Mosaik von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 16: Verrückt -------------------- Hallo Leute :-)! Ich melde mich mit einem neuen Kapitel zurück und ich hoffe, es gefällt Euch. Auf das nächste werdet Ihr dann vermutlich nicht so lange warten müssen, da ich es schon fast fertig habe. Eigentlich wollte ich das Wochenende ja für die Uni nutzen, aber...meine Prioritäten liegen halt woanders^^. Vielen Dank für alle lieben Kommentare :-). Ich freue mich sehr, dass Euch die Story so gefällt! Kapitelwidmung: Für arod, die mir als Einzige einen Titelvorschlag gesendet hat! Vielen Dank dafür :-)! Und jetzt viel Spaß beim Lesen! Liebe Grüße, BlueMoon _______________________________________________________________________ Am späten Montagnachmittag, als David zu Beginn seiner Nachtschicht die Futterküche betrat, hatte er auf seiner nagelneuen Handykarte noch genau zwei Cent. Seit ihn Dings kurz nach zehn Uhr mit einer Aufweck-Sms aus seinen absonderlichen Träumen gerissen hatte, hatte er mit Mr. Sms-Am-Morgen-Vertreibt-Kummer-Und-Sorgen, der sein Handy während der Arbeitszeit verbotenerweise mit in den Tierbetrieb geschmuggelt hatte, verrückte Sms hin und her geschrieben. Sascha hatte David angeschmachtet, David hatte Sascha beleidigt. Sie hatten giftige Bemerkungen über das Wetter ausgetauscht und Pläne fürs Abendessen geschmiedet. Nun war David zwar arm, dafür aber glänzend gelaunt. Den ganzen Tag über hatte seine Sehnsucht nach Dings’ Gesellschaft vor sich hin gebrodelt und inzwischen fühlte sie sich an wie ein melonengroßer Tumor in der Magengegend. Doch als David nun mit klopfendem Herzen die Tür zur Futterküche aufstieß, standen dort nur Ben und Jessika. Der dicke Zivi trocknete sich gerade an einem Stück Küchenpapier die Wurstfinger ab. Die Auszubildende lehnte an einer Anrichte und hatte die Arme verschränkt. Sie sah im höchsten Maße angepisst aus. Sascha war nicht zu sehen. „...auf jeden Fall was...,“ sagte Ben gerade und blickte auf, als David eintrat, „Hey, David...!“, begrüßte er ihn schmunzelnd. „Hallo...,“ antwortete David, zwang sich zurück zu lächeln und angesichts Dings’ Abwesenheit nicht zu enttäuscht auszusehen, „Haben wir neue Tiere?“ „Jessika und ich glauben, dass zwischen Linda und Sascha was läuft!“, erklärte Ben eifrig, ohne Davids Frage zu beachten. David sah ihn mit gerunzelter Stirn an. Langsam ging ihm dieser dämliche Tratsch entschieden auf die Nerven. Die Vorstellung, dass Sascha und Linda... Nein, das konnte nicht sein. Unmöglich! „Red keinen Unsinn...,“ erwiderte David kühl und schrieb das morgige Datum auf das nächste Tagesprotokoll. „Garantiert! Die sind so nett zueinander...,“ „Bist du blöd?!“, giftete David entnervt, „Linda ist zu jedem nett. Sogar zu dir!“ Jessika lachte bösartig auf. „Oh, ja... Linda ist zu jedem nett. Besonders zu den Männern. Würde mich nicht wundern, wenn sie auch was mit Freddy am Laufen hat!“ Davids Augen weiteten sich. Fassungslos blickte er zwischen ihr und Ben hin und her. „Seid ihr beide völlig verrückt geworden?!“, stieß er dann hervor und lachte fast, „Linda hat doch nix mit Freddy!“ „Aber letztens hatte sie seine Hose an!“, beharrte Ben laut. „Ja, weil ihre vom Regen klatschnass geworden ist!“, fauchte David. Er griff sich an die Stirn. Wie blöde konnten zwei Menschen eigentlich sein? Freddy und Linda. Das war doch mehr als nur verrückt! „Gib dir keine Mühe, Ben...,“ frotzelte Jessika kalt und schaute David verächtlich an, „David will doch selber was von Linda...,“ „Ach ja?“, fragte der dicke Zivi interessiert. David sah Jessika ins Gesicht. Das schwarze, von pinken Strähnen durchzogene Haar, fiel ihr auf die Schultern. Überheblich knabberte sie an ihrem Unterlippenpiercing. Langsam tippte er sich gegen die Stirn. „Jessika...,“ sagte er tonlos, „Meine neunjährige Schwester hat von so was mehr Ahnung als du...,“ Von der Tierannahme drangen Gelächter und Worte in die Futterküche hinein. „...echt gefährlich!“, sagte Saschas Stimme lachend und Davids Magen machte unweigerlich einen Salto. „Total! So ein verrücktes Monster!“, ertönte Lindas heiteres Kichern. Die Tür schwang auf und die beiden betraten ausgelassen giggelnd die Futterküche. Bei Dings’ Anblick schienen Davids Beine einige Zentimeter in den Betonboden einzusacken. Sein Herz begann zu flattern und ein heißer Schauer regnete ihm über den Rücken. Gott, das war doch verrückt... Mr. Punkt-Punkt-Punkt-Echt-Gefährlich trug einen dunkelgrünen Rollkragenpullover und seine braunen Augen funkelten. Auch der schwarze Eimer, mit den paar zerdrückten, toten Küken, den er soeben auf dem Boden abstellte, konnte seinen Glanz nicht trüben. „Hey, David!“, begrüßte Linda ihn fröhlich und Dings’ Kopf, der sich noch halb auf dem Gang befunden hatte, zuckte hoch. „Hey...!“, strahlte er bei Davids Anblick und seine Stimme vibrierte vor Freude und Zärtlichkeit. Alles in David seufzte auf und er griff fahrig nach der Arbeitsplatte, um sich festzuhalten. „Hallo...,“ entgegnete David und konnte seinen Blick nur mit Mühe von Sascha wenden, um Linda kurz zu zulächeln. Er hörte, wie Jessika hinter ihm schnaubte. „Schau dir an, was Corvus mit Sascha gemacht hat!“, sagte Linda, bevor Jessika die Chance bekam, irgendetwas Bescheuertes von sich zu geben. Die kleine Praktikantin griff nach Saschas rechter Hand und hielt sie David unter die Nase. Auf seiner Handinnenfläche schimmerte eine kleine, blutige Wunde. Etwa so groß wie der Kopf einer Stecknadel. „Aua...,“ machte David erschrocken und nahm Dings’ Hand in seine Eigene. Seine Haut fühlte sich unter seinen Fingern unheimlich warm und weich an. „Wie ist das passiert?“, fragte er und achtete nicht auf den Nebel, der plötzlich vor seinem inneren Auge aufgezogen war. „Wir haben Großfütterung gemacht und – nett wie ich bin – habe ich ihm auch ein Küken angeboten und er hat es auch gern genommen,“ erzählte Mr. Ringkampf-Mit-Einer-Gemeingefährlichen-Rabenkrähe, seufzte und trat zu Ben ans Waschbecken, um sich behutsam die Hände zu waschen, „Allerdings wollte er mich vorher noch etwas hacken...,“ „Du musst die Wunde desinfizieren!“, sagte Linda streng, während sie sich aus dem Tagesprotokoll austrug, „Sonst entzündet sie sich noch.“ „Ich kümmer mich drum!“, bot David an, bevor er sich selbst auf die Zunge beißen konnte. Sein Herz klopfte noch einen Takt schneller und aus den Augenwinkeln konnte er sehen, wie Sascha zufrieden grinste. „Sehr gut, danke,“ antwortete Linda und lächelte ihn an, „Miri und ich wollen nämlich heute Abend zusammen kochen. Sie wartet schon oben auf mich,“ sie wandte sich zum Gehen und winkte den Vieren zu, „Macht’s gut, bis morgen!“ „Tschüss...!“, erwiderten sie mehr oder weniger enthusiastisch im Chor. „So ne Heuchlerin...,“ zischte Jessika, kaum hatte sich die Tür hinter der kleinen Praktikantin geschlossen. David und Sascha hoben gleichzeitig den Blick und sahen sie an. „Wie bitte?“, machte Mr. Jemand-Muss-Mich-Verarzten leicht warnend, „Was soll das heißen?“ „Nichts...,“ log Jessika und betrachtete mit hochgezogenen Augenbrauen ihre glitzernden Fingernägel. David biss sich auf die Unterlippe. Einen Moment hatte er große Lust, die Auszubildende in die Scheiße zu reiten und Dings zu erklären, was genau das heißen sollte. Doch dann überlegte er es sich anders. Er mochte es nicht, andere zu verpetzen – selbst wenn es sich dabei um Jessika handelte – und außerdem...war er nicht sonderlich scharf auf die Antwort. Bei Dings’ verrückter Vorliebe, andere Leute mit seiner Ehrlichkeit zu schocken, war es nicht gänzlich unwahrscheinlich, dass er Jessikas und Bens Vermutung über seine Beziehung zu Linda mit einem lässigen Grinsen bestätigte. Und ob das nun wahr sein mochte oder nicht – David wollte es nicht hören. „Aha...,“ murmelte Sascha gerade und musterte Jessika misstrauisch, während er sich die Hände abtrocknete. Dann warf er das Papier in den Müll und wandte sich an David. „Klebst du mir ein Pflaster drauf?“ Der unerwartete Themenwechsel ließ den Angesprochenen zusammen zucken. „Wie...? Oh ja, sicher. Komm mit...,“ antwortete er zerstreut und ging Dings voran aus der Futterküche zu dem Verbandsschränkchen, das gleich links neben der Tür an der Wand hing. „So ne dumme Kuh...,“ wisperte Mr. Klebst-Du-Mir-Ein-Pflaster-Drauf? angewidert, während David im Schrank nach dem Desinfektionsspray kramte, „Ich wette, sie denkt, dass Linda und ich was miteinander haben...,“ David biss die Zähne zusammen und sein Magen drehte sich um. „Hand her!“, kommandierte er und schraubte den Deckel des Sprays ab. Dings tat wie ihm geheißen und lächelte sanft. „Dabei sollte eigentlich jeder merken, dass mein Herz jemand Anderem gehört...,“ flüsterte er. David schluckte und spürte, wie kochende Hitze in ihm aufstieg. Sein Pulsschlag verdreifachte sich noch. Er starrte auf Saschas lange Finger und wartete. Aber es kam nix mehr. Vorsichtig hob er den Blick. Das Spray in seiner Hand zitterte etwas. „Was ist?“, wollte Mr. Ja-Wem-Gehört-Mein-Herz-Wohl? wissen und schmunzelte unmerklich. „Ich warte auf den Nachsatz...,“ murmelte David argwöhnisch. Sascha grinste. „Ich hätte da einen, aber ich dachte, den willst du eh nicht hören...,“ „Stimmt auch!“, log David nachdrücklich und griff nach Dings’ Hand, um Desinfektionsmittel auf seine Wunde zu sprühen, „Das brennt jetzt vielleicht etwas...,“ „Macht ni...Au...!“, zischte Mr. Ein-Indiander-Kennt-Keinen-Schmerz und verzog leicht das Gesicht. David grinste schief, tupfte den Umkreis der Wunde behutsam mit einem Taschentuch trocken und klebte anschließend ein Pflaster darüber. Bei jeder Berührung mit Saschas Haut hüpfte sein Magen ein bisschen. „Sooo...,“ machte er und ließ seine Hand eilig los, um das Spray und die Pflasterpackung zurück in den Arzneischrank zu räumen. „Danke...,“ wisperte Dings und lächelte ihn an, „Aber jetzt musst du sie noch küssen. Damit sie gut heilt...,“ David erstarrte von Kopf bis Fuß und sein Herz vergaß einen Moment, seine Arbeit zu tun. Beinahe hätte er die Pflaster fallen gelassen. Dann schaltete sich zum Glück sein Kopf wieder ein. „Vergiss es!“, schnarrte er und funkelte Sascha böse an, „Küss dich doch selbst!“ „Aber dann wirkt es nicht...!“, entgegnete der empört und hielt David seine Hand hin, „Bitte, bitte... Nur ein klitzekleines bisschen...,“ Davids Atem ging flach und sein ganzer Körper kribbelte. Saschas Augen schienen ihn festzunageln. In seinen Ohren rauschte das Blut. Er wartete darauf, dass das passierte, was für David Spandau angebracht wäre, nämlich auszurasten. Er wollte, Mr. Küss-Die-Hand den Vogel zeigen und ihn stehen lassen. Ihn vielleicht noch etwas anbrüllen. Aber David konnte nicht. Zum ersten Mal in seinem Leben passierte nichts. Die Wut kam einfach nicht. Verrückt. Jessikas und Bens Stimmen drangen gedämpft aus der Futterküche. Wehrlos und wutlos stand David in der vorderen Scheune und starrte entgeistert sein Gegenüber an, das ihn gespannt betrachtete, als wartete es ebenfalls auf den alltäglichen Tobsuchtsanfall. Als er nicht kam, runzelte Dings verblüfft die Stirn. David schluckte, als ihm klar wurde, dass sein Temperament ihn gerade im Stich ließ und er keine Wahl hatte. Es gab irgendwie nur eine Sache, die er tun konnte. Eine verrückte Sache zwar, aber auch die einzige. Also tat er sie. Er atmete tief ein, nahm Saschas Hand in seine Hände und hauchte einen Kuss auf das Pflaster. So zärtlich und sanft wie er nie zuvor etwas oder jemanden geküsst hatte. Er hörte, wie Sascha überrascht aufkeuchte und spürte, wie dessen Hand in seinen Eigenen erzitterte. David bebte ebenfalls. Seine Beine fühlten sich an wie Pudding und sein Herz hämmerte wie von Sinnen gegen seinen Brustkorb. Ihm war von der Berührung furchtbar heiß geworden. Viel zu heiß. Er wollte Saschas Hand loslassen, aber es ging nicht. Er konnte seine Finger nicht bewegen. Mit übernatürlicher Anstrengung schaffte er es, den Blick zu heben, ohne vorher in Ohnmacht zu fallen. Er sah Mr. Damit-Habe-Ich-Nun-Offensichtlich-Nicht-Gerechnet an und zwang seinen Mund zu einem matten Schmunzeln. Seine Lippen kribbelten. In seiner Nase hing noch immer der Geruch der fremden Haut: Desinfektionsmittel, Pflaster, Wind, Salz, bittersüße Verheißung... Grundgütiger, so was Verrücktes. „Besser?“, krächzte David und erschrak über seine eigene Stimme. „Viel...,“ antwortete Dings mindestens genauso heiser. Sascha war blass geworden und seine dunklen Augen schimmerten leicht glasig. Er schluckte. „Scheiße...,“ hauchte er dann und starrte David unverwandt an, als könne er es nicht glauben, „Hä...Hättest du was dagegen, wenn ich dich jetzt sofort küsse, David?“ Eine weitere Ladung Hitze schoss David in den Kopf, sodass sein Körper es sich mit der Ohnmacht noch mal überlegte. Er schluckte erneut und räusperte sich, um seine Stimme unter Kontrolle zu kriegen. Sein Gesicht brannte wie Feuer. „Ja, hätte ich...!“, presste er hervor. „Wieso?“, hauchte Dings verzweifelt und in seinen Augen lag ein solches Flehen, dass David hastig seine Hand losließ und einen Schritt zurück trat. Dieser Kerl war doch absolut verrückt – und nach dem, was sein Herz hier in seiner Brust veranstaltete, war er es ebenfalls. „Weil es zu gefährlich ist!“, zischte David ärgerlich und blickte Mr. Bitte-Bitte-Bitte-Küss-Mich streng an, „Wenn Ben und Jessika jetzt da raus kommen!“ „Ist doch völlig schnuppe!“, jammerte Dings. „Ist es nicht!“ „Ist es wohl!“ „Nein, Mann!“ Just in diesem Moment öffnete sich besagte Tür zur Futterküche und besagte Mitarbeiter traten hinaus in die vordere Scheune. David fuhr heftig zusammen und griff fieberhaft nach dem kleinen Buch, das im offenen Verbandsschrank lag, um das Pflaster einzutragen, dass er für Sascha heraus genommen hatte. Seine Finger krampften sich energisch um den Bleistiftstummel. Hinter sich hörte er Sascha tief ein und aus atmen. „David, ich will jetzt nach Hause fahren,“ hörte er Bens Stimme sagen und zwang sich, aufzuschauen, „Lass uns schnell die Übergabe machen.“ „Kl... Klar...,“ antwortete David kopflos und schlug die Schranktür zu. Er warf dem bleichen Sascha einen letzten, durchdringenden Blick zu und eilte dann an ihm vorbei in die Futterküche. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)