Akuma?! von DJ-chan ================================================================================ Kapitel 2: Ein Mädchen ohne Namen --------------------------------- Ein Mädchen ohne Namen Ich war in dunkles, lähmendes Schwarz gehüllt. Schmerzen. Sie bekamen immer mehr die Oberhand. Stimmen. Fern. Unklar. Fremd. Was war nur los? Stille. Eine ewig lange Zeit. Die Schmerzen nahmen ab. Verschwanden. Nein, verkrochen sich. Ein Schrecken sitzt tief. Wo bin ich? Immer und immer wieder durchbrechen weiße Lichter die Finsternis. Die Stille wird klarer. Ich spüre Raum. Ein Bett. Endlich schlug ich die Augen auf. „Du bist also endlich aufgewacht!“ Etwas irritiert richtete ich mich mühsam auf und blickte mich suchend um. Ein Mann kam auf mich zu. Er war um die dreißig und hatte lange, schwarze Haare und eine Brille. Freundlich lächelte er mich an. „Ich bin Komui, Abteilungsleiter der Wissenschaftsabteilung“ „Wissenschaftsabteilung?“, mein Kopf drehte sich noch etwas. „Du bist hier im Hauptquartier der Exorzisten, meine Liebe“, meinte der Mann und setzte sich auf mein Bett. „Und mit wem habe ich die Ehre?“ Mit wem? Ich öffnete den Mund, wollte meinen Namen sagen, doch er weigerte sich über meine Lippen zu gehen, er lag mir auf der Zunge und doch konnte ich ihn nicht aussprechen. Verärgert versuchte ich ihn in Gedanken zu formen, doch die Buchstaben blieben namenlos und zerfielen in alle Himmelrichtungen. Wie lautete mein Name?! „Ich…ich weiß es nicht…“, nur sehr langsam kamen mir diese Worte über die Lippen. Komui zog eine Schnute. „Du scheinst also dein Gedächtnis verloren zu haben. Erinnerst du dich noch an irgendetwas…oder…was ist das letzte woran du dich erinnerst?“ „Ich denke, das müsste dieses Monstrum gewesen sein…“, nur sehr langsam und lückenhaft kam mir der schreckliche Anblick wieder ins Gedächtnis. „Wie lange war ich…?“ „Drei Tage“, der Schwarzhaarige seufzte, „wir dachten schon, wir kriegen dich gar nicht mehr hin…es ist sehr selten, dass Menschen ein Akuma-Geschoss überleben. Du scheinst eine Kompatible zu sein…“ „Eine WAS?“ „Eine Kompatible…du scheinst Innocence in dir zu tragen, welche das Akuma-Gift neutralisiert hat…oder zumindest fast…“, er griff an mein Nachthemd und zog den langen Ärmel bis zur Schulter hoch. Dort, wo mich das Akuma getroffen hatte, war eine riesige Narbe entstanden, die aber merkwürdigerweise schon restlos verheilt war. Ein fünfstrahliger Stern prangte in der Mitte, aus seinen Spitzen zogen sich schwarze Fäden, die sich weiter über meinen Arm spannen. Es sah aus wie ein riesiges, unliebsames Tatoo. „Was ist das?“ „Es ist so etwas wie ein Überbleibsel des Akuma-Giftes…wir können es auch noch nicht genau sagen…deshalb ist es notwendig, dass du erst mal im Hauptquartier bleibst. Ich werde dich heute Nachmittag Hebraska vorstellen. Ruh dich derweil etwas aus…“, mit einem etwas besorgten und nachdenklichen Gesicht verabschiedete er sich von mir und verlies den Raum. Es war so etwas wie ein Krankenzimmer, so viel stand fest. Es waren unzählige Geräte darin, bei denen ich mir beim besten Willen nicht vorstellen konnte, wofür sie gut waren. Viele Lichter blinkten und etwas im Raum summte ruhig vor sich hin. Alles im allem kam ich mir wahnsinnig fremd vor. Etwas Ruhiges rief nach mir, ein sanftes Rauschen, ganz anders als dieses Summen. Ich sehnte mich nach einer Heimat, die mir einfach nicht mehr einfiel. Ein leises Klopfen riss mich aus meiner melancholischen Stimmung. Noch bevor ich „Herein“ sagen konnte, wurde die Tür auch schon aufgemacht und der Rotschopf trat ein. Seine Frisur wirkte irgendwie geordneter als das letzte Mal, auch wenn sie immer noch wie eine etwas sehr wild geratene Sturmfrisur aussah. Er trug auch wieder dieses Stirnband und den ledernen Aufzug. Sehr hervorstechend war diese Rosette, die wohl jeder in diesem Laden trug. Er hatte eine schwarze Augenklappe über dem rechten Auge, die mir erst jetzt auffiel. Mit dem anderen Auge blickte er mich freundlich an. „Mein Name ist Rabi“, meinte er und lächelte. Ich lächelte zurück. Alle waren hier so nett zu mir. „Darf ich?“, fragte er und deutete auf das Bett. Ohne auch nur eine Antwort abzuwarten hopste er auch schon aufs Bettende und setzte sich im Schneidersitz hin. „Komui sagt, du hättest dein Gedächtnis verloren“ „Ja…scheint so…aber an Allen und so kann ich mich schon erinnern…“ „Allen? Woher weißt du seinen Namen?!“, aufgeregt sah er mich an. „Na du hast ihn doch oft genug gesagt…“, noch genau konnte ich mich an sämtliche Stimmen erinnern, so als würde mein Gedächtnis diese wenigen Informationen wie einen Schatz hüten. „Ach so…“, anscheinend hätte er mit etwas viel spannenderem gerechnet. „Schon blöd, wegen deines Namens und so…“ „Wie?…Ach so…das meinst du…“, irgendwie hatte ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht. „Aber das können wir ja gleich ändern…darf ich dir einen Namen geben?“ In dem Moment hätte ich losprusten können. Ein etwa gleichaltriger Junge, irgendwie schätzte ich ihn so ein, saß auf meinem Bett, blickte mich wie ein eben gefundenes Tier an und fragte doch glatt, ob er mir einen Namen geben könnte…!!! Ich konnte nicht anders, ich musste ihn einfach angrinsen… „Was ist?“ „Ach nichts…“, ich sollte wohl endlich aufhören ihn anzugrinsen… „Pft“, mit gespielt beleidigtem Ton drehte er sich weg, „ich hätte nämlich einen ganz passenden gefunden…“ „Wirklich?“, irgendwie begann es mich zu interessieren, „Wie lautet er denn?“ Etwas blitzte in seinen Augen auf, mir kam es ziemlich schelmisch vor. „Myo!“ „Myo? Was bedeutet das?“ „Kennst du die Geschichte vom Vergissmeinnicht?“ Er zog sein Knie an und sah plötzlich wahnsinnig nachdenklich aus dem Fenster. „Der Legende nach soll der liebe Gott, als er allen Pflanzen einen Namen gab, eben dieses kleine Pflänzchen vergessen haben…Als es sich daraufhin beschwerte, bekam es diesen Namen“, er wartete kurz ab, bevor er fortfuhr, „Lateinisch bedeutet Vergissmeinnicht Myosotis. Deshalb Myo. Ich finde, dieser Name passt zu dir, du sahst im Wald so vergessen aus…“ Es herrschte Schweigen. Er schien sich wirklich Gedanken über meinen Namen gemacht zu haben. Es irritierte mich und doch fühlte ich mich geschmeichelt. „Myo klingt gut…“, antwortete ich zögerend, „danke“ Ein breites Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. „Da bin ich ja froh…“, meinte er nur und sein Grinsen wurde noch breiter, „Komui wollte dich schon Innozenzia nennen…“ „Innowas?“, ein kalter Schauder lief mir über den Rücken. Jetzt grinste auch ich. Na zum Glück hatte ich Myo gewählt… Ein Klopfen ließ uns beide aufschrecken. Ein etwas hektischer Komui trat ein. „Hättet ihr beide kurz Zeit? Dann würden wir schnell zu Hebraska gehen…“ „Na klar“, meinte Rabi nur und sprang vom Bett, „darf ich vorstellen: Myo!“ Verwirrt blickte mich der Schwarzhaarige an, bis dass er merkte, dass ich eigentlich damit gemeint war. Man konnte für einen Augenblick eine beleidigte Mine erkennen, doch dann schien er sich für den Namen zu erwärmen. „Myo also…ich habe dir Sachen mitgebracht, zieh sie dir bitte an. Was denkst du, kannst du schon gehen?“ „Ja, glaube schon“, eigentlich fühlte ich mich schon einigermaßen fit, doch bis jetzt hatte ich ja das Bett noch gar nicht verlassen. „Wir warten schon auf dich, keine Sorge“, Rabi verließ mit Komui das Zimmer. Hebraska. Wer das wohl war? Bis jetzt waren alle so freundlich zu mir. Dabei schienen sie mich gar nicht zu kennen. Was sie wohl von mir wollten? Schnell schlüpfte ich in die Sachen. Alles war aus dem selben schwarzen Leder wie Rabis Kleidung. Ein Rock und eine Jacke. Auch sie hatte diese Rosette. Silbrig schimmerte sie an meiner Brust. Was sie wohl zu bedeuten hatte? In der Hoffnung, endlich Antworten auf all die Fragen zu bekommen, trat ich aus dem Zimmer. Beide drehten ihre Köpfe zu mir. „Geht’s?“, Komui kam mir gleich entgegen. „Ja ja…alles okay…“, ich wankte zwar etwas, aber es ging voran. Dafür, dass ich drei Tage außer Gefecht war, ging es mir sowieso schon extrem gut. Rabi lehnte etwas weiter abseits an einem anderen Türrahmen. Er blickte irgendwie ernst, das musste wohl das erste Mal sein, dass ich ihn mit so einem Gesichtsausdruck sah. Als er zu mir blickte, verschwand dieser Ausdruck, so als hätte man mit einem feuchtem Lappen über eine milchige Scheibe gefahren, die plötzlich wieder klar war und der Himmel nicht mehr grau sondern blau strahlte. Ich hatte also wieder meinen lustigen Rabi. Bei diesem Gedanken schoss mir plötzlich die Hitze ins Gesicht. Was zum Teufel dachte ich denn da? So als wäre ich ein Kind, das beim Naschen erwischt wurde, schlug ich mir gedanklich auf die Finger und versuchte mich mehr auf die unbekannte Umgebung zu konzentrieren. Die Räume waren allgemein sehr hoch und es wirkte immer irgendwie etwas karg. Es war wie auf einer Ritterburg. Unsere Schritte hallten an den Steinwänden wieder und schon nach wenigen Metern war ich richtig eingeschüchtert. Alles war hier so riesig! Wir erreichten einen gigantisch hohen Raum, es war wie ein Treppenhaus, nur ohne Treppe drin. Man konnte unzählige Stockwerke erkennen, aber nicht einmal bis zur Spitze, geschweige denn bis zum Grund blicken. Wir traten auf eine kleine Plattform, die mitten in der Luft schwebte. Mit etwas zittrigen Beinen entschloss ich mich, das Wagnis einzugehen. Während Rabi entspannt am Geländer lehnte und Komui am Schaltpult arbeitete, hielt ich mich krampfhaft an den Stangen des Geländers fest. Diese Höhe jagte mir unbeschreibliche Angst ein. Irgendetwas fehlte mir, irgendetwas was mich beruhigen konnte und ich mich endlich entspannen könnte. Doch ich kam nicht darauf. Als sich dann schließlich die Plattform auch noch mit angemessener Geschwindigkeit nach unten bewegte, war es um mich geschehen. Meine Knöchel traten weiß hervor, so fest krallte ich mich ein. Ein ungutes Gefühl regte sich in meinem Magen. Ich will hier unbedingt weg, schoss es mir durch den Kopf. Ich konnte Komuis und Rabis besorgte Blicke spüren. Eine Hand legte sich auf meine Schulter. „Alles okay?“ Ich starrte unverändert in diese unendlich schwarze Tiefe, die mir immer näher kam und mir den Zugwind ins Gesicht blies. „Du darfst da nicht runtersehen“ Rabi lehnte sich mit beiden Ellbogen neben mich ans Geländer und sah mir ins Gesicht. „Versuchs mal!“ Zögern hob ich meinen Kopf und sah ihn an. Das ungute Gefühl blieb, aber mir war schon wesentlich besser in der Magengegend. „Du scheinst ein bisschen Höhenangst zu haben“, schloss Komui, während die Plattform langsam zum Stillstand kam. Es war als wären wir in den Eingeweiden des Turms angekommen, düster und schwarz und modrig. Trotzdem konnte ich noch alles wahrnehmen, ich erkannte sämtliche Details genauso gut, wie oben am Tageslicht. Suchend blickten die Zwei ins Dunkle. Noch bevor ich erkennen konnte, nach was sie Ausschau hielten, schoss etwas weißes, strahlendes an mir vorbei. Es war, als würden unzählige Hände nach mir greifen, fest hielten sie mich und hoben mich in die Höhe. Als ich erkannte, dass meine Füße die Plattform verließen, kam die Angst wieder hoch und breitete sich wie eine Sintflut in meinem Körper aus. Mit einem schrillen Schrei ließ ich ihr Luft. Daraufhin lockerte sich der Griff der Kreatur, was mir nur noch mehr Angst bereitete. Hilflos versuchte ich nach ihr zu greifen während mein Herz wie verrückt hämmerte. Die Arme packten wieder fester zu, ich war mir nicht sicher, ob mir das lieber sein sollte, der Anblick der Tiefe ließ mich nicht mehr klar denken. Wie wild begann ich zu zappeln. „Beruhige dich doch…“, eine fremde Stimme sprach sanft zu mir. „Hab keine Angst, das ist Hebraska!“, schrie Rabi mir zu. Erst jetzt erkannte ich die Herkunft der Stimme. Dieses Wesen hatte einen Art weiblichen Kopf, der näher kam. Ich besann mich auf Rabis Worte vorhin auf der Plattform und sah ihr ins Gesicht, um einen Blick in die Tiefe zu vermeiden. Jetzt, wo ich nicht mehr wie wild um mich schlug, konnte mich Hebraska genauer ansehen. Mir kam es vor, als würde ein Bauer, der immer nur Kühe hatte, ein Lama ansehen. Ich war mir nicht sicher, wie ich auf diesen Gedanken kam, aber das müsste ihren Ausdruck ziemlich treffend beschreiben. „Und?“, rief Komui voller Erwartung zu dem Wesen hinauf. Dieses zögerte einen Augenblick. „Keine Kompatible“ „Was?“, Der Schwarzhaarige beugte sich weiter über die Reling und traute anscheinend seinen Ohren nicht. „Ich sagte, sie ist keine Kompatible. Sie trägt weder Innocence in sich, noch wäre sie in der Lage dieses zu tun. Eine klassische Inkompatible“ Selbst von meiner Position aus konnte ich sehen, wie Komuis Stirn Falten warf. „Ihr Körper hat aber das Gift der Akumas unschädlich gemacht! Sie MUSS etwas mit dem Innocence zu tun haben!“ Ich verstand zwar nicht genau, was er da sagte, doch er schien sich in dem Gebiet sehr gut auszukennen. In mir wuchs eine Unruhe, von der ich nicht wusste, was ich davon halten sollte. „Es tut mir leid…“, Hebraska setzte mich wieder auf der Plattform ab, „aber ich kann nichts davon erkennen“ Komui schloss verärgert die Augen. Er verstand anscheinend die Welt nicht mehr. Mit wackeligen Beinen versuchte ich mich zum rettenden Geländer zu bringen. Mein Herz pochte, als wäre ich gerade mehrere Kilometer mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit gelaufen. Ich begann mich über meine Höhenangst zu ärgern. Mein gesamter Körper zitterte wie Espenlaub. Und jetzt begann mir auch noch mein rechter Arm zu schmerzen! Genervt schloss ich die Augen. „Vorsicht, wir fahren wieder nach oben…“, die Stimme des Schwarzhaarigen klang ungewöhnlich matt und enttäuscht. Er hatte anscheinend fest damit gerechnet, dass ich so eine „Kompatible“ wäre. „Was ist eine Kompatible?“, endlich raffte ich mich auf und stellte ihm diese Frage. „Kompatible sind in der Lage, sich mit dem Innocence, einer göttlichen Macht, zu verbinden“ Selbst Rabi lugte etwas verdutzt zu Komui hinüber, wo mich dieser doch gerade mit so einer mageren Antwort abgespeist hatte. Er war mir irgendwie etwas redseliger vorgekommen, doch momentan sprach seine verzwickte Mine Bände. Ich kam daraufhin zu dem Entschluss, dass es wohl in diesem Moment besser wäre, einfach nichts mehr zu sagen. Langsam erreichten wir wieder eine ansehnliche Höhe und es wurde wieder hell. Schweigend verließen wir die Plattform und ich wurde alleine in mein Zimmer zurückgeschickt. Dort hatte ich genügend Zeit, mir die Geschehnisse selbst zusammenzureimen. Diese Kräfte, die Allen und Rabi auf dem Bauernhof benutzt hatten, das musste das Innocence sein. Sie waren also folglich Kompatible. Ob hier alle in diesem Gemäuer Kompatible waren? Plötzlich durchfuhr mich ein Schreck. Wenn ich jetzt wirklich nicht so eine von ihnen bin, werden sie mich dann rauswerfen?! Es war, als würde mir der Boden unter den Füßen weggezogen werden. Allen, Rabi und Komui waren die einzigen Menschen, die ich momentan kannte. Ich hatte keine Ahnung, wo ich mich gerade aufhielt, geschweige denn, ob ich irgendwo eine Familie hatte. Diese Leute waren für mich der einzige Aufhängepunkt. Ich wollte – nein – ich musste einfach bei ihnen bleiben! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)