Fushin von abgemeldet (Storyboard von 2006) ================================================================================ Kapitel 3: Nachhilfe -------------------- Das restliche Wochenende zog ohne weitere Zwischenfälle an mir vorbei. Erst am Montag sollte ich wieder mit einem unschönen Erlebnis von meinem kleinen Höhenflug herunter gerissen werden. Wir hatten Wirtschaft und erwarteten die Rückgabe der letzten Prüfung. Nun ja, der Lehrer hat mich am Ende der Lektion zu sich gerufen. Ich hatte gerade mal zwölf Punkte von den erreichbaren 100. Ich erduldete seine Standpauke, aber das Ganze kümmerte mich herzlich wenig. In den restlichen Fächern war ich schließlich genügend. Da würde ich wegen einem solchem Tiefschlag nicht gleich die Stufe wiederholen müssen. Ich würde eben für die nächste Prüfung mehr lernen müssen, dann würde sich das bestimmt wieder ausgleichen. Einige Wochen darauf, ich war bereits im Karate aktiv, gab es die nächste Prüfung. Und das Resultat? Gerade mal acht Punkte konnte ich holen. Und diese Nachricht musste mich ausgerechnet an einem Freitag ins Wochenende begleiten. Da überlegte ich mir gleich zweimal, ob ich das Samstagstraining nicht sausen lassen sollte. Aber es brachte schlussendlich nichts, wegen einer missglückten Prüfung Trübsal zu blasen. So ging ich am Samstagnachmittag, wie die letzten Male auch, ins Karatedojo. Meine Laune schien mir auf die Stirn geschrieben zu sein. Alle fragten mich, was mit mir los sei. Auch Hiro, so wie ich es mir inzwischen angewohnt hatte, ihn zu benennen. „Ist alles in Ordnung bei dir? Du siehst aus, als wäre deine gesamte Verwandtschaft gestorben.“, erkundigte er sich führsorglich bei mir. „So schlimm ist es nicht. Ich habe zurzeit bloß nicht die wünschenswerten Noten in der Schule. Sonst fehlt mir eigentlich nichts.“ „Wo hapert’s denn? Mathematik, Sprachen?“ „Nein, nein, da werde ich keine Probleme haben zu bestehen. Mir fehlt einfach das Grundwissen vom ganzen Wirtschaftskram.“ Ich setzte mich auf die Bank in der Umkleidekabine, in welcher wir uns gerade aufhielten. Das Training war vorbei und ich war noch ziemlich fit, da ich mich nicht sonderlich angestrengt hatte, auch wenn ich gleich mit dem gelben Gurt einsteigen durfte. Jetzt kauerte ich auf der Bank. Irgendwie hatte ich dieses Fach bereits aufgegeben. Hiro setzte sich neben mich und legte freundschaftlich seine Hand um meine Schultern. Mit der freien Hand, hob er meinen gesenkten Kopf an und drehte ihn zu sich, so dass ich ihm ins Gesicht schauen musste. „Lass den Kopf deswegen doch nicht gleich so hängen. Das wird schon wieder. Auch wenn du zu mir kommen musst, damit ich dir den Kram in deinen Kopf hämmern kann.“, er zwinkerte mir aufmunternd zu. Aber das half mir jetzt auch nichts. Nur wenn er wirklich noch mehr Zeit für mich investieren würde, um mir das alles beizubringen, würde ich eventuell bei der nächsten Prüfung noch eine Steigerung hinbekommen. Aber Hiro hatte das Angebot bestimmt mehr zur Aufmunterung gemacht, als dass er sich tatsächlich wieder mit mir herumschlagen wollte. „Danke, dass du mich motivieren willst, aber ich lass es einfach mit diesem Fach, dann muss ich eben in den anderen zulegen, damit ich es kompensieren kann.“ Daraufhin bekam ich einen Stoss von der anderen Seite. Roy hatte sich zu uns gesetzt und schaut mich unverständlich an. „Hiro meint das ernst, du Idiot. Schlag ein solches Angebot nicht ab! Er will dir doch nur helfen.“ Ich wechselte meinen Blick noch einmal zwischen den Beiden, bevor ich aufgebracht aufstand und davonlief. Alle in der Kabine schauten mir verständnislos nach. Hiro konnte bei meiner Reaktion nur seufzen. Wenn ich seine Hilfe nicht annehmen wollte, konnte er daran auch nichts ändern. Außerdem hatten die mit dem schwarzen Gurt nun ihre Trainingseinheit, ich hatte meine längst beendet und somit auch keinen Grund noch länger zu bleiben. Ich war aus dem überbevölkerten Raum geflüchtet und kam erst wieder etwas zur Ruhe, als ich in der kühlen, frischen Herbstluft stand. Bevor ich nach Hause ging, beobachtete ich die Gruppe, in jener auch Hiro mitmachte. Es faszinierte mich jedes Mal von neuem, wenn ich ihm zuschauen konnte. Aber heute blieb ich nicht lange. Ich machte mich auf den Weg nach Hause um ein bisschen im Selbstmitleid zu versinken. Bis hin zum Montag döste ich vor mich hin und verplemperte meine Zeit. Ich hatte auch keine Lust, mich mit Hinata zu treffen, auch wenn sie mich vielleicht hätte aufheitern können. Jedenfalls war bereits wieder Montag und das hieß auch, dass eine neue Schulwoche ihren Lauf nahm, mitsamt meinem ‚Lieblingsfach’. Das neue Thema in Wirtschaft…, ich konnte wieder nichts damit anfangen. Für was brauchte man auch zu wissen, was eine Volkswirtschaft war, welche Faktoren dazugehörten und all das restliche Zeugs, das mir der Lehrer mühsam versuchte beizubringen? Allerdings musste ich mir ein weiteres Mal eingestehen, dass ich absolut nur Bahnhof verstand. Am darauf folgenden Samstag nahm ich dann doch meinen Mut zusammen und vergas meinen männlichen Stolz für einen kurzen Augenblick. Ich griff auf Hiros Angebot zurück und er besprach mit mir sogleich, wann es losgehen sollte. Er fand es auch für angebracht, so schnell wie möglich anzufangen, also trafen wir uns bereits am nächsten Tag. Angeblich hatte Hiro nichts Besseres zu tun, was ich zwar nicht glauben konnte. Aber wenn er das Ding unbedingt mit mir durchziehen wollte…? Ich hatte nichts dagegen. Dadurch hatte ich schließlich nichts zu verlieren, eher im Gegenteil. Durch die Nachhilfe konnte ich Hinata des Öfteren sehen. Es wirkte sich auch nicht negativ auf die Beziehung zu den restlichen Familienmitgliedern aus. Oft verbrachte ich den ganzen Sonntagnachmittag in den Gemäuern der Kazumotos. Nie hätte ich zu denken gewagt, dass Nachhilfe so viel Freude bringen konnte. Die ersten Resultate zeigten sich auch schon bald bei meinen Noten. So verging die Zeit. Bis in den Winter war mein Alltag geregelt. Montags bis Freitags stand die Schule auf dem Tagesplan, Samstag Karate und am Sonntag Nachhilfeunterricht. Bei jeder freien Minute, in der ich keine Arbeiten zu erledigen hatte oder lernen musste, unternahm ich allerlei Sachen mit Hinata. Es war eine wunderschöne Zeit. Im Nachhinein erkenne ich, dass es ein Abschnitt in meinem Leben war, in welchem ich keine Sorgen und Probleme hatte. Ich war rundum glücklich und hatte alles, was ich brauchte. Aber leider können auf die schönsten Zeiten nur noch schlechtere folgen. Es stand ein einschneidendes Ereignis vor der Tür, das mein Leben aus dem regelmäßigen und sicheren Rhythmus reißen sollte. Bis zu jenem kalten Wintertag, brachte ich aber weiterhin jede Woche im gewohnten Ablauf hinter mich. In der Nachhilfe entdeckte ich per Zufall auch noch andere Stärken von Hiro, bei jenen er mir immer wieder vor den Prüfungen unter die Arme greifen konnte, damit ich noch bessere Noten schrieb. Mein Aufstieg in der Schule blieb auch der Lehrerschaft nicht verwehrt. Bald gehörte ich zu den vorbildlichen Schülern, welche auch den Schutz der Lehrer genießen durfte. Aber das hieß nicht, dass ich im Schulgelände als Streber betitelt wurde. Nein. Mein Ruf, der bereits seit den ersten Minuten an dieser Schule ausgezeichnet war, änderte sich nicht. Im Gegenteil, ich schien noch beliebter zu sein als zuvor. Das erkannte ich auch an meinen Verehrerinnen. Die waren kurz davor einen Fanclub für mich zu Gründen. Ja- das waren wirklich schöne Zeiten gewesen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)