Mosaik von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 38: Sein ---------------- Guten Vormittag :)! Das geht jetzt vielleicht etwas schnell, aber heute präsentiere ich Euch schon das vorletzte Kapitel von Mosaik! Wir sind am Ende angekommen und das nächste, das 39. Kapitel, das hoffentlich nicht mehr allzu lange braucht, wird keine neuen Aspekte mehr einbringen. Stattdessen wird es sich bemühen, einen passenden Bogen zu schlagen, um die Story dann endgültig abzuschließen. Also offene Fragen klären, an den Anfang anknüpfen etc. Aber erstmal hoffe ich, dass Euch das 38. Kapitel gefällt und Euch etwas schmachten lässt. Außer der langersehnten Aussprache von David und Sascha enthält es außerdem einen ersten, klitzekleinen Crossover zu einer Geschichte von - mal schauen, wer ihn erkennt^^. Ach ja: Wer sich das erste Mal zwischen David und Sascha herbeigesehnt hat, kann sich freuen OO! Viel Spaß beim Lesen und (ein letztes Mal) bis zum nächsten Kapitel, Eure Lung :) ____________________________________________________________________ Im Zentrum war es dunkel, um nicht zu sagen stockfinster. Keine einzige Lampe brannte noch irgendwo und auch unter Saschas Zimmertür leuchtete kein Licht auf den schwarzen Flur hinaus. Vielleicht schlief er schon. Oder aber er war nach Hamburg zurück gefahren, hatte sich eine neue Handynummer besorgt und war niemals wieder für David zu erreichen. Der Gedanke ließ ihn schwer schlucken. In seinem Magen kreiselte die Nervosität vor sich hin und seine Finger bebten immer noch. Mit angehaltenem Atem stand David vor Saschas schweigender Zimmertür und starrte auf den Schatten, der die Türklinke war und ihn aufmerksam zu beobachten schien. Er würde es drauf ankommen lassen müssen. Er würde nie erfahren, wo Sascha war und ob sie eine gemeinsame Zukunft hatten, wenn er sich nicht traute, die Tür zu öffnen. Auch wenn die Bedingungen für ein klärendes Gespräch besser hätten sein können, da es kurz vor Mitternacht war und er nach Alkohol und Rauch stank und angetrunken und unzurechnungsfähig war und immer noch Mütze, Jacke und Schuhe trug. Er atmete tief ein und schloss kurz die Augen. Sein Kopf schwirrte und sein Herz schmerzte von all der Verliebtheit und der Begierde nach Sascha. Auf diesen Moment hatte er den ganzen Tag gewartet. Und jetzt war er da. Es war an der Zeit seinen Fast-Freund zu seinem Freund zu machen. An der Zeit, Sascha endlich zu seinem Sascha zu machen. Mut, David, Mut. Er räusperte sich. Er atmete. Er leckte sich über die Lippen. Er schluckte. Und er streckte die zitternde Hand aus, legte sie auf die Türklinke und…öffnete die Tür. In Saschas Zimmer war es genauso dunkel wie auf dem Flur und im Rest des Zentrums. Aber es war angenehm warm und die Luft duftete so stark nach Sascha, dass Davids Knie puddingartig wurden. Und aus der Ecke, in der das Bett stand, kam ein leises Rascheln. „H…Hallo?“, kam es unsicher aus der nächtlichen Schwärze, „Wer ist da?“ Davids Herz stockte. Er konnte Saschas Silhouette aufrecht im Bett erkennen. Und er klang erschrocken, fast ein wenig ängstlich. Um David herum wurde die Welt ganz weich. „I…Ich bin’s!“, stieß er lächelnd hervor und machte ein paar wacklige Schritte in den Raum hinein. Sascha atmete zischend. „David?“, flüsterte er und die hoffnungsvolle Erleichterung in seiner Stimme machte David ganz schwach und warm und glücklich. Er war da und nicht mehr wütend. Er war da! „Ja…,“ schniefte David strahlend und schaffte es irgendwie, die Tür hinter sich zu schließen, „Ich bin’s.“ „Oh, Gott sei Dank!“, wisperte Sascha fast schon verzweifelt, „Ich hab mir Sorgen gemacht, weil du einfach verschwunden bist. I… Ich dachte… Geht…geht es dir gut? Wo warst du denn nur? Ich dacht–,“ David hielt es nicht mehr aus. Wie ein ferngesteuertes Auto rollte er zum Bett, setzte sich auf die Matratze und ergriff Saschas Gesicht, um ihn zu küssen. Als sich ihre Lippen trafen, ächzte Sascha auf und in Davids Innerem explodierten die Gefühle. Sie schäumten über und füllten seinen Kopf, seine Hände, seinen Bauch. Sein Herz begann zu schlagen, seine Haut begann zu glühen, seine Lunge begann sich auszudehnen, als hätte David den vergangenen Tag im Koma verbracht und erst Saschas Anwesenheit, erst sein Kuss, würde nun das Leben in ihn zurückhauchen. Fast verlor David den Verstand. Er küsste seinen Fast-Freund so intensiv er konnte. Als ob er die vergangenen Stunden der Trennung so schnell wie möglich aufholen müsste. Seine Zunge öffnete gierig Saschas Mund, seine Hände strichen ruhelos über Saschas Gesicht, seine Wangenknochen und Schläfen. Sie strichen durch Saschas Haar, griffen in seinen Nacken und fuhren über seinen nackten Rücken. Und Sascha zitterte in seinen Armen. Er seufzte und zog David so fest wie möglich an sich, presste sich an ihn und küsste ihn so voller Hingabe zurück, dass Davids gesamter Körper unbändig zu prickeln begann. „Ich…hab dich…so vermisst…,“ nuschelte David atemlos und ganz kraftlos vor Glück gegen Saschas feuchte Lippen und verkrallte sich in seinen Haaren, „Es tut…mir alles…so schrecklich Leid…,“ „Schon gut…,“ murmelte Sascha hingerissen zurück, zog ihm die Mütze vom Kopf und öffnete fahrig den Reißverschluss an Davids Jacke, „Schon gut… Komm her, küss mich…,“ David konnte kaum mehr denken. Der Alkohol und die Endorphine in seinem Blut ließen seine Gedanken wirbeln. Er spürte nur noch Saschas süße Küsse, seine kühlen Finger unter seinem T-Shirt, auf seinem nackten Bauch, an seinen Brustwarzen. Er war so glücklich. Und er hatte solche Lust auf Sascha. Er wollte vergessen, sich einfach hingeben, in Saschas Nähe versinken, ihn anfassen, fühlen… Doch da war noch etwas. Ein Vorhaben, ein Ziel, ein Grund. Etwas, das er noch nicht abgeschlossen, noch nicht geklärt hatte. Und mit einem Schlag erinnerte sich David. „Sch… Stopp!“, brachte er mühsam hervor und versuchte, sich aus Saschas Umarmung zu befreien, „Stopp! Hör…auf, Sascha…!“ Entschieden drückte er den entsetzten Mr. Komm-Her-Küss-Mich von sich weg, rang nach Atem und nach der Kontrolle über seinen Kopf und seinen Körper. „Was…? Was ist…?“, fragte Sascha heiser und klammerte sich an Davids Pullover fest. „Lass mich los!“, verlangte David energisch über das Poltern seines Herzens hinweg, „W…Wir können jetzt nicht einfach rummachen. Sei nicht so inkonsequent! Ich muss dringend mir dir reden.“ „Inkonsequent?“, wiederholte Sascha überrumpelt, „Reden? Aber…,“ „Halt den Mund!“, blaffte David, schlug Saschas Hände weg und schüttelte den Kopf, um den rosaroten Liebesnebel zu vertreiben, „Setz dich hin und hör mir zu!“ In der Dunkelheit konnte er sehen, wie Sascha seine Hände in den Schoß fallen und die Schultern hängen ließ. Er konnte ihn schlucken hören und meinte, trotz der Finsternis, an die sich seine Augen jedoch langsam gewöhnten, Enttäuschung, Sorge und Schmerz in seiner Miene zu erkennen. Davids Herz quittierte diese Vorstellung mit einem quälenden Stich und einem leisen Knirschen. Eigentlich können wir das Gespräch auch auf später verschieben, schlug es vor und der größte Teil von Davids Körper – sein Unterleib allen voran – stimmte ihm mit einem salbungsvollen Nicken zu, Ich meine, das läuft uns ja nicht weg, oder? David wäre seinem Herzen gern gefolgt. Doch es gab Dinge, die man klären sollte, bevor man das Gehirn ausschaltete. Und dem anderen seine Gefühle zu gestehen, gehörte eindeutig dazu. Außerdem haben wir viel zu sehr dafür geackert, um es jetzt zu verschieben!, brummelte sein Großhirn und schüttelte den letzten Rest Lähmung ab, Volle Kraft voraus also. Sagen wir es ihm. Sagen wir ihm alles. „Ich muss dir was erzählen…,“ begann David im Flüsterton und sein Magen hüpfte zurück in den Panik-Modus, „Und ich… Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll…,“ Sascha antwortete nicht sofort. „Okay…,“ flüsterte er dann und in seiner Stimme vibrierte eine grässliche Resignation, die David kurzzeitig die Kehle zuschnürte, „Okay. Soll ich…das Licht anmachen?“ „Nein!“, erwiderte David entschlossen, „Nein. Wenn ich…dich jetzt richtig sehe, halte ich das bestimmt nicht durch…,“ Sascha stutzte und runzelte die Stirn. „O…kay…,“ wisperte er dann erneut und klang jetzt leicht fragend. David holte tief Luft. Seine Augen bohrten sich durch die Schwärze und fanden Saschas Gesicht, das von innen blass zu leuchten schien. Jetzt war es soweit. Er stand vorm Ziel. Er musste es nur noch durchschreiten. „Ich…war zu Hause…,“ berichtete David leise und musterte Sascha durch die Schatten der Nacht, sein Herz klopfte bestärkend, „Nach…unserem Streit hab ich…hab ich beschlossen, dass ich etwas ändern muss… Sofort. Deshalb bin ich noch am gleichen Abend losgefahren…,“ „Ehrlich?“, hauchte Sascha. David nickte und kämpfte die abermals aufsteigende Verliebtheit nieder, bevor sie ihn von den weiteren Erklärungen abhielt und Sascha anspringen ließ. „Ich… Ich bin also nach Hause gefahren und…und habe es meiner Familie gesagt. Meinen Eltern und Felix und dann hab ich Julian noch angerufen und dann Ken–,“ „Was?“, keuchte Sascha auf, „Was… Was hast du ihnen gesagt?“ „Na, alles!“, zischte David ungeduldig, „Dass ich schwul bin. Und dass–,“ „Du hast dich geoutet?“, quietschte Sascha, „Im Ernst?“ „Ja!“, insistierte David und wedelte wegwerfend mit den Händen, „Hab ich doch gesagt. Aber das ist nicht alles, ich habe–,“ „Vor deinen Eltern und deinen Brüdern? Und Kenji?“ „Ja, doch! Und dann–,“ „Was hast du ihnen gesagt? Wie hast du es ihnen genau gesagt? Erzähl mir alles!“ David stöhnte auf. Doch dann tat er Sascha den Gefallen und beschrieb sein erstes Outing mit mehr Details. Aus den Augenwinkeln konnte er Dings‘ Miene sehen, die vor Zärtlichkeit und Verzückung beinahe zu platzen schien. Diese Tatsache machte David das Erzählen nicht unbedingt leichter. In der Mitte seines Telefonats mit Julian hielt es Sascha dann nicht mehr länger aus. „Oh, David!“, schnitt er ihm mit vor Begeisterung brechender Stimme das Wort ab und griff nach Davids Oberarmen, „Du hast dich wirklich geoutet? Einfach so? Und du hast ihnen von mir erzählt? Ich… Ich kann’s nicht glauben! Du bist so gro–,“ „Hör auf damit!“, fauchte David mit sirrenden Ohren und hüpfendem Herzen und schüttelte Dings‘ Hände ab, „Ich bin noch nicht fertig!“ „Aber ich will dich jetzt sofort küssen!“ „Nein, nicht jetzt!“, schimpfte David verzweifelt, „Ich muss dir noch mehr sagen. Hör auf, dich wie ein Idiot zu benehmen und hör mir gefälligst zu, okay?!“ „Okay…,“ gluckste Sascha und David konnte sein Atomstrahlen aufblitzen sehen. Sein Herz verbog sich vor Sehnsucht. Verdammt nochmal! Wieso machte es ihm dieser Depp nur so schwer? Konnte er nicht einfach den Mund halten und warten, bis er fertig war? Wie sollte David das Gespräch nur durchhalten, wenn Sascha so gar nicht nachtragend war, sondern stattdessen lächelte und sich freute und noch dazu vom Küssen sprach? Das war ja fast schlimmer als ein neuerlicher Streit! David grummelte in sich hinein, seufzte tief und schloss für einen Moment die Augen, um seine Gedanken zu klären. Dann öffnete er sie wieder, damit Mr. Ich-Kann-Nicht- Glauben-Dass-Du-Dich-Einfach-So-Geoutet-Hast seine vorübergehende Blindheit nicht für seine eigenen Zwecke ausnutzte. „Also…,“ fuhr er fort und versuchte, sich von seiner eigenen Freude und Erleichterung, die in seinem Bauch umher schwappten, nicht die Tour vermasseln zu lassen, „Nachdem ich es meiner Familie gesagt habe, habe ich – wie gesagt – Kenji angerufen und es ihm gesagt. Ich… Ich hab ihm alles erzählt, von Sven, von dir und von unserem Streit. Und dann hat er mich überredet, mit Sven Kontakt aufzunehmen und mit ihm zu sprech–,“ Die vollständige Regungslosigkeit, die Sascha bei der Erwähnung von Svens Namen erfasst hatte, dauerte nur eine Sekunde an. „Du hast was?!“, krächzte er, „Du hast mit Sven geredet?“ „Jaah!“, entgegnete David genervt, „Kenji und ich sind heute Abend zu der Autowerkstatt gefahren, wo er grad Praktikum macht, und da–,“ „Du hast wirklich mit Sven geredet? Was ist passiert? Hat er–,“ „Sascha! Hör endlich auf, mich ständig zu unterbrechen!“ „Entschuldige, aber ich–,“ „Umso eher du mich fertig erzählen lässt, desto eher können wir uns küssen!“ Bei dieser Ansage stockte Sascha einen Augenblick. Das Lächeln, das sein Gesicht kurz darauf erhellte, war ein bisschen scheu. „Heißt das, du…willst mich wirklich immer noch küssen…?“ David hätte ihm am Liebsten eine Kopfnuss verpasst. „Was für ne blöde Frage!“, zürnte er und der Alkohol beflügelte seine Zunge, „Natürlich will ich dich noch küssen, du dummer Hornochse! Ich hab Sven nur aufgesucht, um endgültig mit ihm abzuschließen, damit ich endlich mit dir zusammen sein kann! Ohne mich die ganze Zeit wie ein Esel zu verhalten. Verflucht, ich denke seit Stunden nur daran, endlich zu dir zurückzufahren und mich mit dir auszusprechen, um dich dann endlich zu küssen. Und deshalb ist es echt schwer für mich, so vor dir zu sitzen und dich nicht zu küssen, weil ich nämlich vor Sehnsucht nach dir fast vergangen bin. Also wäre ich dir wirklich sehr dankbar, wenn du mich einfach mal erzählen lassen könntest, damit ich endlich alles gesagt habe, was ich dir so dringend sagen muss, und dich dann endlich küssen kann. Mann, ey! Dass du immer so anstrengend sein musst.“ David schnappte nach Luft. Sascha fixierte ihn sprachlos. Dann schniefte er leise. „David…,“ „Nein, nein!“, wehrte David ab und packte Saschas Hände, die der abermals nach ihm ausgestreckt hatte, „Nix da! Du hörst mir jetzt bis zum Ende zu, klar?!“ „Ich glaub, ich fang gleich an zu heulen vor Freude.“ „Nein!“, rief David entsetzt, „Reiß dich zusammen!“ „Aber du hast dich vor deiner Familie geoutet,“ schluchzte Sascha durch die Novembernacht und seine Hände bebten in Davids Fingern, „Und vor Kenji. Du warst bei Sven, um mit ihm abzuschließen. Und das… Das alles…für… für mich…?“ Seine Stimme verwandelte sich in ein Hauchen. Auf einmal war Davids Kehle furchtbar trocken und sein Herz zuckte. Sein Magen pumpte sich auf und eine Million Schmetterlinge rauschten durch seine Speiseröhre hinauf, direkt in seinen Mund. „Ja…,“ wisperte er, „Natürlich. Ich… Ich bin verliebt in dich…,“ Die Stille, die diesen Worten folgte, war so vollkommen wie nie zuvor in Davids Leben. Es hörte sich so an, als wären selbst der Nieselregen und der Wind verstummt und würden nun ihre Ohren an die Fensterscheibe pressen, um zu lauschen. „Oh mein Gott…,“ flüsterte Sascha, „Oh mein Gott…,“ „Nein, nicht!“, ächzte David hastig, „Ich bin noch nicht fertig mit Reden! Ich meine… Doch schon, das war das Wichtigste, was ich dir sagen wollte, aber ich wollte dir doch noch sagen, wie entsetzlich Leid es mir tut, dass ich dich so verletzt habe!“ Seine Stimme versagte beim Blick in Saschas dunkle, geweitete Augen, doch er zwang sich mit aller Macht dazu, weiterzusprechen. „Ich war so unfair, so blind und ignorant! Ich hab nicht bemerkt, wie sehr ich dich verletzt habe mit meinem Scheiß. Ich… Ich hab noch nicht mal bemerkt, dass ich schon seit Wochen verliebt in dich bin. Erst Kenji hat mich darauf gebracht. Ist das nicht bescheuert? Aber ich hab’s wirklich nicht bemerkt, ich war so verkorkst und hinüber, dass ich es einfach nicht wahrhaben wollte. Und ich kann gut verstehen, wenn du mir nicht verzeihen kannst und mich nicht mehr willst, aber ich sag dir: Ich werde nicht einfach aufgeben! Ich werde dich nicht hergeben! Du hast mich so lange genervt, bis du mich hattest. Und genau das werde ich auch machen! Ich werde dich nerven und bedrängen, bis du meine Gefühle erwiderst und selbst wenn du–,“ Weiter kam David nicht. Sascha hatte sich endlich aus seinem Griff befreit. Wie Tentakel schlang er seine Arme um sein redseliges Gegenüber und küsste ihn. Küsste ihn so sehnsüchtig und verlangend und kraftvoll, dass Davids Augen sofort zuklappten und jedes weitere Wort, jeder weitere Gedanke im Keim erstickt wurde. Als sich ihre Zungen berührten, erschlaffte Davids Körper und wurde von einer wundervollen Kraftlosigkeit erfasst, die sein ganzes Inneres füllte und alles andere auf der Welt herrlich unwichtig machte. Nur sein Herz pochte weiter und weiter und weiter und er hob die Arme, um Sascha zu umarmen, sich an ihm festzuhalten und ihn bloß nie wieder loszulassen. „Du Dummkopf…,“ hauchte Sascha irgendwann ganz nah an Davids Gesicht und strich ihm eine Haarlocke aus der Stirn, „Selbstverständlich will ich dich noch… Ich wollte dich die ganze Zeit. Und ich hab dir schon verziehen, als du mein Zimmer betreten hast. Weil ich mir nämlich Sorgen um dich gemacht und dich schrecklich vermisst habe und fürchtete, du würdest nie wieder kommen und vielleicht mit irgendnem anderen Kerl abhauen, nachdem ich dich so angebrüllte habe. Und weil ich inkonsequent und idiotisch bin. Und noch dazu…total verliebt in dich…,“ Davids Herz setzte einen Schlag aus. Er konnte kaum denken, geschweige denn sprechen. „Echt…?“, reibeiste er so leise, dass es der gebannt lauschende Wind draußen bestimmt nicht gehört hatte. Aber dessen Enttäuschung interessierte grad niemanden. „Na klar!“, gluckste Sascha, drückte David an sich und strahlte ihn an, als wäre er das schönste, klügste, liebste, netteste, witzigste, schlicht beste Wesen, das je auf Erden gewandelt war, „Schon seit Ewigkeiten, du Blindfisch. Hals über Kopf und bis zu den Zehen und den Haarspitzen.“ „So…weit…?“, nuschelte David und grinste verschwommen. „Ja, so weit…,“ lächelte Mr. Inkonsequent-Und-Idiotisch-Und-Total-Verliebt und hauchte einen warmen Kuss auf seine Lippen. „Das ist ziemlich cool…,“ murmelte David dumpf und fuhr mit den Fingerspitzen durch die weichen Haare in Saschas Nacken. Ihm war schwindelig. Das war alles zu viel für ihn. Sascha war viel zu nah und zu wunderbar und zu verliebt. Und er, David, war viel zu erschöpft und zu verliebt und zu angetrunken und zu glücklich, als dass es real und gesund sein konnte. Beinahe erwartete er, dass er gleich aufwachte und feststellte, dass er alles nur geträumt hatte, es Freitagmorgen war und er die Begegnung mit Sven noch vor sich hatte. „Sascha…?“, wisperte er in die Dunkelheit und schnupperte an dem Hals seines Fast-Freundes, „Heißt das…, dass wir jetzt zusammen sind? Dass du jetzt mein Sascha bist?“ Dings schnaubte und schob ihn weit genug von sich weg, um ihn anfunkeln zu können. „Und ob es das heißt!“, verkündete Sascha mit Nachdruck und so aufgeregt, dass vor Davids innerem Auge Herzchen erschienen, „Welcher Tag ist heute? Der sechzehnte, ach nein, der siebzehnte November. Wir haben ja schon nach Mitternacht. Das müssen wir uns merken, hörst du? Damit wir jeden Monat feiern können, denn ab jetzt bist du mein fester Freund, mein David. Und wenn dich irgendein anderer Kerl anbaggert, dann darf ich ihm ganz legal und offiziell den Kopf abreißen.“ David hob die Augenbrauen und öffnete den Mund, um Sascha die Grundzüge des deutschen Rechtssystems – für das auch ein Verbrechen aus Leidenschaft ein Verbrechen war – begreiflich zu machen, aber sein fester Freund plapperte schon weiter. „Und ich muss unbedingt Kolja anrufen – der wird ausflippen! Obwohl…er wird es bestimmt schon wissen. Kolja kann nämlich meine Gedanken lesen, musst du wissen. Und du musst mir Kenjis Handynummer geben, damit ich ihm danken kann. Und am Besten auch die von Sven. Und dann musst du mir alles, alles, alles von deinen letzten Tagen erzählen. Ich will alles wissen! Jedes Wort, das du gesagt hast. Und jedes Wort der anderen, aber zuerst…,“ er verstummte, zog David die Jacke von den Schultern und brachte Davids Mund mit einem rauen Schnurren wieder ganz nah an sich heran, „…zuerst…will ich dich ausziehen…!“ Eigentlich wollte David Dings noch mitteilen, dass er Svens Handynummer nicht hatte. Außerdem hätte er gern erfahren, wer dieser gedankenlesende Kolja war. Doch Sascha ließ nicht zu, dass David eine Frage formulierte, ließ nicht einmal zu, dass er irgendeinen Mucks machte. Stattdessen vergrub er die Hände fest in seinen Locken und küsste ihn abermals auf den Mund, küsste ihn stürmisch und besitzergreifend, voller Gefühl und ohne sich mit behutsamem Tasten aufzuhalten – und Davids Synapsen schmorten durch. In einer leidenschaftlichen Umarmung sanken sie auf die Matratze. Saschas sanfte Hände, seine feuchten Lippen waren überall. Sie waren an Davids Gesicht, seinem Hals, seinem Oberkörper, zwischen seinen Beinen. David stöhnte, seine Lenden brannten. Nur am Rande bekam er mit, wie seine Schuhe und all seine Kleidungsstücke von ihm abfielen, wie die Herbstblätter der verdorrten Eiche auf dem Hof. In seinem Kopf drehte sich alles vor Lust und Wonne. Gott… Dies war irgendwie ganz anders als sonst. Diese Hitze… Fühlte es sich so an, mit Sascha zusammen zu sein? Wieso hatte ihn niemand gewarnt? Oder lag es nur an dem Alkohol? Oder an ihrer Trennung? An der Euphorie? David wusste es nicht. Doch eigentlich…war es ihm auch vollkommen egal, denn dies war genau das, was er im Moment am meisten wollte. „Sascha…,“ keuchte er heiser und mit geschlossenen Augen, während fremde Finger und die angenehm kühle Zimmerluft seine glühende Haut streichelten, „Sascha…,“ „David…,“ kam die Antwort irgendwo von unten und einen Augenblick später spürte David Saschas Lippen auf seinen. Schwer atmend, mit fiebrig klopfendem Herzen erwiderte David den Kuss und schlang seine Arme um Saschas breite Schultern, ließ seine Hände über die anmutigen Muskeln seines Freundes gleiten. Ihm war schwindelig und so unerträglich heiß, als würde Lava durch seine Adern fließen. Er legte seine Hand in Saschas Nacken und zog ihn zurück in ihren innigen Kuss, als der versuchte, sich von ihm zu lösen. Sascha gluckste. Er küsste David ungestüm zurück, ließ seine linke Hand über Davids Brust zu seinem Kinn streichen und schob sich gleichzeitig zwischen seine geöffneten Beine. Als David Saschas Erregung an seiner fühlte, ließ ihn ein prickelnder Schauer sekundenlang erbeben und nach Luft schnappen. „David…?“, flüsterte Sascha rau an seinem Ohr. „J… Ja?“, wisperte David zurück und zitterte angesichts ihrer Berührung. „Willst du… Willst du immer noch mit mir schlafen?“ David riss die Augen auf und starrte an die schwarze Decke. Sein Herz machte einen Sprung vor Schreck und Begehren. Er drehte den Kopf, um Sascha anzusehen. „W…,“ machte er, sein Atem ging schwer, „Hei… Heißt das, du…du willst…?“ Sascha schmunzelte durch die Finsternis, streichelte durch Davids Locken und schmiegte sich aufreizend an ihn, sodass der gedämpft japste. „Ich hab dir doch gesagt, dass ich schon ewig will…,“ „Ja, aber du…du hast auch gesagt, dass du dir Zeit lassen willst…,“ „Stimmt, aber…das war nicht der wirkliche Grund, wieso ich…noch nicht mit dir schlafen wollte…,“ gab Sascha leise zu und nahm Davids Hand, um sie zu küssen. David runzelte die Stirn und starrte Sascha an. „Was war der wirklich Grund…?“ Dings senkte einen Moment lang verlegen den Kopf. Als er den Kopf wieder hob, glaubte David ihn lächeln zu sehen. „Ich wollte erst mit dir schlafen, wenn du…mein Freund bist. Das hab ich mir geschworen.“ Sprachlos schluckte David, um seine trockene Kehle zu befeuchten. Sein Herz schlug hektisch und im gleichen Takt gegen das Saschas. „Echt…?“, hauchte er. „Ja…,“ murmelte Sascha, „Echt…,“ „Mhm…,“ machte David mit einem Anflug gesunden Menschenverstands, das sein Temperament aus seinem gelähmten Hirn kitzelte, „Und du meinst, jetzt, wo wir offiziell zusammen sind–,“ „–können wir loslegen,“ beendete Sascha seinen Satz und nickte, „Genau.“ Als Antwort zwickte David ihn empört in die Seite. „Au!“, stieß Sascha hervor und kicherte. „Du Schwein,“ brummte David. „Tut mir Leid…,“ entgegnete Sascha glucksend und ungemein reumütig, „Aber ja, das ist tatsächlich genau das, was in meinem Kopf vorging.“ David atmete tief ein. In seinem Magen begann es nervös und etwas ängstlich zu pochen. „Hör zu, mein Schatz…,“ sagte Sascha dann sanft und ernsthaft, „Wenn dir das jetzt zu schnell geht und du heute Nacht lieber nur kuscheln und reden willst, ist das völlig okay. In Ordnung? Ich passe mich deinem Tempo an. Wir machen nichts, was du nicht willst. Ich bin so verliebt in dich und ich…will einfach nur mit dir zusammen sein. Auch ganz ohne Körperkontakt, wenn du möchtest.“ Sascha lächelte so voller Liebe auf ihn hinab, dass Davids Inneres ganz schaumig wurde. Er atmete schwach, betrachtete seinen Sascha und hob die Hände, um dessen warmes und so vertrautes Gesicht zu betasten. „Aber ich will Körperkontakt mir dir…,“ erwiderte er leise, „Und ich…ich will mit dir schlafen. Nur mit dir und mit niemandem sonst. Und zwar…heute Nacht.“ Eine Sekunde schien Sascha zu versteinern. „Bist du… Bist du sicher?“, zischte er dann durch die Dunkelheit und David konnte die hoffnungsvolle Erregung in seiner Stimme hören. Amüsiert nickte David und fuhr durch Saschas seidige Haare. „Ja, ich bin mir sicher…,“ Und David war sich ganz sicher, dass er sich sicher war. Denn er war verliebt in Sascha. Er vertraute ihm, fühlte sich geborgen bei ihm. Und er wollte ihn bis zur Ekstase. Und sein Sascha…war verliebt in ihn. Er wollte ihn schon lange und hatte massenhaft Erfahrung und trotzdem… drängte er ihn zu nichts. Er überließ ihm die Entscheidung. Weil er in ihn verliebt war. Und aus irgendeinem Grund war dies für David das stärkste Aphrodisiakum von allen. Mit vor Sehnsucht, Verlangen und Aufregung flatterndem Herzen schob David seine Arme um Saschas Hals und zog ihn zu sich hinunter, um erneut diesen wundervollen Mund zu küssen, der jetzt ihm allein gehörte. Sein Magen schlug etliche Saltos hintereinander. „Schlaf mit mir, Sascha…,“ raunte David heiser gegen Saschas Lippen und verzehrende Flammen züngelten an seinen Eingeweiden entlang, „Bitte…,“ Dings versuchte zu antworten, doch seiner Kehle entkam lediglich ein erstickter Krächzlaut, in dem eine solche Gier mitschwang, dass David vorübergehend grau vor Augen wurde. Sein Herz drohte seinen Brustkorb zu sprengen und sein Unterleib zuckte. Und dass Sascha ihn einen Wimpernschlag später abermals heftig zu küssen begann, machte es nicht besser. Im Gegenteil. Sascha war langsam und vorsichtig, ganz vorsichtig. Behutsam und geduldig nahm er David den letzten Rest Angst und Sorge, erfüllte ihn von Kopf bis Fuß mit brennender Lust. Er küsste, streichelte und erregte David, bis der kaum mehr wusste, wo oben und unten war. Alles in ihm verzehrte sich nach Saschas nackter Haut, seinen warmen Händen, seinen weichen Lippen, seiner unmittelbaren, vollkommenen Nähe. Alles in ihm wartete auf die Erlösung. Und dann…war es soweit und David vergaß die Existenz des übrigen Sonnensystems. Noch nie zuvor hatte er so etwas Starkes und Ursprüngliches empfunden. Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, bestand nur noch aus dem berauschenden Gefühl, ganz und gar eins mit Sascha zu sein, ihn zu spüren, in ihm aufzugehen. Das Zimmer war erfüllt von ihren flüsternden Stimmen, ihrem Seufzen und Keuchen. Sie schwitzten, sodass die beiden Fenster beschlugen. Gemeinsam bewegten sie sich auf und ab, im Einklang, wie die Wellen des Meeres. Das filmreife Quietschen des Bettes brachte sie kurzzeitig zum Lachen, bevor die nächste Woge Davids Gelächter davon spülte und durch ein unkontrolliertes Stöhnen ersetzte. Seine Wahrnehmung war wie betrunken, alle seine Sinne konzentrierten sich auf Sascha. Wie im Rausch küsste er ihn und betastete jeden Zentimeter seines heißen Körpers. Er hielt sich an ihm fest und saugte wie ein Verdurstender jeden Aspekt von Saschas Nähe hungrig in sich ein. Die Welt um David herum schwankte. Und David schwankte mit ihr. Immer schneller, immer wilder. Bis er nichts mehr sehen, hören, schmecken, riechen und fühlen konnte und alle seine Sinne in einem gewaltigen Sternenschauer explodierten. Es riss ihn mit sich. Ihn und seinen Sascha. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)