Encounter von abgemeldet (Gorillaz or summfin'...Er... Got it?) ================================================================================ Prolog: Tage wie diese ---------------------- Es war einer dieser Tage, die man am liebsten aus seinem Leben streichen würde. Ein Tag an dem man meinen könnte, das Schicksal hätte es direkt auf dich abgesehen und möchte dir wieder einmal aufs Neue beweisen was für ein Versager du bist. Tage dieser Art kannte Murdoc Niccals zur Genüge. Tage an denen es just in dem Augenblick zu regnen beginnt, in dem du einen Fuß vor die Haustür bzw. Wohnwagentür setzt. Tage an denen arrogante Blondinen dich wegen sexueller Belästigung anklagen, obwohl du ihnen lediglich ein Kompliment für ihre schönen, weiblichen Formen machen wolltest. Tage… Tage dieser Art jedenfalls. Der feuchte Kies knirschte unter den Sohlen seiner nagelneuen Stiefel. Wahrscheinlich würden Sie vermuten, dass es teure Stiefel gewesen sind. Sie hätten Recht gehabt. Wahrscheinlich würden Sie weiter vermuten, das ihr Träger ein ziemlicher Macho sein musste. Sie hätten wieder Recht gehabt. Murdocs Gesicht wurde von einem Schatten verdunkelt, was eigentlich kein Wunder war, da seine schwarzen Haare über seine Augen fielen, und das Revers seines Mantels an beiden Seiten des Kopfes hochgeklappt war. Er hatte seine Hände, mit den nebenbei bemerkt, recht vernachlässigten Fingernägeln, tief in den Manteltaschen vergraben. In einer Hand hielt er ein Handy. Schwarz mit silbernem Totenkopfanhänger. Würde es klingeln, hörte man einen Song der Bloodhound Gang. Den Lieblingssong unseres Hauptcharakters, wohl bemerkt. Murdoc Niccals, oder Muds, wie ihn seine derzeitigen Freunde oft nannten, war ein Fan solcher Musik- Nein, nennen wir ihn einen Sympathisanten. Mr Niccals war kein Fan. Kein Anhänger irgendeiner Band. Höchstens hatte er Anhänger. Das war gut möglich. Sogar sehr wahrscheinlich, da er zukünftig der Bassist einer wohlbekannten Band sein sollte. Eine Band bestehend aus einem blauhaarigen Vollidioten, einem sadistisch veranlagten Schwarzen, einer japanischen 10 jährigen und unserem satanistischem Freund… Doch wem erzähle ich das? Beginnen wir lieber mit unserer Geschichte… Prolog Ende Kapitel 1: D-Day ---------------- 15. August 1997, Stoke-on-Trent Es war ein beschissener Regentag. Murdoc warf die feuchte Zigarette hinter sich. Das Wetter hatte es ihm vereitelt seine Nikotinsucht zu stillen. Die Lunge des gerade mal 31 jährigen Mannes war zu bemitleiden. Ein oder zwei Schachteln der kleinen Glimmstängel am Tag waren keine Seltenheit. Dies, und der übermäßige Konsum an Alkohol haben Murdoc schon vor Jahren mit einer ungesunden, grünlichen Hautfarbe gebrandmarkt. Zugegeben, er führt ein erbärmliches Leben. Wie oft hörte man… Also gut, eigentlich hörte man ihn nie, da er nicht sonderlich viel von Menschenaufläufen oder generell von anderen Menschen hielt, doch würde man ihn hören, erführe man, dass er sein Leben, seinen Vater und die letzten 27 Jahre (Jahre an die er sich erinnern konnte) verfluchte. Murdoc tat einen prüfenden Schritt unter der Linde vor, unter die er sich, zum Schutz vor dem Regen, gestellt hatte. Es nieselte nur noch. Mein Leben ist langweilig, dachte er verbissen. Es war nicht das erste Mal, dass er dies dachte. Es wurde einmal wieder Zeit für etwas, auf das er sich freuen könnte. Nein, das verlangte er nicht. Ein kleiner Lichtblick am Ende des so endlosen Tunnels würde völlig ausreichen. Ein Ziel oder zumindest mal wieder eine ordentlich gebaute Frau. Ihn schmerzte immer noch die Wange wenn er an die letzte Blondine dachte, die er versucht hatte durch ein paar nette Komplimente nach Hause zu bekommen. Was er sein Zuhause nannte, war für das Auge der Gesellschaft ein Schandfleck in dieser sonst, ach so perfekten kleinen Welt. Doch Murdoc gefiel sein Winnebago. Es war sein Ein und Alles. Mal ganz abgesehen von Cortez natürlich. Seinen Raben. Murdoc mochte Raben. Er mochte auch Katzen. Diese jedoch nur wenn sie brennend und schreiend durch dunkle Gassen flüchteten. Es war August. Irgendein Tag im August. Ein scheiß Tag, wie schon gesagt, doch er wusste nicht der wievielte. Jeder Tag kroch dahin. Er bestand aus Aufstehen und Schlafengehen. Zwischen Aufstehen und Schlafengehen bestand er aus Alkohol, Zigaretten und Frauen. Murdoc war sich der Wirkung bewusst, die er auf die Damenwelt hatte. Meist reichte es aus einer Frau die Zunge herauszustrecken, damit sie ihm verfiel. Dies erlaubte ihm die übernatürliche Länge seines Geschmacksorgan. In letzter Zeit jedoch, schien er seine “Zauber”, wie er es gerne nannte, verloren zu haben. Man erinnere sich an die bereits erwähnte Blondine. Murdoc brauchte einen Tritt. Natürlich ist dies im übertragenden Sinne zu verstehen. Würde jemand es wagen Murdoc Niccals einen Tritt zu verpassen, ihn- ja auch nur unerlaubt anzufassen, wäre es weise diesem Jemand zu raten, sich so schnell wie möglich zu verziehen. Murdoc konnte unbarmherzig sein. Er marschierte durch den Park, als hätte er einen wichtigen Termin, den er nicht verpassen durfte. Natürlich hatte er keinen. Die Mehrzahl der Passanten wich aus, wenn sie ihn kommen sahen. Wenn er wollte, konnte er durchaus Angst einflößend sein. Meist wollte er. Murdoc blieb abrupt stehen und starrte auf seine rechte Tasche. Ein junger Mann wich ihm schimpfend aus. Sein Handy. Es vibrierte. Ein Zeichen dafür das es klingelte, was wiederum hieße, jemand rufe ihn an. Murdoc zog langsam die Hand aus seiner Manteltasche. Dann betrachtete er das Mobiltelefon, das surrend auf sich aufmerksam machen wollte. Es spielte seinen derzeitigen Lieblingssong. Eigentlich mochte er weniger die Melodie, viel eher den Text. Hell yeah, Hell yeah, Hell yeah… Murdoc war sich sicher das es keinen Himmel gab. Es gab auch keinen Gott. Es gab lediglich die Hölle und Satan. Davon war er überzeugt. Murdoc klappte sein Handy auf und sah auf den Display. Eine unbekannte Nummer. Natürlich war sie unbekannt, die einzige Nummer die Murdoc auf seinem Handy gespeichert hatte, war die von Wanda. Und Wanda rief niemals an. Wanda wurde angerufen. Von Männern die einsam waren. Oder einfach nur notgeil. Er nahm ab und drückte sich das Telefon ans Ohr. “Hallo?” Seine Stimme war rauchig und barsch. Eine Stimme wie Schmirgelpapier. “Muds, lang nix von dir gehört! Ich bin’s Dimitrij!“ Murdoc kniff sich mit Daumen und Zeigefinger in den Nasenrücken. Dimitrij war einer seiner… Freunde. Ein großartiger Freund, der dich nach einem Einbruch zwischen dutzenden von Bullen stehen lässt und selber wie ein feiger Welpe Reißaus nimmt. „Was willst du?“, fragte Murdoc und setzte endlich seinen Weg fort. „Die Jungs und ich haben ein paar Karren klar gemacht und wollen ein bisschen Spaß haben.“ Unter Spaß verstand diese Gang entweder, irgendwo einzubrechen oder, mit ein paar Weibern die Stadt unsicher zu machen. „Und, warum rufst du dann mich an?“ „Dachte du wärst gerne mal wieder dabei!“, antwortete Dimitrij. „Zur Hölle lüg mich nicht an! Du lässt fünf Monate lang nichts von dir hören und ganz plötzlich hättest du mich gerne dabei?!“ Am anderen Ende seufzte der Russe schwer. Murdoc wusste, er hatte Recht. Murdoc Niccals hatte immer Recht. „Schön, es stimmt ja. Weißt du, einen meiner Kumpels hat‘s erwischt und nu sind wir ein Mann zu wenig.“ „Für was?“, fragte Murdoc, nun doch neugierig geworden. „Nur ein kleiner Einbruch in so`n Musikgeschäft. Nicht großes. Nur so zum Spaß.“ “Ein Musikgeschäft also…” Murdoc hatte nur eine einzige Schwäche… Und das war die Musik. Es gab eine Zeit in der er den Traum hatte eine eigene Band zu gründen. Mit ihm als Bandleader natürlich. Um die Wahrheit zu sagen, träumte er auch heute noch davon. Die Aussicht auf ein Leben als Rockstar gefiel ihm. Ein Leben ohne Verpflichtungen. Ohne Stress. “Wenn ich noch einmal von den Cops erwischt werde, wandere ich ins Kittchen”, überlegte er laut. Darauf war er nun wirklich nicht scharf. Doch der Gedanke vielleicht eine neue Bassgitarre, Murdocs liebstes Instrument, für Umsonst zu "erwerben" war einfach zu verlockend. Also willigte er ein. “Die richtige Entscheidung, mein Freund! In einer Stunde soll`s losgehen, wir sind gleich da!” Der Motor heulte auf. Murdoc und Dimitrij zogen sich die Strümpfe über den Kopf. Zugegeben eine dürftige Maske, doch im Extremfall sehr nützlich. “FERTIG?”, schrie der Russe hinüber zu den anderen beiden Wagen, in denen, wie Murdoc erfahren hatte, noch Igor, Wladimir, Alexander und ein Kerl mit einem, für den Satanisten unaussprechlichen Namen, saßen. Die Angeschrieenen nickten. Dann trat Murdoc aufs Gas. Er hatte darauf bestanden selbst zu fahren, da die meisten anderen, für seinen Geschmack, deutlich zu langsam fuhren. Unter 100 km/h ging bei Murdoc rein gar nichts. Sie brausten den Hügel hinunter. Er steuerte auf Uncle Norm`s Organ Emporium zu. Es war ein kleines Geschäft in Crawley, nicht weit entfernt von Stoke-on-Trent. Murdocs momentaner Residenz. “OKAY NOCH 50 METER DANN HÄLTST DU AN!”, schrie Dimitrij, über das Röhren des Wagens hinweg. Murdoc nickte. Allerdings machte er sich sorgen. Und zwar um ihr Transportmittel. Es war ein Vauxhall Astra. Und mit aller größter Sicherheit kein fabrikneues Modell. Er ließ sich schwer lenken. “JETZT!” Murdoc trat mit aller Kraft auf die Bremse. Nichts geschah! “WAS MACHST DU DENN?!” Dimitrijs Stimme war panisch. “DIE BREMSE DIESER DRECKSKARRE IST IM EIMER!” Der Satanist donnerte den Fuß immer wieder auf die Bremse, doch der Wagen sauste weiter mit einer Heidengeschwindigkeit auf das Geschäft zu. Verzeih Onkel Norm! Die Männer schrieen und schlugen sich die Arme vors Gesicht. Der Astra flog über eine Bodenwelle. Die Zeit schien stehen zu bleiben. Und dann tat Murdoc etwas was er noch nie zu vor getan hatte. Er betete! Lass mich bitte schnell und schmerzlos sterben. Ein Scheppern ließ die Zeit wieder in ihrem normalen Tempo fortschreiten. Scherben flogen an den Fenstern vorbei. Menschen schrieen. Mit einem Rumms landete das Auto wieder auf der Erde. Murdoc bemerkte wie Dimitrij aus dem Sitz gehoben wurde und war auf einmal froh sich angeschnallt zu haben. Er hörte die Geräusche berstenden Holzes und berstender Knochen. Ein Geräusch das ihm früher gefallen hatte. Heute nicht! Plötzlich wurde die Tür der Fahrerseite aufgerissen und Murdoc wurde herausgezerrt. Er erkannte den Mann namens Igor. Igor zog ihn auf die Beine. “Komm schnell wir müssen verschwinden!” Murdoc fuhr sich mit der Hand an die Schläfe. Sie fühlte sich feucht an und warm. Er blutete. “Was zum Teufel ist passiert?”, fragte er verwirrt. “Wir haben keine Zeit für Fragen komm jetzt, Alter!” Murdoc entriss Igor seinen Arm und sah sich um. Er stand neben dem Vauxhall Astrat. Mitten in Uncle Norm`s Organ Emporium. “Wo ist Dimitrij?” Er wollte Dimitrij nicht hier zurück lassen wie dieser es damals mit ihm getan hatte. Obwohl es ihm eigentlich recht geschehe. “Wir müssen ihn suchen.” “Ach, mach doch was du willst!”, rief Igor und verschwand durch das zerbrochene Schaufenster. Murdoc stützte sich mit einer Hand am Wagen ab. Ihm war schwindelig. Er musste wohl mit dem Kopf gegen das Lenkrad geknallt sein. Murdoc taumelte um den Kofferraum herum zur Beifahrerseite, um Dimitrij zu retten. Er war nicht mehr da. Stattdessen schimmerte in Murdocs Augenwinkel etwas Blaues. Als er sich nach der Ursache des seltsamen Farbvorkommens umdrehte, erkannte er einen jungen Mann. Murdocs Blick war verschwommen. Dies jedoch lag, wie er geistesgegenwärtig feststelle, lediglich an der Strumpfhose, die er noch trug. Hastig riss er sie sich vom Kopf und torkelte auf den Jungen mit der eigenartigen Haarfarbe zu. Er trug eine Weste mit einer Stickerei, in Form des Firmenlogos irgendeines Keyboards. Wahrscheinlich arbeitete er hier. Oder hatte hier gearbeitet. Der Blauhaarige blutete stark am Kopf. Die rote Lache breitete sich in zunehmendem Tempo aus und tränkte bereits Murdocs Knie. Er legte sein Ohr an den Mund des Jungen und setzte sich dann wieder erleichtert auf. Er atmete noch. Murdoc konnte nicht genau sagen warum er so froh darüber war. Er war es einfach. “HÄNDE HOCH UND KEINE BEWEGUNG!” Der Satanist zuckte erschrocken zusammen und verfluchte noch im selben Augenblick die ganze scheiß Welt. Er wurde von mehr als zehn Polizisten umzingelt. Kapitel 2: Rise of the Zombie ----------------------------- Murdoc musterte den jungen Stuart Pot nun schon seid gut einer Stunde. Dieser starrte mit leerem Blick aus dem Fenster des Wohnwagens. Sein Gesicht war unbewegt. Es war die gesamten letzten zwei Wochen unbewegt gewesen. Stuart hatte nach dem Unfall, die genannte Zeitspanne über, im Krankenhaus gelegen. Nun saß er hier. Cortez krächzte missmutig und flatterte auf die Schulter des Satanisten. Er strich über das Gefieder des Tieres. Cortez mochte es nicht das Stuart sich die, sowieso schon viel zu kleine Behausung, ab sofort mit ihnen teilte, das spürte Murdoc. Am liebsten hätte er den blauhaarigen Idioten auch sofort rausgeschmissen, wären da nicht die Pflegestunden, die er ihm laut Gesetz schuldig war. Murdoc Niccals wurde dazu verurteilt sich 100 Stunden um Stuart Pot zu kümmern. Hätte er sich geweigert, säße er nun im Gefängnis. “Kaffee?”, fragte Murdoc. Er wusste das Stuart ihm nicht antworten würde. Der Arzt erklärte ihm Stuart Pot befinde sich in einem komaartigen Zustand. Er wüsste nicht ob der junge Mann seine Umgebung wahrnahm und einfach nicht fähig war zu reagieren oder ob die Welt um ihn herum ausgeblendet wurde. Murdoc stand auf und tat einen großen Schritt in die “Küche” des Wohnwagens. Der Kaffe kochte schon eine Weile. Cortez saß ruhig auf Murdoc Schulter. Murdoc nahm zwei Tassen und stellte eine davon vor Stuart ab. Dieser starrte erst die Tasse an, dann Murdoc. Murdoc fühlte sich fast schuldig für das jetzige Aussehen des Jungen. Aber nur fast. Stuart hatte bei dem Unfall ein Auge verloren. Nun wurde er aus einem blauen Auge und einer leeren Höhle angestarrt. Kein sonderlich angenehmes Gefühl. “Willst du nichts trinken, Schwachkopf?” Er war nicht besonders nett zu Stuart. Warum auch? Durch ihn wurde sein Leben nur noch beschissener. Früher brauchte er nur sich zu ernähren, konnte hinfahren und unternehmen was er wollte. Ohne Rücksicht auf andere. Jetzt hatte er… Verantwortung. Murdoc nahm seinen Kaffeetasse, hob sie demonstrativ an die Lippen und trank. Auf einmal kam Leben in den Blauhaarigen. Er umklammerte seine Tasse ungeschickt mit seinen langen Fingern und… goss sich den kochenden Inhalt über den Kopf, als wäre es das selbstverständlichste auf der Welt. Stuart verzog keine Miene als die heiße Flüssigkeit ihm über das Gesicht rann. Murdoc starrte ihn mit offenem Mund an. Großartig! Man hatte ihm einen stummen und noch dazu masochistischen Zombiejungen aufgehalst. Einfach großartig! Man beachte den Sarkasmus in dieser Aussage. Murdoc trank in aller Seelenruhe den Kaffee aus. Dann stellte er die Tasse bei Seite und vergrub das Gesicht in den Händen. Man hätte meinen können Murdoc Niccals weinte. Natürlich weinte er nicht. Stattdessen donnerte er plötzlich, mit aller Kraft die er aufbringen konnte, die Fäuste auf den Tisch. Die dünnen Wände des Winnebagos erzitterten. “SCHEIßE! WARUM IMMER ICH? DIESE GANZE VERSCHISSENE WELT HAT ES DOCH AUF MICH ABGESEHEN!”, brüllte er. Cortez flatterte aufgebracht aus dem offen stehenden Fenster. Stuart zuckte nicht einmal mit der Wimper. “Ich geh aus!”, verkündete Murdoc und schnappte sich seinen Mantel. Stuart Pot rief Murdoc kein Auf Wiedersehen, bleib nicht zu lang weg hinter her. Wahrscheinlich begriff er noch nicht einmal das er plötzlich allein in dem sonst, durch zwei Personen schon vollbesetzten, Wohnwagen hockte. Murdoc knallte die Tür des Winnebagos zu und stapfte durch den Regen. So wie er es früher oft getan hatte. Ohne Ziel. Einfach um den Kopf frei zu bekommen. Nur erwartete ihn damals kein Zyklop Daheim. Der Regen prasselte unaufhörlich auf den schlechtgelaunten Murdoc nieder. Wäre der Regen eine Person, würde Murdoc sie sich schnappen und erdrosseln, für den Mut zu so viel Frechheit. Hell yeah, Hell yeah, Hell yeah… Murdoc erstarrte in seiner Bewegung. Ein junger Mann wich ihm schimpfend aus. Déja Vue! Murdoc kramte sein Handy aus der Manteltasche. Er braucht weder auf den Display zu sehen, noch irgendwelche hellseherischen Fähigkeiten zu besitzen, um zu wissen wer ihn da anrief. „Dimitrij!“, fauchte er das Mobiltelefon an. „Hey Muds!“, war die Antwort. Einfach so. Ohne ein Wort der Beschwichtigung. Lediglich ein „Hey“. Als wäre nie etwas passiert. „Was fällt dir eigentlich ein?! Wie kannst du noch den Mut zusammenkratzen mich anzurufen, he?! Wenn ich dich in die Finger bekomme dann-“ „Reiß dich zusammen Mann!“, unterbrach ihn Dimitrij. Ja, er wagte es tatsächlich Murdoc Niccals ins Wort zu fallen. Das würde Folgen haben. „Ich hab keine Schuld, dass die Bullen dich erwischt haben! Außerdem hat Igor versucht dich da rauszuholen, klar? Unterstell mir ja nichts!“ Murdoc knurrte. „Sag mal drohst du MIR?!“ Einige vorbeigehende Passanten drehten sich bei diesem barschen Tonfall zu Murdoc um, oder wechselten gar die Straßenseite. „Ähm, nein Murdoc, tut mir Leid“, sagte Dimitrij kleinlaut. Der Satanist brummte selbstzufrieden. „Will ich doch meinen. Was willst du denn schon wieder?“ Murdoc versuchte sich zu beruhigen. Auch wenn er es nicht gerne zugab, Dimitrij hatte Recht. Er war nicht daran Schuld das Murdoc nun einen Zombie am Hals hatte. Er war selbst daran Schuld. Warum musste dieser Schwachkopf, denn auch blaue Haare haben?! „Wir haben den Einbruch ja versaut, da hatten wir ein kleines Rennen geplant. Vielleicht hätteste ja Lust. So als Wiedergutmachung, meine ich.“ „Laufen wir Gefahr von Bullen erwischt zu werden?“ „Nein, das ist ausgeschlossen. Es soll auf einem Privatgrundstück in Nottingham losgehen.“ Murdoc war hin und her gerissen. Sicher, der Start befand sich auf einem Privatgrundstück, würden sie allerdings während des Rennens erwischt werden, würde er ins Kittchen wandern, dessen war er sich sicher. Außerdem, was sollte er mit Stuart anstellen? Andererseits könnte er wirklich mal wieder etwas Action vertragen. Etwas weniger Action als beim letzten Mal, doch ein bisschen konnte ja nicht schaden. „Na schön, ich besorg mir unterwegs `ne Karre.“ „Klasse Mann, ohne den Pistengott hätte es auch weit weniger Spaß gebracht!“ Murdoc klappte das Handy zu und ließ es wieder in der Tasche verschwinden. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und lief zurück zu seinem Wohnwagen. Stuart hatte sich während Murdocs Abwesenheit keinen Zentimeter gerührt, lediglich der Kopf war dem kleinen Fernseher auf dem Schrank zugewandt. Murdoc war es ein Rätsel wie der Idiot es geschafft haben könnte das Gerät einzuschalten. Stuarts Blick heftete auf dem Bildschirm als sähe er so etwas zum ersten Mal. Es lief ein recht brutaler Zombiefilm. Gerade wurde an die kopflose Leiche eines kleinen Kindes herangezoomt. „Na, erkennst du deine Familie wieder, Zombie?“ Murdoc hängte seinen Mantel über den Haken an der Tür und lachte über seinen geistreichen Witz. Der Angesprochene reagierte nicht auf ihn, stattdessen begann sich langsam ein Speichelrinnsal in seinem Mundwinkel zu bilden. Wenn der Schwachkopf ihm den Teppich voll sabberte, wäre das bei weitem das letzte was er in seinem Leben getan hatte. Dafür würde Murdoc schon sorgen. Der Satanist entriss Stuart die Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus. „Wir machen eine kleine Spritztour! Was hältst du davon, he?“ Stuart löste seinen Blick vom Fernseher und starrte wieder aus dem Fenster, als hätte es gar keine Unterbrechung gegeben. Murdoc verdrehte die Augen und stieß den Jungen barsch vom Sitz, sodass er unter den Tisch rollte, wo er schielend liegen blieb. Er beachtete ihn nicht weiter und quetschte sich hinter das Lenkrad seines Winnebagos. Dann startete er den Motor. Er schnurrte wie ein Kätzchen. Murdoc lauschte noch einen kurzen Augenblick dem geliebten Ton, dann trat er aufs Gas. Hinter ihm polterte etwas. Murdoc drehte sich um, dann lachte er auf. Stuart war unter dem Tisch vorgekugelt und machte nun einen grotesken Handstand am hinteren Ende des Wohnwagens. Es war vielleicht eine Fahrt von drei Minuten, denn bereits an der nächsten Ecke entdeckte Murdoc ein Auto, das würdig war ihm als Rennwagen zu dienen. Er parkte den Winnebago hinter dem Objekt der Begierde und stieg aus. Stuart im Schlepptau. Murdoc machte sich kurz und unbemerkt an der Autotür zu schaffen. Als ein Klicken ihm verkündete, dass er erfolgreich war, warf er die Nadel hinter sich und schubste Stuart auf die Rückbank des nagelneuen Ferrari F40. Murdoc lachte über den armen Trottel, der dieses Schmuckstück unbeachtet am Straßenrand stehen ließ. Dann sprang er auf die Fahrerseite. Die Sitze waren mit schwarzem Wildleder bezogen und am Rückspiegel hingen ein paar rosa Plüschwürfel. Murdoc verzog angeekelt den Mund und riss die Würfel vom Spiegel. Eine regelrechte Beleidigung für die Augen! Er drehte sich um und hielt Stuart den rosa Kitsch vor die Nase. Dieser nahm die Würfel fasziniert in die Hände und betrachtete sie mit aufgerissenen Augen. Verzeihung, aufgerissenem Auge. „Tsss“, machte Murdoc. Dann fuhren sie los, zum abgemachten Treffpunkt in Nottingham. Die Fahrt war ungewohnt ruhig, da der blauhaarige Junge seinen Blick nicht von den Würfeln lösen konnte, Murdoc sich auf die kurvenreiche Straße konzentrieren musste und der Motor so gut wie lautlos war. Die Geschwindigkeit ließ sich lediglich ausmachen, wenn man die vorbei fliegenden Bäume und Häuser abseits der Straße betrachtete. Murdoc drosselte das Tempo des Wagens etwas, als sie an dem Schild Nottingham vorbeifuhren. Der Regen hatte bisher nicht nachgelassen, was die Sicht unschön beeinträchtigte. Die Scheibenwischer arbeiteten auf Hochtouren. Es dauerte nicht lange, da ließen sich bereits die ersten Wagen der anderen Rennteilnehmer ausmachen. Murdoc manövrierte den Ferrari zwischen einen grünen Mercedes und einen veralteten Peugeot. Keine ernstzunehmende Konkurrenz. Sie hielten sich nicht unnötig lange mit Begrüßungen oder Wiedersehensfreuden auf. Murdoc stieg nicht einmal aus. Dimitrij winkte ihm zu. Murdoc ließ sich zu einem kurzen Nicken herab. Dann hupte er. Es kribbelte bereits unerträglich in seinem rechten Fuß. Dimitrij humpelte auf seinen BMW zu. Die Verletzung musste er sich bei dem Unfall vor zwei Wochen zugezogen haben. Plötzlich trat eine junge Brünette aus einer Gruppe von Frauen hervor. Es hätte ja auch keinen Spaß gemacht ohne Publikum. Die junge Frau war nass bis auf die Haut und das weiße T-Shirt das sie trug war nur noch ein heller Schimmer auf ihrem nackten Oberkörper. Sie hob den Arm. Murdoc knackte mit den Knöcheln. Dann gab sie das Startzeichen. Der Satanist ließ seinen Fuß auf das Gaspedal hinunter schnellen. Die Reifen quietschten protestierend. Der F40 schlingerte kurz dann brausten sie voran. Murdoc warf einen Blick in den Rückspiegel. An der Startlinie herrschte die reinste Massenkarambolage. Drei der Fünf Teilnehmer waren in einem heillosen Durcheinander kollidiert. Der grüne Mercedes qualmte. Murdoc grinste. Drei beseitigt. Einer blieb. Dimitrijs BMW holte auf und fuhr nun auf gleicher Höhe mit Murdoc. Zugegeben, er hätte dem ramponierten Wagen nicht zugetraut, mit einem Ferrari mithalten zu können. Murdoc lachte Dimitrij durch die Fensterscheibe herausfordernd an. Der andere wirkte nervös, ja fast besorgt. Zu recht. Murdoc riss das Lenkrad rum und schrammte mit dem Heck die Schnauze seiner Konkurrenz. Dimitrij wich panisch aus. Hielt jetzt Abstand. Was für eine Langweiler. Dann ging alles ganz schnell. Murdoc riss das Lenkrad ein zweites Mal, etwas weiter herum. Ein fataler Fehler! Der rutschige Untergrund machte es ihm unmöglich den Ferrari wieder unter seine Kontrolle zu bringen. Der Wagen schleuderte umher. Murdoc trat auf die Bremse. Zwar funktionierte sie, doch trotz des abrupten Stillstands der Reifen rutschte das Gefährt weiter über den nassen Asphalt. Murdoc versuchte durch die regennasse Frontscheibe zu schauen. Es war unmöglich! Die Scheibenwischer waren ausgefallen. Das einzige was Murdoc erkennen konnte war ein Wasserfall an Regenwasser. Ruckartig kam der Wagen zum Stillstand. Ein Baum, dessen war Murdoc sich sicher. Im selben Augenblick, in dem der Ferrari zum Stehen kam, flog ein blau-graues Schemen an Murdoc vorbei. Stuart stieß durch Windschutzscheibe des Wagens. Schon ein zweites Mal in kürzester Zeit vernahm Murdoc das Bersten von Glas. Die Scheibensplitter sausten durch den Luftraum des Ferrari. Dann wurde plötzlich alles wieder still. Lediglich der Regen prasselte unüberhörbar auf die Motorhaube und durch das kaputte Fenster. Murdoc war sofort durchnässt. Nach einigen Atemzügen wagte er es einen Blick nach draußen zu werfen. Sie waren nicht gegen einen Baum, sondern gegen einen hüfthohen Betonpfahl gefahren, erkannte er. Murdoc stieg aus. Sehr vorsichtig, denn er befürchtete sich einige Prellungen zugezogen zu haben. Nicht das ihm das etwas ausmachen würde. Doch unnötige Schmerzen konnte selbst er nicht gebrauchen. Etwa 100 Meter vom Ferrari entfernt lag eine Gestalt reglos auf der Straße. Es war Stuart Pot. Murdoc war für den Bruchteil einer Sekunde versucht in den Wagen zu steigen und zu verschwinden. Doch erstens, war die Schnauze des Autos dermaßen zertrümmert, das der Satanist daran zweifelte auch nur 50 Meter weit zu kommen, und zweitens, bewegte sich Stuart plötzlich. Ein seltsames Bild. Fast Angst einflößend. Der junge Mann rappelte sich langsam auf. Er hatte Murdoc den Rücken zugewandt. Murdoc schloss die Tür des Ferrari so leise, als würde Stuart bei dem kleinsten Geräusch wie ein scheues Reh davonlaufen. Welch absurder Gedanke. Dann drehte der Junge sich um. Genauso langsam wie er aufgestanden war. Murdoc hielt aus irgendeinem Grund die Luft an. Er kannte den Grund. Das Bild das sich ihm dar geboten wurde, würde er niemals vergessen. Es war wie aus einem Zombiefilm. Stuart torkelte auf ihn zu. Er machte ungeschickte Schritte. Desto näher der Junge kam, desto unruhiger wurde Murdoc. Etwas hatte sich an ihm verändert. Erst als Stuart nur noch 3 Meter von ihm entfernt stand, wusste er was es war. Er wurde nun aus gleich zwei leeren Augenhöhlen angestarrt. Murdoc schluckte. Der Zombie war blind. Zögernd streckte der Satanist den Arm durch den Regen, auf das Gesicht des Jungen zu. Dann winkte er. Nur um auch ganz sicher zu gehen. Als Antwort auf sein Verhalten legte Stuart den Kopf schief und sah ihn fragend an. Dann öffnete er den Mund. Ihm fehlten beide Schneidezähne. Ob er diese Lücke vor diesem Unfall bereits hatte, hätte Murdoc nicht sagen können. Stuart hatte in seiner Gegenwart nie den Mund geöffnet. Die Zahnlücke verlieh ihm einen leicht trotteligen Ausdruck. „Warum machst du das?“, fragte Stuart. Murdoc glotzte ihn schweigend an. Er sprach. Es war das erste Mal das er seine Stimme hörte. Und was für eine Stimme das war! Sie war naiv, hell, akzentreich, und doch weich und höflich und sie hatte Widererkennungswert, genau wie sein Aussehen. Einfach perfekt! Auf einmal sah Murdoc Stuart in einem anderen Licht. Als er einen zweiten Blick auf ihn warf, erinnerte er ihn spontan an das Mitglied einer Boyband. Seine Gesichtszüge hatten sich verändert. Sie waren zart, die Haut ebenmäßig. Man hätte meinen können sie gehörten einer jungen Frau. Das Haar war zerzaust. Murdoc hätte niemals die Worte dieser Kerl sieht verdammt gut aus in den Mund genommen. Denken jedoch, war erlaubt. „Hallo…“ Murdoc klappte den Mund zu. Der Junge wartete auf eine Antwort. „Ich, uhm, habe gedacht du bist blind“, bekam er schließlich heraus. „Was? Oh mein Gott! Ich bin blind? ICH BIN BLIND!“ Stuart schlug sich entsetzt die Hände vors Gesicht als er schrie. Murdoc hob eine Braue. Er sah vielleicht gut aus, doch sein Intelligenzquotient war scheinbar genauso hoch wie der einer Stubenfliege. Wäre ja auch zu schön gewesen. Murdoc packte Stuarts Schultern um ihn daran zu hindern, weiter wie ein Irrer im Kreis herum zu rennen. „Halt die Klappe!“ Der jetzt nur noch Halb-Zombie verstummte sofort. „Kannst du mich sehen?“, fragte Murdoc überflüssiger Weise. Der Junge nickte langsam. „Dann bist du auch nicht blind“, erklärte er. Stuarts Muskeln entspannten sich wieder unter Murdocs Händen und er ließ ihn los. „Oh! Was für ein Glück!“, sagte der Junge erleichtert. Murdoc verschränkte die Arme vor der Brust. „Ist alles in Ordnung mit dir Stuart? Kann ich was für dich tun?“ Es kostete ihn einiges an Überwindung diese Frage zu stellen. „Stu-Pot“, wurde er berichtigt. „Was?“ „Man nennt mich Stu-Pot. Nicht Stuart.“ Auch gut. Stu-Pot klang wie stupid. Was für ein passender Name! „Wie auch immer, Stu-Pot. Und?“ Stuart nickte zufrieden. Dann schüttelte er den Kopf. „Mir geht es sehr gut. Ich habe schreckliche Kopfschmerzen.“ Murdoc hätte Stu-Pot gerne erklärt das es einem nicht sehr gut ging wenn man schreckliche Kopfschmerzen hatte, doch er wurde in seinem Vorhaben unterbrochen. „Muds!“ Dimitrij kam durch den Regen auf sie zu geeilt, öffnete den Mund, schloss ihn wieder und glotzte dann den Zombie an. Genau wie der Satanist noch vor wenigen Augenblicken. Stuart wich vor der bedrohlichen Gestalt des Russen zurück und versteckte sich hinter Murdoc. „Wer ist denn das?“, fragte Dimitrij nach einigen Minuten stummen Starrens. „Das ist Stuart Pot. Er ist der Trottel den man mir aufgebrummt hat“, erinnerte Murdoc ihn genervt. „Stu-P-!“ „Ich weiß“, fauchte der Satanist Stuart entgegen. „Der aus dem Organ Emporium?“ „Nein, aus dem Hotel in Namibia... Natürlich aus dem Organ Emporium!“ Plötzlich dämmerte es bei Murdoc. Wenn Stu-Pot in einem Musikgeschäft gearbeitet hatte, bestand eventuell die Möglichkeit das er ein Instrument spielte. „Hey, Stuart!“, fuhr Murdoc den Jungen so barsch an, das dieser es nicht einmal wagte, ihn ein drittes Mal zu korrigieren. „Ja?“ „Spielst du ein Instrument?“, fragte er ihn dann. „Schlagzeug, Keyboard, Gitarre… Saxophon?“, fügte er noch hinzu als der Schwachkopf nicht antwortete. Stuart kratzte sich am Kopf. „Also, ja, Keyboard-“ „Perfekt!“, unterbrach ihn Murdoc und packte sein Handgelenk. „Muds wo willst du hin?“, rief Dimitrij ihnen hinter her. „Keine Zeit für Fragen! Ich leih mir mal deine Karre!“ Murdoc sprang in den BMW, bugsierte Stuart auf dem Beifahrersitz und jagte davon. Kapitel 3: Two important Dents ------------------------------ Er brauchte nicht lange um zu finden was er suchte. Zwar herrschte in Murdocs Schränken ein heilloses Durcheinander, doch das Keyboard hatte immer einen Ehrenplatz gehabt: Direkt neben seiner geliebten Bass Gitarre El Diablo. Murdoc nahm das verstaubte Keyboard in die Hände und betrachtete es kurz. Es sah noch völlig intakt aus. Er pustete kräftig über die Tasten. Der Staub wirbelte umher und vernebelte Murdoc die Sicht. Hustend richtete er sich auf und knallte prompt mit dem Kopf gegen die Unterseite einer Schublade. „Verdammt!“, fluchte er und rieb sich die schmerzende Stelle. Cortez krähte belustigt auf. „Ach, halt den Schnabel.“ Grummelnd legte Murdoc das Instrument auf den Wohnwagentisch und scheuchte den großen Raben von der Sofalehne. „Hey Zombie, bist du in der Toilette ertrunken?“, rief er ungeduldig. Diese Vermutung war nicht einmal sonderlich abwegig. Murdoc konnte sich gut vorstellen das Stu-Pot es irgendwie bewerkstelligen würde sich in einer Kloschüssel zu ertränken. „Ahg!“, war die Antwort. „Na wenn das so ist.“ Der Satanist verdrehte die Augen. „Ich kann mich da drin sehen.“ „In der Kloschüssel?“, fragte Murdoc. „Im Spiegel!“ „Ja, das haben Spiegel so an sich.“ „Ich habe keine Augen mehr und kann mich trotzdem sehen!“, rief Stuart begeistert. Darüber hatte Murdoc auch schon nachgedacht. Vielleicht war das ja irgendein außergewöhnliches Phänomen, welches nur bei jedem sechsten blauhaarigen Zombie, in der achten Vollmondnacht des siebenundneunzigsten Jahres nach der Jahrhundertwende, bei dem Flug aus einem roten Ferrari F40 auftrat... Oder so etwas in der Art. „Du kannst dich nachher noch weiter bewundern! Komm jetzt hier her!“ Stuart gehorchte und stand wenige Sekunden nach dessen Befehl vor Murdoc. Der Satanist zeigte auf das alte Keyboard. „Spiel etwas.“ Stu-Pot legte einen dümmlich, fragenden Gesichtsausdruck auf. „Was denn?“ Murdoc zuckte erst mit den Achseln, doch dann fiel ihm etwas ein. Er drehte sich um und kramte kurz in der Schublade, die ihm erst gerade eine Beule verpasst hatte. Dann zog ein zerknicktes Blatt hervor und drückte es Stuart in die Hände. „Hier! Spiel das.“ Stu-Pot nahm das Papier neugierig an sich und las das Geschriebene. Murdoc zog an seiner Zigarette und beobachtete den Jungen aufmerksam. Dieser griff plötzlich nach einem Kugelschreiber und warf dann einen prüfenden Blick gen Murdoc. „Darf ich?“, fragte er und deutete auf Blatt und Stift. Murdoc nickte kurz angebunden. Stuart kritzelte munter drauf los, überlegte kurz, setzte dann wieder den Stift an. Stu-Pots Blick war konzentriert. Als er fertig war legte er den Kugelschreiber bei Seite. „So. Dann spiel ich jetzt mal.“ Murdoc hob eine Braue. „Ja, mach das.“ Er war gespannt was der Zombie an seinem Song geändert hatte. Stuart knackte mit den Finger, dann räusperte er sich. „Du singst?“, unterbrach Murdoc Stu-Pot, als dieser gerade Luft holte. Stuart nickte. „Paula hat immer gesagt, das ich-“ „Wie auch immer! Dann sing.“ Der Blauhaarige verstummte, um kurz darauf anzufangen zu spielen. Die Melodie hatte er kaum verändert. Lediglich einige Noten waren etwas höher oder tiefer gesetzt worden. Es klang, zugegeben, sogar besser als das Original. Es klang perfekt, es war großartig! Ganz genau so wie Murdoc es sich vorgestellt hatte. Dann sang Stuart. „It`s a sweet sensation, over the dub Oh what a situation, that don`t want to stop It`s the drugstore soulboy, over the dub With the sweetest Inspiration, we do-“ „Genug!“ Stuart warf Murdoc einen erschrockenen Blick zu. „Ha- Hab ich was falsch gemacht? Wenn es dir so nicht gefällt kann ich bestimmt noch etwas ändern, ich meine das Original war ja schon sehr gut, du kannst so was, aber ich dachte die Veränderungen würden besser klingen und deshalb-“ „Jetzt halt endlich die Klappe!“ Stu-Pot zuckte zusammen und blickte ihn an wie ein geschlagener Hund. Murdoc nahm seine Zigarette und drückte sie an seinem Gürtel aus. Die Asche rieselte auf den Boden. „Du spielst in meiner Band“, verkündete er dann. „Es tut mir Leid, Murdoc! Glaub mir, ich wollte wirklich nicht-“ „ZOMBIE! Hast du mir überhaupt zugehört?!“ Stu-Pot schüttelte vorsichtig den Kopf. „Du spielst in meiner Band, verstanden? Du wirst mein Frontmann!“ Plötzlich entspannte sich der Junge. Seine Augen begannen zu leuchten. Dann präsentierte er Murdoc mit einem breiten Grinsen seine Zahnlücke. Er lächelte das erste Mal, seit Murdoc ihn kannte. „Du hast eine Band?!“ Begeistert klatschte Stuart in die Hände. „Nun ja… Jetzt schon“, meinte Murdoc fast kleinlaut. Er hatte aus irgendeinem Grund das Gefühl, sich vor dem jungen Mann rechtfertigen zu müssen. „Das ist so toll ich wollte schon immer mal in einer Band spielen!“, rief Stuart. „Mmh… Mir fehlen nur noch ein Gitarrist und ein Drummer…“ „Was spielst du?“, fragte Stu-Pot neugierig. Murdoc antwortete nicht sofort. Er griff nach der Schachtel Zigaretten, die auf dem Tisch lag und fingerte einen Glimmstängel hervor. Dann hielt er dem Blauhaarigen die Schachtel hin. Zu seiner Verwunderung nahm Stuart sie ohne Worte entgegen und steckte sich eine an. Murdoc tat es ihm Gleich. In kürzester Zeit war der Wohnwagen mit dem weißen Qualm gefüllt. „Bassgitarre“, antwortete er dann auf die Frage. „Dann bin ich ja der Bandleader!“ Murdoc durchbohrte Stuart mit einem, man könnte meinen tödlichen, Blick. „Was hast du gesagt?“ Stuart wich etwas zurück. „Nichts! Du bist der Bandleader! Natürlich, ich dachte nur, weil sonst immer die Sänger… Man du hast ja ein schwarzes und ein rotes Auge!“, sagte er plötzlich. Stuart schien von einem in den nächsten Augenblick das eigentlich Thema vergessen zu haben, denn auf einmal trat er wieder in Murdocs unmittelbare Reichweite. Stu-Pot musterte Murdoc ausgiebig. „Ist ja gruselig…“ Sagt mir der blauhaarige Zombie, der ohne Augen sehen kann, kommentierte Murdoc in Gedanken. „Mir ist langweilig!“ Stuart stocherte lustlos in seinem Mikrowellen-Fertig-Gericht. „Dann tu irgendwas, aber lass mich in Ruhe“, raunte Murdoc und wandte sich wieder seinem Laptop zu. „Was machst du eigentlich da?“, fragte Stu trotz der Warnung des Satanisten. „Wie oft soll ich dir das noch erklären, du Schwachkopf! Ich suche nach einer Unterkunft, die groß genug für eine ganze Band ist.“ Bisher erfolglos. Murdoc surfte bereits seit über einer Stunde im World Wide Web. Zu teuer, zu schäbig, zu klein, zu groß… Die stehenden Angebote waren einfach miserabel. „Also ich mag den Winni-, den Wan-, den Winna-… Ich mag den Wohnwagen!“, sagte Stu-Pot und begann den Fleischklumpen, der unverschämter Weise als Frikadelle verkauft wurde, zu zerpflücken, um Cortez damit zu füttern. „Das Problem ist, das das hier mein Winnebago ist und du hier nicht ewig- HÖR AUF DAMIT!“ Der Blauhaarige ließ vor Schreck den Pappteller mit den Fleischkrümeln fallen, sodass diese über den gesamten Teppich verteilt wurden. Cortez quäkte glücklich und flatterte zu Boden um die Sauerei aufzupicken. Murdoc sprang auf. „Du bist die personifizierte Blödheit! Du Matschbirne! Ich glaub es ja nicht!“ Stuart machte eine Unschuldsmiene. „Treib es nicht zu weit! Wenn Cortez nicht wäre, würde ich dich jetzt zum Pflegefall werden lassen, vertrau mir!“ Der Rabe plusterte sich plötzlich zufrieden auf, pickte den letzten Krümel weg und ließ sich dann auf Murdocs Schulter nieder, um einen Verdauungsschlaf zu halten. So wie er es immer tat. Murdoc setzte sich wieder. Stuart senkte den Kopf, dabei fielen ihm die blauen Haare ins Gesicht und verdeckten seine Augen. Doch sie legten etwas anderes frei. Auf Stuart Hinterkopf sprossen zwei imposante Beulen. Sie wurden anscheinend sonst von dem blauen Durcheinander versteckt gehalten. Murdoc ging ein Licht auf. „Wir brauchen einen Spitznamen für dich!“ Stuart hob jetzt fragend den Blick. „Warum?“ „Weil der Name Stu-Pot kein Name ist für einen Sänger! Das ist eine Beleidigung.“ Stu verschränkte eingeschnappt die Arme vor der Brust. „Und wie soll ich heißen?“ „Ich dachte da an hirnloser, blauhaariger Zombiejunge, oder so etwas.“ „Ist das nicht ein bisschen lang?“, fragte Stuart und kratzte sich nachdenklich am Kopf. „Das war auch nicht ernst gemeint“, erklärte Murdoc seufzend. Der Satanist grübelte kurz vor sich hin. Es musste ein Name sein den man sich leicht merken konnte. Ein kurzer Name. Vielleicht im Zusammenhang mit Stuarts Beulen, schließlich war ihm bei diesem Anblick erst die Idee zu einem Künstlernamen gekommen. Beulen?… Beulen… Dents… Zwei Beulen… „Two Dents!“, rief Murdoc aus. Dann schüttelte er den Kopf. „Nein, das ist auch zu lang… Wie wäre es mit Two-D? Aber damit man es sich leichter merken kann, schreiben wir statt Two 2!“ Murdoc grinste, stolz über seine hervorragende Leistung. Stuart schien weniger begeistert. „Das klingt aber wie dieser Roboter aus den Star Wars- Filmen… R2-D2, oder wie der heißt“, nörgelte Stu-Pot. Murdoc knurrte drohend. „Fällt dir etwas besseres ein?!“ Stuart schwieg kurz und starrte auf die Tischplatte. „Nein“, gab er schließlich zu. „Na wo liegt dann das Problem?“ Murdoc stand auf, setzte Cortez auf seinem Stuhl ab und griff nach einer Bierflasche vom gestrigen Abend. Er stellte sich vor Stuart und hob feierlich den Arm. „Hiermit taufe ich dich auf den Namen: 2D!“, verkündete er und übergoss Stu-Pot genüsslich mit der gelblichen Flüssigkeit. Kapitel 4: Haunted House ------------------------ 2D warf seine Tasche auf das Sofa und ließ sich geschafft neben sie fallen. „Wo warst du?“, wollte Murdoc wissen. Seit Stuarts Beitritt zur „Band“ waren bereits weitere zwei Wochen vergangen, in denen dieser regelmäßig verschwand und irgendwann im Laufe des Tages wieder auftauchte. Murdoc hatte bisher nicht darüber nachgedacht. Ganz im Gegenteil sogar: Er genoss die stillen Augenblicke in denen es scheinbar nur noch ihn gab. Und Cortez natürlich. Er fragte nun lediglich aus Langeweile. „Arbeiten“, antwortete 2D. Murdoc verzog das Gesicht. „Pah, arbeiten!“ Er sprach es aus wie ein Schimpfwort. „Wo denn das? Hat der Laden deines Onkels wieder aufgemacht?“ Uncle Norm war Stuart Pots Onkel. Nach dem Einbruch wurde das Geschäft geschlossen, da über 80 Prozent der Waren zerstört wurden. 2D schüttelte den Kopf. „Nein, das ist ein anderer… Ähm, keine Ahnung wie der heißt.“ „Aha… Es läuft auch echt nur Dreck in den Charts!“, motzte Murdoc und schaltete das dudelnde Radio aus. Das sollte möglichst schnell geändert werden! „Sag mal haben wir noch irgendwo Aspirin?“, fragte Stu und griff sich mit zusammengekniffenen Augen an die Stirn. „Du bist echt ein Weichei, D! Kopfschmerzen sind was für Frauen. Jeden Tag das selbe. Arbeiten scheint dir nicht besonders gut zu tun.“ Trotzdem erhob sich Murdoc, öffnete den Schrank und warf 2D eine Schachtel Tabletten in den Schoß. „Sag mal hast du eigentlich schon was gefunden?“ Stuart machte eine Bewegung mit dem Kopf in Richtung Laptop und steckte sich eine der kleinen Pillen in den Mund. Murdoc schüttelte seufzend den Kopf. „Nein, außer du willst über einer-“ Murdoc setzte mit den Fingern Anführungsstriche in die Luft „- freundlichen alten Dame wohnen…“ 2D zuckte mit den Schultern. „Klingt doch ganz nett!“ „Streng doch bitte zur Abwechslung mal dein Gehirn an! Glaubst du die würden uns lange da behalten? Spätestens nach der ersten Probe säßen wir auf der Straße.“ „Aber dann werden wir noch überfahren!“ Murdoc klatschte sich die flachen Hand gegen die Stirn. Lange würde er es mit dieser Leuchte nicht auf so engem Raum aushalten. Manchmal fühlte er sich beinahe von Stuart verarscht. So viel Dummheit in einer Person. Ist das denn überhaupt möglich? Murdoc warf einen Seitenblick auf 2D. Dieser versuchte gerade verzweifelt, sich einen Kaffeefleck vom Ellbogen zu lecken. Während dieses, sowie sinnfreien, Vorhabens folgte sein gesamter Oberkörper dem Arm. Bei einer besonders schwungvollen Drehung um die eigene Achse, fiel er von der Bank. Ja, es ist möglich. Und sollte gesetzlich verboten werden! Schnell fuhr Murdoc den Computer hoch. Es musste sich doch eine Unterkunft finden lassen! Irgendeine! War das denn zu viel verlangt? „Satan was habe ich verbrochen?“, murmelte Murdoc. Wie erwartet machte Satan sich nicht die Mühe, wundersamer Weise in Murdocs Winnebago zu erscheinen, und auf seine Frage zu antworten. Murdoc nahm einen tiefen Schluck von seinem Kaffee. Sieben Stunden! Sieben verdammte Stunden! Der Satanist gähnte und stellte seine Tasse bei Seite. Sieben gottverdammte Stunden im Internet! Und was hatte er gefunden? Richtig! Rein gar nichts! „Gruäh…“ Ja, Gruäh. Murdoc meinte zu wissen das dies das fünfunddreißigste Gruäh dieser Nacht war. Nur zu gerne wäre der Satanist in diesem Augenblick zu 2D gegangen, um ihm eine Plastiktüte (Frischhaltefolie hätte es mit Sicherheit auch getan) über den Kopf zu stülpen und dann in einem möglichst tiefen See zu versenken. Einfach nur um diese nächtlichen Gruähs nicht mehr mit anhören zu müssen. „Was tut man nicht alles für den Erfolg“, zischte er in Stuarts Richtung. Stu-Pot grunzte einmal im Schlaf und drehte sich dann auf den Bauch. Er lag auf dem Boden. Wo auch sonst? Murdoc wandte sich wieder dem flackernden Bildschirm zu. Er setzte die Finger auf die Tastatur um einen weiteren sinnlosen Versuch zu starten. Ein Ruck riss ihn vom Stuhl. Der Satanist fluchte laut, als er mit dem Kopf auf den Boden aufschlug. Voilà! Beule Nummer zwei. Vielleicht hätte sich Murdoc ja höchstpersönlich in 2D umbenennen sollen. Der Rest seines Körpers war eigenartiger Weise weich gelandet. Plötzlich blitzte etwas. Kein gutes Omen. Dann knisterte es. Murdoc sprang auf, was jemandem zu seinen Füßen ein lautes „Autsch“ entlockte. Er war auf Stu-Pot gelandet. Eine Stromschwankung verdunkelte den Wohnwagen für einen Augenblick. Dann leuchteten die Lampen wieder auf. „Was-“ Stu rieb sich verwirrt die Augen und starrte Murdoc an. Doch dessen Aufmerksamkeit galt seinem Laptop. Die Kaffeetasse war umgefallen. Sie rollte sachte hin und her. Leer. Ihren Inhalt hatte sie, freundlich wie diese Tasse eben war, dem Computer geschenkt. Es war Murdoc egal. Warum? „Sieh dir das an“, forderte Murdoc Stuart auf. 2D zog sich an der Tischkante hoch und warf einen Blick auf den, immer noch fröhlich brutzelnden, Laptop. „Was ist denn das für eine Adresse? Giganticdisusedhauntedstudiosinthemiddle-“ Stu schnappte nach Luft „-ofnowhere.com?“ „Scheiß auf die Adresse! Sieh dir an was da steht! Meine Fresse ich hätte es auch keinen Tag länger mit dir ausgehalten!“ Murdoc grapschte sich einen Stift und kritzelte die angegebene Telefonnummer auf ein Stück Papier… Liebe Leser, liebe Interessenten, wir möchten sie mit diesem Artikel darauf hinweisen das der Einzug in die oben abgebildete Unterkunft, weder Miete noch andere Kosten mit sich trägt- Mehr hatte Murdoc nicht lesen zu brauchen, um sich sofort in das Studio zu verlieben. Trotzdem war er fortgefahren: Das Studio liegt traumhaft. Von sanften Hügeln umgeben, ein Fleckchen Zivilisation in der Mitte von Nirgendwo. Störende Nachbarn? Fehlanzeige! Gestalten sie das, wie bereits erwähnt mietfreie, Haus nach ihren persönlichen Wünschen und Vorlieben! Strom- sowie Wasseranschlüsse sind vorhanden. Das Studio zählt an der Zahl 20 Zimmer. Weitere Informationen erhalten sie unter- Blah, blah, blah… Diesen Teil hatte Murdocs Gehirn gelöscht. Er brauchte keine weiteren Informationen. Für ihn war alles schlagartig klar! Dieses und kein Anderes! Ein Problem bestand jedoch: Die Vorbesitzer suchten lediglich nach einer Aufsichtsperson, welche das Studio für knapp sechs Monate „sauber“ hielt. Etwas sauber zu halten war nicht gerade in Murdocs Sinne. Allerdings fand er auch das der Verfasser den Artikel etwas zu schmackhaft gemacht hatte, wenn es sich nur darum drehte jemanden für sechs Monate zu finden. Welche Person gestaltete ein komplettes Studio für nur ein halbes Jahr neu um? Und wen interessierte es ob es traumhaft gelegen war wenn er sowieso wieder ausziehen musste? Man wollte ja schließlich keinen Urlaub machen… Oder doch? Fragen über Fragen! Murdoc jagte den alten BMW über eine verlassene Landstraße zwischen Stoke-on-Trent und, wie er es selbst genannt hatte, Nur-Satan-weiß-wo. Es war der Wagen den er sich von Dimitrij „geliehen“ hatte. Im nächsten Augenblick wünschte er sich, er hätte es nicht getan. Der Motor hustete, völlig ohne Vorwarnung, gequält auf, dann knallte es aus Richtung Schnauze und der Wagen soff ab. Er rollte noch einige Meter über die, ausnahmslos gerade, Strecke. Dann, endlich, kam der Wagen zum Stehen. Und begann zu qualmen. „Nein! Verdammte Scheißkarre! Nicht jetzt!“ Murdoc schlug mit den Fäusten auf das Lenkrad ein. Als er feststellte das dies an der gegenwärtigen Situation auch nichts änderte, stieg er aus. Murdoc machte einige große Schritte um den Wagen herum und öffnete die Motorhaube. Beißender Gestank und Qualm schlugen ihm entgegen, sodass seine Augen prompt begannen zu Tränen. Keuchend schlug er die Blechhaube wieder zu. Um dem BMW seinen Ärger noch einmal deutlich zu machen (er schien nämlich nicht auf Flüche und Beschimpfungen zu reagieren) trat Murdoc beherzt gegen den einst silbernen Kühlergrill. Dies jedoch veranlasste das Gefährt lediglich dazu, noch ein wenig mehr zu qualmen. „FUCK!“, schrie er den Wagen an. Der Schrotthaufen ignorierte ihn. Murdoc fuhr sich verärgert mit der rechten Hand durchs Haar. Mit der anderen steckte er sich eine Lucky Strike in den Mundwinkel. Er lehnte sich erschöpft gegen die Beifahrertür. Murdoc starrte auf seine Füße. Er trug seine Lieblingsstiefel. Glänzendes Leder. Schwarz mit silbernen Schnallen. Es waren schöne Schuhe. Mit leichtem Absatz- „Dreckskarre!“ Ein Kratzer! So etwas konnte Murdoc Niccals wütend machen. Sehr wütend. Rache! Es war ein einfacher Handgriff. Genau genommen zwei einfache Handgriffe. Dem Tank ein kleines Leck verpassen und dann das Feuerzeug in die Lache werfen. Niemand könnte ihn sehen. Eine kleine Explosion und Murdoc hätte sich Genugtuung verschafft. Murdoc grinste und ließ seinen kleinen Taschendrachen aufschnappen. Dann drehte er sich um. Dem Satanisten fiel vor Überraschung die, noch nicht einmal angezündete, Zigarette aus dem Mund. Sein Vorhaben hatte er schlagartig vergessen. Er war da! Es waren die Kong Studios. Dies verriet ihm das große, eiserne Tor. Kong Studios. Murdoc machte schnelle Schritte. Ja, er rannte beinahe. Einen Hügel hinauf. Dort lag das Studio. Es hatte etwas von einem Miniatur-Atomkraftwerk. Fand jedenfalls Murdoc. Ein, mit scheinbar wenig Mühe, angelegter Weg führt zum Eingang des Gebäudes. Am Wegrand ragten verdorrte Bäume und alte Grabsteine aus dem braunen Gras. Krähen flatterten auf als Murdoc ein halbverwestes Kaninchen passierte. Cortez würde sich hier mit Sicherheit äußerst Wohl fühlen. Der Artikel hatte nicht zu viel versprochen: Weit und breit kein einziger Nachbar, traumhaft gelegen (zumindest empfand es Murdoc als traumhaft) und noch dazu riesengroß! Das alles sollte er ohne Miete beziehen dürfen? Fast zu schön um wahr zu sein. Als Murdoc die letzten Meter des Hügels hinauf kroch, ja so konnte man es beinahe nennen, da ihm nach den ersten gefühlten dreihundert Schritten (bergauf) die Puste ausgegangen war, erblickte er das Studio in voller Größe. Es wurde von zwei übergroßen Glaskuppeln gesäumt, auf denen sich jeweils ein Blitzableiter befand. Hier scheinbar eine Notwendigkeit, denn über Murdoc sammelten sich bereits die ersten unheilvoll wirkenden Regenwolken. Im nächsten Augenblick grummelte es. Murdoc beeilte sich den Eingang des Studios zu erreichen. Er wurde erwartet. Ein Mann. Klein, wirkte gebrechlich. Sein Haar war ansatzweise grau und die kleinen wässrigen Augen lagen tief in ihren Höhlen. Seine Wangen waren eingefallen. Als er Murdoc auf sich zukommen sah, breitete sich ein entsetzter Ausdruck auf seinem schmalen Gesicht aus. Murdoc stellte sich vor den kleinen Mann. Dieser wich, wie Murdoc zufrieden feststellte, einige Schritte zurück. Es begann zu regnen. Ein greller Blitz zuckte über den Himmel. In diesem kurzen Augenblick der Helligkeit, schien der Mann so blass wie eine Leiche. Ihm sagte Murdocs Anblick scheinbar ebenfalls keineswegs zu. „Murdoc Niccals“, stellte der Satanist sich endlich vor. „Wir haben telefoniert.“ Zumindest glaubte er das. Die Stimme vom Telefonat war dunkel und kräftig und passte nicht zu dem Erscheinungsbild seines Gegenüber. Die mickrige Gestalt von Mann nickte nervös. „Sie werden sich hier sicher wohl fühlen“, quiekte er. Dieser Stimmlage nach zu urteilen war der Mann entweder ein Eunuch, oder litt in diesem Augenblick unter schrecklichen Ängsten. Plötzlich donnerte es lautstark über ihren Köpfen. Die kleine Gestalt zuckte zusammen. Dann schmiss er Murdoc etwas metallenes entgegen. Er fing es problemlos auf. „DIESER ORT IST VERFLUCHT! VERFLUCHT SAG ICH!“, schrie der kleine Mann wie von Sinnen und rannte stolpernd den Hügel hinunter. Murdoc tippte spontan auf schreckliche Ängste. Er wurde zudem das Gefühl nicht los, diesen Kerl nie wieder zu Gesicht zu bekommen. Um so besser! Murdoc wandte sich dem riesigen Betonmonstrum zu. Das war es also. Murdoc betrachtete stolz die rostigen Schlüssel in seinen Händen. Kong Studios. Kapitel 5: Some pink Stuff -------------------------- „… und wenn dem Winnebago oder Cortez irgendetwas passieren, dann schwöre ich dir, wirst du den Augenblick bereuen in dem dich deine, wahrscheinlich genauso hässliche Mutter, auf die diese Welt gepresst hat, Matschbirne!“ Das dürfte wohl deutlich genug gewesen sein. Murdoc klappte selbstzufrieden sein Mobiltelefon zu. Ihm war etwas mulmig zumute, 2D den Wohnwagen ganz allein zu den Kong Studios fahren zu lassen. Auch wenn dieser ihm hundert Mal versichert hatte er besäße einen Führerschein. Schließlich hatte Murdoc, nach wiederholtem Betteln seitens Zombie, nachgegeben und ließ Stuart fahren. Nicht ohne eine Drohung versteht sich. Murdoc durchquerte noch einmal die Lobby. Er war bereits alle Räume des Studios abgelatscht und hatte sich erst fünfundzwanzig Mal selbst erklären müssen, das dies alles nun Sein war, bevor er im Stande war sein Handy zu benutzen. Er betrat den riesigen Aufnahmeraum. Er war komplett möbliert, das Monstrum von Mischpult war grandios erhalten, als wäre gerade gestern jemand hier gewesen um es auf Hochglanz zu polieren. Genauso verhielt es sich auch mit dem Rest des Studios. Die Küche war geräumig und ordentlich, das Kino (ja ein Kino, Murdoc konnte es selber kaum fassen) war sauber und intakt, die Toiletten (vier an der Zahl) waren gereinigt, die Lobby geputzt und frisch tapeziert und das Cafe aufgeräumt. Auch die Tatsache das das Studio ein Cafe besaß ließ Murdocs Freude beinahe überschäumen. Es gab viele leer stehende Räume, auf jeder Etage. Im Erdgeschoss sowie in der ersten Etage und sogar im Keller. Als Murdoc sich dort umgesehen hatte war ihm eine eiserne Tür aufgefallen. Sie war verschmutzt und beklebt. Sie trug ein Schild mit der Aufschrift Hell Hole. Murdoc hatte es zuerst für einen schlechten Witz gehalten, doch als er die, ebenfalls aus Eisen bestehende Klinke, hatte hinunter drücken wollen, verbrannte er sich das Fleisch der Handfläche. Nach diesem kleinen Vorfall nahm er sich vor, die verschlossene Tür, auch von außen zu verbarrikadieren. Murdoc legte jetzt neugierig einen kleinen, roten Hebel am Mischpult um. Zuerst geschah nichts, doch plötzlich zerriss ein ohrenbetäubendes Fiepen die Stille. Murdoc schlug sich die Hände auf die Ohren und versetzte den vermeintlich harmlosen Hebel, mit dem Fuß, zurück in seinen ursprünglichen Zustand. Seufzend ließ er die Hände wieder sinken. Er würde wohl jemanden brauchen der sich mit so etwas auskannte. Und vielleicht einen Arzt, der sein Trommelfell wieder in Ordnung brachte. Murdoc sah auf die Uhr. Er fragte sich ob das Blödchen es wohl schon geschafft hatte den Parkplatz zu erreichen. Es war kurz vor acht. Die beinahe schwarzen Regenwolken hielten den Himmel bereits seit Stunden verdunkelt, sodass Murdoc jegliches Zeitgefühl verloren hätte, besäße er nicht seine überteuerte Rolex. Natürlich in silber, passend zu Schuhschnallen und Totenkopfhandyanhänger. Murdoc eilte hinaus auf den Parkplatz. Jedenfalls hatte er das vor. Der Satanist verlief sich genau sieben Mal und musste von der Lobby aus, ständig neue Anläufe starten. Beim siebten und, wie bereits erwähnt, letzten Versuch ohne Erfolg, rannte er schnurstracks gegen eine unsichtbare Mauer. Diese Mauer stellte sich jedoch, bei näherer Betrachtung, als gewischte Glasscheibe heraus. Er würde 2D einfach weiß machen, er hätte gegen einen blutrünstigen, Feuer spuckenden Zombie gekämpft, bei dem Versuch die Schlüssel des Kongs zu ergattern. Das würde wenigstens auch die verbrannte Hand erklären. Endlich trat Murdoc auf dem weiten Parkplatz hinaus. Eine kalte Brise umwehte sein Gesicht und kroch unter seinen Mantel. Schnell zog er den Ledergürtel enger und vergrub die Hände in den Taschen. Glücklicher Weise war der Platz überdacht, sodass er wenigstens ein Mal vom eisigen Regen verschont blieb. Plötzlich ertönte ein alt vertrautes Geräusch hinter ihm. Murdoc drehte sich um und wurde prompt von zwei grellen Scheinwerfern geblendet. Der Winnebago brauste durch den Regen auf ihn zu. Murdoc schüttelte lächelnd den Kopf. 2D hatte es doch tatsächlich geschafft. Er tat einen Schritt zur Seite, um dem Wohnwagen den Weg zum Parkplatz frei zu machen. Doch dieser machte keine Anstalten das Tempo zu drosseln oder gar zu bremsen. Murdoc riss die Augen auf. Er versuchte 2D durch Handzeichen klar zu machen, er solle langsamer fahren. Dies erwies sich jedoch als äußerst schwierig, da er ihn durch die nasse Windschutzscheibe nicht ausmachen konnte. „DIE BREMSE!“, schrie er also. Der Wagen reagierte nicht. Murdoc kniff die Augen zu. Wie erstarrt duckte er sich hinter seinen erhobenen Armen, als würde ihn dies schützen. Murdoc biss sich auf die Unterlippe und wartete auf den tödlichen Zusammenstoß. Reifen quietschten, Regen prasselte. Nun sah Murdoc Niccals zum dritten Mal in seinem Leben dem Ende entgegen. Und das alles innerhalb eines Monats. Lauf weg, befahl eine Stimme in seinem Kopf. Murdoc konnte sich nicht bewegen, er schien festgefroren. LAUF WEG! Dann ertönte ein lauter Knall. Allerdings war es eine andere Art von Knall, als der, auf den Murdoc gewartet hatte. „Muds?!“ Murdoc öffnete vorsichtig ein Auge. Sein Winnebago war, nach einer Vollbremsung, etwa eine Daumenlänge weit vor Murdocs Nase zum Stehen gekommen. Der Satanist brauchte erst einmal einen Augenblick um sich wieder zu sammeln, bevor er wieder eine enspannte Haltung annehmen konnte. „Muds? Ist alles in Ordnung?“ Murdoc wandte sich 2D zu. Er stand direkt neben ihm und hatte einen leicht besorgten Gesichtsausdruck aufgelegt. Cortez schlummerte friedlich in dem blauen Nest auf Stuarts Kopf. „Äh, ja! Natürlich, was fragst du denn so blöd, he?“ Murdoc hatte sich von dem kleinen Schock erstaunlich schnell wieder erholt. „Gut“, grinste Stu. „Guck mal ich hab es geschafft! Nicht ein Kratzer!“ Stolz deutete 2D auf den Winnebago. Dann zögerte er plötzlich. „Allerdings gibt es da ein anderes Problem…“, begann er. Murdoc hob eine Braue. Er ballte vorsorglich schon einmal die rechte Hand zu einer Faust. „Jaaah? Sprich dich nur aus“, forderte er. „Ich, ähem… Habe Cortez schon lange nicht mehr gesehen…!“ Murdoc verdrehte die Augen und griff über Stuarts Kopf, um Cortez an sich zu nehmen. Der Rabe krächzte glücklich, hüpfte auf Murdocs Schulter und vergrub wieder den Kopf unter einer seiner großen Schwingen, um weiter zu dösen. „Ah!“ 2D fasste sich auf den Kopf. „Hab ich gar nicht gemerkt!… Sag mal Murdoc was ist eigentlich mit deiner Hand passiert, voll rot… Und deine Nase?“ „Die Schlüssel für das Studio hingen am Rücken eines riesigen Killerzombies der mich mit einer Fackel angegriffen hat. Ich konnte ihn aber nach einem stundenlangen Kampf, mit einem Karatekick besiegen und habe ihn auf dem Hügel dort hinten verbrannt“, erklärte Murdoc. Die Sache mit dem Feuer spucken hatte er dann doch lieber umgeändert, es sollte ja möglichst authentisch klingen! 2D machte große Augen. „Echt? Ist ja cool!“ „Tja, da kannste mal sehen.“ „Murdoc?“ „Was ist denn jetzt schon wieder?!“ Genervt ließ der Satanist die Zeitung sinken. Er löste nur unfreiwillig die Augen von dem Artikel. Dieser verkündete nämlich, eine Hip Hop Legende aus New York, befände sich gerade in England, wie er hieß, warum, und wo genau er sich hier aufhielt hatte Murdoc bisher nicht herausfinden können, da eine gewisse blauhaarige Person ununterbrochen hirnlose Fragen stellte. Hätte Murdoc im Moment die Kraft dazu gehabt oder zumindest keine dröhnenden Kopfschmerzen, wäre Stu bereits nach Frage siebzehn in hohem Bogen aus dem Fenster geflogen. Murdoc warf Stu-Pot einen verärgerten Blick zu und schluckte eine Hand voll Aspirin. Er hätte es gestern besser bei zwei SixPack Bier belassen sollen. „Warum ist das Kreuz falsch rum?“, fragte Stu und zeigte neugierig auf Murdocs Brust. „Weil mein Juwelier blind und taub war und keine Hände hatte, deshalb. Hältst du jetzt endlich mal die Klappe?!“ „Der arme Mann!“, sagte Stuart. Er schien ernsthaft entsetzt. Murdoc atmete einmal tief durch, dann wandte er sich wieder seiner Zeitung zu. Russel Hobbs, also… „Murdoc?“ „WAS?!“ Stu-Pot zuckte zusammen. „Was willst du?!“, fragte der Satanist und funkelte über das Blatt hinweg in 2D`s Richtung. Stu kratzte sich verwirrt am Kopf. „Mhm… Jetzt hab ich es vergessen!“ „Das reicht!“ Murdoc sprang auf, ignorierte dabei seinen protestierenden Schädel und packte 2D am Kragen seines pinken T-Shirts. Dann schleifte er ihn auf den Flur. Stu ließ sich widerstandslos in eine dunkle Ecke, nahe der Toiletten setzen. „So! Und hier bleibst du!“ Stuart rührte sich nicht und nickte nur, mit schuldbewusstem Gesicht. Murdoc ging zurück in die Studioküche und machte sich schnellen Schrittes auf den Weg zum Waschbecken. Wie konnte ein Mann bloß pinke T-Shirts tragen? Entweder war Stuart nach den Unfällen schwul geworden, oder farbenblind, oder er hatte einfach nur einen grauenhaften Geschmack. Murdoc hoffte inständig das er Möglichkeit 1 streichen konnte. Der Satanist war sich bewusst das sein Unterfangen sinnlos war, da lediglich eine Chance von eins zu neunundneunzig Komma neun, neun Millionen bestand, das sich seine Hände, nach dem Kontakt mit der rosa-roten Faser pink färbten, aber sicher war nun einmal sicher. Murdoc trocknete seine Hände an seiner schwarzen Jeanshose und setzte sich wieder. Natürlich blieb seine Tat nicht folgenlos und er wurde sofort mit einem schrecklichen Ziehen in der Schläfe bestraft. Murdoc glättete rasch die Zeitung und beugte sich vornüber. Es kostete ihn viel Anstrengung, um jedes Wort klar zu erkennen. Schießerei… Blah blah… Viele Tote… Blah blah… Russel Hobbs einziger Überlebender… Blah blah… Amerikanischer Hip Hop Star, ein Ein-Mann-Rhythmus König… Bingo! Ein Maestro in Sachen Hip Hop… Der Gott des Schlagzeugs… Einer der wenigen Männer die noch etwas von ihrer Arbeit verstehen… Die Medien schienen geradezu begeistert von diesem Russel Hobbs zu sein. …Mr Hobbs wird für die nächsten paar Monate, zu seiner eigenen Sicherheit, in einem Laden, namens Big Rick Black`s Record Shack, inmitten Londons, unterkommen und aushelfen… Murdoc drehte die Zeitung um und betrachtete das große schwarzweiß Foto vom „Hip Hop Maestro“. Ein stabil gebauter Schwarzer mit teurer Marken-Cap, grinsend inmitten einer Gang aus anderen Hip Hop verrückten Männern. Murdoc lächelte verschmitzt. „Es wird mir eine Ehre sein Sie bald in meiner Band begrüßen zu dürfen Mr Russel Hobbs… Ob Sie nun wollen, oder nicht…“ Kapitel 6: Waking the Slumbering Giant -------------------------------------- Murdoc Niccals hob den Kopf. Er musterte kurz das kleine Geschäft mit Namen Big Rick Black`s Record Shack. Die Schaufenster waren zugekleistert mit Covers von diversen Platten und Werbung für Musikinstrumente. Auch die Tür strotzte vor Stickern, sodass es fast unmöglich war einen Blick durch die verstaubten kleinen Fenster zu werfen. Einige Kartons zierten die Stufen des Eingangs. Ein schäbiges, mickriges Haus in einem der verlassensten Teile Londons. Murdoc war der einzige Passant im Umfeld von drei Kilometern. So kam es ihm zumindest vor. Es wunderte ihn, das die derzeitige Unterkunft der New Yorker Legende nicht von Paparazzi umzingelt worden war. Ihm sollte es nur recht sein. Murdoc erklomm die brüchigen Stufen des Record Shack. Er blieb einen Augenblick vor der beklebten Holztür stehen. Seine Hand wanderte an den Gürtel seiner Hose. Sehr gut. Der Jutesack war da. Schnüre? Auch da. Er griff in seine Hosentasche. Das Taschenmesser auch. Dies war jedoch nur für aller größten Notfall. Murdoc holte tief Luft. Auch wenn man es nicht unbedingt vermuten würde: Dies sollte die erste Entführung seines Lebens sein. Natürlich würde er es allein durchziehen. Murdoc konnte sich lebhaft vorstellen wie der Zombie einen riesigen Amerikaner entführen würde. Entschuldigen sie Mr Hobbs, Sir, aber wir würden sie sich bitte diese Plastiktüte über den Kopf ziehen? Wie wollen sie nämlich kidnappen, wissen sie? Murdoc grinste. Ja, Plastiktüte ist gut. Wäre 2D Murdocs Helferlein, würde Russel Hobbs während der Heimfahrt entweder an Sauerstoffmangel sterben oder auf halber Strecke freiwillig aus dem Fenster springen. Der Satanist versuchte wieder einen ernsteren Ausdruck aufzulegen. Dann drückte er die rostige Türklinke herunter. Das helle Läuten zweier Glöckchen verkündete Murdocs Eintreten. Der Shop war genauso winzig wie er von außen aussah. Staubkörnchen tanzten im fahlen Sonnenlicht, welches zwischen den vielen Postern hinein fiel. Noch dazu war er voll gestopft mit Regalen die vor Platten geradezu überliefen. Murdoc zwängte sich zwischen Bee Gees und Rolling Stones vorbei in Richtung Tresen. Seine Stiefel pochten stumpf auf den hölzernen Bodenbrettern. Hinter dem dunklen Tresen befand sich eine weitere Sammlungen prähistorischer Bands. Murdoc läutete die verstaubte Klingel. Erst als der schrille Ton verklungen war, ertönten dumpfe Schritte über Murdocs Kopf. Die Schritte näherten sich und wurden zunehmend lauter. Auf der Treppe waren sie schließlich zu einem regelrechten Poltern mutiert. Musste ja wirklich ein unglaublicher Schrank sein, dieser Russel Hobbs. Murdoc wurde nicht enttäuscht. Der New Yorker betrat den kleinen Shop. Wie auch auf dem Foto der Zeitung trug der Drumking weite Kleidung im Hip Hop-Stil. Diese verdeckten jedoch nicht die unfassbare Masse seines Körpers. Murdoc hoffte inständig das dies alles Fett war, und keine Muskeln. Das könnte sein Vorhaben nämlich etwas erschweren. Russel Hobbs stellte sich hinter den Tresen. Etwas war anders an ihm, als auf dem alten schwarzweiß Bild. Es war das Gesicht des Schwarzen. Er lächelte nicht. Er sah krank aus. Irgendwie mitgenommen. Als hätte ihn vor kurzem ein schwerer Schicksalsschlag getroffen. Murdoc erinnerte sich. Es war von einer Schießerei die Rede gewesen. Russel Hobbs einziger Überlebender… „Kann ich Ihnen helfen?“, fragte der New Yorker. Er hatte eine tiefe, summendes Stimme. Sie erinnerte Murdoc ein wenig an seinen Bass. Murdoc nickte. Mehr als du denkst mein Freund. „Ich suche eine Platte aus den Fünfzigern. Vielleicht Metal?“ Ursprünglich hatte er an eine Platte aus den Achtzigern gedacht, doch er befürchtete so eine Neuheit hier wohl nicht zu finden. Im Grunde war es ja eigentlich auch egal. Er war ja nicht hier um einzukaufen. Russel Hobbs setzte die teure Cap, die seine Augen verdunkelt hatte, ab und legte sie neben die Kasse. Murdoc stutzte. Die Augen des Amerikaners waren leer. Er hatte keine Pupillen. Sie waren weiß. Milchigweiß. Er würde für die Band eine großartige Ergänzung sein. Ein blauhaariger Trottel mit schwarzen Augen und ein haarloser Schwarzer mit weißen Augen. Warum auch nicht? Der New Yorker kratzte sich kurz am Kopf und hob eine Braue, was die tiefen Sorgenfalten auf seiner Stirn noch etwas stärker betonte. „So etwas haben wir glaube ich da hinten…“, murmelte er und drehte Murdoc den Rücken zu. Das war der Moment auf den der Satanist gewartet hatte! Murdoc packte blitzschnell den Jutesack und schwang sich über den Tresen auf den Rücken von Russel Hobbs. In Windeseile stülpte er dem Giganten den Sack über den Kopf, griff dann nach den Schnüren und knebelte seine Hände. Der Schwarze wehrte sich nicht. Nein, er leistete nicht den geringsten Widerstand. Murdoc ließ von Russel Hobbs ab und stellte sich vor ihn. „Fertig?“, fragte der New Yorker seufzend. Seine Stimme wurde auf Grund des Sackes etwas gedämpft. „Ja, eigentlich schon“, antwortete Murdoc fast ein wenig verwundert. „Schön, dann können wir ja endlich verschwinden!“ „Muss hier ja richtig klasse sein“, sagte Murdoc sarkastisch. Russel Hobbs zuckte nur mit den Schultern. Murdoc schüttelte belustigt den Kopf. Der Satanist befreite den New Yorker von Jutesack und Fesseln und nickte. „Ja, eine Band… Wie schon gesagt fehlen mir nur noch ein Drummer und ein Gitarrist.“ Russel Hobbs rieb sich die Handgelenke und wandte sich an Murdoc. Er machte keine Anstalten sich in irgendeiner Weise zu rächen. Er schien auch nicht sauer, nur neugierig. „Und da haben Sie gleich an mich gedacht?“ Murdoc antwortete nicht, sondern hielt dem Amerikaner lediglich die Zeitung vor die breite Nase. „Klang viel versprechend“, meinte Murdoc dann achselzuckend und setzte sich an den großen Küchentisch. Russel Hobbs tat es ihm Gleich. Das Gesicht des Drummers verdunkelte sich als er das große Foto betrachtete. „Und?“, fragte Murdoc. „Nun…“ Russel Hobbs legte die Zeitung beiseite, dabei schien er darauf zu achten, das Bild zu verdecken. „Ich wäre froh wenn ich einmal den Namen meines werten Entführers erfahren könnte und…“, der Drummer sah sich um, „vielleicht den Rest der Band kennen lernen dürfte.“ Diesen Augenblick hatte Murdoc unbedingt vermeiden wollen. Er war sich im Klaren das Russel Hobbs 2D eines grauenhaften Tages einmal würde kennen lernen müssen… Obwohl, vielleicht könnte er es ja irgendwie schaffen, das sie sich niemals trafen, schließlich waren die Kong Studios ziemlich groß. Er würde sie einfach abwechselnd im Aufnahmeraum spielen lassen und- Nein, nein!, unterbrach Murdoc seine begnadeten Gedankengänge, Augen zu und durch! „Natürlich“, sagte er an Mr Hobbs gewandt. „Ich bin Murdoc, Murdoc Niccals… Und der Rest der Band…“ Murdoc hielt inne. Ja, wo war denn der Rest der Band? „Einen Augenblick! Nicht weglaufen!“ Murdoc hatte eine gewisse Ahnung wo der Zombie sich aufhielt. Er bog rasch um die Ecke und lief in Richtung Toiletten. Und tatsächlich! 2D war an exakt dem Platz, auf den Murdoc ihn gestern Abend gesetzt hatte. Mittlerweile müssten fast mehr als zwölf Stunden vergangen sein. Murdoc stieß den schlafenden Stuart mit dem Fuß an, wie einen verlausten Penner am Straßenrand. „Hey, D!“ Stuart stöhnte auf als Murdoc ihn besonders hart in die Rippen trat. Dann rappelte er sich etwas auf. Als er Murdoc erkannte, bereitete sich ein Grinsen in seinem Gesicht aus. „Muds! Du bist wieder da! Ein Glück, ich muss dringend mal wo hin!“ Murdoc hob eine Braue und schaute von der Toilettentür zu Stuart. „Du sitzt doch direkt daneben…“ „Du hast gesagt ich soll hier bleiben“, murmelte Stu. „Da ist was dran… Dann geh pinkeln, aber beeil dich! Wir haben Besuch.“ Stuart sprang auf und stolperte durch die Tür. „Wer ist es denn?“, rief Stu fragend. „Beeil dich einfach und hol dein Keyboard! In fünf Minuten im Aufnahmeraum, verstanden?!“ „It's a sweet sensation, over the dub Oh, what a situation, that don't want to stop It's the drugstore soul boy, over the dub With the sweetest inspiration, we don't want to stop 'Cause it's money I stole It's a sweet sensation, over the dub Oh, what a situation, that don't want to stop It's the drugstore soul boy, over the dub With the sweetest inspiration, we don't want to stop It's the money I stole Bum bum bum bum bum bum bum..... Bum bum bum bum bum bum …“ „2D, es reicht…“ „… Bum bum bum-“ „2D! WIRKLICH ES REICHT!“, schrie Murdoc. Stuart rutschte erschrocken an den Tasten seines Keyboards ab und knallte mit dem Kinn auf den Lautsprecher des Gerätes. „Au!“ Murdoc schüttelte mitleidig den Kopf. Er stellte seine Bass-Gitarre zurück an ihren Platz und sah dann Russel Hobbs an. Dieser saß hinter der Glasscheibe und hatte die beiden ruhig beobachtet. Seine Augen waren nun geschlossen. Er legte kurz ein paar Schalter am Mischpult um. Dann setzte er die Kopfhörer ab und griff nach dem Mikrophon, das es ihm ermöglichte mit Murdoc und 2D zu sprechen. Er räusperte sich. „Ich…“ Murdoc wartete gespannt. „…trete liebend gerne bei!“ Der Satanist grinste. Einfach großartig! Murdocs Traum begann Farbe anzunehmen! „Allerdings nur unter einer Bedingung“, setzte Russel an. Murdoc blickte fragend. „… Dieser 2D soll sich von meinen Drums fern halten.“ Murdoc lachte und auch der New Yorker lächelte ihm entgegen. „Ich denke das lässt sich machen!“, sagte Murdoc. „Nun fehlt nur noch eines: Ein Gitarrist!“ 2D rieb sich das verletzte Kinn und trat dann neben Murdoc. „Muds? Ich glaube ich kenn da jemanden…“ Kapitel 7: Unfaithfully (?) --------------------------- Stuart arbeitete in einem Musikgeschäft in Crawley, seinem Geburtsort. Anfangs hatte Murdoc sich noch dazu erweichen lassen 2D dort hin zu fahren. Irgendwann zwischen dem ersten oder sechsundzwanzigsten Oktober, jedoch, hatte der Satanist den Sänger auf einer einsamen Landstraße ausgesetzt, da dieser es wieder einmal irgendwie geschafft hatte Murdocs (neuen) Laptop zu vernichten. 2D hatte beinahe zwei Tage gebraucht um wieder zurück zum Kong zu finden. Russel war von Murdocs Aktion nicht sonderlich begeistert gewesen, da Stuart sich auf seinem Fußmarsch eine Lungenentzündung eingefangen hatte. Nach etwa einer weiteren Woche, in der der Sänger die Krankheit hatte im Bett auskurieren müssen, besorgte er sich einen Motorroller und konnte ab sofort auf Murdocs Herumkutschiere verzichten. Was diesem nur recht war. Eines wundervollen Tages, hatte Stu-Pot sich sogar wieder daran erinnert der Band eine Person vorzustellen, die seines Erachtens nach, als Gitarrist geeignet war. Dies allerdings erst, nachdem Murdoc 2D, zur Erinnerung, mit Edding Gitarrist auf die Stirn hatte schreiben müssen. Es war der 3. November des Jahres 1997. Dies verkündete Murdoc das kleine Blättchen seines Taschenkalenders. Der Satanist stieg aus dem Bett. Es war Montag. Arbeitstag. Zumindest für einen von ihnen. Murdoc sah auf die leuchtend roten Ziffern seines Weckers. Es war eigentlich noch viel zu früh um aufzustehen. Der Satanist hatte es sich in den letzten Monaten angewöhnt gegen 14 Uhr zu frühstücken. Nun war es 11. Murdoc gähnte herzhaft und quälte sich dann in das Bad seines Winnebagos. Er schlief nicht im Kong. Er aß dort und probte Songs. Vielleicht trank er mal etwas, zusammen mit Russel. Das war es auch schon. Russel hatte sich verändert. Es schien ihm besser zu gehen. Er sah gesünder aus. Und aß mehr. Vielleicht manchmal sogar etwas zu viel. Um so glücklicher ich bin, umso mehr esse ich, hatte er einmal gesagt. Na, dann pass auf das du nicht vor Glück platzt! Dieser Spruch hatte Murdoc einen blauen Fleck unterhalb der Rippen eingebracht. Russel war nicht nur unglaublich „stabil“, nein, er war auch unerwartet kräftig. Und übrigens hatte sich der New Yorker ein neues Hobby zugelegt: Tiere basteln. Jawohl, Russel Hobbs nähte Tag für Tag gefundene Tierkadaver zusammen. Neulich hatte seine, scheinbar grenzenlose Fantasie, eine besonders imposante Mischung aus Kaninchen, Hund, Marder, Schwan und Wildschwein hervorgebracht. Russel war so stolz auf dieses Werk gewesen, das es ab sofort die Wand der großen Lobby schmücken durfte. Ohne auf jeden Protest der anderen Bandmitglieder zu achten, versteht sich. Murdoc kannte zwar selbst die Freuden des Sadismus und hatte sich auch Anfangs für die Arbeit des New Yorkers interessiert, doch nachdem dieser einmal versucht hatte Cortez zu fangen und auszustopfen, war für Murdoc der Spaß vorbei gewesen. Tote Raben waren im Kong seitdem auch absolutes Tabu. Tote Krähen waren erlaubt. Cortez hatte sich mittlerweile von dem Schock erholt. Er schlummerte gerade tief und fest auf dem Schrank des Satanisten. Murdoc warf ihm einen, beinahe liebevollen, Blick zu und schälte sich aus seiner alten Jeans. Dann passierte das Unglaubliche: Murdoc stellte sich unter die Dusche! Der Grund das dies so unglaublich war, war das Murdoc Niccals seit, sage und schreibe, drei Monaten nicht mehr geduscht hatte! Natürlich wusch er sich jeden zweiten Tag am Waschbecken und die Haare wurden auch nie vernachlässigt, doch man musste es sich nur einmal vorstellen: Drei Monate duschfrei! Murdoc fragte sich für einen Augenblick ob er wohl einen Eintrag ins Guiness-Buch der Rekorde erhielte, würde er dies beweisen können. Er würde es mit Sicherheit auch länger aushalten als drei Monate. Warum er dann jetzt duschte? Nun ja, wie schon erwähnt, hatte sich 2D endlich wieder daran erinnert ihnen jemanden vorzustellen. Diesen Jemand wollte er heute nach der Arbeit mitbringen. Dieser Jemand hatte auch bereits zugesagt, was glücklicher Weise verhinderte das Stu-Pot es ein weiteres Mal vergessen konnte. Murdoc hatte keine Ahnung wer der Kerl war. 2D hatte nichts erzählt. Es sollte eine Überraschung sein. Murdoc mochte keine Überraschungen. Der Satanist stellte den Wasserhahn wieder ab. Er hatte doch tatsächlich geschlagene zwei Minuten unter laufendem Wasser gestanden. Was für eine Verschwendung. Murdoc trocknete sich rasch ab und schlüpfte dann wieder zurück in die alte Jeans. Sich jetzt auch noch neu einzukleiden, wäre wirklich zu viel des Guten gewesen, fand er. Die Frauen hatten sich bisher auch nicht über Gestank oder solche Dinge beschwert. Frauen. Murdoc seufzte. Es kam wirklich nur selten vor das junge Damen zufällig einen Fuß auf das Grundstück des Kong setzten. Genau genommen kam es nie vor. Murdoc wäre schon vor langem wieder in die Stadt gefahren und hätte sich ein Mädchen gesucht um seinen Hunger zu stillen, doch 90 % der Damen rannten kreischend davon wenn sie das Studio erblickten. Die 10 % die nicht davon liefen, fielen in Ohnmacht. Zu einem der auserkorenen Frauen zu fahren kam nicht in Frage. Wie sah es denn aus wenn ein gut gebauter Mann Anfang Dreißig eine Frau aufriss und sie dann noch nicht einmal abschleppen konnte? Und das Bordell? Nein, so verzweifelt war er dann doch nicht. Der Satanist seufzte noch einmal. Dann machte er sich auf den Weg in die Küche. Russel saß hinter seinem gewöhnlichen Frühstücksberg und stopfte alles fröhlich in sich hinein. Er begrüßte Murdoc mit einem schmatzenden “Habbo Mubs“ und machte sich dann über einen unnatürlichgroßen Dounat her. Bei dem bloßen Anblick drehte sich Murdoc der Magen um. Er goss sich eine Tasse Kaffee ein und setzte sich vor Russel. “Gag ma Mubs, wabb ib dab eibenblig onben- “ “Russ! Wie wär’s mit Schlucken? Ich versteh kein Wort von dem was du da von dir gibst! Außerdem hast du in meinen Kaffe gespuckt…” Murdoc fischte angeekelt einen aufgeweichten Teigbrocken aus seiner Tasse. Der Drummer kratzte sich am Kopf und machte dann eine eigenartige Verrenkung mit dem Hals, was Murdoc doch tatsächlich als Schlucken deuten konnte. “Entschuldige… Ich wollte sagen: was ist das eigentlich unten? Diese verriegelte Tür…?” Murdoc zuckte mit den Achseln. “Die mit dem Schild? Hell Hole…? Als ich versucht habe das verdammte Ding zu öffnen habe ich mir die Hand verbrand”, Murdoc zeigte Russel die vernarbte Innenfläche seiner rechten Hand, “Also hab ich sie einfach zugenagelt.” “Aha.” “Der Vorbesitzer hat behauptet das Studio hier sei verflucht.” Murdoc schnaubte. Und auch Russel hob ungläubig eine Braue. Der Satanist zeigte dem davon gelaufenem Mann noch einmal nachträglich den Vogel. Für Murdoc war klar: Der Vorbesitzer war eindeutig krank gewesen. Psychisch krank. Für den Satanisten war das Studio bis jetzt ein reiner Glücksfall gewesen. Abgesehen von diesem eigenartigen Raum und der Tatsache das kein weibliches Wesen dieses Grundstück betrat, natürlich. Plötzlich ertönte außerhalb der Küche ein lauter Knall gefolgt von einem Scheppern. Im nächsten Augenblick knallte es ein zweites Mal, dann schrie jemand. “2D ist wieder da”, stellte Murdoc nüchtern fest. Russel nickte grinsend und stopfte sich noch eilends ein ganzes Croissant in den Hals. “Bin gespannt was der uns hier für `ne Gestalt anschleppt.” Murdoc sollte nicht lange auf die Folter gespannt werden. In der nächsten Sekunde flog die Tür der Küche so schwungvoll auf, das sie prompt gegen das Regal an der Wand knallte und etwa einen Kilo Salz auf den Fliesen verteilte. “Uups!” Murdoc konnte nur immer wieder den Kopf schütteln. Stu-Pot stand über dem kleinen Haufen weißer Körnchen und starrte es, am Kopf kratzend, an. “Willst du das Salz hypnotisieren, oder fegst du das jetzt endlich weg?!” 2D blickte kurz zu Murdoc, dann blinzelte er und grinste. “Jah gleich, ich muss euch erst jemanden vorstellen!” Stuart stellte sich in den Türrahmen und schielte um die Ecke. “Kommst du?”, rief er. “Jahaa!”, war die Antwort. Murdoc starrte Russel an. Dieser erwiderte stumm seinen Blick, er war scheinbar genauso verwirrt. Diese Stimme. Es war nicht die Stimme eines Mannes. Sie war zu hell. Es war die Stimme einer Frau! Eine Frau? Hier im Kong? Sah ganz danach aus. 2D drehte sich, immer noch grinsend, wieder um. Und tatsächlich hatte er nun eine junge Frau an der Hand. Sie könnte gleichen Alters sein wie Stuart. Also Anfang zwanzig. Ihr Haar war schwarz und mit Gel bearbeitet, etwa schulterlang. Sie war sehr schlank. Besser gesagt sie war dünn. Ihre blasse Haut bildete einen starken Kontrast zu der schwarzen Bluse die sie trug. Ihre Lippen waren von dem selben leuchtenden rot wie ihre Hose. Über ihren Lippen zierte ein Leberfleck ihr Gesicht. Er sah irgendwie falsch aus. Wie aufgemalt. Die Augen der jungen Frau waren sehr dunkel. Vielleicht braun. Sie trug Pumps mit hohem Absatz, trotzdem war sie etwas kleiner als 2D. Murdoc hätte sie nicht in die Kategorie schön eingestuft. Durchaus akzeptabel, aber nicht schön. “Leute, das ist Paula!”, verkündete Stu-Pot. Für einen kurzen Augenblick sagte niemand etwas. Stattdessen geschah etwas anderes, folgenschweres: Paula erblickte Murdoc! Auf dem Gesicht der jungen Frau breitete sich ein erstaunter Ausdruck aus. Das Erstaunen verwandelte sich in Verlegenheit. Die Verlegenheit verwandelte sich in… Vorfreude. Murdoc wusste nicht so recht was er davon halten sollte. Vorfreude. “Hi”, begrüßte sie Paula. Murdoc fand, ihre Stimme klang überheblich und irgendwie selbstverliebt. Ja, so etwas konnte Murdoc Niccals aus einem einfachen Hi heraushören. Der Satanist stand auf und nickte ihr zu. “Deine Freundin?”, fragte er an Stuart gewandt. 2D nickte eifrig. “Jaha, meine feste Freu-” “Seine Freundin! Einfach nur Freundin”, wurde er rasch von Paula unterbrochen. Murdoc hob eine Braue. Stu-Pot reagierte gar nicht auf diesen regelrechten Schlag ins Gesicht. Er präsentierte einfach weiterhin auf dämlichste Art, seine Zahnlücke. Die Frauenkenntnis des Satanisten erlaubten es ihm zu erkennen, das dieser Frau rein gar nichts an Stuart Pot lag. “Ich bin Paula Cracker, freut mich!”, sagte sie und hielt Murdoc ihren Handrücken vor die Nase. So etwas aufdringliches! Trotzdem ergriff Murdoc ihre Hand und küsste sie. “Die Freude ist ganz meinerseits”, knurrte er. Paula legte, zufrieden lächelnd, den Kopf schief. Murdoc ließ ihre Hand wieder sinken. “So”, sagte er, “du spielst also Gitarre, ja?” “Exakt.” “Würde es der Dame etwas ausmachen mir eine Kostprobe ihres musikalischen Talentes zu geben?”, fragte der Satanist übertrieben höflich. “Mhm… würde es nicht. Ich könnte dir auch liebend gern, eine Kostprobe von einem anderen meiner vielen Talente geben…”, schnurrte sie und machte auf dem Absatz kehrt. 2D dackelte hinter ihr her wie ein braves Schoßhündchen. Was für ein treudoofer, naiver Idiot. Russel, welcher das Schauspiel bisher nur stumm beobachtet hatte, stand nun auf und trat neben Murdoc. “Was war das?!” Der Satanist zuckte lediglich mit den Schultern, dann folgte er Paula und 2D. Kapitel 8: Brainless Monkey --------------------------- Der Nachmittag dieses Tages war recht unspektakulär verlaufen. Sein bescheidener Höhepunkt war es gewesen, 2D dabei zuzusehen wie er hypnotisiertes Salz auffegte. Murdoc beobachtete die kleinen Wellen in seinem Kaffee. Stuart startete ständig einen neuen Versuch seinen Teller auf einem Teelöffel zu balancieren. Natürlich hatte der Teller bisher nie länger als 0.001 Sekunde auf dem Löffelrand verharrt und deshalb auch jedes Mal Bekanntschaft mit der Tischplatte gemacht, was wiederum die Unruhe von Murdocs Kaffee erklärte. Er ärgerte sich zwar über Stuarts Talent seine mangelnde Intelligenz immer wieder aufs Neue unter Beweis zu stellen (daran würde er sich wohl auch niemals gewöhnen), sagte aber nichts. Niemand sagte etwas. Es herrschte eine seltsame Stimmung am Tisch. “Also”, brach Paula plötzlich das Schweigen, “das heißt dann das wir jetzt komplett sind, ja?” Paula hatte am gestrigen Abend vorgespielt. Sie spielte gut… Nicht so gut wie Murdoc es sich vorgestellt hatte, aber gut genug um aufgenommen zu werden. Sie braucht einfach noch ein bisschen Übung, hatte Russel optimistisch bemerkt. “Sieht so aus.” “Und das heißt das wir jetzt eine richtige Band sind, ja?” “Sieht so aus”, wiederholte Murdoc. Ja, sie waren prinzipiell gesehen nun eine richtige Band. Doch irgendetwas stimmte nicht. Es fehlte etwas. Das letzte Puzzleteil. An irgendeiner unauffindbaren Stelle klaffte ein tiefes Loch. Murdoc wusste nicht was es war. Das beunruhigte ihn. Dem Rest schien es nicht anders zu ergehen. 2D und Russel schwiegen weiterhin betreten. Nur Paula wagte es den Mund aufzumachen. “Haben wir eigentlich einen Namen?” Murdoc sah von seinem rumorenden Kaffee auf. “Einen Namen?” “Einen Namen”, bestätigte sie. “Wir haben keinen Namen.” Es war mehr ein verwunderter Ausruf als eine Aussage. Murdoc lehnte sich zurück und blickte 2D sowie Russel fragend an. Beide schauten ratlos zurück. “Na dann mal her mit den Vorschlägen”, forderte der Satanist. Schweigen. Minutenlanges Schweigen. Stu-Pot hatte sogar seinen sinnlosen Balanceakt eingestellt. “Mmmhhmm… Wie wär’s mit… Armee der Zombies?” Alle Augen waren auf 2D gerichtet. Was? “Zombie trifft leider nur auf einen von uns zu!“, bemerkte Murdoc. Paula tätschelte grinsend die Hand des verwirrten 2D. “Andere Ideen? Vielleicht ein bisschen weniger peinliche?” Die nächsten zwei Stunden waren ein Kampf. Ein quälender Kampf, den Murdoc mit sich selbst kämpfte, um ihm nicht an die Gurgel zu springen und zu erwürgen. 2D wagte es, nach seinem letzten Griff ins Klo, doch tatsächlich noch solche Vorschläge wie Bloodsucking Zombies from outer Kong, Drei Männer und ein Mädchen (Murdoc hatte es insgeheim in Zwei Männer, ein Volldepp und ein Mädchen umgedichtet) oder Kill Pill zu machen. Nur um ein paar zu nennen. Die anderen hatten unglücklicher Weise ebenfalls nur ausnahmslos ranzige Ideen. “Euer Einfallsreichtum ist wirklich bemitleidenswert”, stellte Murdoc fest. Scheinbar hätte er das nicht sagen sollen. Russel sprang auf und schmetterte wütend seine Cap auf den Tisch. “SCHÖN! Wenn dem feinen Herrn unsere Vorschläge nicht gut genug sind, warum macht er dann nicht selbst mal welche? HE?” Murdoc sagte nichts, stattdessen reichte er dem tobenden Russel seelenruhig seine Cap. Der New Yorker schnappte sie Murdoc aus der Hand und stülpte sie sich wieder über den haarlosen Kopf. “Wisst ihr was? Wir nennen uns einfach Die Hirnlosen Affen und damit hat sich das!” In Murdocs Gehirn schien sich ein Hebel umzulegen. Er stand auf und packte Russels Schulter. “Sag das noch mal!” Russel wirkte plötzlich reichlich verwirrt. Auch Paula und 2D warfen sich fragende Blick zu. “Was?” “Na was du gesagt hast!” “Und damit hat sich das…?”, wiederholte der Drummer. “Das davor!” “Wisst ihr was…?” Der Satanist schüttelte den Kopf. “Das danach!” “Die Hirnlosen Affen?” Jetzt nickte Murdoc. Jegliche Wut des New Yorker waren verpufft. Er war lediglich noch ein wenig verwirrter. “Lass den ersten Teil weg.” “Ähm… Affen?”, fragte Russ zaghaft. “Ein anderes Wort für Affen!” “Primaten?” “Nein.” “Schimpansen?” “Nein!” “Orang-Utans?” “NEIN!” Russel zuckte zusammen. “Gorillas…?”, flüsterte er jetzt. Murdoc klatschte in die Hände. “Das ist es!” Verwirrt fragende Blicke überall. “Was ist es?” “Na Gorillas! Was haltet ihr davon?”, fragte Murdoc den Rest der Band. Paula lehnte sich über den Tisch, was den anderen dreien einen tiefen Einblick in ihr Dekolletè ermöglichte. Sie stützte das Kinn in ihre Handfläche und verzog den Mund. “Ich weiß nicht so recht. Gorillas? Klingt das nicht zu primitiv?” Murdoc ignorierte sie. “Also ich find`s gut”, meinte 2D grinsend. Russel zuckte nur mit den Schultern. “Soll mir recht sein! Wenn ich hier jetzt endlich verschwinden kann!” Der Satanist nickte zufrieden. Nun waren sie komplett und hatten einen Namen. Gorillas Murdoc setzte sich wieder. Nun starrte er in seine leere Kaffeetasse. Es war noch da. Dieses Loch. Dabei hatte er gedacht das dies das letzte Puzzleteil war. Tja, Fehlanzeige! Das Gefühl blieb. Es wurde zwar über die nächsten Tage hinweg immer weiter zurück gedrängt und im hintersten Eckchen des Bewusstseins verschlossen, doch es blieb. Irgendwann dachte Murdoc nur noch daran, wenn er genug Zeit hatte, um darüber nachzudenken. Was leider ständig der Fall war. Mit Paula Songs zu üben stellte sich als schreckliche Tortur heraus und bald erkannten die Gorillas, das es keinen Sinn hatte. Also ließen sie Paula in Ruhe üben. Seit einer Woche spielte sie Tag und Nacht die einfachsten Übungssongs. 2D versuchte ihr so gut wie möglich Hilfestellung zu leisten. Dies hatte allerdings nicht viel Sinn, da er so gut wie Nichts von Gitarren verstand. Also musste Murdoc ran. Sie machte keinerlei Fortschritte. Nicht einmal beim, seiner eigenen Meinung nach, besten Lehrer, der im United Kingdom zu finden war: Ihm. Murdoc wurde von einem lauten Rumms aus dem Schlaf gerissen. Er brauchte einen Augenblick um zu realisieren das dieses unverschämte, sich dauernd wiederholende Geräusch, ein Klopfen an seine Wohnwagentür war. Murdoc drehte sich auf die Seite und drückte sich das Kopfkissen auf die Ohren. Doch umso länger der Satanist versuchte es zu ignorieren, umso aggressiver wurde das Klopfen und drang irgendwann sogar durch seine, mit Federn gestopfte, Barrikade. Murdoc fluchte, riss sich das Kissen wieder von Kopf und schmetterte es in Richtung Schrank, wo es mit einem dumpfen Poohf auf Cortez traf. Der Rabe krähte erschrocken auf und rettete sich flatternd auf Murdocs Schreibtisch. Genannter stapfte inzwischen wütend auf seine Tür zu. Auf der nach oben offenen Aggressivitätsskala hatte der Störenfried mittlerweile eine stolze 125 erreicht. Tendenz steigend. Der Satanist zog knurrend die Wohnwagentür auf und fing sich, vom überraschten Klopfer, prompt einen Kinnhaken ein. 2D schlug sich, entsetzt über seine Tat, die Hände vors Gesicht. “Muds!”, quiekte er. Der Satanist drehte den Kopf zurück zu Stu-Pot und legte so viel Zorn in seinen Blick, wie es ihm nur möglich war. Es gelang ihm besser als erwartet. 2D machte einen erschrockenen Schritt zurück, stolperte dabei über seine eigenen Füße und flog der Länge nach hin. Murdoc trat grinsend auf den, am Boden Liegenden, zu und griff nach dem Kragen seines, diesmal babyblauen, T-Shirts. Er zog ihn auf die Füße, ließ ihn aber noch los. “Warum zur Hölle klopfst du so früh am Morgen an meine Wohnwagentür, wie ein Bekloppter, he?!” 2D zuckte bei jedem Wort zusammen. Dann öffnete er vorsichtig ein tiefschwarzes Auge. “Ei- Eigentlich i- ist es schon Zehn Uh-” “WARUM DU KLOPFST!” Stuart antwortete nicht, stattdessen deutete er mit zitterndem Finger hinter Murdoc. Dieser starrte 2D einen Augenblick lang an, dann ließ er ihn wieder zu Boden plumpsen und drehte sich um. GoRiLLaZ So stand es da. In fetten, mindestens zwei Meter hohen Lettern. Rot. An der Mauer des Parkplatzes. GoRiLLaZ “Oh, aber Stui! Gorillas wird doch nicht mit Z geschrieben! Und du kannst doch die Buchstaben nicht so mischen!” Paula Cracker war hinter Murdoc aufgetaucht und betrachtete mit schief gelegtem Kopf das monströse Graffiti an der sonst so kahlen, grauen Mauer. Sie machte keinerlei Anstalten 2D, welcher immer noch am Boden lag, aufzuhelfen. “Ach wirklich?” Stu-Pot setzte sich etwas auf und kratzte sich am Kopf. “Warte ich ändere das für dich, Süßer.” Paula schnappte sich die Spraydose mit der leuchtendroten Farbe und schüttelte sie. “FINGER WEG!” Die Gitarristin ließ die, bereits angesetzte Dose, wieder sinken und drehte sich zu Murdoc um. “Lass es so stehen! Es ist großartig!” Der Satanist half 2D wieder auf die Beine und klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. “Ich hätte ja nicht gedacht das ich das einmal sage… Aber: D du bist ein Genie! Das ist unser Bandname! Gorillaz!” Gorillaz Gorillaz Das Gefühl? Versteckt. Doch es war da… -----------------------------------> ~Wahnsinn! Das war wohl mein absolut schlechtestes Kapitel bis jetzt o_O Bitte, bitte verzeiht mir das! Ich werde mir beim nächsten mehr Mühe geben, jetzt habe ich auch mehr Zeit (Schulmäßig meine ich ^^) Tut mir echt Leid... Kapitel 9: Awright Paula! ------------------------- „Spiel den letzten Akkord noch einmal“, seufzte Murdoc und stützte sich gelangweilt am großen Mischpult ab. Paula nickte und legte die Finger erneut ungeschickt an die Saiten, die Murdoc ihr gezeigt hatte. Dann ließ sie das leuchtendgrüne Plektrum darüber gleiten. Der Satanist kniff bei diesem grauenhaften Geräusch die Augen zusammen. Es hatte ein bisschen etwas von einem sterbendem Walross. Könnte auch ein halbtoter Seelöwe sein. „Paula! Sag mal ehrlich: wie lang hast du den Song geübt den du uns vorgespielt hast, damit es einigermaßen nach Musik klang?“ Paula Cracker unterbrach das Gejammer der armen, gequälten E-Gitarre mit der flachen Hand und stellte sie zur Seite. Dann stand sie auf und lehnte sich, übertrieben theatralisch erschöpft, neben Murdoc an einen Stuhl. „Ich habe keine Lust mehr“, sagte sie dann, zuckersüß lächelnd. Paula setzte sich und schlug, viel langsamer als nötig, die Beine übereinander. Der kurze, schwarze Rock legte für einen Augenblick ihre rote Spitzenunterwäsche frei. War es denn möglich? Sie ignorierte Murdocs Frage voll und ganz. Genauso wie sie 2D`s unübersehbare Zuneigung ignorierte. „Wie lang hast du vor das Spielchen noch weiter zu spielen?“, fragte Murdoc, beinahe beiläufig. Die, wohl schlechteste Gitarristin weit und breit, spitzte die Lippen und legte ihren Zeigefinger an das Kinn, wie ein kleines Schulmädchen, das auf unwissend tat. „Ich weiß gar nicht was du meinst!“, summte sie. Murdoc schüttelte den Kopf. Nein, auf Dummchen stellen gibt’s nicht! „Warum bist du mit D zusammen?… Warte, lass es mich anders formulieren: Warum gibst du vor mit D zusammen zu sein?“ Paula war kein unschuldiges Mädchen, sie hatte keine weiße Weste. Wahrscheinlich genauso wenig wie Murdoc eine hatte. Sie verstellte sich, das spürte er. „Du findest doch gar nichts an ihm! Also warum tust du ihm das an?“ Dem Satanisten war selber nicht klar, warum er den blauhaarigen Vollidioten in Schutz nahm. Er wollte 2D, aus ihm unerklärlichen Gründen, vor seelischen Schmerzen schützen. Körperliche Schmerzen waren okay. Sie ließen nach. Gingen vorbei. Murdoc wollte nicht das seinem Sänger ein Trauma widerfuhr. Vielleicht war Trauma übertrieben. Man sollte es einen Schlag nennen. Einen inneren Schlag der ihn für einen gewissen Zeitraum unbrauchbar machte. Murdoc Niccals konnte keinen depressiven Frontmann gebrauchen. Der Satanist wartete auf eine Antwort. „Er ist süß“, erwiderte Paula. Nicht gerade überzeugend. „Und das ist der einzige Grund?“ Murdoc hob eine Braue. Er kam sich ein bisschen vor wie einer dieser nervenden Talkshow Moderatoren, die er so hasste. „Oh… Eifersüchtig?“ Die Lippen der Gitarristin umspielte ein Lächeln. Der Bassist schnaubte. „Eifersüchtig? Mit Sicherheit nicht! Glaub mir, ich habe einiges mehr zu bieten als dieser matschbirnige Zombie!“, rechtfertigte sich Murdoc. „Mhmmm, das glaube ich dir aufs Wort“, schnurrte Paula plötzlich. Und im nächsten Augenblick war sie nahe. Zu nahe! Ihr Parfum roch nach Vanille. Der warme Duft einer Frau stieg ihm in die Nase. Paula schmiegte sich an Murdoc. Sie war so weich. Sie küsste seinen Hals. Wie er es vermisst hatte. Dieses Gefühl. Er musste zu lange verzichten. Sie ist 2D`s Freundin Ist sie nicht… Wer oder Was bist du? Sagt dir Gewissen etwas? …Möglich Ein Gewissen? Sein Gewissen versuchte ihm einzureden von Paula abzulassen. Die Gitarristin küsste nun seine unbewegten Lippen. Er ließ es geschehen. Paula schien dies als so etwas wie einen Freibrief zu deuten. Sie zog ihn hinter sich her. Murdoc wehrte sich nicht. …zu lange verzichten… So kannst du ihn vor einem Trauma bewahren, mischte sich die Stimme ein. Bist du immer noch mein Gewissen? …Möglich Ihn bewahren? Ihn bewahren! Wenn Paula Stu-Pot mit Murdoc betrügen würde, würde er niemals erfahren das Paula nie etwas für ihn empfunden hatte. Er würde Paula hassen. Und er würde Murdoc hassen. Vielleicht. Doch nur wenn sie erwischt wurden. 2D war nicht zu Hause. Er arbeitete. Russel war in der Stadt. Sie waren allein. Niemand würde etwas mitbekommen. Und Paula konnte ihr Spielchen weiter spielen… Egal! Muss das denn sein? Gewissen. Ja… … zu lange verzichten… Die junge Frau stieß die Tür einer Toilette auf und führte Murdoc hinein. „Eine Toilette?“, fragte Murdoc belustigt. Nummer 3. Paula antwortete nicht, stattdessen drückte sie die weichen Lippen auf seinen Mund. Der Satanist gab nach. Er hatte zu lange auf die wunderbaren Rundungen einer Frau verzichten müssen. Zu lange auf ihre Berührungen verzichten müssen. Zu lange auf ihren Geruch verzichten müssen. Zu lange auf es verzichten müssen. Er drückte die Gitarristin an die voll geschmierte Toilettenwand und fuhr mit Zunge über ihr Schlüsselbein. Paula kicherte und schlang die Beine um Murdocs Hüften. Sie krallte sich in die Haare seines Nackens und hantierte an seinem Gürtel herum. Murdoc grinste. Er öffnete geübt die Knöpfe ihrer Bluse. Sie hatte, ob beabsichtigt oder nicht, oben herum auf jegliche Unterwäsche verzichtet. Ihr nackter Oberkörper schmiegte sich an seine Brust. Als Paula es geschafft hatte Murdocs widerspenstigen Ledergürtel zu öffnen, versank sie etwas tiefer in seiner Umarmung. Ihr Atem ging stoßweise. Man konnte nicht sagen das dies der beste Sex war den Murdoc Niccals jemals gehabt hatte, nein wirklich nicht, doch er war besser als gar keiner. Paula jedenfalls schien es außerordentlich gut gefallen. Murdoc kannte es auch nicht anders von seinen bisherigen Partnerinnen. Gott hatte frau ihn schon genannt. Welch Ironie. Nur schade das es heute so schnell vorbei war… Es knallte und plötzlich flog eine Tür auf. An Murdocs Ohren drang ein Ruf. Er schnellte mit dem Kopf herum, um auszumachen wer sie so unverschämt unterbrochen hatte, doch noch bevor er ein klares Bild erfassen konnte, knackte es grässlich. Er kannte dieses Knacken. Es war ein Knacken das er als Kind oft gehört hatte, wenn er mit seinem großen Bruder Hannibal gespielt hatte. Es war das Knacken einer gebrochenen Nase. Murdoc ließ Paula los. Er sah Sterne. Die Farben vor seinen Augen vermischten sich zu einem unklaren Brei. Er berührte die zertrümmerte Nase. Ein elektrischer Schlag schien durch sie hindurch zu zucken. Er hörte Schreie. Wütende. Entsetzte. Der Satanist taumelte mit vorgehaltener Hand auf das Waschbecken zu. Seine Finger waren plötzlich nass und warm. Er beugte sich über die Porzellanschüssel. Sie war prompt blutgetränkt. Das rote Rinnsal lief unaufhaltsam über sein Kinn und tropfte auf sein Hemd. Er schmeckte das metallene. Die Schmerzen ließen nicht nach. Sie zogen durch sein gesamtes Gesicht. Jede Pore schien vor Qual zu schreien. Jemand tippte ihn an. Murdoc drehte den Kopf. Dann wurde er endlich erlöst… Es roch nach Regen. Ein Geruch den Murdoc Niccals eigentlich schon seit langem nicht mehr wahrnahm. Lassen Sie es an der zerquetschten Nase liegen, oder daran das es in der Nähe der Kong Studios Tag wie Nacht nach Regen roch. Fernab grummelte es. Er war in Ohnmacht gefallen. Er: Murdoc Faust, wie sein Zwischenname lautete, Niccals war in Ohnmacht gefallen. Niedergeschlagen vom eigenen Drummer. Murdoc strich mit dem Finger über das große Pflaster zwischen seinen Augen. Seine Nase schmerzte nicht mehr… Nicht mehr sehr. In Ohnmacht gefallen und zwölf Stunden K.O. gewesen. Im Nachhinein war er dankbar dafür, so lange weggetreten zu sein. Denn innerhalb dieser zwölf Stunden, hatte man Paula Cracker aus der Band verbannt. Aus dem Kong verbannt. Aus der Geschichte der Gorillaz verbannt. 2D hatte sie eigenhändig auf die Straße gesetzt. Hatte jedenfalls Russel erzählt. Russel war nicht sauer auf Murdoc. Murdoc war nicht sauer auf Russel. Ich war verwirrt, Muds das musst du verstehen Ich versteh schon Murdoc hatte sich vorgenommen den Drummer in Zukunft nie wieder zu verwirren. Trotzdem war das echt unfair gegenüber D, Muds das musst du verstehen Ich versteh schon Wenigstens hatte sich seine Theorie bewahrheitet. 2D ging davon aus, Paula hätte ihn mit Murdoc betrogen und hatte nicht erfahren, das sie ihn im Grunde von Anfang an betrogen hatte. Eigentlich müssten wir dich jetzt ja aus der Band werfen… Paula würde so etwas doch nicht von sich aus machen. D betrügen meine ich Muss ich das nicht verstehen? Wie jetzt? Vergiss es… Murdoc zog ein letztes Mal an seinem Zigarettenstummel, dann warf er ihn vor seine Füße. Er erlosch zischend in einer Pfütze. Der Satanist seufzte. Er griff sich an die Tasche um einen weiteren Glimmstängel hervorzuholen. Die Hosentasche war leer. Auch in der Jackentasche war keine Packung zu finden. Murdoc suchte sich von oben bis unten ab. Verdammt, ich hab sie im Winnebago liegen lassen, fiel es ihm schließlich ein. Als hätte jemand seine Gedanken gehört, wurde ihm plötzlich eine Packung Lucky Strike vor die gebrochene Nase gehalten. „Hier, nimm eine von meinen.“ Dieses Stimme. Naiv, hell, fürsorglich. „2D“, sagte Murdoc überrascht. Er fingerte schnell eine Zigarette aus der kleinen Schachtel und zündete sie an. Stuart tat es ihm Gleich. „Was willst du hier?“ Stu-Pot zuckte mit den Schultern. Dann ließ er sich neben Murdoc auf die Stufen des Kong sinken. „Wird irgendwann langweilig immer nur im Zimmer herumzusitzen.“ 2D hatte sich zwei Tage lang auf seinem Zimmer eingeschlossen und jegliche Aufnahme von Nahrung verweigert. Er hatte bis zu diesem Augenblick auch mit keinem von ihnen sprechen wollen. Sie rauchten schweigend. Erst als Murdoc seine dritte Zigarette aufgeraucht hatte, sagte er etwas. „Sauer?“ Eigentlich war es ihm egal ob Stu-Pot sauer auf ihn war oder nicht. Der Satanist starrte auf die aufgeweichten Zigarettenstummel. Nein, das stimmte nicht. Es war ihm nicht egal. Stille war eingetreten. Stuart antwortete ihm nicht. Murdoc sah auf. 2D schüttelte den Kopf. Das blaue Haar flog ihm dabei um die Ohren. Erleichterung machte sich in dem Satanisten breit. „Nicht?… Du weißt schon das ich deine Freundin gevögelt hab, oder?“ Stuart pustete den Rauch seiner Zigarette hinaus in den Nebel. „Ich weiß“, seufzte er. „Trotzdem nicht sauer?“ Murdoc hob ungläubig eine Augenbraue. 2D schüttelte den Kopf. „Nö.“ „Erklärs mir“, verlangte Murdoc. Das er das noch erleben durfte. Jemand bat den hirnlosen Zombie um eine Erklärung. Das er dieser Jemand war, machte das ganze nur noch erstaunlicher. „Sie war komisch!“ „Da erzählst du mir nichts Neues“, entgegnete der Satanist. „Nein, ich meine, sie hat mich gar nicht mehr beachtet und ständig dich angemacht.“ Also war es ihm doch aufgefallen. Tja, so viel zu Murdocs Theorie. „Musste ja irgendwann so kommen… Is trotzdem echt ein scheiß Gefühl.“ „Man D du bist ja doch gar nicht so ein Volltrottel, wie ich immer gedacht habe… sorry“, fügte er noch hinzu. Das musste reichen. Für die Beleidigung und auch für die Sache mit… Ihr. „Macht nix“, sagte 2D Schulter zuckend. Wieder wurde es still. Murdoc beobachtete Cortez, der sich in der Ferne mit einer Krähe um einen Kadaver stritt. Cortez war um einiges größer als das fremde Tier. Sein Gefieder war gepflegter. „Murdoc?“, fragte Stu. „Was?“ „Heißt das das wir uns jetzt alle wieder lieb haben?“ Murdoc lachte. „So würde ich es nicht nennen, Sonnenschein. Sagen wir, es herrscht Waffenstillstand, einverstanden?“ 2D grinste den Satanisten an und nickte. „Einverstanden!“ Kapitel 10: A very special Delivery ----------------------------------- Es sollte nicht lange gut gehen mit dem Waffenstillstand. Die Nerven der übrig gebliebenen Bandmitglieder lagen blank. Zum einen, da sie nun keine Gitarristin mehr hatten, was bedeutete das es keinen Sinn machte Songs zu proben, was wiederum zur Folge hatte das sie sich langweilten. Also gingen sie sich gegenseitig auf den Wecker. Man hatte ja schließlich auch sonst nichts besseres zu tun, stimmts? Zum anderen litten alle drei noch sehr an dem bereits erwähnten Loch. Niemand wusste es zu deuten und niemand hatte bisher geschafft es auch nur Ansatzweise zu "stopfen". Ein Dilemma. „Verpiss dich, D!“ „Zwing mich doch!“ Murdoc knurrte 2D an wie ein tollwütiger Schäferhund. Stu-Pot wich einen Schritt zurück, stieg jedoch nicht aus. „RAUS AUS MEINEM WINNEBAGO!“, schrie der Satanist. Stuart schüttelte den Kopf und ließ sich auf den Boden plumpsen. „Schwachkopf! Das ist meine letzte Warnung!“, drohte Murdoc. 2D ignorierte dies und starrte ihm weiterhin trotzig in die Augen. „Zum letzten Mal: WIR KAUFEN KEIN KÄTZCHEN!“ „Aber die sind so niedlich…“, verteidigte Stu das mitgebrachte Foto eines kleinen, weißen Wollknäuels. Murdoc schüttelte verzweifelt den Kopf. Der Zombie verlor den Verstand! Ein Kätzchen! Unfassbar. „Das kannst du unmöglich ernst meinen!“, sagte Murdoc und fuchtelte wütend mit der Hand. „Wieso? Du hast Cortez und Russel hat… seine Dinger… Warum kann ich dann nicht Fluff haben?“, maulte 2D. Er erinnerte Murdoc dabei an ein schmollendes Grundschulkind. „Russels Zeug zählt nicht, das ist to-… Moment… Fluff?“ Schweigen. „…Ja.“ Stu-Pot streckte Murdoc das Foto mit dem weißen Kätzchen entgegen. Mit Kugelschreiber war ein Halsband darauf gekritzelt worden, daran schien so etwas wie ein Anhänger zu baumeln. Fluff, stand drauf. „Satan steh mir bei“, flehte Murdoc und schlug sich die flache Hand an die Stirn. Der Satanist funkelte Stu wütend an, dann entriss er ihm das Bild und zerfetzte Fluff. 2D starrte Murdoc mit seinen großen, schwarzen Augen ungläubig an. „Hey! Mein Kätzchen!“ Murdoc ließ die Papierschnpisel des Bildes über den Sänger rieseln. „2D ich habe jetzt wirklich keinen Bock mit dir über weiße Kotzbrocken zu streiten! Ich habe besseres zu tun!“ Stuart sammelte jammernd die Reste Fluffs vom Boden auf. „Was denn“, fragte er dann, trotz Murdocs brutalen Kätzchenbildanschlag. „Ich gebe Anzeigen auf! Schließlich brauchen wir irgendwann mal einen neuen Gitarristen, he? Ich habe schon alles mögliche versucht! Zeitungsanzeigen, Telefonketten, Internetanzeigen…“ Murdoc deutete auf seinen Laptop. „Aber bis jetzt hat sich nicht ein verdammtes Arsch gemeldet… Warum erzähl ich dir das eigentlich?!“ 2D hatte begonnen die Schnipsel seines Fotos wieder zusammenzupuzzeln. Die Zunge streckte er dabei hochkonzentriert aus dem Mundwinkel. „ZOMBIE!“, schrie Murdoc, dann warf er Stu mit aller Kraft an den Kopf, was in unmittelbarer Reichweite war. In diesem Fall: Ein Telefonbuch von 1990. 2D purzelte polternd das kleine Treppchen des Wohnwagens hinunter. Murdoc schlug die Tür hinter ihm zu, noch bevor er auf dem Asphalt gelandet war. „Fluff!“, prustete der New Yorker amüsiert und bombardierte Murdoc sogleich mit einigen faserigen Stücken Fleisch, seines Mittagessens. „Russ! Klappe zu!“, rief Murdoc über das Gelächter des Drummers hinweg. Russel hustete belustigt und schloss dann den Mund. Nachdem der Satanist eine Haarsträhne von einem Fussel Hähnchen befreit hatte, verschränkte er verärgert die Arme vor der Brust. „Das ist doch zum Kotzen, warum geht der Vollidiot nicht dir auf die Nerven?“ Russel schwieg Murdoc mit zusammengekniffenen Lippen an. „Hör auf mit dem Scheiß, du kannst den Mund wieder auf machen“, knurrte der Bassist. Russel grinste. „Weißt du Muds, 2D mag dich eben“, sagte er dann. Murdoc schnaubte verächtlich. „So ein Müll!“ „Kein Müll! Der Junge hält alles was du sagst für die Bibel!“ „Das passt ja“, grummelte Murdoc und rutschte etwas tiefer in seinen Sessel. „Du bist für ihn so was wie ein Vorbild, Muds“, fuhr der Drummer fort. „Jetzt sag doch nicht immer Muds! Ich weiß wie ich heiße!“ „Tut mir Leid, Muds“, sagte Russel, immer noch grinsend. Murdoc wollte etwas erwidern doch das Läuten der Türklingel hielt ihn davon ab. Dankbar für diese Unterbrechung, sprang der Satanist auf und verließ schnellen Schrittes das Wohnzimmer. Noch auf dem Weg zur Lobby fragte er sich, warum zum Teufel er, einer der einzigen gut aussehenden und klugen Menschen der Welt von den größten Vollpfosten der Welt umgeben war. Murdoc durchquerte die Lobby und eilte auf die eiserne Eingangstür zu. Sie hatten lange keinen Besuch bekommen. Ob 2D jemanden erwartete? Der Satanist öffnete die Tür. Es regnete. Wie immer. Doch dies stellte Murdoc Niccals nur ganz nebenbei fest. Seine Aufmerksamkeit galt hauptsächlich der mindestens 10 Fuß, sprich 3 Meter hohen und 3 Meter breiten Holzkiste direkt vor seiner Nase. „Uff…“, war das einzige was ihm dazu einfiel. Murdoc glotzte die Monsterkiste noch einen Augenblick an, dann legte er die Hand an den Mund wie einen Trichter und drehte sich um. „Russel! Dein Typ wird verlangt!“ Murdoc betrachtete die Kiste Stirn runzelnd. Auch 2D hatte sich, zu seinem Unmut, bereits zu ihnen gesellt. Dies natürlich erst nachdem Murdoc und Russel die monströse Holzkiste um das Kong herum, durch den Parkplatz, in die Lobby getragen, und dort abgestellt hatten. Sie war deutlich zu breit für die Tür gewesen. Doch zur Überraschung des Bassisten wog sie weit weniger als er erwartet hatte. „Brechstange“, befahl Russel plötzlich und winkte erwartungsvoll mit den Fingern. Murdoc hob eine Braue. „Warum glaubst du das ich so etwas hab?“ Der Drummer zuckte mit den Schultern. „Hast du denn eine?“ „… Jah… 2D, Brechstange“, herrschte der Satanist Stuart an. „Aber-“ „Nichts aber! Brechstange! Jetzt sofort, sie liegt neben meinem Bett.“ „Wieso liegt eine Brechstange neben deinem Be-“ „SOFORT!“ 2D zuckte zusammen, machte auf dem Absatz kehrt und eilte stolpernd in Richtung Parkplatz davon. Murdoc wandte sich wieder der Box zu. Sie war mit diversen Aufklebern und Stickern beklebt. Ihre kleinen Logos waren Murdoc unbekannt. Nur ein einziges Schild erkannte er wieder: FedEx. So viel der Bassist wusste war FedEx ein internationaler Lieferservice, die Holzkiste konnte also von Überall und Nirgendwo geschickt worden sein. Murdoc überlegte kurz, ob vielleicht ihr Inhalt etwas Information über ihre Herkunft liefern würde. Vielleicht war ja ein Zettel mit dem Absender in der Kiste. Auf ihr jedenfalls, war keiner. Überraschender Weise brauchte 2D nicht lange um die gewünschte Brechstange zu bringen. Er kehrte keuchend zurück und drückte Murdoc das eiserne Utensil in die Hände. Der Satanisten wurde sofort von dem Drummer enteignet. „Ich mach das“, verkündete Russel. Murdoc verschränkte ohne ein Wort der Widerrede die Arme vor der Brust und beobachtete wie der New Yorker die Stange an einer Kante der Kiste ansetzte. Er hebelte zwei oder drei Male geübt, da öffnete sich die hölzerne Box bereits und die Seitenplatte fiel klappernd zu Boden. Für einen kurzen Augenblick passierte nichts. Dann hustete jemand. Murdoc sah sich um. Das Husten kam weder von Russel noch von 2D. Murdoc richtete seinen Blick zurück auf die geöffnete Kiste. Russel tat einen Schritt zurück. Dann trat sie hinaus. Hinaus aus der übergroßen dunklen Holzkiste. Sie wirkte geradezu winzig neben ihr. Es war ein Mädchen. Schwarzes Haar, welches bei näherer Betrachtung einen leichten Blaustich hatte, umrahmte ihr hübsches Gesicht. Sie trug einen eng anliegenden gelben Overall. Ihren runden, weichen Gesichtszügen und den Mandelaugen nach zu urteilen, war sie asiatischer Herkunft. Sie sah nicht älter aus als Neun oder Zehn. Die kleine Asiatin trat einen weiteren prüfenden Schritt auf die drei Männer zu, die sie schweigend musterten. Sie schien keinerlei Angst zu verspüren. „Yokatta desu ne“, sagte sie erleichtert, scheinbar überzeugt davon das man sie verstand. Tut mir ja Leid Mädchen, aber das ist nicht der Fall. „Moshi moshi?“, fragte sie, legte den Kopf schief und sah die Gorillaz aus ihren klugen, grünen Augen an. Dreißig Sekunden verstrichen bis einer der Männer wieder den Mund zuklappen konnte, um etwas zu sagen. Russel schluckte und starrte die anderen beiden an, welche seinen Blick wohl genauso überrascht erwiderten. „Werde ich jetzt bekloppt oder wurde uns da gerade per Post ein kleines Mädchen zugeschickt?“ „Beides“, sagte Murdoc, der sich langsam wieder gefasst hatte. Die Kleine unterbrach sie. „Gitaa!“ Sie sprach langsam, anscheinend schein sie zu begreifen das Murdoc, Russel und Stu sie nicht verstanden. „Was möchtest du uns sagen?“, fragte Russel und klang dabei wie ein überverständnisvoller Psychotherapeut. Die Asiatin verdrehte sie Augen, dann griff sie sich auf den Rücken und drehte eine nagelneue Les Paul auf ihren Bauch. „Gitaa!“, wiederholte sie dann. Die Schwarzhaarige hob dramatisch den rechten Arm über die glänzende E-Gitarre, welche neben ihr Übergröße zu haben schien. Dann ließ sie ihn auf die Saiten hinunter schnellen. Die Kinnlagen der drei Männer klappten ein zweites Mal an diesem Tag vor Überraschung herunter. Das Mädchen spielte ihnen einen Riff der einfach nur überwältigend war. Es klang als würden 200 Dämonen auf arabisch schreien, um es einmal mit 2D`s zukünftigen Worten auszudrücken. Dem Satanisten lief ein eisiger Schauer über Rücken und Arme. Einfach brillant! Die Asiatin endete schließlich mit einem Karatekick, der Jackie Chan vor Neid erblassen ließe und landete auf den Knien, den Arm stolz erhoben. Dann sagte sie ein einziges Wort: „Noodle!“ Das Mädchen blickte auf und grinste. Ihr Lächeln entblößte eine Reihe strahlendweißer Zähne. Sie mochte den Körper einer Zehnjährigen haben, doch die Art wie sie sich bewegte und wie sie die Gorillaz ansah wirkte reifer. Plötzlich klatschte 2D begeistert Beifall und jubelte: „Super! Mann, das war unglaublich! Muds können wir sie behalten?“ Murdoc war einen Moment lang verwirrt und glotzte von der kleinen Gitarristin zu seinem Sänger und wieder zurück, bevor er antwortete. „D, das ist ein Kind! Ein Mädchen und keine Katze!“ „Na und! Und können wir sie behalten?“ Russel verpasste 2D einen Klaps mit der flachen Hand. „Au!“ Der Drummer ignorierte ihn und beugte sich zu Murdoc, ohne das Mädchen aus den Augen zu lassen, das sie neugierig und mit gespitzten Ohren beobachtete. „Sie ist gut, Muds! Sehr gut!“, flüsterte Russel. Das Grinsen auf dem Gesicht der Asiatin wurde breiter, als verstünde sie jedes Wort das sie sagten. „Ich weiß“, knurrte Murdoc zurück. „Aber sie ist ein Kind, Russ! Ein Kind! Und sie wurde in einer FedEx Box her geschickt, kommt dir das nicht komisch vor?“ Russel zog die Stirn in Falten. „Was ist los mit dir, Muds? Du bist doch sonst nicht so skeptisch! Sie ist die wohl brillanteste Gitarristin die ich jemals gehört habe und ich habe Erfahrung, glaub mir. Außerdem ist sie, wie du schon sagtest, ein Kind, die Plattenfirmen werden sich um sie reißen… Sie werden sich um die Gorillaz reißen.“ Die letzten Worte des New Yorkers schienen magische Worte zu sein. Es waren magische Worte! Murdocs Skepsis und seine Zweifel waren plötzlich wie weggeblasen. Er blickte zu der Gitarristin. Wo Russel recht hatte, hatte Russel recht. So klein und so viel Talent! Das war wohl einmalig auf der Welt. Und wenn nicht einmalig dann zumindest selten. Das reichte auch. Selten war gut. Selten war wertvoll. Das Mädchen war wertvoll. Murdoc kniete sich vor die Asiatin und lächelte. „Na Kleine, möchtest du uns reich machen?“, fragte der Satanist. Die Angesprochene antwortete nicht sofort. Sie musterte Murdoc von oben bis unten. Dann hob sie eine der kleinen Hände und zeigte auf ihn. „Kowai!“, rief sie. Murdoc drehte sich mit fragendem Blick zu Russel und 2D um. „Was bedeutet Kowai?“ „Tut mir Leid, aber ich habe mein handliches Japanischwörterbuch rein zufällig nicht dabei, Muds“, höhnte Russel. „Ist ja gut“, fauchte der Satanist. „Schön! Hast du denn wenigstens einen Namen?“, fragte er, wieder an das Mädchen gewandt. Sie warf Murdoc einen Blick zu, den er nicht richtig deuten konnte. Es war eine Mischung aus Furcht, Stolz und… Belustigung? „Ee!“, antwortete sie und nickte eifrig mit dem Kopf. „Wunderbar, und wie heißt du?“ Das Mädchen zuckte mit den Schultern. „Du weißt nicht wie du heißt?“ Murdoc zog die Stirn kraus. „Heißt das jetzt wir dürfen uns was aussuchen, oder was?“, knurrte er dann barsch. Miss Namenlos wich vor ihm zurück. „Du machst ihr Angst!“, rief 2D und stolperte an Murdoc vorbei, auf die Kleine zu. „Keine Sorge er beißt nicht… Glaube ich“, beruhigte Stu das Mädchen. Sie lachte und sprang elegant auf Stu-Pots Schultern. 2D wankte kurz, dann fing er sich wieder und lachte ebenfalls, sein naives hohes Lachen. „Klasse, dann hat unser Trottel jetzt wenigstens sein Haustier“, meinte der Satanist ironisch. „Trotzdem braucht die Kleine einen Namen… Kennt jemand einen japanischen Namen?“ Russel kratzte sich am Kopf und blickte auf den Sänger, welchem gerade das blaue Haar zerzaust wurde. „Warum japanisch?“, fragte Murdoc und beobachtete nun missbilligend wie 2D das Mädchen durchkitzelte als kannten sie sich bereits Jahre lang und nicht erst zwanzig Minuten. „Sie ist schließlich Japanerin“, entgegnete Russel. „Da ist was dran… Ich kenne aber keinen Namen… Du etwa?“ Der Drummer schüttelte den Kopf und auch 2D, der sich, noch mit dem Mädchen auf den Schultern, endlich zu ihnen gestellt hatte um sich am Gespräch zu beteiligen, antwortete lediglich mit einem weniger hilfreichem „Ich auch nicht“. Murdoc hatte auch nichts anderes erwartet. „Habt ihr eigentlich irgendwas von dem Kauderwelsch begriffen den sie von sich gegeben hat? Wir könnten sie ja einfach nach einem japansche Begriff benennen, das merkt sowieso keiner. Kowai, sagte sie.“ „Und was ist wenn das Arschkrapfen bedeutet? Das ist kein besonders schöner Name.“ „Das bedeutet sicher nicht Arschkrapfen!“ „Bist du dir da so sicher?“ Murdoc grummelte etwas unverständliches und warf Russel einen finsteren Blick zu. Niemand nannte Murdoc Niccals einen Arschkrapfen!… Oder doch? Am liebsten hätte er der Japanerin eine übergezogen. Doch er ließ es bleiben. Schließlich war sie ein kleines, hilfloses Mädchen. Na schön, in Sachen hilflos war er sich nicht sonderlich sicher… aber sie war ein Mädchen. Er schlug keine Mädchen. 2D war eine Ausnahme. „Ich hab nur Noodle verstanden“, warf Stu ein. Bei dem Wort Noodle hatte die Kleine erfreut aufgequietscht. Stu-Pot grinste sie von unten hinauf an. „Gefällt dir das, ja? Nooooodleeee.“ Die Gitarristin klatschte erfreut in die Hände und quietschte ein zweites Mal. „Dann nennen wir sie Noodle!“ „Quietsch!“ Murdoc verdrehte die Augen. „Du kannst ein Mädchen nicht Noodle nennen!“ „Quietsch!“ 2D legte den Kopf schief. „Warum nicht? Ist doch süß… Noodle.“ „Quietsch!“ „Jetzt halt den Mund“, herrschte der Satanist das Mädchen an. Sein strenger Ton schien sie plötzlich keineswegs mehr zu beeindrucken. Sie lachte und streckte ihm die rosa Zunge entgegen. Russel grinste. „Hab dich doch nicht so, Muds! Ein einzigartiges Mädchen verdient einen einzigartigen Namen! Ich bin sicher das es bis jetzt noch keine neunjährige, japanische, Gitarristin mit dem Namen Noodle gab.“ Murdoc seufzte und gab sich geschlagen. Er wusste das er diese Diskussion nicht gewinnen würde. Der Klügere gab eben wieder einmal nach. „Toll! Großartig, warum nicht?! Noodle!“, schnaubte Murdoc. „Also… Noodle… Möchtest du bei den Gorillaz spielen?“, fragte Russel lachend. Noodle sah ihn an. Dann sprang sie aus 2D`s Nacken und legte die Hände flach aneinander, wie man es meist aus alten Kung Fu-Filmen kannte. Sie verbeugte sich. „Ee!“, wiederholte sie. Das bedeutete wohl Ja. Im nächsten Augenblick schlug die Stimmung in der Lobby um. Sie waren wieder vollzählig. Doch dieses Mal, das wusste Murdoc, würde es für immer sein. Durch die vier Gorillaz schien etwas wie Elektrizität zu fließen. Ein unglaublicher Tatendrang. Und noch etwas anderes… Sie wussten sofort was es war: Das Loch hatte sich geschlossen. So kitschig das jetzt klingen mag. Murdoc verspürte eine innere Befriedigung wie schon lange nicht mehr. Es war um Längen besser als der Sex mit… mit… dieser Frau. Murdoc erinnerte sich nicht an ihren Namen. Wahrscheinlich wollte er gar nicht. Das waren sie also… Gorillaz. Ein satanistischer Bandleader am Bass, eine schwarzäugiger und blauhaariger Vollidiot als Frontmann, ein sadistischer, schwarzer Drummer und eine neunjährige, japanische Gitarristin mit dem Namen Noodle. Gorillaz Die Legende war geboren... „We weren‘t really Gorillaz until Noodle arrived“- 2D, Singer of Gorillaz ------------------------------------> ENDE xD Alles kla, meine zweite FF ist hiermit beendet ^^ Wieder einmal möchte ich den jenigen danken die sie gelesen haben, wobei (wieder einmal) besonderer Dank an Zomby_xD und kleines-sama geht :D DANKE! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)