Fushin von abgemeldet (Storyboard von 2006) ================================================================================ Kapitel 7: Vorbereitungen ------------------------- Es war ein Sonntag an einem frischen, winterlichen Januartag. Es war der Tag, an dem mein Schicksal endgültig besiegelt wurde. Denn von diesem Sonntag an hatte ich eine heimliche Liebschaft, eine eigenartige heimliche Liebschaft. Gerade saßen wir beieinander und tranken Kaffee und unterhielten uns über allerlei Sachen. Autos, Sport, Frauen - Typische Themen unter Männern eben; als mir Mitten im Gespräch plötzlich etwas wie Schuppen von den Augen fiel. „Ah! Mensch! Wie konnte ich das denn vergessen??!“ „Was ist denn jetzt wieder los mit dir?“ „Sag nur, du hättest das auch vergessen? Hinata hat doch schon bald ihren 18. Geburtstag!“ Ich unterhielt mich gerade mit dem Vater meiner Freundin, Hiro. Eigentlich sollten wir jetzt hinter einem Tisch hocken und über Wirtschaft diskutieren. Aber da wir beide nicht so recht bei der Sache waren, ließen wir es gleich ganz und machten dafür schon seit Beginn eigentlich nichts anderes als Pause. „Ja, hat sie. Aber bis dahin ist ja noch Zeit. Wieso bist du so entsetzt?“ „Hallo? Das ist ihr 18. Geburtstag! Den sollte man schon etwas feiern. Da kann man nicht einen Tag zuvor mit dem Planen beginnen.“ „Bist du etwa auch einer von denen, die auf Partys stehen?“ Ich schaute Hiro hoffnungslos an. „Jetzt sei doch nicht so eine Spaßbremse. Ich spreche bloß aus Erfahrung. Ich wünsche niemandem einen Geburtstag, wie ich ihn erleben durfte.“ „Wieso denn? Schlechte Erinnerungen an den Achtzehnten?“ Dieser Mann kannte mich langsam wirklich gut und wusste auch, dass ich bei solchen Fragen leicht zu ärgern war. „Nein! Ich hatte einen perfekten Achtzehnten!“, fauchte ich ihn deutlich ironisch an. „So, so, wie sah der denn aus?“ „Wieso sollte ich ausgerechnet dir davon erzählen?“ „Komm her und ich sag dir den Grund.“ Sein belangloses Grinsen, verriet mir sein Vorhaben. „Du willst mich doch nur wieder anheizen und mich anschließend links liegen lassen.“, schnaubte ich. „C’est juste, mon Chéri“, sprach er mit einer zugegeben exzellenten Aussprache. „Du kannst mich mal!“, fauchte ich ihn daraufhin an. „Gerne, aber biete deine Unschuld nicht so freizügig an. Sonst wirst du noch auf offener Straße überfallen.“ Sein Humor konnte mich wirklich innerhalb von wenigen Sekunden auf die Palme jagen. „Was tue ich überhaupt noch hier, mit einem Schwachkopf wie dir?“ Ich stand auf und wollte schon gehen aber ich konnte nicht, er ließ mich nicht. Hiro hatte mich am Arm geschnappt und mich auf seinen Schoss gezogen. Jetzt saß ich da, von diesem Monstrum umschlungen und kam nicht mehr weg. „Du kannst gehen, wenn du mir von deinem Geburtstag erzählt hast.“, wisperte er mir direkt ins Ohr. „Nicht…! Ich bin da zu empfindlich!“ Mit Absicht begann er nun auch noch daran zu knabbern. „Ich höre….“ „Das ist nicht fair…!“, wimmerte ich. Ich lag nun deutlich im Nachteil, „Wenn du so weitermachst, sterbe ich dir noch an einem Herzinfarkt.“ „So sehr liebst du mich also…?“ Es war zum verrückt werden. Wie konnte ein solch Großgewachsener Vollidiot so viel Einfluss auf meine Gefühlswelt haben? „jetzt…Jetzt lass los!“, schrie ich wehrlos. Genau in diesem Moment kam auch Megami wieder zurück, mit den zwei Wirtschaftsordnern. Sie schaute uns perplex an. „Hat dich Hiro wieder einmal geärgert?“ Ich nickte nur und spielte das unschuldige Opfer. Zum Glück hatte mich Hiro losgelassen, bevor sie ins Wohnzimmer eingetreten war. So kam ich noch einmal mit einem großen Schock davon. „So jetzt könnt ihr euch wieder normal benehmen und euch weiter mit Wirtschaft befassen.“, sie lächelte, freundlich. Das gleiche freundliche Lächeln, welches sie auch hatte, als sie aus dem Haus ging. Wir zwei flüchteten sofort in die Küche zum Esstisch und ließen uns auf die Stühle nieder. Da hatten wir echt noch einmal Glück gehabt. „Und du willst meinen, dass du solche Beziehungen schon irgendwie geheim halten kannst?“ Ich fixierte meinen Blick misstrauisch an Hiro. „Pst! Kein Wort mehr darüber! Wir reden jetzt nur noch über Wirtschaft, verstanden?“ Er hielt mir eine Buchseite vor die Nase: „Studier jetzt einmal diese Seite, damit du den Kindergartenstoff von Aktien endlich begreifst!“ Ich nahm das Buch und schloss es auch gleich wieder. „Mensch Hiro. Ich hab das alles doch schon längst kapiert.“, seufzte ich, „Du weißt doch ganz genau, dass ich heute von Anfang an nicht vor hatte, Wirtschaft zu büffeln.“ Hiro schaute schnell durch die Tür, und versicherte sich das Megami mit anderem beschäftigt war, nicht dass sie wieder unangemeldet reinplatze. Sie war mit anderem bedient. Sie arbeitete für eines ihrer Projekte, das Kindern in Not helfen sollte. Dann kam er zurück, setzte sich wieder mir gegenüber hin und lehnte sich über den Tisch, so dass zwischen unseren Gesichtern nur noch wenige Zentimeter Abstand vorhanden waren. „Jetzt hör mal gut zu. Wenn du nicht bereits am ersten Tag als Leiche enden willst, dann versuch erst gar nicht in der Gegenwart von irgendjemand anderem als mir, über das Thema zu reden, verstanden?“ Ich nickte. „Aber Hiro…über Hinatas Geburtstagsfest können wir schon sprechen, oder?“ Er schaute mich an und lehnte sich zurück. „Ja, darüber können wir natürlich miteinander sprechen.“ „Habt ihr schon etwas geplant?“ „Nein haben wir noch nicht, wir wollten ihr das eigentlich überlassen, sie ist alt genug für so etwas.“ „Hm...was denkst du, was soll ich ihr schenken?“ „Da fragst du sie am besten selbst. Jetzt bietet sich die beste Gelegenheit dafür.“ „Ich kann sie doch nicht einfach so aus dem nichts Fragen, was ihr noch fehlt.“ „Kira…du musste das eben mit dem richtigen Timing machen. Frag sie aber nicht, was sie für Geschenke will, frag sie nach ihren sehnlichsten Wünschen. Vielleicht ist einer darunter, welcher du ihr erfüllen kannst.“ „Wann kommt sie eigentlich nach Hause?“ „Heute Abend irgendeinmal. Wird wohl etwas später werden.“ „Dann lohnt es sich wohl nicht, dass ich auf sie warte.“, ich musste lächeln, „vielleicht sollte ich doch besser langsam gehen.“ „Ich begleite dich zu Tür“ So packte ich meine Schulsachen zusammen. „Hast du auch alles? Nichts vergessen?“ „Hab alles, danke.“ Während mich Hiro zur Tür begleitete, rief ich noch kurz ins Wohnzimmer: „Tschüss, Megami. Danke noch für die Ordner.“ „Schon in Ordnung, für einen solch zielstrebigen Jungen mache ich das gerne wieder. Dann standen wir auch schon vor der Eingangstür. „Also dann, Kira, komm mir gesund nach Hause.“ „Ich werde schon nicht gleich von einem Auto überfahren. Tut mir ja leid für dich, aber so schnell wirst du mich nicht los.“ „Der Meinung bin ich auch.“ Schweigen. Es herrschte ein eigenartiges Klima zwischen uns. Erst recht, weil wir kein Wort darüber verlieren durften. Es war unser beider Geheimnis. „Geh jetzt! Oder muss ich dich auch noch vom Grundstück jagen? „Nein danke, darauf verzichte ich.“ Es regte sich nichts. Es war irgendwie das Gefühl in mir, dass da doch noch etwas fehlte. „Auf was wartest du denn noch? Du sollst gehen.“ „Bin ja schon weg“ Und ich trödelte unwillig davon. Zu Hause angekommen, verschwand ich überglücklich in meinem Zimmer. Ich hatte das sichere Gefühl, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Das erste Mal in meinem Leben spürte ich, was es hieß, bis über beide Ohren in jemanden verliebt zu sein. Es war wirklich ein herrliches Gefühl. Ich grübelte in meiner Hosentasche und zog ein Zettel hervor, welcher mir Hiro am Ende des Nachmittags noch zugesteckt hatte. Darauf war eine Telefonnummer. Es musste seine Handynummer sein. Darunter hinterließ er noch eine Nachricht: Für Notfälle Ich musste schmunzeln. Wie lange es wohl ging, bis ich diese Nummer gebrachen würde? Ich hätte bereits jetzt schon anrufen wollen. Ließ es dann aber doch bleiben. Schon spannend, welche Überraschungen das Leben so mit sich bracht. Jetzt da ich alleine auf meinem Bett lag, wurde mir erst richtig klar, was an diesem Tag alles geschehen war. Ich hatte Sachen gemacht, welche ich nie von mir gedacht hätte, solche die ich zu bereuen geglaubt hatte, es nun aber nicht tat. Im Gegenteil. Ich war glücklich. Auch wenn es eine vollkommen neue und fremde Situation für mich war und ein schlechtes Gewissen gegenüber Hinata in mir hoch kroch. Ich hatte sie heute betrogen und das wäre erst der Anfang. Ich wollte gar nicht wissen, was geschehen würde, wenn jemand davon Wind bekäme. Aber Hiro hatte mir ja versichert, dass nichts geschehen werde und dass ich mir keine Sorgen zu machen müsste. Mit einem warmen und wohligen Gefühl der Geborgenheit, schlief ich ein. Dieser Tag war der Beginn eines neuen Lebens für mich. Ich hatte die unschuldige Seele eines Kindes nun endgültig von mir getrennt. Ich war in die Welt von Erwachsenen eingestiegen und stand nun mit beiden Beinen darin. Es war aber auch der Beginn eines langsamen Absturzes in die Hölle, von dem ich aber noch nichts vernahm. Denn bis jetzt hatte ich eher das Gefühl zu fliegen. Es waren noch ganze drei Wochen hin bis zu Hinatas Geburtstag. In der nächsten Schulwoche nahm ich es mir gleich zum Ziel mich bei Hinata zu erkunden, was ihr größter Wunsch sei. „Hm…mein größter Traum?“, sie musste eine Weile nachdenken, „Eigentlich gibt es da nur etwas…“ Sie lächelte mich geheimnisvoll an. „Und das wäre?“ „Wieso willst du das eigentlich so plötzlich wissen?“ „Ich interessiere mich eben für dich.“, entgegnete ich. „Nun ja, dann will ich einmal nicht so sein. Mein größter Wunsch ist es natürlich glücklich zu sein. Und das heißt für mich momentan nicht anderes, als dich zu haben. Du bist das wichtigste für mich. Ich will dich einfach nicht verlieren. Das ist eigentlich alles, was ich brauche, um glücklich zu sein.“ Wir wurden beide rot. „Da…das hast du jetzt wirklich schön gesagt, Hinata.“ Wegen diesen Worten war ich nun ganz baff. Ich betrachtete sie erstaunt. Sie konnte mich doch immer wieder überraschen. Dass sie mir so etwas sagen würde, das machte mich wirklich sehr verlegen. - Meine Mutter lachte los. „Du willst dich ihr als Geburtstagsgeschenk geben? Solche Ideen…typisch Kira.“ Ich kratzte mich am Hinterkopf. Weshalb konnte ich nicht meine Klappe halten? Die Reaktion meiner Mutter hätte ich gleich im Voraus berechnen können. Wenigstens beruhigte sie sich allmählich. „Darf ich Fragen, wie du dir das vorstellst? Willst du ihr als Geschenk verkleidet in die Arme springen?“ Sie kicherte noch immer vor sich hin. So langsam fand ich es aber überhaupt nicht mehr lustig. „Tut mir leid Kira, für meine Reaktion…aber…dieser Einfall, der ist doch schon etwas lächerlich, oder? Hat sie dich denn nicht bereits schon ‚bekommen’?“ Ich wusste genau, dass dem nicht so war. Aber meiner Mutter würde ich das nicht sagen. „Na ja…wie man’s nimmt eben…aber das geht dich ja eigentlich auch nichts an.“ Endlich schien sie meine Worte ernst zu nehmen: „Du wirst schon wissen, was du tust.“ Was hatte es jetzt gebracht, dass ich ihr von meinem Vorhaben erzählt hatte? Ich hatte nur ihren Segen bekommen, dass ich mich an Hinatas Geburtstag selbst zum Geschenk machen konnte und Hinata alles mit mir tun und lassen durfte, was sie wollte. Bis zum nächsten Wochenende hin plante ich mit Kisara und Mimori gemeinsam Hinatas Geburtstagsfete. Es sollte nichts Großes werden und bei ihr zu Hause stattfinden. Dafür bekamen wir auch ziemlich schnell die Erlaubnis von Megami. Ein Fest von der Dauer eines Tages. Mehr brauchte Hinata nicht. Nur mich plagte wieder mal etwas. So wartete ich am Samstag nach meinem Training wieder einmal auf Hiro. „Für dich scheint es ja langsam zur Gewohnheit zu werden, dass ich dein Chauffeur spiele. Tut mir leid, aber heute bin ich zu Fuß gekommen. Ich kann dich nicht nach Hause fahren.“ Welch glücklicher Zufall! Das kam mir gerade gelegen. „Ach das macht nichts. Ich wollte dich so oder so etwas Fragen. Da kann ich dich ja gleich begleiten, natürlich nur, wenn es dich nicht stört.“ Ich erwartete keine Antwort. Mit der Zeit lernte man, dass ein Mensch wie Hiro nicht unnötige Worte verlor, sondern einfach handelte. So schlug er seinen Weg ein, ich blieb kurz stehen und wartete ab. „Auf was wartest du noch? Komm oder du kannst alleine gehen!“, rief er mir mit einem schroffen Tonfall zu. Ich hatte nur auf die Bestätigung gewartet und rannte zu ihm. Solche Bestätigungen brauchte ich von Hiro des Öfteren, dass ich auch merken konnte, ob er mich überhaupt wahrnahm. „Was beschäftigt dich denn schon wieder?“ „Ach…ich wollte nur deine Meinung über das berühmte erste Mal hören.“, Scheinheilig kickte ich einen Stein vor mich hin und nahm diesen als Vorwand nicht in Hiros Gesicht gucken zu müssen. „…über das erste Mal…so, so. Wirst du doch langsam ungeduldig mit Hinata? Oder ist sie es, die es nicht mehr abwarten kann?“ Hiro schaute das Thema wieder völlig nüchtern an, was mich auch aufregte. Es wirkte, als wäre es ihm vollkommen egal, mit wem ich ins Bett stieg, als ob es ihn nichts angehen würde. Irgendwie hatte ich mir insgeheim erhofft, dass ich einen Funken Eifersucht bei ihm erkennen würde. Aber nichts. Rein gar nichts erkannte man da. „Denkst du, dass es eine gute Idee ist, wenn ich mich ihr quasi zu ihrem Geburtstag anbiete?“ Hiro schaute mich kurz an und musste dann auflachen. Die gleiche Reaktion wie bei meiner Mutter, nur dass mich seine mehr traf. Aber er lachte nur kurz, dann sah er es gleich wieder objektiv an. „Du solltest dein erstes Mal nicht einfach so darbieten. Such dir die richtige Person dafür und riskiere lieber mit deiner Unschuld ins Grab zu gehen, als dein erstes Mal unüberlegt und an die falsche Person zu verschenken. Das wird dich nur reuen, glaub mir, ich weiß von was ich spreche. Aber Hinata wird sicher nicht die falsche Wahl sein, solange sie sieht, dass du es euretwegen machst und nicht nur wegen ihr oder nur deinetwegen. Es muss einfach für euch beide stimmen aber schlussendlich musst du wissen, was du willst. Ich kann mich nur wiederholen, Kira, solche Entscheide liegen alleine bei dir.“ Er zog eine Zigarette aus seiner Manteltasche hervor. „Du auch?“ Ich sah ihn das erste Mal mit einer Zigarette in der Hand. „Nein danke, ich rauche nicht.“ Das akzeptierte er auch sofort und bevor er seine anzündete fragte er rücksichtsvoll nach: „Stört es dich, wenn ich rauche?“ „Gesund ist es nicht….“ Ich hielt meinen Kopf schon die ganze Zeit gesenkt, bemerkte trotzdem dass Hiros Blick auf mich fiel. Er zündete die Zigarette nicht an. Wahrscheinlich aus Rücksicht oder weil er kein schlechtes Vorbild sein wollte. Innerlich war ich enttäuscht. Hiro schien wirklich nichts Besonderes an mir zu finden. Das machte mich traurig. Ich trottete dementsprechend niedergeschlagen neben ihm her. Meine Körperhaltung sprach wie immer Bände. „Willst du, dass wir die Nachhilfe Morgen an einem ungestörten Platz verbringen?“ Hatte er wieder meine Gedanken gelesen? Aber ich wollte nicht, dass er nur so tat, als würde ich ihm etwas bedeuten. Ich sah so oder so irgendwie keinen Sinn mehr dahinter, weshalb er sich überhaupt mit mir einließ. „Nein, ist schon in Ordnung.“ Mein Verhalten schien auch Hiro nachdenklich zu stimmen. Wieder schwiegen wir beide aber noch nie schmerzte diese Stille, wie in diesem Augenblick. Ich ging meinen Gedanken nach. Lohnte es sich überhaupt für eine solche Beziehung so viel auf das Spiel zu setzen? Konnte man das, was zwischen uns war überhaupt eine Liebesbeziehung nennen? War das nicht viel eher die Neugierde eines Jugendlichen der auf das Mitleid eines Erwachsenen stieß? Brachte mir das alles überhaupt etwas außer neuen Problemen? War das alles nicht bereits jetzt schon zum Scheitern verurteilt? Machte es überhaupt Sinn, dafür zu kämpfen? Bevor ich ein neues Gesprächsthema hätte anschneiden können, sahen wir bereits den Umriss von Hiros Haus. Das war nur eine Bestätigung dafür, wie lange wir jetzt schweigend nebeneinander hergegangen waren, ohne dass einer wagte dem anderen seine Gedanken anzuvertrauen. Unsere Wege trennten sich an der Kreuzung. „Tschüss…“ Dann spürte ich plötzlich einen Regentropfen auf meine Nase fallen „Es beginnt zu regnen.“, stellte ich fest. Ich schaute hoch in den Himmel und hielt auch meine Hand prüfend in dieselbe Richtung. Es dämmerte bereits und das schwache Sonnenlicht wurde von zusätzlichen, dunklen Regenwolken abgeschwächt. „Willst du einen Schirm? Nicht dass du noch einmal krank wirst.“ Hiro begann bereits nach seinem Knirps zu suchen und fand ihn auch. Ich hatte nur genickt. Ich mochte gerade nicht mehr sprechen, dafür war ich zu deprimiert. Hiro öffnete den Schirm und gab ihn mir in meine Hand. Wir standen beide unter dem Schirm und wie auf einen Schlag begann es vom Himmel runter zu gießen. Unsere Köpfe steckten beide unter dem schwarzen Regenschirm. Hiro nutze die Gelegenheit und gab mir einen sanften Kuss. Der erste Abschiedskuss, den ich von ihm bekam, er fühlte sich an, als wäre es auch der letzte gewesen. Zwar entfachte dadurch wieder diese innere Hitze, aber mein Kopf zeigte kein Verständnis für diese Gefühle und ließ mich den Kuss emotionslos entgegennehmen. „Kira…ich kann keinen Einfluss auf deine Entscheidung nehmen.“ Das waren seine letzten Worte bevor er davonrannte, um möglichst schnell in das trockene und warme Haus zu gelangen. Ich wusste nicht, weshalb er mir so etwas zum Abschied sagte. Ich blieb für kurze Zeit wie versteinert stehen und blickte ihm nach, während ich mit meinen Fingern über meine Lippen fuhr. Dieser Mann konnte einfach sagenhaft gut küssen. Dagegen war meine Vernunft machtlos. Ich hatte mich einfach in diesen Mann verliebt, daran würde auch die Sinnlosigkeit unserer Beziehung oder sein verantwortungsloses Verhalten nichts ändern können. Es war von Anfang an eine Liebe, die keine Hoffnungen hatte. Aber was konnte ich schon gegen meine Gefühle machen? Ich konnte sie nicht ausschalten. Sie waren da und zogen mich in einen Bann, der mich selbst über Unerlaubtes hinwegsehen ließ. Den restlichen Weg beschritt ich unter Tränen. Ich konnte diese Bedrücktheit, diese Trauer, welche mir der heutige Tag deutlich spüren ließ, einfach nicht zurückdrängen. Am gleichen Tag an einem anderen Ort: Kisara erledigte eine Einkaufstour. Der beste Freund von Kira hatte ohne das Wissen der heimlichen Beziehung Kiras mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Auch er war hoffnungslos verliebt. Bei ihm war es keine andere Person als die bezaubernde Hinata, welche aber leider schon vergeben war. Gegen einen wie Kira hatte er so oder so keine Chance. Eigentlich hatte er Hinata schon längst aufgegeben. Es war zwecklos. Sie liebte Kira wirklich über alles. Das konnte man unmöglich übersehen. Kisara hatte sich damit schon seit Wochen abgefunden und verschwendete auch nicht mehr viele seiner Gedanken daran. Er wollte ihr wenigstens noch ein guter Freund sein, auf welchen sie sich verlassen konnte. Aber wie es der Zufall so wollte, tauchte vor seiner Nase eine Person auf, mit langen, blau-schwarzen Haaren. Diese Haare genügten und er wusste, um wen es sich da handelte. So schlich er sich an sie ran und wollte sie überraschen. Wie aus dem Nichts packte er sie an der Schulter und neigte sich nach vorne. Ihm kam dabei zwar etwas eigenartig vor, aber das würde sich gleich klären. „Hallo Hi…!“, Kisara verstummte. Das war ja gar nicht Hinata! Jedenfalls nicht die Hinata, die er kannte. Das war ein Junge. Deshalb kam es ihm auch so komisch vor, als er sie oder besser ihn von hinten schnappte. Der Kerl war um einiges größer als er. „Hey du, was sollte das?“, schnauzte der Kerl Kisara an. Aber es war wirklich verblüffend, wie er Hinata aus dem Gesicht geschnitten war. Er war eine Hinata in männlicher Form. Während Kisara das alles noch realisieren musste, bahnte sich der Typ bereits weiter den Weg durch die Menschenmenge. Aber bei Kisara ging ein inneres Alarmsystem in Betrieb. Er eilte ihm nach. „Du da, bist du neu hier in der Stadt?“, schrie ihm Kisara nach, „Jetzt warte doch einmal!“ Und tatsächlich. Der Junge blieb stehen, aber sichtlich genervt von der Verfolgung. „Sag mal, Blondi, was fällt dir ein mir einfach so auf offener Straße nachzurennen? Wenn das eine Anmache sein sollte, vergiss es! Ich gebe mich nicht mit Schwächlingen wie dir ab.“ „Und was gibt dir das Recht mich so anzuschnauzen? Ich wollte doch nur wissen, was du hier zu suchen hast. Du siehst einer Bekannten von mir nämlich sehr ähnlich.“ Sogleich zeigte der Fremde mehr Interesse. „So…du kennst also jemand, der mir sehr ähnlich sieht? Hast vielleicht auch gleich noch ein Foto von dieser Person bei dir?“, fragte er ihn mit einem spöttischen Unterton. Sofort zog Kisara ein Bild von Hinata aus seinem Geldbeutel, welchen er immer bei sich trug. „Überzeug dich selber! Hier!“ Das schien gewirkt zu haben, denn er Unbekannte machte keine Anzeichen mehr Kisara auf den Arm nehmen zu wollen, dafür grinste er und legte ihm den Arm um die Schulter und führte ihn in eine abgelegene Gasse. Dort drückte er Kisara etwas grob an die Wand. „Okay, Blondi. Ich glaube dir. Aber du hast mich nicht gesehen, ja? Ich warne dich, wenn du auch nur jemandem ein Wort über unsere Begegnung erzählst, bist du geliefert, dass wir uns verstanden haben! Wenn du dicht hältst, hast du was zu gut bei mir.“ Er drückte ihm einen Zettel in die Hand. Kisara schluckte eingeschüchtert und nickte, gab sich somit mit dem Deal kampflos einverstanden. Ihm war alles Recht, solange er nicht noch in irgendwelche kriminelle Tätigkeiten verwickelt würde. Obwohl, bei diesem Typen war ihm doch sehr unwohl. Was machte der auch ein Geheimnis darum, dass er hier in der Stadt war? „Dann sehn wir uns. Es liegt an dir ob das ein friedliches oder ein unangenehmes Widertreffen für dich sein wird. Und schon war er aus der Gasse verschwunden. Kisara blieb wie angewurzelt stehen und starrte auf die Karte. Der Kerl hatte ihm eine Visitenkarte eines Nachtclubs in die Hand gesteckt! Es verging ein Weilchen bis Kisara auffiel, dass er den Namen des Jungen gar nicht kannte. Er rannte aus der Gasse und blickte um sich. Aber der Gesuchte war weg. Spurlos verschwunden! Der einzige Anhaltpunkt, welcher Kisara noch blieb, war diese Karte. Zu seiner eigenen Sicherheit entschloss er, Gras über die Sache wachsen zu lassen. Es war wieder einmal Sonntag geworden und ich wäre zu Hinata und Hiro gegangen um dort etwas für die Schule zu tun. Aber der Vorfall des Vortages beschäftigte mich noch zu sehr. Dieser Abschied im Regen, er hatte etwas Trauriges an sich, etwas sehr Trauriges. Immer wieder wendete ich meinen Blich zum Knirps, den ich von Hiro bekommen hatte und sogleich wurde mir kalt, wie auch warm zugleich. Ich würde heute nicht hingehen. Viel lieber verkroch ich mich unter meiner Decke und döste etwas vor mich hin. Aber ich hätte es eigentlich lassen können. Denn gegen Abend, als mich die Familie Kazumoto zu vermissen schien, stattete mir Hiro einen Besuch ab. Meine Mutter schien nicht sonderlich von diesem Besuch begeistert zu sein. Im Allgemeinen kam es mir vor, als könnte sie ihn nicht leiden. Aber trotz der offensichtlichen Feindschaft zwischen den Zweien, erlaubte sie ihm den Besuch und so waren wir kurz darauf auch schon alleine in meinem Zimmer. „Ich muss mich wohl bei dir entschuldigen, Kira, wegen meinem Verhalten dir gegenüber.“ Ich hatte mich auf mein Bett gesetzt und tat so, als würde es mich nicht kümmern, was er gerade zu sagen hatte. „Du bist mir böse, oder? Du denkst, dass ich das einfach so mache.“ „Das kann ich ja schlecht übersehen…“, entgegnete ich ihm mit einem sehr bedrückten Ton. All das ergab für mich einfach keinen Sinn. Hiro schien sich einfach etwas darauf einzubilden, dass ich ihm nahezu verfallen war. Das schien er bereits bemerkt zu haben. „Kira, denk nicht so über mich. Das hat alles seine Gründe. Ich werde dir davon erzählen, wenn der richtige Zeitpunkt dafür gekommen ist.“ „So…dann kann ich mich also im nächsten Leben an dich wenden?“ Meine Stimmung war auf einem Tiefpunkt angelangt. Selbst Hiro würde mich nicht aufheitern können, jedenfalls nicht, wenn er sich mir gegenüber weiterhin so distanziert verhielt. „Hast du wirklich das Gefühl, dass du mir vollkommen egal bist?“ „Ja. Habe ich.“ Sogleich wandelte sich seine Miene. Aus Besorgnis wurde Wut „Ah! Und deswegen gebe ich mich mit dir ab, versuche alles Mögliche, dass es dir gut geht, opfere jede freie Minute für dich und stelle mich dir bedingungslos zur Verfügung? Weil du mir egal bist. Wenn das deine Meinung ist, kann ich daran auch nichts ändern.“ Jetzt hatte er es wieder erreicht das schlechte Gewissen und die Reue in mir hervorzurufen. Ich schaute ihn unsicher an. Er wirkte nun doch ziemlich getroffen von meinen Worten eben. Es schien ihm was auszumachen, dass ich so über ihn dachte. Da wurde mir glatt wieder zum heulen zu Mute. „Tut mir leid. Das habe ich nicht so gemeint…“, in meiner Stimmung war deutlich leichte Verzweiflung und Trauer wahrnehmbar. Hiro, der an der Tür stand, beobachtete mich, wie ich hilflos mein Gesicht zu verbergen versuchte. „Es kommt mir doch nur so vor, als hätte das alles überhaupt keine Bedeutung, als wären meine Gefühle wertlos. Du sagst mir schließlich auch nie, was du von mir denkst, was du von mir hältst und was du für mich empfindest. Versteh mich doch… Ich habe so viel aufgegeben für dich, weil ich durch deine Worte damals in meinem Entschluss gestärkt wurde. Ich wollte das Risiko eingehen. Aber ich hätte nie gedacht, dass es so deprimierend ist, immer auf der Hut sein zu müssen, nicht entdeckt zu werden, ohne jegliche Ziele vor Augen, welche die Beziehung bringen könnte. Da erscheint es mir doch alles nur Sinnlos und als unüberlegter Unsinn. Aber ich… ich mag dich eben. Ich kann doch auch nichts dagegen tun…!“ Und wieder einmal hatte mich ein Gefühlsausbruch überrumpelt. Dieses Mal noch intensiver. Einfach so spürte ich, wie meine Wangen schon ganz Nass von den Tränen waren. Mir war so kalt und ich zitterte. Aber es war eine Kälte, die aus dem Innern kam. Ich kauerte alleine auf meinem Bett und die einzige Person, die mir hätte Wärme geben können, stand noch immer an der Tür und betrachtete mich. Aber wenigstens erkannte Hiro dann doch endlich, dass ich ihn brauchte. So kam er zu mir und nahm mich in den Arm. „Bitte, heul nicht…das tut mir nur weh.“ Welche Aufforderung. Ich konnte diese Tränen jetzt nicht einfach runterschlucken. Sie mussten raus. Dafür brachte es Erleichterung. „Wieso kannst du nicht Hinata sein? Oder ich Megami? Dann wäre alles in Ordnung.“, schluchzte ich an Hiros Hals. Es tat weh in jemanden verliebt zu sein, in den man nicht verliebt sein durfte. Die Restliche Zeit weinte ich mich an seiner Schulter aus. Er sagte mir immer, dass er mich nicht traurig sehen will, dass ihn das schmerzen würde, mich seinetwegen Unglück zu sehen. Das erste Mal zeigte er mir, dass ich ihm wirklich nicht egal war. „Ich werde es übrigens tun…“, gestand ich ihm am Schluss, als er mich bereits durch sein liebliches Kraulen beruhigt hatte. Erst schien er noch auf der Leitung zu stehen, aber dann wusste er was ich gemeint hatte. Er sagte nichts dazu, dafür ließ er die Umarmung inniger werden. Ich war so dumm und erkannte erst den Sinn dieser innigen Umarmung, als es schon zu spät war. Die innere Kälte hatte sich verzogen und machte nun wieder einer unvergleichbaren Hitze Platz. Aber die verdrängte Trauer wollte nicht weichen. Das würde sie auch nie, solange das, was wir hier taten, als Verboten eingestuft wurde, als eklig, pervers und als Schandfleck der Menschheit. Ich würde lernen mit dieser bedrückenden Hoffnungslosigkeit leben zu müssen. Egal was auch geschehen würde, niemand würde unsere Beziehung akzeptieren, geschweige denn als normal und natürlich einstufen. Aber mir wurde damals doch klar, dass ich das alles in Kauf nahm, damit ich die Wärme bekommen konnte, die ich manchmal einfach brauchte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)