Fuchsherz von Arianrhod- ([NaruHina]) ================================================================================ Kapitel 5: In between dark and light ------------------------------------ Das Gesicht, das ihr aus dem schmutzigen Schulspiegel entgegenstarrt, war nicht mehr blass und verschlossen. Ihre Wangen trugen nun eine rosige Farbe und ihre hellen Augen leuchteten. Das letzte Mal, als sie über längere Zeit so glücklich gewesen war, war ehe ihre Mutter gestorben war. Hinata lächelte und wusch sich die Hände. Seit sie Naruto getroffen hatte, hatte ihr Schicksal schlagartig eine Wendung genommen, die sie nie hätte ahnen können. Er hatte so viel Leben mitgebracht, so viel Aufregung und auch ein bisschen den Kitzel der Gefahr, den sie sich sonst immer vom Leib hielt. Noch hatte sich nichts schlimmes oder gefährliches ereignet, doch Hinata vergaß nicht den silbernen Fuchs, den Naruto erwähnt hatte, oder die Tatsache, dass Kikyou keine Münzen schenkte, wenn sie es nicht tatsächlich für nötig hielt, dass der Träger diese Unterstützung eines Tages brauchen konnte. Außerdem war Naruto selbst Rätsel und Antwort genug, dass sie wusste, dass er eines Tages in Gefahr sein würde. Und inzwischen wusste sie auch, dass sie ihn nicht so einfach allein kämpfen lassen würde. Aber das war ihr egal. Wenn sie nur bei ihm sein konnte, war es ihr genug. Sie war nicht mehr nur Hals über Kopf in ihn verliebt. Sie liebte ihn. Sie würde zum Ende der Welt für ihn gehen und darüber hinaus. Es war nur noch die Frage, ob und wie sie es ihm sagen sollte. Als er sie zwei Tage nach dem Besuch bei Isis und Kikyou gefragt hatte, ob sie mit ihm Essen gehen würde, wäre es ihr mehrmals beinahe herausgerutscht. Der Tag war so toll gewesen, wie ein Traum, ein Wunschtraum, selbst wenn sie wusste, dass er es eher tat, um ihr zu danken denn aus anderen Gründen. Er hatte sie nicht in die Neitherworld gebracht, denn dort kannte er sich noch zu wenig aus, wie er gesagt hatte. Dafür in ein kleines, süßes Café, in dem sich häufig Studenten trafen, dann in das Kino und anschließend noch zu einem chinesischen Schnellimbiss, wo sie geblieben waren, bis man sie hinausgeschmissen hatte. Es war einer der schönsten Tage ihres Lebens gewesen und Neji hatte vor kurzem angemerkt, dass sie noch drei Tage späte gestrahlt hatte wie eine Supernova. Naruto schien das jedoch nicht aufgefallen zu sein. Aus diesem Date war nichts weiter entstanden. (Auch wenn sie wusste, dass Naruto es ebenfalls genossen hatte. Sie hatte es gesehen. Und sie war eine Hyuuga. Hyuuga konnten ihren Augen trauen.) Allerdings hatte Naruto sie gebeten, ihm mehr Teile der Neitherworld zu zeigen und Hinata hatte begeistert zugestimmt. Wann immer Naruto Zeit dafür hatte, zeigte und erklärte sie ihm einen neuen Part der fantastischen Welt. (Naruto war dazu übergegangen, nach der Schule für seinen Adoptivvater und diverse Nachbarn kleine Arbeiten zu erledigen – gegen Geld. Er argumentierte, dass er es jetzt gebrauchen konnte, und das war tatsächlich mehr als wahr. Inzwischen hatte er ihr das Geld für die Opfergaben und den Besuch bei der Seherin vollständig zurückgezahlt.) Sollte sie einmal keine Zeit gehabt haben – was vor allem vorkam, wenn Neji sie für das Circle brauchte, besuchte Naruto den Bazar oder eine der anderen Nischen allein oder in Begleitung eines Freundes, der auch über alles Bescheid wusste. Der Bazar jedoch hatte es ihm besonders angetan. Das konnte sie ihm jedoch nicht verübeln; es ging den meisten Leuten so. Zweimal hatten sie Sai mitgenommen, was ... amüsant gewesen war, da der emotional überforderte Junge es einfach nicht zu raffen schien, was angemessene Fragen, Bemerkungen und Antworten waren und was nicht. Naruto konnte sich darüber maßlos aufregen. Nur, um drei Minuten später wieder völlig ruhig zu sein. Hinata hatte ihm erklärt, dass all dies nicht tatsächlich die Schuld des schwarzhaarigen Jungen war, sondern eher die seiner Umgebung und seines Lebens. Dennoch explodierte Naruto jedes Mal aufs Neue. Hinata hatte den Verdacht, dass Sais Verständnis von Anstand doch etwas größer war, als sie annahm, und er den Blonden absichtlich reizte nur um seine Reaktion zu sehen. Er ging nämlich nie tatsächlich zu weit, so dass Naruto sich immer wieder beruhigen konnte. Trotzdem bestand sie darauf, dass die beiden Jungen niemals nur zu zweit unterwegs waren. Sie wollte sich nicht vorstellen, was es für Auswirkungen haben konnte, wenn Sai doch einmal Grenze überschritt und sie dann nicht da war. Einmal kam auch Kiba bei einem ihrer Ausflüge mit, aber er und Naruto bekamen sich ständig in die Haare und nicht auf diese Art wie mit Sai, worüber sie lachen konnten. Es war Stress pur dafür zu sorgen, dass die beiden sich nicht an die Kehle sprangen. Neji bestimmte noch am selben Tag, dass es den beiden verboten war, sich näher zu kommen als unbedingt nötig. Beide verhielten sich verhältnismäßig vernünftig in dieser Sache – ob es nun daran lag, dass sie Angst vor Neji hatten oder tatsächlich daraus, dass sie es hier nicht auf einen Streit ankommen lassen wollten, war Hinata jedoch nicht klar. Sie lächelte bei dem Gedanken daran in sich hinein, während sie sich die Hände abtrocknete. Dann nahm sie ihre Tasche, die sie auf eine der Heizungen gestellt hatte, die gegenüber den Waschbecken an der Wand entlang liefen, wieder auf und verließ die Schultoilette rasch. Sie mochte diesen Ort nicht – zu viel Dreck, zu viel Gestank, zu viel ... schlechte Energie. Alle öffentlichen Toiletten waren so. Sie hielt sich nicht gerne auf einer solchen auf. Hinata warf einen kurzen Blick auf die Uhr und fuhr erschrocken zusammen. So spät schon! Sie hätte Naruto schon vor fünf Minuten treffen sollen! Hatte sie wirklich so lange vor diesem Spiegel gestanden? Das sah ihr gar nicht ähnlich... Sie spähte kurz den Gang hinunter, dann kehrte sie um, um einen anderen Weg zu nehmen. Eigentlich war es den Schülern verboten, dort entlang zu gehen, da er durch einige Lagerräume führte, aber viele taten es dennoch, weil er kürzer war. Normalerweise verzichtete Hinata auf diesen Regelübertritt – okay, sie versuchte, sich an alle Regeln zu halten – aber sie wollte Naruto nicht noch länger warten lassen. Also warf sie noch einen kurzen Blick über die Schulter, und schlüpfte um die Gangecke um rasch auf die schwere Tür zuzueilen. Sie führte in eine große, stickige Halle, die vollgestellt war mit diversem Zeug – Tischen und Stühlen, die im Moment nicht gebraucht wurden, fahrbaren Tafeln, alten Dekorationen von Theaterspielen, Stapel von Eimern, Regale vollgestopft mit Büchern und anderes Zeug. Sonnenstrahlen fielen durch die schmalen Fenster, die hoch unter der Decke angebracht waren, halfen aber nicht viel gegen das Dämmerlicht, das im Raum herrschte. Hinata schaltete kein Licht an, es war hell genug, dass sie ihren Weg erkennen konnte. Rasch durchquerte sie den Raum um durch eine Verbindungstür den nächsten zu betreten. Dieser Saal sah ganz ähnlich aus, nur war es hier wesentlich heller, da die Fenster sich fast über die gesamte Höhe der Wand zogen. Das Licht glänzte auf einer Reihe hoher Spiegel und verlieh der kuriosen Ansammlung etwas unwirkliches. Obwohl Hinata wusste, dass dies Blödsinn war – sie hatte echte Magie gesehen und gewirkt. Rasch bog sie in einen der Gänge, die zu der zweiten, der großen Tür führten. Früher war dieser Raum als Aula benutzt worden, ehe die Schule gewachsen und er damit zu klein geworden war. Die neue Versammlungshalle war im Neubau untergebracht, riesig, aber passend. Diese hier hatte als Abstellkammer geendet. Leise Stimmen ließen sie aufhorchen und sie stockte kurz im Schritt. „...dieses Schwein nochmal.... ... -egen tun.“ Die Worte waren nur undeutlich zu verstehen, trotz des zornigen Tons, mit dem sie ausgesprochen worden waren. Dennoch erkannte Hinata, dass sie von einem Mädchen stammten, wahrscheinlich einer Schülerin. „Lass es einfach gut sein.“ Die zweite Stimme war deutlicher und ebenfalls die eines Mädchens. Hinata kannte sie, doch sie war zu gedämpft, als dass sie sie auf Anhieb zuordnen konnte. „Nein!“ Das Wort war jetzt lauter. War das Haruno Sakura?! Was tat die denn hier? Von dem nächsten Satz verstand sie nur das Wort 'anzeigen'. „Wie könnte ich das tun, du dumme Kuh?!“, fauchte die andere und jetzt erkannte Hinata sie auch: Yamanaka Ino. Dann machte es Sinn, dass die andere Haruno war... Aber was taten die beiden hier? Hinata wurde blass, als ihr ein Gedanke kam. Vielleicht sollte sie doch lieber umkehren...? Wer zum Reden hierher kam, wollte in der Regel nicht gestört werden. Und Hinata wollte sicher nicht die sein, die in ein geheimes Gespräch zwischen diesen beiden hineinplatze. Außerdem konnte sie Lauscher nicht ausstehen und selbst als einer zu enden war unter ihrer Würde. „...Herz brechen.“, erklärte Ino gerade; Hinata hatte den Anfang des Satzes nicht mitbekommen, zu leise, zu undeutlich. „Aber darum geht es doch gar nicht! Außerdem weiß sie es doch schon längst. Denkst du, sie wäre blind oder dumm?!“ Inos Stimme klang gepresst, aber sie war klar verständlich. „Ich kenne sie besser als du, denkst du, das weiß ich nicht?!“ Hinata wich leise zurück um die beiden nicht zu alarmieren. „Aber darum geht es nicht! Es geht um...“ Hinata stieß gegen eines der wackeligen Regale und mit lautem Gepolter regneten kleine, aber schwere Holzfiguren auf sie hernieder. Ino brach mitten im Satz ab. Einen Moment blieb es still und Hinata dachte nur an eines: Weg! Jetzt! Sofort! Wer wusste, was Ino mit ihr tun würde, sollte sie sie hier entdecken. Doch sie fühlte sich wie festgewachsen, während Ino und Sakura sich jetzt hastig in Bewegung setzten und dann stürmten sie auch schon um die Ecke. Ino war eine Furie, schön und schrecklich zugleich. Ihr blondes, offenes Haar beinahe wie ein Schleier, der ihr über die schmalen Schultern fiel. Sakura dahinter wirkte unscheinbar und klein im Gegensatz zu ihr, obwohl auch das Mädchen mit den pinken Haaren eigentlich keine unauffällige Gestalt war – schon allein wegen eben dieser Haare, die so unnatürlich wirkten und doch völlig selbstverständlich zu ihr passten. Hinata starrte sie an, wie ein Reh im Scheinwerferlicht ein Auto anstarren würde, das mit voller Geschwindigkeit auf es zuraust. Sie hatte Angst ja, aber es war nicht das erste Mal, dass sie in eine prekäre Situation geriet. Aber dies hier ähnelte viel zu sehr einem neitherworldschen Straßenkampf als einer Mobbingszene in der Schule, weswegen ihr Gehirn in einen völlig anderen Modus geschaltet hatte, als sie es bei Gegenüberstellungen mit Ino gewohnt war. Das schockierte sie so sehr, dass sie sich einen Moment nicht mehr rühren konnte. Doch ihre Augen registrierten jede Einzelheit ihrer Gegnerinnen und ihr Gehirn verarbeitete die Informationen sofort, wobei ihr die kleinen Unstimmigkeiten auffielen, die diese Situation von an den deren unterschieden. Ino hatte versucht, ein blaues Auge zu überschminken. Oder nicht versucht, sie hatte es getan oder tun lassen. Jemand anderem als Hinata mit ihren besonderen Augen wäre es wohl kaum auf einen solch flüchtigen Blick aufgefallen. Jemand hatte Ino geschlagen. Mit der Faust, mitten ins Gesicht. Und Ino wollte nicht, dass es jemand erfuhr; war verletzt, aufgewühlt und verängstigt. Darum tat sie, was eine Katze in dieser Situation getan hätte: sie ging zum Angriff über. Hinata wünschte sich, sie hätte doch den anderen Weg genommen. Ino schlug dahin, wo es wehtat, ob nun mit Fäusten oder mit Worten, das spielte keine Rolle. Die blonde Schönheit hatte eine unheimliche Begabung dafür, genau zu wissen, was diese schmerzhaften Stellen waren und sie nutzte sie skrupellos aus. Hinata hatte das schon mehrmals mitbekommen und auch ein oder zwei Mal am eigenen Leib erfahren. „Du blöde Kuh! Weiß du nicht, dass lauschen sich nicht gehört?!“, kreischte Ino mit schriller Stimme. „I...ich...“, versuchte Hinata sich zu verteidigen, doch die Blonde ließ sie nicht zu Wort kommen, sondern keifte einfach weiter: „Was suchst du eigentlich hier?! Weißt du nicht, dass du hier nichts verloren hast? Wie dumm kann man eigentlich sein?!“ Dass sie selbst hier auch nichts verloren hatte, ignorierte sie geflissentlich. Wahrscheinlich wäre sie aufs Höchste empört, wenn Hinata sie darauf hinweisen würde. „Fragt sich nur, wo du das her hast. Von deiner Mutter vielleicht?“ Ino lachte schrill, beinahe hysterisch, und Hinata wich einen Schritt zurück. Es war unfair von der Blonden, ausgerechnet ihre Mutter ins Spiel zu bringen! Aber Ino bemerkte natürlich sofort, auf was für eine Goldader sie gestoßen war. „Vielleicht ist das ja der Grund, warum sie nicht mehr unter uns weilt. Oh, verzeih, hab ich dich mit meiner dummen Bemerkung verletzt?“ Die zuckersüße, höhnische Stimme des blonden Mädchens trieb Hinata die Tränen in die Augen und verursachte ihr Übelkeit. Am liebsten würde sie sich übergeben, jetzt, direkt hier, vor Inos Füße. Sakura sog scharf die Luft ein und legte ihrer Freundin die Hand auf die Schulter um sie wegzuziehen, doch Ino schüttelte sie genervt ab. Statt dessen verzog sich ihr sonst so hübsches Gesicht zu einer hässlichen Fratze, während Hinata fühlte, als wäre ihr gesamter Körper bleischwer. Sie kämpfte mit den Tränen, sie würde nicht weinen, nicht hier, nicht jetzt, nicht vor Ino. „Oder ist es von deinem Vater? Aber nein, der lebt ja noch und so fern, wie er sich von dir hält, muss er wohl doch ein kleines bisschen Verstand übrig haben. Sag, ist der Rest deiner Familie auch so dumm oder bist das doch nur du?!“ „Da...das ist genug, Ino!“ Nie hätte Hinata gedacht, dass Sakuras Stimme einmal so unsicher klang wie ihre eigene. „Bi...bitte, lass uns jetzt ein...einfach gehen, o...okay?“ „Halt die Klappe, Stirnie!“, war die gefauchte Antwort, doch ohne, dass die Blonde sich zu ihrer Freundin umdrehte. Sie musterte weiterhin das kleine Häufchen Elend, dass sich so weit wie möglich von ihr entfernt hatte, an das Regal gepresst. Wo war Hinata da bloß reingeplatzt? Was hätte sie hören können, dass Ino niemanden außer Sakura wissen lassen wollt? Die Schwarzhaarige wusste es nicht und wenn, dann würde sie doch niemals etwas verraten! Das war einfach nicht Hinatas Art, denn was Inos Geheimnisse waren, das ging nur Ino etwas an. „Ino, bitte...“ Sakuras Stimme klang jetzt sicherer, aber auch flehender. „Nein.“, zischte Ino und ihre Augen funkelten vor Wut. Diese ganze Sache nahm sie sehr viel mehr mit, als sie eigentlich sollte. „Diese dumme, kleine Kuh hier soll wissen, was es heißt, mich zu belauschen.“ „Was ist denn hier los?“ Die ruhige Stimme ließ alle drei Mädchen zu dem Sprecher herumfahren. Hinata hätte beinahe gejubelt, als sie Naruto erkannte. Der wirkte ernst und kühl, wie sie ihn noch nie zuvor gesehen hatte, und in seinen blauen Augen funkelte etwas, so dass sie hart wie Steine wirkten. Hinata fuhr ein eisiger Schauer über den Rücken und war froh, dass dieser Blick nicht auf sie fixiert war, sondern auf Ino, die einen Moment die Fassung verloren zu haben schien. Aber sie fing sich schnell und erklärte höhnisch: „Deine dumme, kleine Freundin ist eine eklige Lauscherin. Trainier sie besser, vielleicht tut sie das nicht mehr und kriegt das nächste Mal auch ihr Maul auf, wenn man mit ihr spricht.“ Narutos Gesicht verwandelte sich von dem kalten Gesichtsausdruck zu einer Maske aus Zorn. Mit drei Schritten hatte er Hinata erreicht und zog sie hinter sich, während er Ino nicht aus den Augen ließ. Doch die schien unbeeindruckt, hochmütig und selbstgerecht wie immer. „Du!“, zischte der Junge und seine Stimme war bebte vor Wut. „Du kannst von Glück reden, dass ich keine Mädchen schlage, sonst würden dir jetzt mindestens zwei Zähne fehlen!“ „Ach ja?“ Ino hob eine Faust. „Glaubst du wirklich, ich sei so wehrlos und du könntest mich nicht treffen?!“ Narutos Haltung veränderte sich, doch er kam weder zu einer körperlichen Reaktion noch zu einer Antwort. „Ino!“, rief Sakura und zerrte heftig am Arm ihrer Freundin, die herumgerissen wurde und für einen Moment aus dem Gleichgewicht kam. Hinata ergriff die Gelegenheit und nahm Narutos Arm um ihn wegzuziehen von der Szene. Sie wollte nicht, dass alles nur noch schlimmer wurde, weil die beiden Blondschöpfe aufeinander losgingen, sei es mit Worten oder Fäusten. Sie wusste, dass sie Ino auf irgendeine Weise verletzt hatte. Das Mädchen hatte sich nur verteidigen wollen, auch wenn es Hinata geschmerzt hatte, wie sie es getan hatte. Hätte sie sich nicht ein anderes Ziel als ihre Mutter, ihre Familie aussuchen können? Ihre Familie bedeutete Hinata alles. Naruto reagierte sofort und folgte ihr, während seine Aufmerksamkeit von Ino zu ihr glitt. In seinen Augen konnte sie noch immer seine Wut sehen, aber sie war überdeckt von der Besorgnis, mit der er sie betrachtete. Die anderen beiden Mädchen folgten ihnen nicht. Sei es, dass Ino das Interesse verloren hatte oder Sakura es geschafft hatte, sie aufzuhalten. Aber das spielte keine Rolle, sie kamen nicht mehr näher. Hinata begann zu zittern. „Heyhey, es ist alles in Ordnung.“ Narutos Stimme klang sanft und er fuhr mit dem Daumen über ihre Wangen. „Nicht weinen. Die Zicke hat doch gar keine Ahnung, von was sie redet. Hinata?“ Sie hatte gar nicht gemerkt, dass ihr die Tränen gekommen waren. „J...ja.“ Hastig versuchte sie, es zu verbergen, die salzige Flüssigkeit aus ihrem Gesicht und ihren Augen zu reiben, doch Naruto wollte nichts davon wissen. „Hey, ist okay... Ich bin hier, okay? Wenn du mich brauchst, werde ich immer da sein.“ Seine Stimme klang leise und so sanft, beinahe zärtlich. Die Worte klangen wie ein Versprechen. Der Druck seiner Hände auf ihren Schultern war noch eine Betonung dieses Schwurs. Es ließ sie in noch heftigere Schluchzer ausbrechen und sie wusste nicht, was der Grund da für war, nur, dass er sich mit Inos Stimme mischte, den Beleidigungen und dem Andenken an ihre Mutter, dass die andere so rücksichtslos in den Dreck gezogen hatte. Naruto wirkte einen Moment hilflos, dann nahm er sie vorsichtig in die Arme. Später würde Hinata diese Szene peinlich sein, dass sie am liebsten im Boden versinken würde. Jetzt ließ sie sich einfach in seine Arme fallen und nahm die Hilfe an, die er ihr so selbstlos und natürlich anbot. Nachher wusste sie nicht mehr, wie lange sie dort gestanden hatten – es war eine ganze Weile – aber als sie sich wieder löste, ging es ihr besser. Naruto kramte ein Taschentuch aus seinem Rucksack und sah ihr nachdenklich dabei zu, wie sie sich schnäuzte, die Tränen aus den Augen wischte und wieder versuchte, so auszusehen, als hätte es diesen Ausbruch nie gegeben. Seltsamerweise war ihr diese Aufmerksamkeit nicht einmal peinlich oder zumindest nicht so sehr, wie es eigentlich sein sollte. Das lag an der ehrlichen Besorgnis in seinem Blick, die sie so genau sehen konnte wie kaum etwas anderes. „Ich weiß, wie ich dich aufmuntern kann!“, erklärte er plötzlich und grinste, glücklich über seine Idee. „Huh?“, machte sie verwirrt und fuhr sich noch einmal über die Augen. Sie weinte nicht mehr, aber sie wusste, dass man ihr ansah, dass sie es getan hatte. Zum Glück war die Schule bereits aus, sonst gäbe das nur unangenehme Fragen. Naruto lächelte geheimnisvoll. „Lass mich nur machen und dich überraschen.“ Er nahm sie an der Hand und marschierte stramm auf die Tür der ehemaligen Aula zu; das Mädchen hinter sich herziehend. „Du wirst schon sehen.“ Das Café, das Naruto als ihren ersten Stopp auserkoren hatte, war sicher nicht etwas, was Hinata öfter besuchte. Sie sah sich zumindest neugierig um, ließ den Blick über die einfache Einrichtung schweifen, die Decke, die einem Nachthimmel nachempfunden war, die gut gefüllte Theke und die Menschen. Es war ein ganz normales Otherworldcafé, doch der Kuchen hier war zum Sterben gut. Naruto bugsierte seine Freundin durch das anscheinend wahllos angerichtete Gewirr der Tische und Stühle zu einem Platz, der zwischen einem Fenster, der Wand und einer großen Pflanze eingeklemmt war und damit abgeschieden lag. Im Vorbeigehen winkte er einer Bedienung zu, die wissend nickte und kam, kaum dass sie sich gesetzt hatten, nachdem Hinata umständlich aus ihrer Jacke geschlüpft war. Naruto ließ es sich nicht nehmen, ihr den Stuhl zurechtzurücken, ehe er sich selbst auf seinen Platz plumpsen ließ. Das Mädchen reagierte nicht auf die Frau, die sich wartend neben ihrem Tisch platziert hatte, sondern starrte auf ihre im Schoß zusammengefalteten Hände, also bestellte der Junge für sie: „Eine heiße Schokolade für sie und ’nen Kaffee für mich. Schwarz.“ Die Bedienung warf ihm ein Lächeln zu. „Kommt sofort.“ Damit machte sie sich wieder davon. „Ich hoffe, eine heiße Schoki ist okay.“, sagte Naruto zu seiner Freundin. Einen Moment fragte er sich, ob sie ihn überhaupt gehört hatte, dann nickte sie etwas zu hastig. „J...ja. Da...dan...danke.“ Es sah danach aus, als hätte Inos seltsamer Angriff einen schlimmen Fall von Stottern bei Hinata ausgelöst. Dabei hatte sie während der letzten Tage aufgehört, das in seiner Gegenwart zu tun! Das hatte ihn wirklich sehr gefreut. Manchmal war es so schwer, ihr zu folgen, wenn sie es tat. Außerdem bedeutete kein Hinata-Stottern, dass sie begann, ihm zu vertrauen und sich sicher und wohl bei ihm zu fühlen. Und jetzt war das alles wieder weg? Sein Zorn auf Ino flammte noch einmal auf, heftiger als vorher. Diese blonde Zicke hatte hier ganze Arbeit geleistet. Vielleicht hätte er ihr doch eine reinschlagen sollen, nur so als Lehre. Dummerweise hatte Iruka ihm oft genug eingebläut, dass man keine Mädchen schlug, ganz egal, wie die sich verhielten. Darum wiederstrebte es ihm aus tiefstem Herzen, dies doch zu tun. Also war Ino ungestraft davongekommen. Er wusste nicht, was er gegen weitere eventuelle Angriffe von Inos Seite tun sollte, außer, sich dazuwischen zu stellen, wenn das andere Mädchen wieder auf Hinata losging, aber das war eine Frage des Augenblicks und der Tat. Jetzt blieb ihm nur übrig, sich um die Katastrophe zu kümmern, die die Attake hinterlassen hatte. „Si...sie ha...hat meine ... Mu...Mutter beleidigt.“, presste Hinata plötzlich hervor, ihre Stimme zitterte und die Tonlage war irgendwo zwischen Angst, Schmerz und heißem Zorn. „Un...und meine Familie. Ne...Neji. Und Tou-sama.“ Erstaunt blickte Naruto auf. Er hatte nicht gedacht, dass sie von sich aus anfing, darüber zu sprechen. Aber das war gut – er wusste nie, wo er bei solch ernsten Themen anfangen sollte. Außerdem ... bedeutete dies nicht, dass sie ihm noch mehr vertraute als er gedacht hatte? Wenn sie ihn im Moment als ihren Kummerkasten ansah, dem sie alles erzählen konnte? Er lächelte sie an. „Sie weiß nicht, wovon sie spricht.“ Nach kurzem Zögern beugte er sich über den Tisch um ihre Hände in seine zu nehmen, ehe er sich wieder zurückfallen ließ. „Ich kenne deine Eltern zwar nicht, aber du redest immer so warmherzig von ihnen. Und Neji ... hey, er ist ein Eisklotz, aber er hat auch seine guten Seiten. Kennt diese Ziege ihn überhaupt?“ Hinata lächelte schwach; über seine Worte oder den lockeren Ton, den er angeschlagen hatte, oder über etwas völlig anderes, das wusste er nicht. Sie drückte seine Finger und schwieg. „Yamanaka ... me...meinte, wir wären alle dumm.“, erklärte sie dann. Naruto starrte sie an. „Dumm...“, wiederholte er verdutzt. All diese Beleidigungen, die man den Hyuuga an den Kopf schmeißen konnte, und Ino wählte ‚dumm’?! War die denn ... na ja, dumm? Denn die Hyuuga waren es keineswegs – Hinata und Hanabi waren beide sehr kluge Mädchen, Neji galt als Genie, was selbst Naruto mit Leichtigkeit sehen konnte (er studierte immerhin schon und kümmerte sich nebenbei um das Circle) und nach allem, was er über Hyuuga Hiashi wusste, war auch er keineswegs zurückgeblieben, eher im Gegenteil. Und so über eine Tote zu reden war sowieso die Höhe! Hatte Ino denn gar keinen Respekt vor irgendetwas? Selbst Sakura war entsetzt über ihr Verhalten gewesen und das hatte etwas zu sagen. Die Kellnerin, die ihre Bestellungen brachte, zwang ihn dazu, Hinatas Hände loszulassen. Er bestand darauf, sofort zu zahlen (seine kleinen Betteleien bei Iruka und die Arbeiten, die er jetzt erledigte, trugen tatsächlich Früchte und zwar mehr, als er zuerst gedacht hatte) und schob seiner Freundin dann das Getränk zu. „Na los. Iruka sagt, so was soll gut tun, wenn man traurig ist.“ Er grinste sie an und zögernd folgte sie der Anweisung und hob die Tasse an die Lippen, um ein paar Schlucke zu nehmen. Das Lächeln, das sie ihm danach über den Rand der Tasse hinweg schenkte, war noch immer zittrig, aber ehrlicher als das vorherige. Naruto nickte zufrieden. „Na also. Und wenn du das ganz ausgetrunken hast, hast du Yamanakas bescheuerte Worte vergessen, weil sie sowieso falsch sind und völlig an den Haaren herbeigezogen! Verstanden?“ Sie nickte, gottergeben und widmete sich wieder ihrer Tasse. Jetzt erst nahm Naruto seine eigene Tasse auf. Kaffee wirkte, seltsamerweise, beruhigend auf seine Nerven. In Stresssituationen gab es für ihn nichts besseres. Eine Weile saßen sie schweigend beieinander. „Meinst du... Meinst du, wir...wirklich, dass ... Yamanaka...“ „Natürlich hat sie Unrecht. Was denkst du denn?“ Er verdrehte die Augen. Dass Hinata auch nur ein Wort von Inos dummen Geschwätz glauben konnte...! „Hör zu. Ich hab nicht sonderlich viel mitbekommen, aber sie schien mir ziemlich aufgebracht zu sein – nicht nur, weil sie glaubte, du hättest sie belauscht. Sie ließ dir ja noch nicht mal Zeit, dich zu verteidigen! Selbst Yamanaka ist selten so schnell mit einem Urteil zur Hand. Sie hat einfach nach etwas gegriffen um dich zu verletzen und das ist ihr offensichtlich gelungen. Auch wenn sie sich lauter bescheuertes Zeug aus den Fingern gesaugt hat.“ Hinata starrte ihn mit großen Augen an als wäre er der Prophet eines Gottes, der zu ihr kam um ihr zu verkünden, sie würde demnächst in den Himmel aufsteigen. „Ich würde keinen Yen für ihr Gewäsch geben.“ Dann lachte er. „Meine Güte, wenn ihr dumm wäret, was wäre dann ich? Oder sie? Das nächste Mal lachst du einfach über sie.“ „A...aber...“ „Kein Aber, Hinata-chan! Das ist so lächerlich, darüber kann man nur lachen.“ Hinata nickte, wirkte aber noch nicht überzeugt. Sie hielt ihre inzwischen leere Tasse in beiden Händen und hatte den Kopf gesenkt, dass ihr Pony den Ausdruck in ihren Augen verdeckte. Naruto beschloss, das Thema einfach beiseite zu schieben um ihr zu zeigen, dass es tatsächlich keine Sekunde mehr wert war. „Sai hat mich letztens zu dem perfekten Ort geführt um dich wieder aufzumuntern.“, erklärte er darum grinsend. „Du kennst ihn sicher, aber glaub mir, etwas besseres gibt es nicht. Ich wollte sowieso mit dir dahin, wenn auch eigentlich unter anderen Umständen.“ Er sprang auf, nahm ihr die Tasse aus der Hand und zog sie von ihrem Stuhl hoch. „Das wird toll, glaub mir. Wie ein Ausflug, ein Date oder so was. Hier, deine Jacke.“ Er half dem seltsam starren Mädchen in besagtes Kleidungsstück, nahm sie an der Hand und zerrte sie hinter sich her auf die Straße. „Komm schon!“ Er hatte das Mädchen nicht angelogen. Er wollte tatsächlich mit ihr zu diesem fantastischen Ort, den ausgerechnet Sai ihm gezeigt hatte, während Neji und Hinata ihn beide vielleicht als unwichtig oder weniger interessant abgestempelt hatten. Zu diesem Ort, der sofort seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, seine Faszination und Begeisterung, dem Carnival of Masks. Naruto sagte nicht, wo genau er sie hinbringen wollte, und der Weg, den er nahm, konnte zu mehreren Nischen führen. Vorausgesetzt, sie gingen überhaupt in die Neitherworld – vielleicht hatte der Junge auch vor, sie zu irgendeinem Otherworldplatz zu schleppen. Zuzutrauen wäre es ihm. Allerdings hatte er davon gesprochen, dass Sai ihm den Ort gezeigt hatte, darum ging sie davon aus, dass es doch die Neitherworld war, wo er sie hin ausführen wollte. Sie wurde rot. Seine Worte ehe sie das Café verlassen hatten, hatten sie getroffen. Nicht verletzend, nein, das sicher nicht, aber ... getroffen. Sie hatte darüber sogar einige Minuten Inos biestige, geringschätzige Sätze vergessen, die das blonde Mädchen ihr so wütend entgegengeschleudert hatte. Hatte er sie etwa durchschaut? Wusste er, dass sie so in ihn verliebt war und führte sie jetzt an der Nase herum? Aber nein! Naruto würde so etwas niemals tun. Wenn er tatsächlich etwas gemerkt hätte, würde er sie darauf ansprechen. Oder stillschweigend darüber grübeln, was er tun sollte. Er würde sie niemals deswegen verspotten oder aufziehen. Er war Naruto. Er war nicht jemand anderes. Er nahm so etwas ernst. Das war einer der Gründe, warum sie ihn so liebte. Aber was bedeutete sein Kommentar dann? Oder war er einfach so dahingesagt, wie Naruto oft etwas einfach dahin sagte, ohne dass man zu viel hineininterpretieren durfte? Als sie die Straßenbahn verließen, begann Hinata zu ahnen, wo er sie hinbringen würde. Gegen ihren Willen machte sich ein aufgeregtes Kribbeln in ihrem Körper breit, das in ihrem Bauch begann und dann in ihre Glieder kroch. Zum Carnival of Masks? Sai hatte ihn zum Carnival gebracht und er wollte jetzt auch mit ihr dorthin? Sie konnte es kaum glauben. Allerdings konnte sie glauben, dass es Naruto dort gefallen hatte. Warum hatte sie ihn nicht dort hingebracht?! Sie hätte wissen müssen, dass er es toll finden würde! Es war immerhin Naruto! Der Naruto, den sie in den letzten Wochen kennen gelernt hatte, liebte solche Dinge. Aber der Carnival of Masks war ihr, von all den Orten, die sie ihm noch zeigen musste, nicht einmal in den Sinn gekommen. Vielleicht lag es einfach daran, dass ihre Familie nicht viel mit dieser Art des Geschäftemachens zu tun hatte... Sie selbst war nur zwei oder drei Mal dort gewesen, obwohl es ihr eigentlich gefallen hatte. Selbst wenn sie zugeben musste, dass sie mindestens vier Fünftel der vorgeführten Tricks über kurz oder lang durchschaute. Neji konnten sie dort gar nichts vormachen. Das war eines der Probleme, wenn man zu viel sah. Man konnte solcherlei Dinge einfach nicht richtig genießen. Oh ja, die meisten dieser Tricks, die auf den Straßen des Carnival of Masks aufgeführt wurden, waren magischer Natur, mit wundersamen Zaubern, deren Magie darin bestand, dass sie einfach waren und doch großartige Effekte erzielten. Aber Hinata hatte auch viele Leute gesehen, die mit Otherworldtricks arbeiteten, faszinierende ‚Zauberei’, die ganz ohne magische Fähigkeiten auskam. Es war mitreißend und packend, beides auf seine eigene Weise. Aber nur so lange, bis sie bemerkte, dass sie den Zauber selbst oft genug verwendete, oder die Kiste eine doppelte Wand hatte. Dann war es nur noch ... ordinär, beinahe vulgär. Allerdings waren Straßenzauberer nicht das einzige, was der Carnival zu bieten hatte, darum machte es ihr auch nichts aus, dass sie dorthin gingen. Naruto würde sich auch andere Dinge ansehen wollen, denn er war nicht der Typ dazu, nur bei einer einzige Sache hängen zu bleiben. Bald darauf hatten sie die gewundene Straße betreten, die allgemein als The Carnival of Masks bekannt war. Sie endete und begann in zwei Mauern und schlängelte sich von Nordosten nach Südwesten (oder umgekehrt), ein scheinbar sinnloser Weg, der nirgendwohin führte. Es gab links und rechts Abzweigungen, aber wie die Hauptstraße endeten sie alle ausnahmslos in Sackgassen. Gesäumt wurden alle Straßen von den unterschiedlichsten Gebäuden, manche edel und klassisch, andere so verrückt, dass nur ein wahnsinniges Hirn sie entworfen haben konnte. Sie enthielten Spielehallen, Varietés, Filmpaläste, Bordelle, Kuriositätenkabinetts, verschiedene Restaurants und Imbissläden, Hotels und Gasthäuser, Tanzlokale, Diskotheken und alles andere was man sich vorstellen konnte, um sich zu amüsieren. Am unteren Ende war vor etwas über einem Jahr sogar ein magischer Freizeitpark eröffnet worden. Auch die Straße selbst war voll von solcherlei Geschäften – Straßenkünstler, Musiker, Bauchladenverkäufer, Stände voller Süßigkeiten und Jahrmarktschund. Nichts von den Dingen, die her angeboten wurden, waren tatsächlich nützlich. Manche waren nicht einmal das, was sie vorgaben zu sein. Oft genug war das Zeug absolut hässlich. Es war einfach Tand. Jedoch war nicht alles, was hier angeboten wurde, auch legal oder moralisch in Ordnung – neben den Bordellen gaben sich Drogendealer, Stripplokale und Straßenhuren ein ständiges Stelldichein. Die Obrigkeit hatte diesen Geschäften keinen Einhalt gebieten können, darum hatten sie ihnen bestimmte Ecken und Gassen auf dem Carnival zugewiesen. Hinata hatte vor, sich davon fern zu halten, aber sie bezweifelte, dass Naruto sie in diese Ecken führen würde – vorausgesetzt, er hatte sie schon einmal gesehen. Wenn man allerdings bedachte, mit wem er hier gewesen war, glaubte Hinata das schon. Der Carnival of Masks war weltberühmt. Jeder Neitherworldtourist, der Tokyo besuchte, kam auch mindestens einen Tag hierher. Darum herrschte hier auch ein ständiges Gedränge, Tag und Nacht, beinahe so schlimm wie auf dem Bazar. Die meisten der Leute trugen Masken, wie sie hier nahezu überall angeboten wurden. Es waren die unterschiedlichsten Larven, die man sehen konnte, von überaus hässlichen Fratzen bis hin zu filigranen Gesichtern, bei denen man Angst hatte, dass sie zerbrachen, wenn man sie nur berührte. Keiner wusste, wo diese Tradition hergekommen war, aber es war allgemein Brauch, zumindest ein Stück des Weges auf dem Carnival mit einer Maske vor dem Gesicht zurückzulegen. Darum führte Naruto sie jetzt auch zuerst zu einem Stand, an dem die verschiedensten Maskeraden angeboten wurden. „Such dir eine aus.“, erklärte er grinsend. „Ich zahl sie. Es sei denn, sie ist zu teuer, ich will heute ja noch mehr zahlen können.“ „N...nein, es ist schon ... schon okay, ich ...“ „Hinata, ich habe dich eingeladen. Also.“ Er machte eine weit ausholende Geste in Richtung der Auslagen. Sie zögerte noch immer. „Hinata? Bitte.“ „A...also schön. Aber ... aber du brauchst auch eine.“ Er grinste, offensichtlich glücklich über ihr Zugeständnis. „Sowieso. Also, welche gefällt dir? Die vielleicht?“ Er angelte nach einer Teufelsmaske und sie lachte über die offensichtlich unpassende Wahl, die er absichtlich gewählt hatte. „Lieber nicht.“ „Dachte ich mir schon... Hier, schau mal die.“ Es war eine glänzend rote Halbgesichtslarve mit kunstvollen Verzierungen in Gold und ebenfalls goldener Spitze. Sie nahm sie auf und hielt sie sich vor das Gesicht. Naruto nickte, doch sie schüttelte den Kopf. Das fühlte sich nicht richtig an... „Dann probier mal die?“ Diese bedeckte das ganze Gesicht, aber sie war fast schmucklos weiß, mit eleganten Symbolen auf einer Wange. Auch diese wies sie ab, nachdem sie sie anprobiert hatte. Naruto reichte ihr noch mehr Masken, bis er die erwischte, die ihr perfekt erschien. Sie bedeckt das ganze Gesicht, ein filigranes Gebilde aus schillerndem Blau, silbernen Zeichnungen und weißem und blauem Tuch außen herum. Naruto nickte begeistert, als er sie ansah und sie brachte es nicht ein weiteres Mal fertig, ‚Nein’ zu sagen. Dazu war das Funkeln in seinen Augen viel zu schön. Er selbst entschied sich sehr viel schneller als sie, griff einfach in einen Stapel und zog eine Tiermaske heraus. Ein Fuchs, erkannte sie rasch, ein rotgoldener Fuchs. Es war nur eine Halbmaske mit spitz zulaufender Schnauze, aber ohne Unterkiefer, und langen Ohren. Es passt so gut zu ihm, dass sie an Isis’ Worte zurück dachte und was sie über Dämonenrassen gesagt hatte. Kurz darauf lenkte Naruto sie zum nächsten Stand hinüber, um ihnen etwas zum Essen zu besorgen. Immerhin hatten sie beide Hunger, so nach der Schule und vor allem dem Stress, den sie gehabt hatte, also kam ihr das nicht unrecht. Naruto ließ ihr auch gar keine Chance, ‚Nein’ zu dem Angebot zu sagen. Derartig mit einer Mahlzeit bewaffnet schlenderten sie weiter den Carnival entlang. Sie betrachteten die Vorführungen diverser Zauberkünstler – ein paar der Otherworld-Tricks, die sie sahen konnte Naruto ihr auch vormachen, was sie beeindruckend fand – von Feuerschluckern und Messerwerfern, die eine wunderbare Kunstfertigkeit an den Tag legten. Die Luft flirrte von bunten Lichtern, die von Magiern beschworen wurden, von leiser Musik, die aus dem Nichts zu kommen schien, und leuchtendem Konfetti in glänzenden Farben, das einfach aus der Luft fiel. Der Boden war bedeckt mit Abfällen, doch zwischen all den glänzenden Papierfetzen und golden glänzenden Leprechaunmünzen, die immer wieder wie ein Regen auf die Leute herniederfielen, war der Schmutz gar nicht auffällig. Eine Weile blieben die beiden Schüler vor einer Akrobatengruppe stehen, die einen schmalen Balken als Sprungbrett benutzten und sich hoch in die Luft schleudern ließen, wobei sie fantastische Kunststücke vollführten. Begeistert klatschte Hinata in die Hände und hätte dabei beinahe ihr Essen über dem Boden verstreut, wenn Naruto nicht geistesgegenwärtig zugegriffen hätte. Nachdem sie die letzten Reste ihrer Mahlzeit verspeist hatten, bummelten sie weiter, besahen sich die Auslagen, die Vorführungen und kauften gebrannte Mandeln und Zuckerwatte. einmal wichen sie einer Gruppe skelettierter Krieger in voller Rüstung aus, von denen auch Hinata nicht sagen konnte, ob sie echt waren, nur eine hohe Form der Illusion oder eine großartige Verwandlung, herbeigeführt durch den Zauber auf Totenkopfmasken. Alles drei wäre durchaus möglich, vor allem hier auf dem Carnival of Masks, der manchmal noch viel zauberhafter erschien als der Rest der Neitherworld. „Na, wenn das keine Überraschung ist!“, rief Naruto plötzlich und starrte. „Wa...was?“, wollte Hinata überrumpelt wissen und folgte seinem Blick. Sie erkannte sofort was – oder eher wen – er meinte und wie immer breitete sich ein erfreutes Kribbeln in ihrem Bauch aus. „Kurama-san!“ Auch der rothaarige Junge, der im Gegensatz zu ihnen keine Maske trug, bemerkte sie beinahe augenblicklich. Ein Lächeln breitete sich auf seinem hübschen Gesicht aus und er kam herüber. Naruto schob sein Fuchsgesicht nach oben. „Wie geht’s denn so?“ Er klang nicht sonderlich begeistert. Anscheinend störte ihn noch immer etwas an dem anderen Jungen. „Sehr gut, danke der Nachfrage. Und euch?“ „Äh...“, machte Hinata und Naruto erklärte fest: „Uns geht es gut.“, also nickte sie. Kurama nickte mit einem wissenden Lächeln und fixierte Naruto. „Was bringt euch hierher?“ „Wir wollten uns nur etwas amüsieren.“, antwortete der Blonde steif. Das wurde ja immer schlimmer mit denen zweien! Am liebten hätte sie gefragt, welche Probleme die beiden miteinander hatten, doch sie traute sich nicht. Aber Kurama ignorierte Narutos unfreundlichen Tonfall schlichtweg. „Kennt ihr das neue Spiegelkabinett schon? Ich habe es gerade angeschaut, das solltet ihr mal versuchen.“ Er deutete auf sein Gesicht. „Mit den Masken sieht das sicher noch besser aus als so langweilig ohne.“ „Danke, Kurama-san, das sollten wir uns wirklich ansehen!“, antwortete Hinata rasch, ehe Naruto noch patziger werden konnte. Der wirkte für einen Moment so, als wolle er wiedersprechen, doch dann biss er sich auf die Unterlippe und schwieg. Ihr zuliebe wahrscheinlich, wofür sie ihm mehr als dankbar war. „Dann wünsche ich euch viel Spaß.“ Damit blickte Kurama auf seine Armbanduhr. „Ich muss jetzt kurz Botan treffen. Sie wollte das unbedingt hier abhalten, sonst wäre ich gar nicht auf dem Carnival.“, erklärte er mit einem weiteren Lächeln, das ihr Herz höher schlagen ließ, obwohl Naruto direkt neben ihr stand, und verdrehte die Augen. „Wir sehen uns sicher bald wieder, so oft wie wir uns über den Weg zu laufen scheinen.“ „Auf Wiedersehen.“ Naruto sagte gar nichts, sondern hob nur die Hand zum Gruß, während Kurama winkend in der Menge verschwand. „Warum rennen wir eigentlich ständig in diesen Kerl rein?“, nörgelte er, sobald der andere verschwunden war. „Hat der nichts besseres zu tun?“ Sie kicherte. „Ich glaube nicht, dass das seine Absicht ist.“ Der Junge seufzte tief. „Wie auch immer. Willst du dieses Kabinett anschauen, von dem er gesprochen hat?“ Ihr Gesicht hellte sich auf. „Gerne. Ich glaube, ich weiß, wo es ist. Noch ein Stück die Straße hinunter.“ Sie deutete in die entsprechende Richtung. Naruto grinste, zog die Maske wieder vor sein Gesicht und sie setzten sich in Bewegung. Hinata lachte noch immer, als sie das hübsche kleine Kabarettgebäude verließen, in dem sie sich eine Fünfzehn-Minuten-Vorführung angesehen hatten. Sie lief dicht neben ihm und strahlte über das ganze Gesicht. Naruto war froh, dass sie wieder so gut drauf war. Anscheinend hatte sie das Ereignis mit Ino am Morgen vergessen oder zumindest war es in den Hintergrund gerutscht, wo es auch hingehörte. Hinata selbst hatte das kleine Kabarett vorgeschlagen. Anscheinend war das einer der wenigen Orte in dieser Straße, in dem sich die Hyuuga häufiger einfanden, und er musste zugeben, dass der Besuch sich durchaus gelohnt hatte. Von allein wäre er nicht so bald hier gelandet. Zum Glück hatte er jemanden wie Hinata. Sie waren die letzten die das Gebäude verließen und die verdreckte, halb verstellte Gasse lag leer vor ihnen – hier gab es um diese Zeit nicht viel, darum suchte jeder sich anderswo etwas zum Sehen. Der Carnival war ein zu lebendiger Ort um lange in einer solch leeren Straße zu bleiben. Hinata kicherte noch in sich hinein und wischte sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln. Dann blickte zu ihm hoch. „Danke, Naruto-kun, dass du mich eingeladen hast.“ Ihr Lächeln veränderte sich, wurde sehnsüchtiger und da war ein melancholischer Zug in ihrem Gesicht. „Meine Mutter hat uns immer hierher mitgenommen. Sie war begeistert von der Gruppe hier. Sie haben sich kein Stück verändert.“ Der traurige Blick verschwand. „Ich bin froh, dass ich mit dir hierher kommen durfte.“ Er lächelte zurück, nur um ihr noch eine Freude zu machen. „Nein, Hinata. Ich bin froh.“ Wie ein Gentleman bot er ihr den Arm an. „Wollen Mylady jetzt vielleicht die silbernen Bären tanzen sehen? Oder doch lieber den Menschen ohne Schwingen beim Fliegen zusehen? Oder-“ Er machte eine große Geste. „-einen Happen zu Essen?“ Sie klatschte begeistert in die Hände und lachte wieder. Es war, als ginge die Sonne in ihrem Gesicht auf. „Lass uns zu den silbernen Bären gehen.“ „Wie Ihr wünscht, edle Dame.“ Er machte eine Geste zur Hauptstraße. „Diesen Weg, bitt...“ Ein Schauer lief ihm über den Rücken und seine Instinkte schrieen alle gleichzeitig: Gefahr! Auch Hinata war erstarrt, dann wandte sie langsam den Kopf und starrte nach oben, zu den Dächern, ein harter Ausdruck in dem Gesicht und Angst in den Augen. Naruto folgte ihrem Blick, gerade noch rechtzeitig um die funkelnden Augen zu sehen, die von oben herabstarrten, und die dunkle Gestalt, die dazugehörte. Und darauf eine schnelle Bewegung, ein Gegenstand – er riss Hinata mit sich zur Seite und dort, wo sie eben noch gestanden hatte, schlug der grün brennende Flammenball ein wie ein Komet. „Wa...!“, rief er aus, dann explodierte plötzlich der Lärm um sie herum und Personen sprangen von den Dächern. Fünf konnte er auf Anhieb zählen, doch oben musste noch mehr sein – er konnte sie hören, sie fühlen – und hinter ihnen waren auch welche. Hinata stieß einen erstickten Laut aus und ließ ihre Tasche fallen. Auch Naruto entledigte sich der lästigen Gepäckstücke und stellte sich in Verteidigungsposition. Er versuchte, seine Gegner einzuschätzen und gleichzeitig das Mädchen zu schützen, selbst wenn er wusste, dass sie absolut keinen Schutz nötig hatte. Trotzdem – Hinata in einem Kampf?! Denn diese Leute waren ganz sicher nicht darauf aus, ihnen einen guten Abend zu wünschen, selbst wenn es dazu nicht noch etwas früh wäre. Es waren Männer, sie waren groß und schlank, beinahe dürr. Ihre Körper waren bedeckt von grünen Schuppen und sie hatten lange Schwänze und Schlangenköpfe auf langen Hälsen. Die meisten waren mit Klingen bewaffnet – Dolche, aber sie waren teilweise so lang wie sein Unterarm. Orochiyoukai, eine Art von Schlangendämonen; er hatte bereits welche gesehen, während eines Besuches auf dem Bazar. Neji hatte ihn damals gewarnt, dass diese Wesen streitsüchtig und übellaunig waren, wenn auch nicht sonderlich stark im Kampf. Soweit Naruto sich erinnern konnte, hatte er den Rat von Hinatas Cousin befolgt, war ihnen aus dem Weg gegangen und hatte auch sonst nichts getan, um einen Streit zu provozieren. Warum also griffen sie sie jetzt an, hier in einer Hintergasse des Carnivals, nach einem Kabarettbesuch? Oder war das hier etwa ein ganz normaler Raubüberfall?! Doch das konnte er sich nicht vorstellen... Sie waren Schüler und nichts an ihnen deutete darauf hin, dass sie etwas von Wert oder ähnliches besaßen. Sie trugen sogar noch ihre Schuluniformen! „Hinata?“ Er wandte den Kopf leicht, ohne die Angreifer aus dem Blick zu lachen, die sie jetzt langsam umkreisten. „J...ja, Naruto-kun?“ „Passiert so was hier öfter?“ „Ne...nein. A...aber ich weiß nicht, was sie wollen.“ Sie stellte sich mit dem Rücken zu ihm, offensichtlich unwillig, die Jungfrau in Nöten zu spielen oder aber ihn allein kämpfen zu lassen. Beides würde er ihr zutrauen. „Also hast du auch keine Ahnung, was die wollen?“ Er konnte spüren, wie das Mädchen den Kopf schüttelte, doch sie hatte keine Zeit mehr zu antworten, denn ihre Gegner gingen jetzt zum Angriff über. Naruto fluchte und tauchte unter einem Schlag weg. Sie durften ihn auf keinen Fall erwischen. Bei einem Faustkampf hätte er sich darüber nicht so viele Sorgen gemacht, aber da die Dämonen diese boshaft gekrümmten Klingen trugen, musste er aufpassen. Hinata hinter ihm stieß einen Schrei aus, doch er machte sich keine Sorgen – es hatte weder verängstigt noch schmerzerfüllt geklungen, sondern eher nach einem Kriegsschrei. Er ließ seinen Gegner nicht aus den Augen; der Blick aus den geschlitzten Pupillen war starr auf ihn gerichtet. Eine gespaltene Zunge schoss zwischen den geschuppten Lippen des langen Kopfes hervor und Naruto schreckte erschrocken und angewidert zurück. Der plötzliche Vorstoß des Dämons, der darauf folgte, entlockte ihm ein erschrockenes Keuchen, aber erneut schaffte er es, auszuweichen. Auf den nächsten Schlag war er vorbereitet und diesmal schlug er zurück, mit voller Wucht gegen das Handgelenk seines Gegners. Ein knirschendes Geräusch ertönte, dann klirrte der Dolch auf den Boden – entweder er hatte einen wesentlich härteren Schlag, als er gedacht hatte, oder diese Schlangen hielten einfach nichts aus. Aber er hatte jetzt keine Zeit zum Denken. Er fuhr herum, nutzte die Hände um sich am Boden abzustützen und drosch dem Wesen einen Fuß in den Unterleib. Gleich darauf federte er wieder zurück, tauchte zum Boden, wo der Doch lag, während der Dämon sich krümmte und beinahe zu Boden fiel. Die anderen stießen ein Heulen aus und dann schrie ein weiterer vor Schmerz – anscheinend war jetzt auch Hinata zum Angriff übergegangen. Narutos Finger schlossen sich um den Griff des Dolches und er machte einen Sprung auf den Orochiyoukai zu und hieb ihm mit dem Knauf auf den Hinterkopf, dass er entgültig zusammenbrach. Dann waren drei andere da, die gleichzeitig auf ihn eindrangen. Naruto sprang zurück und duckte sich, seine erbeutete Klinge schützend vor sich gehalten. Er hatte noch nicht sonderlich oft eine ähnliche Waffe in den Händen gehalten. Am liebsten benutze er stets seine Fäuste – damit kannte er sich wenigstens aus. Ganz zu schweigen davon, dass ein Kampf mit einer Waffe nicht sonderlich legal war in der Otherworld. Hier und da hatte er ein paar Tricks beigebracht bekommen. Aber nie hatte sich etwas angefühlt wie dies hier. Der Dolch fühlte sich nicht wie ein Fremdkörper an, sondern wie ein Teil von ihm. Es war, als würden pure Instinkte ihm zeigen, wie er mit der Waffe umzugehen hatte. War das überhaupt möglich?! War das seine Dämonennatur, die hier durchkam? Warum war das früher nie passiert? Oder war es doch etwas ganz naderes? Er schob die Gedanken beiseite – später konnte er sich um sie kümmern, jetzt stand er drei wütend aussehenden Schlangendämonen gegenüber, die ihm anscheinend ausnahmslos ans Leder wollten. Und hatte ein hübsches Mädchen in seiner Begleitung, die ihm den Rücken frei hielt und von ihm dasselbe erwartete. Keine Zeit zum Denken. Nur Zeit zum Kämpfen. Er blockte zwei Schläge mit dem Dolch, dessen flache Seite dabei gegen seinen Unterarm gedrückt wurde, und duckte sich, um einem der Dämonen die Beine unter dem Körper wegzufegen. Wie der Blitz schnellte er wieder auf die Füße, tauchte unter einem Arm hindurch und boxte einem zweiten Schlangenwesen in die Seite. Eine Faust traf ihn an der Schulter und ließ ihn zurücktaumeln, doch der nachsetzende Youkai war nicht schell genug, und der nächste Faustschlag streifte nur Narutos Kopf. Der Schlag machte ihn schwindeln, aber nicht so stark, dass er den Dolch nicht mehr zur Seite reißen konnte um dem Gegner den Arm aufzuschlitzen. Der Schlangenmann stieß ein gutturales Brüllen aus und sprang zurück, während seine Hand automatisch zu der Wunde zuckte. Doch Naruto hatte darüber nicht aufgepasst – die Klinge des dritten Dämons beschrieb einen silbernen Halbmond, als sie auf ihn zusauste und brannte wie Feuer auf seiner Handfläche, die er zur Deckung hoch riss, während er gleichzeitig zurücksprang. Polternd landete etwas neben ihm und riss einige Kisten um, die in der Straße gestanden hatten, und als Naruto den Gegenstand registrierte, stellte er entsetzt fest, dass es der von blutigen Wunden entstellte, zerschmetterte Körper eines weiteren Orochiyoukais war. Wo kam der so plötzlich her?! Und wer hatte ihn derartig zugerichtet?! Doch er kam nicht dazu, sich von der Überraschung zu erholen, denn seine drei Gegner erholten sich sehr viel schneller als er von dem Tod ihres Kameraden. Einer von ihnen war schwer angeschlagen durch die Verletzung. Der zweite hatte ein paar Schläge von ihm abgekriegt, aber das war nicht wirklich hilfreich. Der dritte war noch völlig unverletzt. Das sah nicht gut für ihn aus, selbst wenn er sich bis jetzt ganz gut geschlagen hatte. Und sie wussten es, der Haltung zu urteilen, mit der sie auf in zustolziert kamen... „Runter, Naruto!“, brüllte Hinata hinter ihm auf einmal und er hätte den Befehl beinahe ignoriert, so erstaunt war er über die Stimmgewalt, die sie so plötzlich aufbrauchte. Vor lauter Überraschung ließ er jedoch den Dolch zu Boden klirren. Im letzten Moment ließ er sich fallen, dann zuckte etwas über ihn hinweg, dass wie ein Blitz aussah. Es erwischte einen der Dämonen mitten in die Brust und schleuderte ihn bis nach hinten an die Mauer, wo er einfach liegen blieb. Eine zweite Schlange wurde gestreift, wobei er heftige Verbrennungen an den Armen und der Seite erlitt, und der Gestank nach verbranntem Fleisch erfüllte die Luft. Aus den Augenwinkeln sah Naruto etwas wie ein Echo, das zwei von Hinatas Gegnern die Straße hinunterschleuderte, wobei sie hart aufschlugen und noch ein paar Metern weiterrollten, ehe sie reglos liegen blieben. Hinata kümmerte sich nicht um das Ergebnis, sondern konzentrierte sich sofort auf die übrig gebliebenen Gegner. Naruto rappelte sich hastig auf, nutzte die Überraschung, die auf die Gesichter der beiden noch stehenden Schlagen gezeichnet war, und sprang vor. Er schlug dem verletzten Youkai dreimal hart vor die Brust und zweimal in den weicheren Bauchraum, packte dann seinen Kopf und riss den wimmernden Dämon herunter, um ihm das Knie ins Gesicht zu dreschen, ehe er ihn von sich schleuderte. Das Wesen stand nicht mehr auf. Doch das andere erwischte ihn mit voller Wucht im Gesicht und er hatte kaum etwas tun können, den Schlag abzudämpfen. Naruto spürte einen Moment gar nichts mehr. Dann starrte er nach oben in den Himmel, während seine Nase vor Blut überzuquellen schien. Seine Hände schnellten nach oben zu seinem Gesicht, fassten in klebrige Nässe, als er in einem sinnlosen Versuch, das Blut zu stoppen, die Finger gegen die Nase presste. Einen Moment später schob sich der Dämon in sein Gesichtsfeld, auf dessen Antlitz sich ein Grinsen abzeichnete, während er seine Waffe hob. Naruto versuchte, auf die Beine zu kommen und irgendetwas zu tun, allerdings dröhnte sein Schädel und er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Die Klinge des Dolches glänzte matt in dem Sonnenlicht, das in die Gasse fiel. Doch der tödliche Schlag würde nie kommen. Der Moment, in dem die Nachwirkungen des Schlages sein Hirn vernebelten, verschwand und als er nach oben blickte, bemerkte er, dass sich etwas um das drohend erhobene Handgelenk seines Gegners gewickelt hatte – etwas Langes, Dünnes, Grünes, das gespickt war mit Dornen. Einen Moment später realisierte er es als eine etwas sonderbare Peitsche und folgte der Schnur zu ihrem Griff. Erstaunt riss er die Augen auf, als er die Person erkannte. Es war der Fuchs. Der silberne Youko, der ihn damals besucht hatte, mitten in der Nacht. Was bei allen Göttern tat er hier?! Und warum half er ihm jetzt?! Denn dies war nicht von der Hand zu weißen. Wahrscheinlich war er es auch gewesen, der die Schlangen auf dem Dach erledigt hatte, von denen einer so schrecklich zugerichtet fast vor Narutos Füßen gelandet war. Der Fuchs bemerkte seinen Blick sofort und verzog die Lippen zu einem Grinsen. Sein Gesicht wirkte hart und abweisend und nicht so, als ob ihn der Kampf und das Töten sonderlich interessieren würden. Der Dämon, um dessen Handgelenk sich die dornige Peitsche gewickelt hatte, stieß ein Brüllen aus, die Aufmerksamkeit völlig auf den Fuchs gerichtet. Naruto zuckte zusammen und reagierte ohne nachzudenken. Er sprang auf, hob den Dolch vom Boden hoch und trieb ihn bis zum Heft in die Brust des Mannes. Blut, so rot, dass es beinahe schwarz war, drang aus der Wunde und ergoss sich über seine Hände, tränkte seine Ärmel... Der Dämon jedoch schrie nicht mehr, sondern blickte ihn nur beinahe verwundert an, ehe er nach hinten fiel, von der Klinge rutschte. Die Peitsche hatte sich schon längst wieder gelöst. Naruto fuhr herum, auf der Suche nach dem nächsten Gegner, doch da war nur noch einer. Er stand Hinata gegenüber, aber nur für einen Moment, dann wurde er nach hinten geschleudert und krachte gegen die Wand. Benommen rutsche er an ihr herunter und blieb reglos liegen. Das Mädchen atmete schwer und rührte sich nicht. Naruto wandte die Augen von ihr und sah wieder nach oben, wo der Fuchs auf der niedrigen Brüstung des Daches saß und ihn mit schief gelegtem Kopf anstarrte. Sein Haar wehte leicht im Wind und die Ohren waren aufmerksam auf den Jungen gerichtet, während der Schwanz hin und her zuckte. Dann grinste der Youko, warf einen Blick auf Hinata, die noch immer mit dem Rücken zu ihnen stand, und legte einen Finger auf die Lippen in einer schweigenden Bitte, still zu sein. Und dann verschwand er so leise und so schnell, wie er gekommen war, aus Narutos Blickfeld. Der Junge sah stirnrunzelnd auf die Stelle, an der er eben noch die weiße Gestalt gesehen hatte, und tastete wieder nach seiner Nase, die heil zu sein schien. Anscheinend hatte die Blutung schon wieder gestoppt... Dämonenheiltkräfte seien gepriesen! Wie hätte er Iruka eine gebrochene Nase erklären sollen? „Was ist?“, wollte Hinata neben ihm wissen. Er blickte sie an – sie war anscheinen völlig unverletzt – , noch immer diesen Ausdruck im Gesicht. Dann schüttelte er den Kopf. „Nichts. Ich dachte nur, ich hätte etwas gesehen...“ Seine Stimme verlor sich. Er kramte in seinen Hosentaschen nach einem Tuch und nutzte dann den Ärmel, um sich das Blut aus dem Gesicht zu wischen. „Oh.“, machte Hinata, die anscheinend nicht wusste, was sie davon halten sollte. Genau wie Naruto selbst. Er hatte keine Ahnung, warum er den silbernen Youko nicht verriet oder seine Freundin einfach nach ihm fragte; wer er war und was er wollte. Aber er tat es nicht. Hinata hatte sich inzwischen von ihm abgewandt und eine weiße Visitenkarte aus der Tasche gekramt, die sie jetzt auf einen der gefallenen Körper legte. Er runzelte die Stirn. „Was soll das? Sollten wir nicht am besten die Polizei rufen oder so?“ Sie lächelte ihn unsicher an. „Nicht nötig. Irgendwann wird jemand kommen und dann-“ Sie wies auf das Kärtchen, das sie eben so fein säuberlich drapiert hatte. „-wissen sie, an wen sie sich wenden müssen. A...aber jetzt möchte ich hier weg.“ Er schaltete schnell – hier hatte eine Art kleine Schlacht stattgefunden, kein Wunder also, dass sie weg wollte! – und legte ihr einen Arm um die Schultern, um sie zur Hauptstraße zurückzuführen. „Ja, lass uns zurückgehen. Und den silbernen Bären schauen wir auch ein andermal beim Tanzen zu, okay? Aber ich weiß, wo man echt gut essen kann um so einen Schrecken zu vergessen.“ Sie kamen allerdings nur bis zum nächsten Ausgang zur Otherworld. Während des Weges hatten einige der Passanten ihnen seltsame Blicke zugeworfen, aber keiner hatte sie angehalten und gefragt, was geschehen war. Als Naruto die Hand hob, um die Tür aufzustoßen, stieß Hinata einen leisen Schrei aus. „Naruto-kun! Deine Hand! Warum hast du nichts gesagt?!“ „Wie?“, fragte er verdutzt und blickte dann auf besagtes Körperteil hinunter. Blut tropfte von ihr auf den Boden. Oh... Er hatte den Schnitt vollkommen vergessen... Der Schlag, den er mitten ins Gesicht kassiert hatte, hatte viel mehr wehgetan. Das war wohl auch der Grund, warum seine Heilkräfte sich erst darauf konzentriert hatten, oder? Oder warum sonst blutete diese Wunde immer noch? „Komm!“, bat Hinata mit bestimmten Ton und bog in die nächste Gasse ab um eines der Varietégebäude zu betreten, die hier die Straßen säumten. Unauffällig und rasch gelangten sie zu den Toiletten – Unisex wie alle in der Neitherworld – die glücklicherweise leer waren. Hinata stellte ihren Rucksack auf eine der marmorierten Ablageflächen und kramte darin herum, um ein kleines Täschchen hervorzuzaubern. „Ha!“, machte sie triumphierend und Naruto fielen fast die Augen aus dem Kopf, als es sich als eine Art Erste-Hilfe-Tasche entpuppte. Trug sie das Ding etwa immer mit sich herum?! Selbst in der Schule? Aber wenn man sich das hier so ansah, hatte sie auch allen Grund dazu... Hinata nahm seine Hand und zwang ihn dazu, sie gänzlich zu öffnen. Ein paar Augenblicke starrte sie darauf und Naruto fragte sich, was sie suchte. Das war eine ganz normale Wunde, richtig? Ein Schnitt, der tiefer war, als er erst angenommen hatte, aber nichts besonderes. Dann verzog sie das Gesicht. „Hab ich’s doch gewusst.“, murmelte sie und hielt ein Tuch unter das Wasser. „Was?“, wollte Naruto wissen, plötzlich unruhig. Steckte da doch noch etwas mehr dahinter? „Orochiyoukai verwenden Gift für ihre Klingen. Wärest du ein Mensch, müsste ich dich jetzt zu einem Heiler bringen, aber du wirst das auch ohne überstehen. Allerdings wird die Wunde Zeit brauchen, sich zu schließen.“ Dann nahm sie seine Hand in ihre viel kleinere und begann, den Schnitt zu reinigen. Ihre Berührungen waren sanft, dennoch schmerzte jede davon, als würde man ihm erneut einen Dolch durch die Hand jagen. Naruto biss sich auf die Lippen und gab keinen Laut von sich. War das die Wirkung des Giftes?! So etwas war widerlich – hinterhältig. Aber er sollte wohl nicht überrascht sein. Immerhin waren es Schlangenyoukai gewesen, die sie so einfach überfallen hatten. Naruto stieß ein Zischen aus, als sie eine besonders empfindliche Stelle berührte und sie warf ihm ein entschuldigendes Lächeln zu. „I...ich bin gleich fertig.“ Das war sie tatsächlich. Sie ließ das blutige Tuch ins Waschbecken fallen und begann, einen Verband um seine Hand zu wickeln. Schließlich klemmte sie es fest. Für einen Moment stand sie noch da, dann ließ sie abrupt seine Hand los. „S...so. Da…das wä…wär’s”. Naruto lächelte sie an. „Danke.“ „K...kei...kein Pro...Problem.“, stotterte sie, hochrot, ehe sie sich wegdrehte und fahrig ihre Sachen wieder in ihren Rucksack packte. Naruto warf ihr einen verwirrten Blick zu – manchmal benahm sie sich äußerst seltsam! – und wusch sich dann das Gesicht und die andere Hand. (Was mit nur einer Hand nicht leicht war.) Danach bot er wieder einen halbwegs zivilisierten Anblick, stellte er fest, als er in den Spiegel sah, der über den Waschbecken angebracht war. Allerdings hatte er einen Riss im Hemd und sein Gesicht sah ebenfalls noch etwas malträtiert aus. Er wandte sich ab. „Bist du fertig? Soll ich dich gleich nach Hause bringen?“ Schüchtern schielte Hinata ihn unter ihrem Pony aus an. „Oder gehen wir noch etwas essen?“ Es war irgendwie seltsam, ihr ... Date oder was auch immer es war, einfach so fortzuführen. Allerdings sah Naruto auch kein Problem, es nicht zu tun. Diese Typen hatten sie angegriffen! Sie beide traf keine Schuld bei all dem! Und wenn die Neitherworld das so anders regelte... Warum also sollte er Hinata nicht zu der letzten Station des Tages bringen, die er sich schon überlegt hatte, als er ihr das Angebot in dem kleinen Café gemacht hatte? Selbst wenn er es noch fast spüren konnte, wie das Blut des Dämonen über seine Hände tropfte... Er riss sich zusammen. Vor Hinata wollte er solche Schwächen sicher nicht zeigen. Auf keinen Fall. Sie hatte sich viel besser geschlagen als er, jetzt jedoch wollte er es sein, der sie tröstete, wenn sie es brauchte. „La...lass uns etwas essen gehen.“, antwortete Hinata und ihr Magen knurrte beinahe gleichzeitig in einer Lautstärke, die Naruto verdutzt das Gesicht verziehen ließ. Das Mädchen lief erneut rot an und drehte sich wieder weg. „Ma...Magie zerrt sehr an den Kräften des Anwenders.“, erklärte sie und er verstand. „Okay. Ich lade dich ein – ich kenne da einen Laden, der ist der pure Wahnsinn. Komm!“ Er marschierte auf die Tür zu, nur um sich nach ein paar Schritten noch einmal umzudrehen. „Und er ist in der Otherworld.“ Sie lächelte und dachte genau wie er daran, dass das im Moment besser war nach dem Angriff von vorhin. In der Otherworld mussten sie so etwas nicht fürchten. Bald hatten sie die Tore zur Otherworld durchquert und kurz darauf erwischten sie auch schon die richtige Straßenbahn. Naruto überlegte, ob Hinata das ... ‚Restaurant’, das er im Sinn hatte, tatsächlich gefiel. Wahrscheinlich war es nicht ihr Stil. Wahrscheinlich erwartete sie etwas ganz anderes. Und wahrscheinlich würde es ihr dort trotzdem besser gefallen. (Außerdem war es billiger. Naruto genoss es, sie einzuladen, aber der Tag heute war teuer gewesen und er hatte nun mal nicht unendlich viel Geld. Er war auch nur ein Schüler.) Das von ihm auserkorene Restaurant befand sich am Rande eines recht großen Parks. Es war von Bäumen umgeben und direkt gegenüber erhob sich ein kunstvoller Brunnen, während der Weg direkt daran vorbeiführte. Im Grunde war es gar kein Restaurant, sondern eher eine edle Imbissbude mit altjapanischem Flair. Man musste sich unter ein paar Fähnchen, auf denen der Name Ichiraku Ramen stand, hindurchducken, um in den offenen Raum mit der Theke zu kommen, die sich quer von Wand zu Wand zog. Ein paar einfache Hocker standen davor. Auch vor der Bude waren ein paar Tische aufgebaut, an die man sich stellen konnte. Goldenes Licht fiel auf das Kopfsteinpflaster und man konnte die Rücken und Beine von zwei Personen sehen, die sich am Tresen niedergelassen hatten, außerdem stand ein junges Pärchen am einsamsten der Tische und knutsche herum, während es auf seine Bestellungen wartete. Hinata blieb stehen, als sie das Gebäude bemerkte. „Ist das nicht okay?“, wollte Naruto wissen, plötzlich viel besorgter als vorhin, dass es ihr doch nicht gefallen könnte. „Ich weiß, es ist nichts ausgefallenes, aber die machen hier die besten Ramen, die du je gegessen hast!“ Einen Moment blieb es still, dann kicherte Hinata leise und lächelte breit, was sie vergeblich hinter ihrer Hand verbergen wollte. „Ich ... ich kann es nicht glauben, Naruto! Du bist wohl der einzige, der ein Mädchen zum Ichiraku Ramen bringen würde!“ „Wir können auch woanders hingehen.“, murmelte Naruto, der nicht wusste, ob er eingeschnappt oder verletzt sein sollte. „Nein!“ Ihr Ausruf überraschte ihn. „Nein, ich mag es hier. Ich komme viel zu selten hierher. Lass uns etwas essen.“ Sie eilte an ihm vorbei und suchte sich einen der Hocker aus. Naruto konnte sich ein erfreutes Grinsen nicht verkneifen und folgte ihr, um sich neben ihr niederzulassen. Der Besitzer und Koch hinter dem Tresen, ein stattlicher Mann mit ebenso stattlichem Bauchansatz und einem freundlichen Gesicht, winkte ihm grüßend zu. Naruto war hier inzwischen ein oft gesehener Gast. Er kam meistens hierher, wenn Iruka in der Schule zu tun hatte und nicht für sie beide kochen konnte. Des Besitzers Tochter, Ayame, eine junge, hübsche Frau mit brünettem Haar, das sie bei der Arbeit immer unter einem Kopftuch verbarg, eilte sofort zu ihnen. „Hallo, Naruto-kun.”, begrüßte sie den Jungen freundlich. „Auch mal wieder hier? Wer ist deine Freundin?“ Naruto grinste zurück. „Das ist Hinata-chan. Hinata, das ist Ayame.“ „Äh...gu...guten Tag.“, stammelte das vorgestellte Mädchen leicht überrumpelt. Ayame überging das Gestotter gekonnt. „Willkommen bei Ichiraku Ramen, Hinata-san. Was darf’s für euch zwei sein?“ Nur Minuten später machte ihr Vater sich daran, das Essen für die zwei vorzubereiten. Naruto seufzte zufrieden und musterte die beiden anderen Gäste an der Theke, zwei verhältnismäßig große Männer, die jedoch unterschiedlicher nicht sein konnten. Der eine wirkte wie ein typischer tokyoter Geschäftsmann, schwarzhaarig, japanisch, geschniegelt, und Naruto kannte ihn bereits vom Sehen. Wie auch der blonde Schüler war auch er öfter hier. Der zweite Mann war ihm dagegen völlig unbekannt. Sein Haar war bereits grau, obwohl er höchstens dreißig sein konnte. Er sah ziemlich gut aus und der erste Begriff, der Naruto zu ihm einfiel, war ‚cool’. Über seinem linken Auge lag eine schwarze Augenklappe und eine Narbe zog sich senkrecht durch sein Gesicht, über Wange und Auge. Seine Kleidung war lässig und vielleicht etwas abgerissen, aber durchaus passend für den kleinen Imbiss, und Ayame errötete unter seinem Blick und dem flirtenden Grinsen in seinem Gesicht. Als er Narutos Interesse bemerkte, drehte er sich jedoch zu dem Jungen um und zog eine Augenbraue hoch. Sein Gesichtsausdruck wurde amüsiert, während er fragte: „Bist du sicher, dass das Ichiraku Ramen das passende Ambiente für das erste Date ist, Kleiner?“ Sein leichter Ton zeigte, dass er es nicht böse meinte, doch Naruto traf es trotzdem. „Eigentlich ist das kein Date.“, knurrte er darum stirnrunzelnd, als in ihm das Gefühl hoch kroch, sich rechtfertigen zu müssen. „Nur ein Aufmunterungstag wegen dem, was heute in der Schule passiert ist.“ Und Hinata schob rasch hinterher: „Mi...mir gefällt e...es hier!“ Das war eine Bemerkung, für die der Junge ihr unendlich dankbar war. Er war nun mal kein Experte in Sachen Dates und Mädchen, aber er kannte Hinata und er hatte gewusst, dass es ihr hier gefallen würde. Der Mann musterte ihn aufmerksam. Dann streckte er die Hand aus, doch den Blick nahm er nicht von Narutos Gesicht. „Tut mir leid, ich wollte dir nicht auf die Füße treten. Ich bin Kakashi. Hatake Kakashi.“ Nach kurzem Zögern ergriff Naruto die dargebotene Hand und schüttelte sie. „Uzumaki Naruto. Ich bin öfter hier.“ „Das hab ich mir schon fast gedacht...“, war die amüsante Antwort, doch Kakashi schien auf etwas ganz anderes konzentriert zu sein. „Uzumaki, ja?“ „Ja, warum?“ Trotzig reckte Naruto das Kinn. „Stimmt etwas nicht mit meinem Namen?“ „Öh?“ Verdutzt blickte der Mann ihn an. „Nein, nein. Ich kannte nur mal jemanden, der so hieß, also ‚Uzumaki’... Ist aber schon lange her, dass ich ihn gesehen habe.“ „D...der Name ist ni...nicht unbedingt ungewöhnlich.“, murmelte Hinata und Naruto nickte bestätigend. „Nein, sicher nicht. Ich war nur lange nicht mehr hier in Japan, darum fallen einem solche Dinge auf. Nichts für ungut. Und euch beide kenne ich ja sowieso nicht.“ Er drehte sich wieder weg und Ayame zu, die jetzt eine große Schüssel vor ihn stellte. „Lassen Sie es sich schmecken. Guten Appetit!“, erklärte sie mit einem freundlichen Lächeln und der Angesprochene dankte galant. „Vielen Dank, schöne Maid. Bei einer solchen Gesellschaft schmeckt das Essen gleich doppelt so gut.“ Ayame errötete, senkte die Lider und kicherte geschmeichelt, ehe sie zu ihrem Vater eilte um ihm bei der Anrichtung der Schüsseln von Hinata und Naruto zu helfen. Kakashi wandte sich seinem Essen zu und nahm drei Bisse. „Obwohl...“ Er nahm den Faden dort wieder auf, wo er ihn vorhin hatte fallen lassen, und warf dem Jungen noch einen Blick zu. „Du erinnerst mich schon an jemanden.“ „Ja?“ Naruto horchte auf. Vielleicht sprach Kakashi ja von einem seiner Elternteile? Natürlich war es dumm, sich solche Hoffnungen zu machen (es war nicht das erste Mal, dass er so etwas hörte), aber er konnte es nicht sein lassen. „Ja, aber ich weiß nicht mehr, an wen, tut mir Leid.“ Mit einem wegwerfenden Grinsen winkte der Narbige ab und aß weiter. Kurz darauf kam Ayame auch schon mit den beiden Portionen für die Schüler. „Lasst es euch schmecken ihr zwei!“ „Danke, Ayame-chan.“, trompetete Naruto enthusiastisch und auch Hinata stotterte etwas. Sie brauchte allerdings etwas länger um mit dem Essen zu beginnen als ihr Freund, der sich begeistert wie immer auf sein Essen stürzte. Ramen waren nun mal das, was er am liebsten aß. Er hätte beinahe seine Schüssel heruntergeworfen, als Kakashi plötzlich mit der flachen Hand auf den Tresen hieb. „Aber da fällt mir was ein – sagt dir der Name Namikaze Minato etwas?“ Naruto starrte ihn an, fast erschrocken, während ihm ein paar lange Nudeln aus dem Mund hingen. „Wer?“, wollte er dann wissen. „Namikaze Minato.“ Der Junge legte den Kopf schief und dachte kurz nach, während er die Nudeln in den Mund saugte. Dann schüttelte er den Kopf. „Nein. Wer ist das?“ „Ach, nur so ein alter Freund von mir. Befreundet mit meinem Uzumaki, darum kam ich auf den Namen.“ Er schwieg einen Moment. „Aber anscheinend sagt er dir nichts.“ „Nein, wirklich nicht. Dir vielleicht, Hinata-chan?“ „Eh?“ Sie blickte auf, beinahe verwirrt, und wurde dann rot, als sie bemerkte, dass beide Männer sie anblickten. „Äh... ne...nein. Ich ... glaube nicht. A...aber Na...Namikaze. Den kenne ich.“ „Und woher, wenn ich so neugierig sein darf?“ Der charmante Ton, den Kakashi anschlug, verfehlte nicht seine Wirkung. Hinata errötete nun aus einem ganz anderen Grund und senkte den Blick, antwortete aber: „Wi...wir hatten mal Kunden, die so hießen. Ei...eine Familie, die öfter kam. Ab...aber das ist lange her, i...ich kenne sie nur aus den alten Büchern. Ne...Neji-nii-san weiß vielleicht mehr.“ Dann hob sie die Schultern. „A...aber ich glaube nicht, dass wir dieselben meinen.“ Sie lächelte entschuldigend und Naruto fragte sich, ob die Namikazefamilie, die Hinata meinte, wohl ein Part der Neitherworld war. „Nein... Wahrscheinlich nicht...“, stimmte Kakashi zu und widmete sich wieder seinem Essen. „Naja, ist ja auch egal – Minato und Uzumaki sind schon lange nicht mehr hier.“ Er klang dabei melancholisch, als würden die Gedanken an seinen alten Freund von negativen Erinnerungen überschattet werden. Ob die beiden tot waren, vielleicht frühzeitig gestorben? Kakashi hob die Schüssel an den Mund und leerte den letzten Rest. Dann kramte er Geld aus der Tasche und legte es auf die Theke. „Auf Wiedersehen, schönste Maid, die das beste Essen serviert.“ Damit drehte er sich um, um zu gehen, stoppte aber noch einmal, um sich noch einmal den beiden Teenagern zuzuwenden. „War nett, mit euch zu plaudern. Vielleicht sieht man sich mal wieder.“ Damit verschwand er, ehe sie eine Antwort geben konnten. Naruto starrte ihm nachdenklich nach, ehe er sich wieder seinem Essen zuwandte. Es war inzwischen dunkel geworden und die Sterne standen am Himmel, ebenso ein prächtiger, silbrig glänzender Mond. Die Nachtluft war kühl und klar und man konnte die Geräusche der Stadt nur wie aus der Ferne hören. Der Wind rauschte in den Wipfeln der Parkbäume und die Straßenlampen über den Wegen verbreiteten ein freundliches Licht. Hinata genoss die ruhige Atmosphäre, die hier herrschte. Sie hatte die Arme hinter dem Rücken verschränkt und den Kopf in den Nacken gelegt, um den endlosen Nachthimmel zu betrachten, der ihr immer ein Gefühl von Ewigkeit und Frieden gab. Es war das erste Mal an diesem Tag, an dem sie sich wirklich ruhig und zufrieden fühlte. Der Morgen war hektisch gewesen, weil sie fast verschlafen hatte, im Unterricht war eine Sache auf die nächste gefolgt und dann das mit Ino... Und danach hatte Naruto sie schon zum Carnival of Masks gebracht, wo man keine ruhige Minute finden konnte, selbst wenn man sie suchte. Erst recht nicht, wenn man auch noch angegriffen wurde, was sie mehr aufgewühlt hatte, als sie zugeben wollte. Sie wusste, dass es kein Zufall war, kein Zufall sein konnte. Orochiyoukai waren keine typischen Banditen und in einer so belebten Gegend wie dem Carnival gab es die sowieso nicht. Nein. Die hatten auf sie gewartet. Sie hatten gewusst, dass sie die Gelegenheit bekommen würden, an diesem Ort, in diesem Moment. Und Hinata vermutete, dass sie es auf Naruto abgesehen hatten, denn was sollten sie so plötzlich von Hinata oder ihrer Familie wollen? Die Geschäfte der Hyuuga liefen ganz normal. Naruto dagegen war neu. „Alles okay?“, riss Narutos Stimme sie aus den Gedanken. Sie drehte sich zu ihm um. „J...ja. Was sollte sein?“ Sie wusste nicht, warum sie ihn nicht auf ihre Sorgen ansprach. Vielleicht, weil irgendein Teil ihres Gehirns dachte, dass sie deswegen weniger real oder bedrohlich waren. Vielleicht, weil sie die Ruhe der Nacht nicht stören wollte. Sie konnte auch später noch mit ihm darüber reden. Nur nicht jetzt, nicht heute, nicht hier. Er zuckte mit den Schultern. „Nichts. Du hast bloß so nachdenklich ausgesehen.“ „Es ist nichts.“, versicherte sie. „Lass uns gehen, es ist schon spät. Neji-nii-san und Imouto werden sich sicher schon Sorgen machen.“ Sie hatte zwar Bescheid gesagt (beziehungsweise eine SMS geschrieben), wo sie mit Naruto hingehen wollte, doch hatte sicher keiner damit gerechnet, dass es dermaßen spät werden würde. Vielleicht sollte sie anrufen. Doch das würde die zweisame Atmosphäre mit Naruto zerstören und das wollte sie auf keinen Fall. Also tröstete sie sich damit, dass sie in einer halben Stunde zu Hause sein würde, denn der Park, in dem sich das Ichiraku Ramen befand, war nicht weit weg vom Circle. Und so lang konnte ihre Familie auch noch warten. Jetzt genoss sie es einfach, mit Naruto diesen Spaziergang durch den Park zu machen. Als wäre das hier tatsächlich ein Date. Obwohl Naruto es vorhin verneint hatte. Und auch sonst wohl nie tatsächlich mit ihr ausgehen würde. Aber das zählte jetzt nicht. Jetzt zählten nur Naruto und sie und die Nacht um sie herum, die niemanden an sie heranzulassen schien. Als wäre dies ihre eigene Welt, nur für sie beide. Sie konnte den Wind in den Ästen der Bäume hören, das leise Gluckern des Baches, der ganz in der Nähe vorbeifloss, der Kies, der unter ihren Füßen knirschte. „Das war ein schöner Tag heute.“, sagte sie, weil sie es wollte. „Wegen dem Nachmittag.“ „Ja?“, hakte Naruto nach und rieb sich den Hinterkopf. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich so gut aufmuntern kann, nach allem, was Yamanaka gesagt hat.“ Sie lächelte ihn an und blickte dann wieder nach vorn, wo die kleine, geschwungene Brücke, die über das Flüsschen führte, in Sicht kam. „Ich hatte es vergessen. Und du hattest recht. Sie weiß nicht, wovon sie redet. Sie wird es niemals wissen.“, erklärte sie und ihre Schritte klangen jetzt dumpf auf dem Holz der Brücke. „Sie kennt die Neitherworld nicht und sie wird sie auch niemals kennen lernen. Sie hat keine Ahnung von meiner Familie.“ „Oder von dir.“, fügte Naruto hinzu und Hinata lächelte ihn so strahlend an, wie sie konnte. Er blieb abrupt stehen und starrte sie an. Hinata wurde rot und stotterte: „Wa...was ist? Ha...hab ich was im Gesicht oder so?“ Er lächelte und schüttelte den Kopf, nachsichtig fast. „Nein. Aber ... Hinata, versprichst du mir was?“ Lässig schob er die Hände in die Hosentaschen und blickte sie abwartend an. Ihre Körper waren keine zwei Schritt voneinander entfernt und seine Nähe war beinahe unerträglich für sie und doch eigentlich viel zu schön... „Natürlich. Wa...was?“ „Versprich mir, nicht böse zu sein für das, was ich gleich tun werde.“ Er blickte sie schelmisch an, ein spitzbübisches Grinsen im Gesicht – er hatte etwas vor, aber sie wusste, dass es nicht schlechtes sein konnte, also nickte sie. „Ich verspreche es.“ Sein Grinsen wurde breiter, dann beugte er sich vor und küsste sie, sachte und langsam und direkt auf die Lippen. Es war nicht, als würde das Universum explodieren. Es war nicht heftig oder leidenschaftlich oder eine weltumkehrende Erfahrung. Es war nicht so, wie es immer beschrieben wurde, in Büchern oder Filmen oder von den anderen Mädchen, die sie kannte. Es war eher, als würde die Zeit langsamer werden, nicht ruckartig oder plötzlich, sondern so sanft wie leichter Sommerwind, und gleichzeitig als würde sich eine perfekte Blüte öffnen, die in der schönsten Farbe erstrahlte, gleichzeitig hell wie die Sonne und schön wie der Mond. Sie konnte die Nacht riechen und den Fluss und Naruto, der ihr so nah war, dass sie ihn berühren konnte, nicht nur auf diese eine physische Weise, sondern viel, viel tiefer. Er neigte den Kopf etwas zur Seite und begann, die Lippen zu bewegen, um den Kuss zu vertiefen, und kam einen Schritt näher, um ihren Abstand zwischen ihnen zu verringern. Er berührte sie fast, aber nicht ganz. Doch die Hände ließ er noch immer in den Hosentaschen, als wolle er sie nicht festhalten, als wolle er ihr die Gelegenheit geben, wegzulaufen, wenn sie wollte, als wolle er sie nicht einengen. Was er nicht tat und nie tun würde. Zögernd hob sie die Hand und legte sie sanft ihm an die Wange, strich mit dem Daumen über die Wangenknochen und spürte die feinen Härchen in seinem Nacken unter den Fingerspitzen, als sie sich weitertastete. Seine Wange war rau, aber seine Lippen weich und einladend. Sie stellte sich leicht auf die Zehenspitzen um näher an ihn heranzukommen und fragte sich, ob es sie jetzt kümmern würde, wenn die Welt untergehen würde. Wahrscheinlich nicht. Perfekter als das hier konnte nichts mehr werden. Aber selbst ein perfekter Augenblick ging einmal vorbei und Naruto löste sich wieder von ihr. Sein Gesichtsausdruck war konzentriert und beinahe andächtig und seine Mundwinkel waren ein kleines Stück nach oben gezogen, zu einem winzigen Lächeln, das Hinatas Herz berührte. Seine blauen Sommerhimmelaugen schienen zu leuchten. „Tja... Ähm... Scheint so, als wärest du mir nicht böse.“, murmelte er und Hinata lächelte breiter und legte ihm den Finger auf die Lippen. Dann stellte sie sich noch einmal auf die Zehenspitzen und küsste ihn wieder, kurz nur, ehe sie seine Hand ergriff und weiterging. Es war wie selbstverständlich. Sie sprachen auf dem restlichen Weg zum Circle kein Wort mehr, aber Naruto brachte sie bis zur Haustür und küsste sie auf der Schwelle erneut, ehe er winkend in die Nacht verschwand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)