Frei wie ein Vogel von Kilala- (Erste FF) ================================================================================ Kapitel 4: Kapitel 4 -------------------- Ella dämmerte eine Weile vor sich hin, ohne wirklich wach zu sein oder richtig zu schlafen. Ihr Kopf schmerzte, aber es waren keine gewöhnlichen Kopfschmerzen, sondern ein eher dumpfer Schmerz, als hätte sie zu viel Wein oder Bier getrunken. Als die Schmerzen allmählich verschwanden, lichteten sich auch ihre Gedanken und sie versuchte die Augen aufzuschlagen. Zunächst war sie desorientiert und wusste nicht, wo sie sich befand, war es eine Höhle? Es war aber kein kalter Steinboden auf dem sie lag, sondern Felle auf einem Holzboden. Jetzt erkannte sie ihr Umfeld erst gänzlich es war ein kleiner Wagen, indem sie sich befand. Die Decke war nicht hoch, wahrscheinlich konnte sie noch nicht einmal aufrecht stehen und müsste gebückt gehen. Der Rest des Wagens war mit Truhen, Bündeln und anderen Habseligkeiten gefüllt, so als würde jemand seinen ganzen Hausrat mit sich herumfahren. Zwar wusste sie nun, dass sie sich in einem Reisewagen befand, doch das half ihr nicht viel und sie versuchte sich zu erinnern, was als letztes passiert war. Süße Unwissenheit. Ein kleiner dicklicher Mann mit Tonsur und Mönchskutte viel ihr wieder ein, Pater Paulus. Und dann trafen sie die Bilder so unvermittelt und heftig, als würde sie sie das erste Mal sehen. Ulrich, ihre Eltern und Konrad! Sie schnappte nach Luft und setzte sich auf. Der Boden unter ihr knarrte und dann sah sie eine Bewegung am anderen Ende des Wagens vor dem mit Stoff behangenem Ausgang aus dem das spärliche Licht einfiel. Ein Mann hockte kniend vor einer der Truhen und wühlte bis eben gerade darin herum, warum hatte sie ihn nicht früher bemerkt? Durch das Licht, dass durch die Vorhänge fiel, konnte sie nur seinen Schatten erkennen, eine schwarze Gestalt, doch sie war nicht völlig schwarz, auf dem Kopf schien ein Feuer zu brennen. Gerade, als er sich zu ihr umdrehen wollte, sprang Ella auf und wollte an ihm vorbei durch die Vorhänge hechten, doch die vielen Felle und ihre noch nicht ganz wachen Beine ließen sie direkt auf den Fremden mit dem feurigen Schopf zu stürzen. Noch ehe einer der beiden irgendetwas tun oder sagen konnte, polterten sie beide aus dem Wagen und fielen mit einem dumpfen Aufprall auf den Boden. Sonnenlicht blendete Ella und sie konnte nicht sofort alles erkennen, doch sie wusste, dass sie wegmusste! Sie rollte sich zur Seite und rutschte ein wenig zurück. Als sich ihre Augen endlich an das Sonnenlicht gewöhnt hatten, sah sie den Mann noch immer stöhnend am Boden liegen. Sein Haar leuchtete im Sonnenschein nun rötlich und er öffnete die grünen Augen. Er war jung, bestimmt noch keine zwanzig Jahre, als er sich aufrichtete konnte sie sehen, dass er ziemlich groß war, wahrscheinlich würde sie ihm gerade bis zur Schulter reichen. Verlegen lächelte er, als er sich den Staub von der Kleidung schlug und dann setzte ein lachender Chor ein. Sie hatte sich so auf diesen Rothaarigen konzentriert, dass ihr völlig entgangen war, dass außer ihnen noch andere Menschen anwesend waren, vielleicht ein dutzend. Sie lachten herzhaft und ehrlich. „Du hast sie mit deinem Aussehen wohl erschreckt!“ grölte einer der älteren Männer und erneut erhob sich eine Welle des Lachens. Ella starrte verwirrt von einem zum anderen und wusste nicht, was sie tun sollte. Aufgrund der anderen Reisewagen und ihrer Kleidung musste es sich bei diesen Leuten um fahrendes Volk handeln, Schausteller. Was hatten sie mit ihr zu vor? Wollten sie sie verkaufen oder gar schlimmeres? Eine der Frauen, sie musste Mitte dreißig sein, kam mit einem Lächeln auf sie zu. Ihre Augen waren ebenso grün, wie die des Feuerschopfes und voller Freundlichkeit und Güte. „Komm. Setze dich zu uns.“ Sagte sie mit weicher Stimme und streckte ihr eine Hand hin, in ihrem anderen Arm befand sich ein Säugling, der freudig glugste. Das Gelächter hatte sich gelegt und bevor Ella die Hand der Frau ergriff, sah sie in den übrigen Gesichtern nur Neugierde und Freundlichkeit, aber sie war dennoch auf der Hut, immerhin hatte sie sich schon einmal zu oft in Menschen getäuscht. Zusammen gingen sie zum Feuerplatz, um den die anderen saßen und gerade wohl mit dem Mittagsmahl beginnen wollten. Noch bevor Ella wirklich saß, reichte ihr eine andere Frau mit rundem Gesicht eine Schüssel mit Hammelfleisch und einer gehaltvollen Brühe. Die übrigen hatten schon eine Schüssel in der Hand und begannen nun zu essen, doch Ella wagte es nicht und sah immer wieder von einem zum anderen. Die Frau zu ihrer Rechten kicherte, als sie Ellas Misstrauen bemerkte. „Ich bin Jenna.“ Begann sie und Ella musste sie unwillkürlich ansehen. Ihr Gesicht war sehr angenehm anzusehen und ihr Alter konnte man nur an den wenigen schmalen Fältchen um die Augen erkennen. Ihre Figur war ebenfalls sehr gefällig und wohl proportioniert, eine echte Schönheit dachte Ella bei sich. Ihre blonden Haare unterstrichen ihre helle Haut und vornehmes Aussehen. „Das ist mein Mann, Gordon.“ Ein Mann mit ebenso rotem Deckhaar und Bart nickte ihr wohlgesonnt zu. Er passte nicht ganz zu Jenna, denn im Gegensatz zu ihr, sah er eher wie ein Krieger aus, das lange Haar zu einem Zopf nach hinten gebunden, eine breite Nase, buschige Augenbrauen und ein breites Kreuz ohne dass er schwerfällig wirkte. Nun deutete Jenna vorbei an Gordon auf zwei andere Männer mit demselben roten Haar. „Seine jüngeren Brüder und meine Schwäger, Rob und Jonathan.“ Erklärte Jenna. Unverwechselbar waren die drei Brüder, hatten sie doch dasselbe Haar, die Nase und das breite Kreuz, aber nur Gordon unterschied sich sehr von ihnen, er strahlte eine Art Würde und Stolz aus, die Ella sich immer bei Königen und Adligen vorgestellt hatte. Rob, der mittlere war fülliger, ohne dick zu wirken und Jonathan hatte eine kleine Narbe über dem rechten Auge. Jenna stellte nun das Oberhaupt der Familie und zugleich älteste Person vor, es handelte sich um die Mutter der drei Brüder und alle nannten sie nur Nana. Als nächstes war Bessie an der Reihe, die rundliche Ehefrau von Rob. Zwar hatte sie einen beachtlichen Körperumfang, doch entstellte sie das nicht, es ließ sie nur noch freundlicher erscheinen. Ihre Tochter Martha war gerade einmal zwölf und auch nicht zierlich veranlagt, aber sie strahlte eine ganz besondere Lebensfreude aus. Ihr Bruder Goerge war eher still und zurückhaltend, auch hatte er zwar einen rötlichen Schimmer in den Haaren, doch das Braun darin überwog. Irgendwie schien er nicht ganz nach den Eltern geraten zu sein, denn er war außergewöhnlich schlank und hatte auch sonst ein sehr einnehmendes Aussehen. Ella konnte sich gut vorstellen, dass viele Mädchen sich schon nach nur wenigen Augenblicken nach ihm sehnten. Doch die Familie war noch nicht komplett nun stellte Jenna ihr ihre eigenen Kinder vor, der kleine Säugling in ihrem Armen hieß Louis. Johnny, gerade zehn Jahre alt, hatte Jennas blondes Haar aber die dunklen Augen seines Vaters. Auch waren die Achtjährige Gwenny und ihr vierjähriger Bruder Matti eher nach Jenna geraten, als nach Gordon. Nur Jack, der Junge, der sie im Wagen überrascht hatte, hatte das markante Familienaussehen von Gordon geerbt, genauso wie die smaragdenen Augen der Mutter. Seine Haut war hell, fast bleich und schien fast durchsichtig. Wenn er nun nicht die breiten Schultern und sein sportliches Aussehen gehabt hätte, so sähe er wohl ziemlich komisch aus. Aber seinem Vetter Goerge konnte man ihn nun wirklich nicht vergleichen, der eine wäre wohl ein prächtiges Schlachtross und der andere ein gewöhnliches Pferd mit ungewöhnlicher Fellfarbe. Ella war so in ihren Gedanken um die seltsame Familie verstrickt, dass sie nicht sofort auf die Worte der alten Frau hörte. „Wie heißt du, Mädchen?“ fragte sie erneut und etwas lauter um Ella zu erreichen. Nun wanderte ihr Blick wieder zu der Alten, wie nannten sie sie? Nana? Ihre Augen zeugten von Strenge, aber ebenso von Güte und Fürsorglichkeit. „Ella…“ erwiderte sie. Nun ergriff Gordon das Wort und seine Stimme schwang voller Gastfreundlichkeit.“Nun, Ella, dann heißen wir dich herzlich in unserer kleinen Runde willkommen und hoffen, du erholst dich etwas.“ Erholen? Erst jetzt sah sie an sich herab, sie hatte ein neues Kleid an und ihre Arme und Beine waren mit weißem Leinen umwickelt. Jenna sah ihren fragenden Blick. „Jack fand dich nicht weit von hier, du musst einen kleinen Abhang hinunter gestürzt sein, das Gebüsch indem er dich fand war wohl deine Rettung, denn es fing deinen Sturz auf. Du hast einige Schramme und kratzer davongetragen, aber nichts, das nicht wieder heilen würde. Aber dennoch solltest du dich nun stärken.“ Mit einem Wink deutete Jenna auf die Schüssel in Ellas Händen, sie hatte noch nichts davon gegessen und der Inhalt begann zu erkalten. Natürlich war Ella hungrig, wie ein Wolf im Winter, dennoch zwang sie sich nichts zu essen, bis die sie sah, dass die anderen es auch aßen. Noch einmal würde sie nicht etwas zu sich nehmen, das man ihr reichte, ohne sicher zu sein, dass sich darin nicht wieder ein Schlaftrunk befand. Ohne Bedenken aßen derweilen genüsslich ihr Mahl und nun konnte auch Ella davon kosten, es war nichts besonderes, aber ihr leerer Magen schrie vor Entzücken und sie musste sich zurückhalten, um nicht alles gierig zu verschlingen. Bessie, die Köchin dieses herrlichen Essens gab ihr einen Nachschlag, bis Ella das Gefühl hatte zu platzen. Sie dankte ihren Gebern von Herzen und bedankte sich bei ihnen. Nun waren deren blicke wieder auf Ella gerichtet, neugierig und forschend, aber nicht aufdringlich, nur Martha konnte sich nicht zurückhalten. „Hast du schon einmal Schausteller, wie uns gesehen?“ fragte sie fröhlich lachend, als sie sah, wie Ella die Wagen und ihre Bewunder musterte. Ella nickte und antwortete zaghaft. „Ja, einmal. Ich war noch sehr jung, als eine Gruppe von Schaustellern in unserem Dorf rastete und uns eine Kostprobe ihres Könnens gab. Sie sangen, tanzten und führten ein Schauspiel vor.“ Ella erinnerte sich an diesen Tag und ihre Stimme verriet ihre Freude, die sie damals empfunden hatte. „Mein Bruder war so aufgeregt gewesen.“ Sie stockte. „Ulrich…“ wiederholte sie mit brüchiger Stimme, die Erinnerung an sein glückliches Gesicht schmerzte sie. Nie wieder würde sie sein Lächeln sehen oder seine Stimme hören, ebenso, wie die ihrer Eltern. Nana sah ihr tief in die Augen und es war, als könne die Alte in ihr lesen, wie in einem Buch. „Komm…“ sagte sie. „Wir müssen deine Verbände wechseln.“ gab sie vor und winkte Jenna ihr zu helfen. Bessie nahm ihr den kleinen Louis ab und zu dritt gingen die drei Frauen in den Wagen, indem Ella geschlafen hatte. Der Rest der Familie widmete sich seinen Aufgaben und machten keine Anstalten den Dreien zu folgen. Im Wagen zog Jenna die Vorhänge zu, nachdem sie als letzte eingetreten war und setzte sich Ella gegenüber. „Das fand Jack bei dir…“ Nun kramte sie ein Bündel aus einer der Truhen heraus und öffnete den Stoff, der Dolch Konrads kam hervor und das Licht fiel auf ihn. Sofort fingen die Rubinaugen des Falkenkopfes an blutrot zu leuchten und warfen das Muster an die Wände. Ella schnappte hörbar nach Luft und wich unweigerlich zurück, der Falke sah sie drohend an, als ob er lebendig werden und sich auf sie stürzen würde. Schnell bedeckte Jenna ihn wieder und legte das Bündel beiseite. Nanas Blick lag forschend auf Ella, die nur mühsam ihre Fassung wiedererlangte. „Du brauchst dich nicht fürchten, Kind. Wenn du diesen Dolch einem Edelmann gestohlen hast, werden wir dich nicht verraten.“ Sie meinte es anscheinend ernst. Aber Ella liefen bereits die Tränen in den Augen zusammen. „Das ist nicht die ganze Geschichte, richtig?“ fragte Nana ruhig. Ella sah zwischen den beiden Frauen hin und her und versuchte durch den Tränenschleier ihre Absichten zu erkennen. Jenna reichte ihr ein Tuch mit dem sie sich die Tränen wegwischte. Jetzt wurde ihr Blick leer und dumpf, so als würde ihre Seele zurück zu den Ereignissen reisen und die Worte dessen sprudelten aus Ella heraus, stumm rannen weitere Tränen über ihre Wangen. Es war raus, Nana und Jenna wussten nun, was ihr widerfahren war und noch bevor Ella aus ihrer Litargie erwachte nahm Jenna sie behutsam in die Arme und striche ihr übers Haar, so wie sie es bei ihren Kindern immer getan hatte, wenn diese traurig waren. Es war die tröstliche Umarmung einer Mutter in der Ella sich nun befand und ohne zu zögern krallte sie sich an Jenna und lies ihren Tränen freien Lauf, sie schluchzte bitterlich und ihr Körper zitterte, doch Jenna spendete ihr Trost, wog sie sanft hin und her und versuchte sie zu beruhigen. Ella sah nicht, wie ein großer Schatten auf den Vorhang geworfen wurde und wieder verschwand, irgendjemand hatte gelauscht und war nun verschwunden. Eine ganze Weile später hatte Ella sich beruhigt, es war ihr nun unangenehm, sie hatte sich krampfhaft an Jenna geklammert, nun aber ließ sie sie los. „Bitte, sagt niemanden etwas davon, ich will mich auch unverzüglich auf den Weg machen und euch verlassen, um euch weitere Unannehmlichkeiten zu ersparen.“ Bat Ella. „Und wo gedenkst du hinzugehen?“ die raue Stimme war Nanas, sie saß mit geschlossenen Augen dort und drehte einen Ring an ihrem Finger. Ella wusste es nicht und schwieg. „Das dachte ich mir, wenn wir dich nun gehen lassen, wirst du verhungern, erfrieren oder von Räubern getötet und das will ich vor Gott nicht verantworten. Fürs erste bleibst du bei uns.“ Nun schlug sie die Augen auf und ging hinaus. Jenna kicherte über die Eigenart ihrer Schwiegermutter. „Sie versucht ihre Gefühle hinter Strenge zu verstecken.“ Ihr Blick wandte sich zu Ella, diese jedoch war gerührt und sprachlos, auch in diesen Zeiten gab es Menschen, die gut zu ihr waren und das wog tausendfach mehr als Gold. „Danke…danke…“ wiederholte sie heiser immer wieder bis Jenna sie stoppte. „Nun zu deinen Wunden.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)