt. Es bringt mich dem Strahlen näher, das mich damals wachgerüttelt hat. „Dieses Jahr ist es anders…“, bringe ich nun endlich die nächsten Worte über die Lippen. Gleichzeitig strecke ich nun auch die andere Hand nach seinen Fingern aus. „Du hast vorgeschlagen, einen Baum kaufen zu gehen. Es ist nur eine Kleinigkeit, aber ich hab mich darüber gefreut… und als du weg bist, da lief das Radio, während ich geduscht habe… mir ist gar nicht aufgefallen, dass Weihnachtslieder liefen, weil ich an heute Abend gedacht habe… ernst danach hab ich es gemerkt… und dann…“ Ich zucke die Schultern, sehe Tobias fest an. „Weißt du, wenn ich darüber nachdenke, erinnere ich mich an ihn, wie Weihnachten mit ihm war und wie die Kerzen in seinen Augen spiegelten, und es ist eine schöne Erinnerung… aber sieh mal…“ Ich schlucke, rücke zu Tobias heran, sehe ihn noch viel fester an. „Mir ist klar geworden, dass ich sie in deinen Augen spiegeln sehen will.“ Ich löse meine eine Hand, streife damit sanft seine Wange hinauf, berühre die Augenbraue. „Ich will dich strahlen sehen. Das will ich, seit ich dich das erste Mal sah.“ Sprachlosigkeit hängt in der Luft. Ich spüre, wie ich knallrot anlaufe, und dann sehe ich, dass Tobias dies auch tut. Er berührt die Hand, welche noch immer an seiner Wange liegt. „Das… das klingt wie…“ Er bringt es nicht über die Lippen, doch ich weiß, was er sagen will. Ja, es klingt wie eine Liebeserklärung. Ich trage sie schon lange auf den Lippen, jede Nacht, wenn er bei mir ist. Doch es ist so schwer, sie auszusprechen, denn ich weiß nicht, wie bereit er ist, diesen Schritt mit mir zu gehen. Ich habe meine eigene, lange Zeit gebraucht. Er soll so viel bekommen, wie er benötigt. Ich strecke meine Finger ein wenig, damit sie seine umfangen. „Stört es dich?“, frage ich leise. Sofort erhalte ich ein heftiges Kopfschütteln als Antwort. „Es ist nur... ich…“ „Nate“, nehme ich ihm die schwere Bürde von seinen Lippen. „Ich… naja…“ Er lässt den Kopf sinken. „Nicht wirklich… ich meine… Es ist jetzt schon etwas her. Natürlich ist nicht alles weg, aber… Ich denk nicht mehr oft an ihn. Und du… für dich…“ Seine Fingerspitzen tasten über mein Handgelenk, zittrig. „Ich… weiß nicht, wie viel ich sagen kann, bevor ich ihn nicht vergessen habe…bevor er nicht voll und ganz aus meinem Kopf verschwunden ist… und dabei will ich dir so vieles sagen… ich will, dass du mich verstehst… ich will-“ „Dann sag es.“ Ich drücke seine Finger fest mit einem Mal, halte seinen Blick mit meinem „Sag mir was du sagen willst. Ich werde dich verstehe, das habe ich seit Anfang an.“ Einen Augenblick lang umfängt uns erneut eine ungewöhnlich intensive Stille in der seinen Augen unruhig blicken, unsicher, unentschlossen. Ich küsse ihn sanft, lasse einen Moment lang ihn in meinem ruhigen Takt mit mir atmen. Als ich unsere Lippen wieder trenne, ist in seine Augen der Funke Licht zurückgekehrt. Dann atmet er ein letztes Mal deutlich aus. „Ich habe nachgedacht.“ Die plötzliche Energie seiner Stimme überrascht mich. „Nachdem ich gestern mit Nate telefoniert habe, meine ich. Ich hab mich gefragt, wie ich dir davon erzählen kann, ohne dass du es falsch verstehst… ich wollte dir sagen, dass es mir gut ging nach dem Gespräch, dass es leicht war… aber ich wusste nicht wie… ich weiß es immer noch nicht so wirklich, aber es ist mir wichtig, dass du es weißt. Denn du bist der Grund dafür.“ Er löst die Finger von meinen Händen, stattdessen berühren sie die Haut meiner Wangen. „Durch dich habe ich mein Lachen wiedergefunden, du hast mir gezeigt, wie das Leben weiter geht… und am liebsten würde ich dir jeden Tag dafür danken, denn ich weiß nicht, was ich ohne dich getan hätte. Ich kann es mir nicht vorstellen und es bereitet mir eine scheiß Angst, auch nur darüber nachzudenken.“ Schnell richtet sein Körper sich ein Stück auf, seine Hände umfassen nun mein Gesicht, er ist mir ganz nah. „Ich will mir nicht einen Tag lang vorstellen, ohne dich zu sein… und dann wieder habe ich Angst, dass ich es überstürze, so wie ich es bei ihm getan habe… ich will nicht denselben Fehler wiederholen, nicht mit dir. Denn wenn ich nur daran denke, dass du von mir genug haben könntest, dann…“ Sein Redefluss stockt abrupt. Er ist knallrot. Seine Augen fliegen über mein Gesicht. Es fällt ihm schwer, sie an meinen zu halten, obwohl er mir so nahe ist. Seine Finger haben schon vor Worten angefangen, an meinem Gesicht wie Espenlaub zu beben. Die Anspannung des Moments hat seinen gesamten Körper ergriffen. Und mich. Mich lässt sie atemlos vor ihm sitzen, vollkommen überwältigt. In der nächsten Sekunde entrinnt mir die Nähe plötzlich. So schnell sie da war, lässt er nun die Hände sinken, zieht sich zurück, unsicher… es gibt mir kaum eine Sekunde Zeit, darauf zu reagieren. In der nächsten habe ich ihn an mich gezogen. „Sam, was-“ „Du brauchst nichts mehr sagen“, vergrabe ich mein Gesicht in seinen Haaren. „Ich sagte doch, ich verstehe dich. Ich versteh jedes Wort, das du gesagt hast.“ Er sinkt vollends gegen mich und schlingt die Arme um meinen Nacken. Wärme umfängt mich. Wir sinken auf den Boden hinab. Hier nun wage ich es endlich, die Augen zu schließen. Ob er es auch kann? Ob er mein Herz an seiner Brust spürt, ob er weiß, mit welch hoher Frequenz es jetzt schlägt, nur auf Grund seiner Worte? Ob er weiß, dass er sie zu keinem besseren Zeitpunkt hätte finden können? Jetzt und genau hier. Und noch mehr verstärke ich meinen Griff, kann plötzlich kein Lächeln mehr von meinen Lippen verdrängen. Ja. Jetzt und genau hier. Dieser und kein anderer Zeitpunkt. „Tobias...“ Der Atem stockt ihm einen Moment, mehr Antwort erhalte ich nicht. „Ich habe ein Weihnachtsgeschenk für dich.“ „Was?“ Überrascht will er sich etwas entfernen, doch ich halte ihn fest, vergrabe mein Gesicht weiter nahe an seinem Ohr. „Ich weiß, es ist noch zwei Tage zu früh aber… ich glaube, es gibt keinen Moment, der besser ist als der jetzige…“ Sanft küsse ich sein Ohrläppchen. „Willst du es haben?“ Ein zaghaftes Nicken an meiner Schulter. Ich lasse nun doch zu, dass er uns etwas auf Abstand bringt. Ich lächle ihn an, streife ihm durchs Haar. Eigentlich hatte ich erwartet, dass ich in diesem Moment, kurz davor, nervös sein würde, doch ich bin es nicht. Ich weiß, dass es gerade nichts Richtigeres gibt. „Eigentlich müsste ich jetzt aufstehen und es holen…“ Ich grins verschmitzt aufgrund unserer Lage, der gegenseitigen Wärme, die gerade sicher keiner von uns verlieren will. „Reicht es dir auch, wenn ich dir sage, was es ist?“ Das gleiche, zaghafte Nicken wie zuvor. Er spürt auch, dass es etwas Wichtiges ist. Er weiß doch auch mich so gut zu lesen. Woher rührt dann bloß seine Unsicherheit? „Es ist ein Schlüssel“, flüstere ich. „Und außerdem eine Liste mit größeren Sachen, die ich verkaufen will.. damit Platz wird für dich und deine Sachen, falls du…“ Ich breche ab, schüttle leicht den Kopf, bevor ich seinen mit einer Bewegung näher an mich bring. Hier beginne ich den Satz erneut. „Es ist dein Schlüssel, Tobias. Möchtest du bei mir einziehen?“ Es ist eine plötzliche Bewegung. Tobias stützt sich vom Boden hoch. Seine Augen sind ungläubig, wie sie in meine blicken. „Meinst du… das ernst…?“, zittert seine Stimme durch die ungeplante Frage. „Ja.“ „Aber… willst du das denn?“ „Natürlich.“ Ich lächle. „Ich habe es dir bereits in der ersten Woche gesagt: Ich mag es, wenn du hier bist. Und das meinte ich auch so.“ „Ich…“ Plötzlich schwimmen seine Augen. „Das… ich hatte Angst … ich meine…“ „Ich weiß“, hebe ich die Hand und streiche ihm über die Wange. Nachdem er bei Nate auf gewisse Weise nur geduldet wurde, würde er selbst diese Frage nie wieder stellen. Das war mir schnell klar geworden. „Aber das brauchst du nicht. Du brauchst keine Angst davor zu haben, dass ich irgendwann genug von dir haben könnte. Das wird nicht passieren. Verstehst du mich, Tobias? Ich will mit dir zusammen sein. Möchtest du dieses Weihnachtsgeschenk?“ Eigentlich bräuchte ich die Antwort nicht, welche überschwänglich seine Lippen verlässt, ich bräuchte auch nicht das heftige Nicken, um zu verstehen, wie sehr er sich freut. Allein das Strahlen auf seinem Gesicht wäre genug… oder der leidenschaftliche Kuss, der folgt. Nein, eigentlich wäre schon das Glänzen seiner Augen ausreichend. Ein Glänzen, das nicht zu übertreffen scheint, egal wie viele tausend Lichter nun um uns herum erleuchtet würden. Ich würde sie wahrscheinlich in diesem Moment nicht mal bemerken. Wie könnte ich es auch, wenn all das, was ich mir wünsche, gerade in meinen Armen liegt? Wie könnte ich es, bei den sanften, Worten, die mein Ohr treffen? Wie könnte ich auch nur eine Sekunde lang etwas anderem Aufmerksamkeit schenken als dem Mann, der für diesen Augenblick alle Erinnerungen verblassen lässt und mir zeigt, dass er es war, der mir die Zufriedenheit zurückbrachte, die Weihnachtslieder, das Glück und die Liebe. Meinen Herzschlag. ENDE –Zu tief, um loszulassen? Grundgerüst: 24. – 27. November 2008 Letzte Bearbeitung: 03. Mai 2009 ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Kommentar: Okay, lasst mich es sagen, bevor ihr es tut: Kitsch!!!! Ich weiß T__T Aber irgendwie konnte ich nichts dagegen tun. Es ging nicht, ich habe die Endszene bestimmt drei Mal umgeschrieben und dennoch… die Worte fließen einfach… und sie passen… ja, irgendwie habe ich das schlimme Gefühl, dass sie passen… in ihrem Kitsch und allem… oh bitte, habt dieses Gefühl doch auch *lach* Nein, im ernst. Ich weiß, dass diese Endszene wirklich nahe am Rande irgendeiner Grenze ist. Ich bin normalerweise kein wirklich großer Fan davon und dennoch konnte ich irgendwie nicht anders. Vielleicht weil es hier irgendwie mit Weihnachten zusammenhing, keine Ahnung… ich fand es einfach so unglaublich wichtig, die Gefühle der beiden zu zeigen… und noch wichtiger: dass sie sie sich auch gegenseitig zeigen. Ich hoffe, ihr versteht ein wenig, was ich meine *lach* Naja, auf jeden Fall sind wir hiermit nun am Ende angekommen. Ich muss sagen, dass es mich traurig macht. Mir sind die beiden ans Herz gewachsen, ebenso wie die Hauptcharaktere aus „Bring mir dein Lachen bei“… und es ist schade, dass dieser Bogen nun zu Ende ist. Ich glaube nicht, dass ich noch einmal was in ihrem „Universum“ schreibe werde und ich habe das Gefühl, dass ich es vermisse, irgendwie… Ich mochte sie einfach alle sehr gerne und ich bin froh, dass ich auch Tobias Gesichte am Ende wirklich geschrieben habe. Danke: Natürlich möchte ich mich noch mal an dieser Stelle ganz, ganz doll bei euch bedanken. Vielen Dank für die zahlreichen Kommentare. Es ist schon, zu lesen, dass die Gesichte so vielen von euch so viel Freude bereitet hat, und indem ihr mir sagt, was euch gefällt oder weniger zusagt, hilft es mir, mich auch in Zukunft noch weiter zu entwickeln. Vielen, vielen Dank! Ihr wisst gar nicht, was für eine riesen Freude ihr mir mit jedem eurer Worte bereitet. Zukunft: Bis vor ganz kurzer Zeit dachte ich nicht, dass es sobald eine geben würde, muss ich gestehen. Ich habe zwar ein paar alte Werke, die dringend mal überarbeitet und dann veröffentlicht werden müssten, doch da keines meinem heute so kritischen Auge bisher gefallen hat, wird das wohl noch etwas dauern. Doch dann, vor ca. zwei Wochen bin ich mit einer Idee ins Bett gegangen, die ich am nächsten Tag noch nicht aus meinem Kopf verbannen konnte. Und so habe ich sie niedergeschrieben. Die Geschichte hat ungefähr die Länge dieser Geschichte und ich muss sie noch mal komplett durcharbeiten, doch ich glaube, dass ihr euch freuen könnt, solltet ihr noch etwas von mir lesen wollen. Schon ganz bald (ich schätze so auf 2 bis 3 Wochen) werde ich voraussichtlich den Prolog dieser neuen Gesichte online stellen. Ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn ihr einen Blick darauf werfen würdet. Vergangenheit: An dieser Stelle würde ich gerne noch mal mein Wort an all jene richten, die bisher nur „Zu tief, um loszulassen?“ gelesen haben. Zunächst natürlich vielen Dank, dass ihr euch das Werk bis hierher angetan habt, doch ich kann es mir einfach nicht verkneifen: Ich würde mich wirklich freuen, wenn ihr „Bring mir dein Lachen bei“ eine Chancen geben würdet. So schade ich es dort fand, nur Nates Sicht der Dinge / Beziehung zu kennen, so schade finde ich es nun, wenn ihr nur im Wissen von Tobias’ Gedanken zurückbleibt. Aus diesem Grunde möchte ich euch die Geschichte seines Ex-Freundes wirklich ans Herz legen. Sie gehört dazu, finde ich, sie ist auch ein Teil von Tobias’ Leben ^^ » http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/autor/13097/200265/ Ende: So, mehr weiß ich an dieser Stelle wirklich nicht zu sagen. Ich könnte mich erneut bedanken, da ich das Gefühl habe, das immer noch nicht ausreichend getan zu haben… aber ich glaube, langsam sollte ich Schluss machen, sonst laufe ich noch in Gefahr, euch zu Tode zu langweilen. Aus dem Grunde wünsche ich euch an dieser Stelle einen wunderschönen Sonntag (oder anderen Tag, solltet ihr das Kapitel nicht am Veröffentlichungstag lesen können^^) und ich hoffe, dass ihr mal wieder bei mir und meinen Werken reinschauen würdet. Alles, alles liebe Stiffy ^__^ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)