Mosaik von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 10: Überhaupt --------------------- Hallo Freunde^^! Als ich sagte, dass es wohl einige Tage dauern würde, bis das neue Kapitel kommt, hatte ich nicht gedacht, dass ich über eine Woche brauchen würde... Sorry dafür. Aber das wird jetzt wohl häufiger passieren, da ich im Moment im Umzugsstress stecke und nicht so oft zum Schreiben komme. Dieses Kapitel ist eine Art Filler, weil David ja zu Hause ist. Ich hoffe, das stört Euch nicht und Ihr habt trotzdem Spaß :-)! Meinen liebsten Dank an alle Kommi-Schreiber! Viele Grüße, BlueMoon ___________________________________________________________________ Die Reise im Zug von Rötgesbüttel nach Braunschweig dauerte ungefähr dreißig Minuten. Verzweifelt versuchte David sich während der Fahrt mit seinem Buch abzulenken (immerhin Die Säulen der Erde, was ihn normalerweise wunderbar beschäftigen konnte), aber vergebens. Seine Gedanken landeten immer wieder bei Sascha – und noch nicht einmal ein Schaffner schaute vorbei, um ihn davor zu retten. Tief in Gedanken versunken, mit gerunzelter Stirn kaute David auf seinem Daumen herum und blickte aus dem Fenster, das mit winzigen Regentropfen gespickt war. Der Zug quietschte und rumpelte beim Bremsen. Es war doch kaum zu glauben. Da hatte er die stressigste Arbeitswoche seines gesamten Zivildienstes mit Müh und Not überstanden, war endlich außer Gefahr vor Dings’ Übergriffen und jetzt...musste er ständig an ihn denken. Wieso war das so? Brachten ihn seine aufdringlichen Annäherungsversuche nicht jedes Mal auf die Palme? Beschimpfte er ihn nicht die ganze Zeit, bei allem, was er sagte oder tat? Schwankte er nicht immerzu zwischen Stress, Empörung und nervlicher Zerrüttung, wann immer er irgendwo auftauchte oder zur Sprache kam? Ja, aber warum fühlte er sich dann jetzt so sonderbar? Wieso machte es ihn wütend, wenn sich die blöde Jessika an ihn heranschmiss? Wieso klopfte sein Herz so und wieso schien sein Magen jedes Mal Fahrstuhl zu fahren, wenn er an ihn dachte? Weshalb brannten seine Lippen noch immer? Die Oma und der Punk standen bereits wartend vor der noch geschlossenen Zugtür – möglichst weit von einander entfernt. Davids Augen hüpften ziellos zwischen mehreren blauen Schildern herum, die in Abständen draußen auf dem vorbeiziehenden Bahnsteig hingen. Auf ihnen allen stand der Name der Stadt, an deren Bahnhof der Zug im Begriff war zu halten: Braunschweig Hauptbahnhof. David las das Wort automatisch, verstand es jedoch nicht. Es war zum Verrücktwerden... Doch David war nie jemand gewesen, der sich so lang es ging selbst belog. Er musste es sich selbst eingestehen. Wie sehr Mr. Oma-Schreck ihn auch aufregte, irgendwie...hatte er etwas. Etwas, das ihn anzog, etwas, das ihm gefiel. Die Reaktionen seines Körpers bewiesen das. Hand aufs Herz, er hatte bei Dings’ Verführungsversuch am Montagabend einen Ständer bekommen und bei seinen Küssen wurden ihm die Knie weich. Das passte ihm vielleicht nicht, aber es war leider Gottes die Wahrheit. Sascha machte ihn an. Und das...war schlecht. Scheiße... Wieso musste das passieren? Wieso musste das sein? Warum, zum Teufel, schaffte er es nicht, sich zusammenzureißen? Wieso lernte er nicht dazu? Er wusste doch ganz genau, wie das wieder enden würde. Und dieses ewige Auf und Ab und Hin und Her, das er ständig mit Sascha erlebte, tat ihm überhaupt nicht gut. Allerdings... War es nicht auch genau diese Sache, die ihm gefiel? Dass er Dings irgendwie nicht einschätzen konnte? Dass er jeden Tag etwas Neues an ihm entdeckte, eine neue Eigenschaft, ein neues Rätsel? Er war wie ein Puzzle, das aus ganz vielen verschiedenen Teilen zusammen gesetzt werden musste, damit man die ganze Einheit vor sich sah. Ein stressiges, großspuriges, dreistes, merkwürdiges, unmögliches Puzzle vielleicht, aber auch irgendwie interessant, teilweise liebenswürdig und...schön. Das musste man ihm lassen. Gut aussehen, das tat er wirklich. Eine Katastrophe war das! Die Zugwaggons protestierten kreischend und kamen zum Stehen. Sobald die Tür sich mit einem Zischen geöffnet hatte, begann die Oma mit ihrer Handtasche den Abstieg, was wegen ihres Alters allerdings etwas dauerte. Der Punk wartete geduldig und wippte im Takt der Musik, die aus seinen Kopfhörern summte, sodass seine blau-grünen Haare fröhlich hin und her hüpften. Und trotzdem... Gutes Aussehen war absolut keine Ausrede für das Verhalten eines Riesentrottels. Anstatt, dass er David unerlaubt abknutschte, könnte er ihn einfach mal fragen, ob er ihn küssen durfte. Nicht, dass er dann unbedingt ja gesagt hätte, aber es wäre ein Anfang. Und anstatt, dass er ihn absichtlich und ununterbrochen provozierte, könnte er einfach mal...nett sein. Dauerhaft. Und nicht immer so...pervers und unverschämt und...überhaupt... „Meine Damen und Herren auf Gleis drei. Willkommen in Braunschweig. Ihre weiteren Reisemöglichkeiten...,“ schallte eine mechanische Frauenstimme über den Bahnsteig und erreichte Davids Ohren. Braunschweig. David blinzelte. Braunschweig. Irgendetwas klingelte dabei schrill in seinem Kopf. Er ließ sich das Wort noch einmal über die Zunge gehen: Braunschweig. Dann rastete etwas ein und innerhalb einer Sekunde war er auf den Beinen. „Oh, Scheiße, Scheiße, Scheiße...!“, fluchte er laut und kletterte auf seinen Sitz, um den Rucksack und das Cello aus dem Gepäckhalter zu zerren. Allerdings stellte sich das für einen allein als schweres Unterfangen heraus. „Verfluchte Kacke!“, schimpfte er und hebelte verzweifelt an dem Cellokoffer, nachdem er den Rucksack achtlos zu Boden geworfen hatte, „Komm schon, du Mistding!“ Er musste sich beeilen, er musste schnell aus dem Zug kommen, bevor er weiter fuhr. Marisa würde überhaupt nicht erbaut über eine Sms sein, in der es hieß, dass er leider den Bahnhof verpasst hatte, weil er mit seinen Gedanken bei dem größten Idioten der Weltgeschichte gewesen war. Das war alles Saschas Schuld! Dieser Penner! „Kann ich helfen?“ Die Stimme ließ David zusammen fahren. Er wirbelte herum. Hinter ihm stand der Punk. Er hatte allein im Gesicht sieben Piercings: Zwei an der linken Augenbraue, eins an der Unterlippe rechts und vier an den Ohren. Um den Hals trug er mehrere Nietenhalsbänder und seine Klamotten waren bunt und abgerissen. Aber er grinste, hilfsbereit und freundlich. „Äh, ja... Das...wäre sehr nett...,“ „Kein Problem!“ Er kletterte auf den anderen Sitz, Davids gegenüber, und gemeinsam hievten sie den Cellokoffer von der Gepäckablage und stellten ihn vorsichtig auf den Boden. „Uff...,“ machte David, „Vielen Dank.“ „Gern geschehen und jetzt schnell raus hier, bevor der Zug anfährt.“ „Okay...,“ Der namenlose Punk packte den Koffer und David schnappte sich seinen Rucksack. Gemeinsam eilten sie zur Tür, die die alte Oma inzwischen zum Glück frei gemacht hatte. An der Tür angekommen, stellte David fest, dass er sich keine Sorgen hätte machen müssen, was das Abfahren des Zuges anging. Denn jemand stand draußen auf dem Bahnsteig und hielt die Tür für sie offen. Der Jemand war groß und kräftig, trug rote Chucks und kam David überhaupt sehr bekannt vor. „Na endlich, du Bastard!“, sagte er mit grimmiger Miene, „Das hat ja mal wieder ewig gedauert!“ „Hallo Julian,“ erwiderte David lächelnd. „Kannst du mal mit anfassen?“, fragte der Punk und reichte Davids großem Bruder den Koffer aus dem Zug. Sobald sein Cello sicher auf dem Bahnhof von Braunschweig stand, sprang David die kurze Treppe hinunter und landete auf dem nassen Stein des Bahnsteiges. Julian schlug die Tür zu, der Zug zischte ärgerlich und setzte sich allmählich in Bewegung. „Vielen Dank für deine Hilfe!“, bedankte David sich grinsend beim Punk. „Gar kein Problem. Dann macht’s mal gut.“ „Du auch,“ antwortete David. „Tschüss,“ sagte Julian. Der Punk winkte und ging. David sah seinen Bruder an. „Was machst du eigentlich hier?“ „Ich bin gekommen, um dich abzuholen, du undankbarer Arsch.“ „Wie lieb von dir!“ „Ja, ja. Nimm deine Geige und komm jetzt.“ „Das ist keine Geige, sondern ein Cello. Das predige ich dir schon seit Jahren.“ „Was soll denn da der Unterschied sein?“ „Du bist so ein Idiot!" „Wieso hast du das dumme Ding überhaupt mitgenommen?“ „Für Marisa. Damit ich ihr heute Abend etwas vorspielen kann.“ „Oh nee, bitte nicht. Ich kann das Gedudel nicht ertragen.“ „Musst ja nicht hinhören!“ „Werde ich auch nicht, wenn’s sich vermeiden lässt.“ Ja, es war wunderbar einen zweiundzwanzig-jährigen Bruder zu haben, der in Rostock Biologie studierte und offiziell nicht richtig im Kopf war. Über fünf Stunden später warf David sich bäuchlings auf sein Bett. Es war dunkel in seinem Zimmer, bis auf das Licht einer der Lampen, die draußen auf der Straße standen und still in die wachsende Nacht hinein schienen. Ihr Licht brachte die Regentropfen, die immer noch leise gegen die Fensterscheibe pochten, zum Leuchten. Das Gewitter, das kurzzeitig über Braunschweig getobt hatte, war inzwischen weitergezogen. David gähnte. Sein Cello stand an seinem angestammten Platz neben der Zimmertür. Damit hatte er Marisa gerade noch ihr Lieblingslied zum Einschlafen vorgespielt. Er musste lächeln. Er hatte sie vermisst und sie hatte ihn auch vermisst. Das hatte ihm schon die Art gezeigt, wie sie ihn begrüßt hatte, nachdem er und Julian die Haustür durchschritten hatten. Seinen Namen laut kreischend war sie durch das halbe Haus gerannt und hatte sich ihm jubelnd in die Arme geworfen. Die Kleine... David gähnte ein weiteres Mal. Müde zog er sich Jeans und Pullover aus und ließ beides achtlos neben seinem Bett zu Boden fallen. Anschließend rollte er sich unter der Decke zusammen und schloss die Augen. Er seufzte zufrieden. Ein schöner Abend war das gewesen... Er hatte fast vergessen, wie gut seine Mutter kochen konnte und wie sein Vater lachte, wenn er das vierte Glas Wein geleert hatte. David schmunzelte in sein Kissen. Marisa hatte beim gemeinsamen Monopoly spielen die ganze Zeit auf seinem Schoß sitzen wollen und Felix, sein kleiner Bruder, und Julian hatten sich ununterbrochen über Felix’ neue Turnschuhe gestritten. Familie halt... Sie hatten ihm alle gefehlt... Seine Gedanken zerfaserten sich allmählich, sein Atem wurde tief und langsam. Dann piepte sein Handy. David fuhr vor Schreck so heftig zusammen, dass er beinahe aus seinem Bett plumpste. Er riss die Augen auf und setzte sich mit einem Ruck aufrecht hin. „Alter...,“ knurrte er wütend und spähte durch die Dunkelheit nach seinem Rucksack, in dessen Vordertasche noch immer sein Handy wartete. Wer schrieb ihm denn um diese Zeit noch Sms? Wer auch immer es war, er konnte ihn mal. Er wollte jetzt schlafen! Also legte er sich zurück in seine Kissen und schloss entschieden seine Augen. Natürlich vergeblich. Er war zu neugierig. So was bescheuertes. Schließlich war es vermutlich sowieso nur ein neues Blödangebot von T-Mobile oder sonst irgendein Kram, den es sich nicht lohnte zu lesen, geschweige denn dafür aufzustehen. Dennoch zwang David sich aus seinem Bett, schlurfte zu seinem Rucksack, den er vor ein paar Stunden noch neben seinen Kleiderschrank gepfeffert hatte und ging in die Hocke, während er in der schmalen Vordertasche wühlte. Die Sms war von einer unbekannten Nummer und David verdrehte die Augen. Also wirklich T-Mobile. Aber irgendwie...passte der Text nicht ganz zu der Verkaufsmasche eines Kommunikationsgiganten: Hey schatz! Es gewittert bei uns und ich hasse es. Wünschte du wärst hier, dann wäre es nicht so schrecklich. Vermisse dich wirklich furchtbar. Sascha David starrte auf die kleinen Buchstaben auf dem leuchtenden Display. Sascha. Diese Sms war von Sascha. Innerhalb von einer Sekunde verschwanden die Müdigkeit aus Davids Gliedern und die familiären Erinnerungen aus seinem Kopf, sein Herz fiel spontan in einen verkrüppelten Galopp. Gewittert. Schrecklich. Vermisse. Sascha. In einem Moment begriff er, dass er tatsächlich vier Stunden lang nicht an ihn gedacht hatte. Im nächsten Augenblick verfinsterte sich seine Miene, als er es wieder tat. Schatz. Vermisse. Sascha. So ein Mistkerl! Und woher hatte er bitte seine Handynummer? Das Licht des Displays erlosch. David fluchte, erhob sich und folgte dem Licht der Straßenlaterne zu seinem Bett. Er setzte sich im Schneidersitz auf die Matratze, knipste die kleine Lampe auf seinem Nachttisch an und las die Sms ein weiteres Mal. Konnte dieser Blödmann ihn nicht mal am Wochenende in Ruhe lassen? Er hatte frei und wollte diese Zeit nutzen, um sich von ihm zu erholen. Und jetzt besaß er die Dreistigkeit, ihn auch noch hier, im unverseuchten Braunschweig zu belästigen. Arschloch! Es gewittert bei uns und ich hasse es. Das hörte sich an, als ob er wirklich Angst hatte... Wünschte du wärst hier, dann wäre es nicht so schrecklich. Wieso ging er denn nicht zu Ben oder zu Miriam nach oben? Vermisse dich wirklich furchtbar. ... Zornig auf sich selbst schüttelte David heftig seinen Kopf, sodass ihm seine Locken um die Ohren peitschten. Wieso machte er sich überhaupt Gedanken darüber? Es war spät und er wollte schlafen und überhaupt. Er begann eine minder freundliche Antwort zu tippen. Nach zwei Sätzen hielt er inne. Scheiße! Er löschte die Nachricht wieder und begann von Neuem: Hey! Du musst keine angst haben, gewitter sind doch harmlos. Es geht bestimmt bald vorbei. Wieso gehst du nicht zu ben und lässt dich von ihm unterhalten? David David starrte auf die Zeilen, die er eben geschrieben hatte. Kein Fluch, keine Beleidigung, kein Spott. Eine nette Sms. Wie für einen guten Freund. Was sollte das? Wieso wollte er ihm so etwas sagen? Wieso war er so nett? „Scheiße...,“ zischte er in die Finsternis seines Zimmers, die ihn beharrlich anschwieg. Er drehte tatsächlich langsam durch. Denn das, was da in ihm pochte, war ganz eindeutig ein schlechtes Gewissen. Ein schlechtes Gewissen? Weshalb denn, verflucht? Weil er nicht da war. Es gewitterte und Dings hatte Angst und er war nicht da. Er war nicht da, um WAS zu tun? Ihn abzulenken, ihn zu beschützen oder gar zu trösten? Bitte! Das war nun wirklich nicht sein Job. Wie konnte man überhaupt vor einem Gewitter Angst haben, das war doch lächerlich. Aber irgendwie... Diese Sms und sein Verhalten am Mittwoch, als sie im Seminarraum saßen und es donnerte... David raufte sich die Haare. Er starrte auf die Sms, die er eben gerade verfasst hatte. Seine Finger zitterten etwas. Er schluckte und schickte sie ab. Einen Augenblick später bereute er es. Jetzt würde sich dieser Idiot wieder irgendetwas Beknacktes einbilden und ihn nicht in Ruhe lassen! Verdammt! Grundgütiger, wieso tat er das?! Unwillkürlich musste er sich vorstellen, wie Sascha die Sms las und dabei lächelte. Was würde er dann tun? Würde er wirklich zu Ben gehen, um Gesellschaft zu haben? Oder würde er David eine Sms zurück schicken, in der es hieß, dass niemand – am allerwenigsten Ben – ihn ersetzen könnte? David fluchte und schüttelte erneut den Kopf. Das war doch Schwachsinn! Schwachsinn! Dass er sich überhaupt so was ausdachte. Das fing schon damit an, dass Mr. Angst-Vor-Gewitter nicht lächelte, sondern grinste, geil und ekelhaft und überhaupt. Entschlossen klatschte David das Handy auf seinen Nachttisch und beschloss, es ab jetzt beharrlich zu ignorieren. Auch dann, beziehungsweise besonders dann, wenn Sascha antworten würde. Er schaltete das Licht aus und grub sich wieder in sein Bett hinein. Er würde jetzt schlafen und keinen Gedanken mehr an Dings verschwenden. Jawohl. Doch wie es so oft mit solchen Vorhaben war, gestaltete sich dieser Plan längst nicht so einfach wie erhofft. Knurrend drehte David sich von einer Seite auf die andere, presste die Augen zu und seine Gedankengänge in alle möglichen Richtungen, nur nicht zu Ihm-dessen-Name-nicht-gedacht-werden-durfte. Alles in ihm wartete auf das Piepsen, das eine weitere Nachricht ankündigen würde. Doch es blieb aus. Als David schließlich einschlief, war es kurz vor zwei. Er träumte, er und Sascha würden im Rep.-Raum sitzen und Obst essen. Alle Terrarien waren geöffnet und aus jedem hatte eine Schlange seinen Kopf gestreckt. Jede von ihnen hatte einen Schlüssel im Maul und schwenkte ihn hin und her. „Finde den Schlüssel...,“ sagte Sascha immer wieder zu ihm, „Finde den richtigen Schlüssel.“ Dann packte er David am Kragen, presste ihn gegen eine Wand und küsste ihn. Über ihnen verschwand die Decke. Es donnerte und krachte und Blitze zuckten am Himmel entlang... Tap, tap, tap. David erwachte. Er hörte Schritte in seinem Zimmer und öffnete flatternd die Augen. In der Finsternis erkannte er eine dunkle Gestalt, die auf ihn zu kam. Sein Magen drehte sich um. „Sascha?“, zischte er und richtete sich verschlafen auf. „Was?“, piepste eine Stimme, die mit Saschas genauso viel zu tun hatte, wie Triathlon mit Gänseblümchen. „Marisa?“, fragte David verblüfft, rieb sich die Augen und blinzelte durch die Nacht, „Wa...Was machst du denn hier?“ „Ich bin aufgewacht...,“ antwortete seine kleine Schwester und trat an sein Bett. Ihre Haare waren verstrubbelt und sie trug ihren Lieblingsschlafanzug, mit den Hasen drauf. „Kann ich bei dir schlafen?“, flüsterte sie und zupfte an Davids Bettdecke. „Aber du hast doch morgen Schule.“ „Na, und? In meinem Zimmer ist ein Monster.“ David seufzte. Er hatte keine Lust, um diese Zeit auf Monsterjagd zu gehen. Also hob er wortlos seine Decke hoch und Marisa kroch zu ihm ins Bett. Zufrieden schmiegte sie sich an ihn und drückte in ihrem kindlichen Egoismus ihre eiskalten Füße an seine warmen Oberschenkel. „Argh, kalt... Eh... Ist es jetzt gut, kannst du jetzt schlafen...?“, fragte er, nachdem der erste Schock vergangen war. „Ja...,“ fiepte Marisa glücklich zurück und rieb ihren Kopf an seiner Brust. „Dann schlaf gut und träum was Schönes...,“ gähnte er. „Du auch...,“ flüsterte Marisa. Der Schlaf wiegte David in seinen Armen. Er war so müde... „Du, David...!“, hauchte Marisa durch die Schwärze. „Mhm...,“ machte David. „Wer ist denn Sascha?“ Beim Klang dieses Namens aus ihrem Mund zuckte David unwillkürlich zusammen und riss die Augen auf. „Wieso... Woher...?“ „Du hast mich so genannt, als ich rein gekommen bin...,“ Oh, großartig. Wunderbar. Klasse. Einfach toll. Was sollte er denn jetzt machen...?! „Das...ist nur ein Zivi bei uns im Zentrum...,“ Bitte, Kind, schlaf einfach ein. Bitte, ganz schnell. „Und warum sagst du seinen Namen?“ Jaha, warum tat er das? Weil er ein Volltrottel war...! Am Liebsten hätte David sich hier und jetzt in Luft aufgelöst. Er kannte seine Schwester gut genug, um zu wissen, dass sie so schnell nicht von diesem Thema genug haben würde. Er könnte sie aus seinem Zimmer werfen... Aber...nein, das würde er niemals über sich bringen. Scheiße! „Ich...habe von ihm geträumt...,“ erwiderte er matt. „Wieso?“ „Das wüsste ich auch gern...,“ Seine Schwester schwieg nachdenklich. Ein Auto fuhr draußen die Straße entlang, seine Scheinwerfer zerschnitten sekundenlang die Nacht. „Ist er denn nett?“, fragte Marisa weiter und richtete ihre großen Kinderaugen auf ihn. „Nee!“, pampte David automatisch. „Aber warum sagst du dann seinen Namen?“ Kinder waren schrecklich! „Marisa... Keine Ahnung. Komm, es ist mitten in der Nacht und du musst morgen in die Schule. Wir sollten jetzt schlafen. Okay?“ „Na gut...,“ „Dann schlaf schön.“ „Du auch...,“ David schloss seine Augen wieder. In seinem Kopf drehte es sich schwach. Sascha, dieser elende, verfluchte Scheißkerl. Nicht nur, dass er seine Arbeitsstelle und seine Gedanken verpestet hatte, jetzt tat er das auch mit seinen Träumen und seiner Familie. Und dabei war er noch nicht mal körperlich anwesend. Ob das Gewitter in Rötgesbüttel inzwischen aufgehört hatte? „David...?“ „Marisa...,“ „Du, lerne ich Sascha bald mal kennen?“ „Was? Nein!“ „Warum nicht?“ „Weil...weil ich ihn ganz sicher nicht mit nach Hause bringen werde!“ „Warum nicht?“ „Marisa, schlaf jetzt oder du musst zurück in dein Bett!“ „Nein, da ist ein Monster!“ „Dann hör jetzt auf, diese blöden Fragen zu stellen und schlaf!“ „Na gut...,“ „Danke...,“ Er drückte die Augen zu und bemühte sich nach Kräften, sein pochendes Herz zu beruhigen. „Wieso fragst du das überhaupt...?“, flüsterte er plötzlich, „Willst du ihn etwa kennen lernen?“ „Klar!“, piepste Marisa. „Warum denn?“ „Na, ich dachte, wenn du von ihm träumst und seinen Namen sagst, dann musst du ihn dolle mögen.“ Manchmal hasste er sie. Und sich selbst. Und Sascha. SASCHA! Ja, den hasste er am meisten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)