Augenblick von Whoopi ("Es war so ein Moment, den man sonst aus dem Kino kennt...") ================================================================================ Kapitel 18: Du weißt nicht was das für ein Schock war ----------------------------------------------------- Du weißt nicht was das für ein Schock war „RIKE!!!“ Jan konnte sie gerade noch auf fangen. Ohnmächtig und kraftlos war sie bereits Richtung Boden gestürzt. In Panik riss er das Hemd von ihr endgültig auf. Ein erschrockenes Keuchen ging durch die Gruppe, als eine klaffende Wunde sichtbar wurde. Fassungslos und wie erstarrt sah Jan auf sie hinab. Aber wie? Wann war das passiert? Er dachte wild und ungeordnet nach, doch er kam zu keinem Schluss. Plötzlich jedoch wusste er es. Als der Nazi mit dem Messer auf ihn zugestürmt war, hatte er Henrike angerempelt. Die Wunde war jedoch so blutig, dass man ihre Größe nicht genau ausmachen konnte und er immer weniger verstand, warum sie selbst nichts gemerkt hatte. Notgedrungen legten er und Celina sie auf dem Boden ab, wobei die dunkelhäutige den Kopf auf ihren Schoß bettete. „BEEIL DICH VERDAMMT!!!“, brüllte Jan den Drummer an, der in seinem Schock den Anruf vergessen hatte. Dieser zuckte kurz zusammen und legte dann auch einen Zahn zu. Unruhig blickte Jan sich um und sah, dass Michaela noch immer stand. Diese fummelte an sich rum. Gerade wollte er sie ebenfalls anblasen, doch da fiel sie vor Henrike auf die Knie und drückte ihren Schal auf die Wunde. „Wir müssen die Blutung stoppen…“ Murmelte sie kurz und Jan war ihr unendlich dankbar. Ein leises Schluchzen brachte seine Aufmerksamkeit in eine andere Richtung. Celina hatte sich vor Entsetzten die Hand auf dem Mund gelegt und hatte diesen Laut nicht unterdrücken können. Zuerst glaubte Jan sie weinte, aber Celina war wesentlich gefasster. Außer, dass eindeutig Schockierung in ihrem Gesicht stand… Der Kopf der rothaarigen lag noch immer auf ihrem Schoß und sie streichelte ihrer Freundin vorsichtig über die Wange. Rike selbst lag fast vollkommen reglos da, nicht einmal zu atmen schien sie. Nur wenn man genau hinsah, konnte man erkennen, wie sich ihr Brustkorb hob und senkte. Rodrigo, auf den Jan bisher kaum geachtet hatte, war neben Mischa in die Hocke gegangen und untersuchte Henrike so gut er konnte. Tatsächlich verfügte der Chilene über leichte medizinische Kenntnisse, die er in seinem Bekanntenkreis einst erlernt hatte. Gerade hob er Rikes Körper an, damit Mischa ihr den Schal besser um die Taille binden konnte. „Sie kommen gleich…“, keuchte Dirk und trat näher an die Gruppe heran, bei denen inzwischen jeder, bis auf der Graf, neben Rike hockte oder kniete. Ungefähr 8 Minuten später hielt der Krankenwagen am Straßenrand. Alles blieb jedoch bei der Rothaarigen, es reichte dass Dirk auf sie zu lief und den Ärzten kurz die Lage erläuterte. Wenig später waren die (richtigen) Ärzte bei der jungen Patientin angelangt. Michaela hatte Celina hoch geholfen, da diese noch leicht unter Schock stand. Als es ans hoch hieven und auf die Trage verfrachten ging, beugte Jan sich sogleich, wie selbst verständlich, runter. Er wurde jedoch zurückgehalten und leicht beiseite geschoben. Der blonde Mann sah leicht irritiert zu, wie Rodrigo die junge Frau hoch hob und sie auf der Trage ablegte. „Guck dich doch an, du bist selbst mehr als fertig.“, gab der schwarzhaarige Bassist zur Antwort, ehe Jan etwas sagen konnte. Rodrigos Vermutung, dass es sich bei Jans Äußerung um Protest gehandelt hätte, war nur zu wahr. So sah dieser nur stumm zu, wie der Chilene sachte Rikes Kopf zu Recht rückte. Jan konnte sich einen schiefen Blick Richtung Kollege nicht verkneifen, aber er schob es schnell wieder beiseite. Stattdessen trat er näher an das Gestell heran, dort wo ihr Gesicht, in seine Richtung zur Seite gefallen, lag. Bange kroch in ihm hoch. Er hätte es merken können. Nein! Er hätte es merken müssen!!! Verdammt noch mal, warum hatte er nichts gemerkt!!!!!!! Er registrierte selbst, dass seine Hand zitterte, als er ihr vorsichtig einige Strähnen aus dem Gesicht strich. „JAN?!“ Der angesprochene zuckte zusammen. Dirk stand auf der anderen Seite der Trage und seinem Gesichtsausdruck zu urteilen hatte er schon länger versucht seinen Freund zu erreichen. „Wo durch hat sie die Verletzung erhalten, weißt du das?“ „Ich…“, verfluchte Scheiße, warum konnte er nicht mehr vernünftig denken??? „ Es… ein Messer. Es war ein Taschenmesser! Ein ziemlich großes…“ Der Graf leitete es gleich an die Doktoren weiter. Danach wandte er sich wieder seinem Freund zu. Der größte in der Band spürte die Besorgnis in dem Blick nur zu deutlich aber. Aber gleichzeitig lag etwas anderes in Dirks Augen. Eine Frage, aber zugleich schien es eine Feststellung zu sein. Jan gefiel dieser Ausdruck nicht, daher wich er ihm aus und ging mit zur Krankenwagentür. „Wir können nur eine weitere Person mitnehmen.“, sprach einer der Pfleger, als gleich alle versuchten sich in den Wagen zu verpflanzen. Jeder sah sich um. Keiner wagte es so recht diesen Platz nur für sich zu beanspruchen. „Celina geht!“ Michaela hatte besagter Frau die Hände auf die Schultern gelegt und schob sie zur Tür. Celina wirkte leicht überrumpelt, ging aber die paar Schritte vorwärts. Direkt vor den Stufen drehte sie sich jedoch wieder um. „Ist das OK für euch?“ Wenn jemand unbedingt mit ihr tauschen wollte, verbarg dieser es sehr gut. „Geh schon! Wir rennen schnell zum Hotel, schnappen uns das nächste Auto und kommen nach.“, sagte Rodrigo und drückte sie mit einem beruhigenden Lächeln in den Wagen. Das war echt typisch Rodrigo. Egal was los war, ob alle Gitarrensaiten vor einem Auftritt rissen, er seit drei Tagen nix gegessen hatte oder auch einfach nur die Welt unter ging; Er blieb immer am ruhigsten. In diesem Augenblick beneidete Jan ihn tatsächlich darum, als er noch einen letzten Blick auf die noch immer ohnmächtige Henrike warf, hatte er das Gefühl wahnsinnig zu werden… ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ Es kam ihnen vor wie Stunden. Schon seit Ewigkeiten schienen sie bereits zu warten und es tat sich einfach nichts. Und das war das schlimmste! Zig Befürchtungen nahmen immer mehr Gestalt an. Der Chilene hatte nicht zu viel versprochen. Gleich nachdem sich der Wagen in Bewegung gesetzt hatte, waren sie los gestürmt, hatten sich den nächst besten Wagen an den sie ran kamen gekrallt und sogleich zum Krankenhaus gerast. Nun standen sie schon ewig vor dem Operationssaal. Niemand wusste wie viel Zeit tatsächlich vergangen war, aber es machte sich auch keiner die Mühe nach zu sehen. Jeder stand oder lag in einer anderen Pose herum und starrte Löcher in die Luft. Mischa lehnte sich an die Wand, neben der Tür, Rodrigo schritt auf und ab und Dirk sah ihm dabei zu. Der schwarzhaarige Drummer selbst saß neben Jan auf einer Bank. Celina hatten sie nach ihrem Erscheinen gleich hier angetroffen. Sie saß noch immer neben der stehenden Mischa und zwirbelte sich ihre Locken noch lockiger. Da dass anglotzen von Quotenchilenen mit der Zeit langweilig wurde, blickte Dirk wieder mehr nach rechts. Der Gitarist hatte jetzt schon seit sie den Tatort verlassen hatten keinen Ton mehr von sich gegeben. Auch in diesem Moment blieb er stumm, die Arme vor der Brust verschränkt und mit dem rechten Fuß auf und ab tippend. Der älteste der Truppe macht sich so langsam über das Verhalten seines größeren Freundes. Er überlegte, vielleicht sollte er ihn einfach drauf ansprechen. Doch da blickte Jan ihm genau ins Gesicht und dieser Gedanken verzog sich ganz schnell in eine finstere Ecke. Die Augen sagten nur eins: Wehe die sprichst mich jetzt an!!! „Schon gut…“, murmelte der Drummer seinem Freund zu und nahm stattdessen den ablehnenden Blick als indirekte Antwort auf seine ungestellte Frage. „Sorry…“ Verwundert blinzelnd sah Dirk zu Jan, der seufzend in sich zusammen sackte. Anstatt nach zu haken, was ihm grad sehr schwer fiel, legte er ihm die Hand auf die Schulter. „Sie kommt schon wieder hoch. Unsere Kleine lässt sich nicht so leicht unter buttern.“ Ein Schock ging durch die Gruppe. Schuld daran war ein eigentlich eher leises Geräusch. Nämlich die sich öffnenden Automatiktüren des OP-Saals. Wie bei der Army standen alle kerzengerade da und überfielen sofort den Arzt, der als erstes aus der Tür getreten war. „Wie geht es ihr?“, Celina war diejenige, die diese Frage für alle aussprach. Der Rest schien noch nicht einmal zu atmen und starrte nur den alten Dr. zu Tode. Dieser runzelte kurz die Stirn und hob ein Klemmbrett an. „Die Wunde sah schlimmer aus als sie es ist. Aber sie hat nicht gerade wenig Blut verloren. Wegen all ihrer Schmerzen wurde sie schon halb betäubt, wodurch sie die Schnittwunde kaum wahrgenommen hat.“ Der Arzt rückte die Brille zurecht und besah sich seine Unterlagen noch mal. „Zwei gebrochene Rippen…Blutungen…Prellungen…“ Er zählte es so gelassen ab, dass die anderen nur schwer einen Kommentar dazu unterdrücken konnten. Den Männern gelang es besser ihr Entsetzten zu verbergen, Mischa und Celina hingegen fiel dies schon wesentlich schwerer. „Wir haben den Einschnitt genäht und die weitren Wunden behandelt. Sie befindet sich noch unter Narkose und wird eine Zeit lang schlafen. Aber ich denke ich kann ihnen versichern, dass sie bald wieder gesund sein wird.“ Ein überdeutliches erleichtertes Aufseufzen ging durch die Gruppe. „Wann kann sie wieder raus?“ Mischa wurde nicht nur vom DR. schief angesehen, als sie diese Frage stellte. „Ich mein das ja nicht böswillig, aber die Tour…“ Imaginär klatschten die drei Herren der besten Band der Welt sich die Hände an die Stirn. Das hatten sie ganz vergessen! „Das kann ich Ihnen jetzt noch nicht sagen. Wir müssen erst abwarten wie ihr Zustand ist wenn sie aufwacht. Darf ich fragen was Sie beruflich betreiben?“ „Ähm, wir sind Musiker. Wir alle, auch Rike, und sind gerade zusammen auf Tournee.“ Der ältere Mann, den sie alle auf ungefähr Anfang 60 schätzten, runzelte erneut seine Stirn. „Die müssen sie dann wohl verschieben…Ich erteile ihr mindestens 2 Wochen Auftrittsverbot, ansonsten kann ich für nichts garantieren!“ Zwei Wochen… Das würde echt einige Strapazen bringen. War nur die Frage was sie genau machen sollten? Sie könnten solang einen Ersatz für Rike einstellen. Ersatz… Keiner fühlte sich so wohl bei dem Gedanken. Aber wahrscheinlich kam man da nicht herum. „Und… könnten sie vielleicht schätzen wann sie wieder… ähm einsatzbereit ist?“, schaltete sich nun Rodrigo ein. „Ich kann es wirklich noch nicht fest sagen. Wir sehen weiter wenn die junge Dame erwacht ist. Ich muss jetzt weiter. Legen sie sich am besten auch hin, nach so einer Aufregung tut Ruhe gut. Trotz allen einen angenehmen Abend noch.“ Mit einem milden Lächeln verschwand der Arzt, hielt aber nach ein paar Schritten wieder an. Offenbar war ihm noch etwas eingefallen. „Ach ja, wenn sie noch Fragen haben wenden sie sich bitte an die Schwester.“ Er deutete nach links. Eine etwas pummelige Frau, so um die dreißig, kam lächelnd auf sie zu. „Guten Abend. Kann ich Ihnen helfen?“, sie blickte freundlich und verständnisvoll in die Runde. „Könnte ich... oder wir... zu ihr? Ginge das?“ Die Schwester schien kurz nach zu denken. „Es ginge schon. Nur kann ich Ihnen nur höchstens zu zweit Zutritt erlauben und ich weiß nicht ob ich Ihnen dazu raten würde. Zum einen schläft sie noch und zum anderen glaube auch ich, dass sie sich erst einmal etwas Ruhe gönnen sollten…“ Als die Frau Celinas betroffenen Blick bemerkte legte sie ihr eine Hand auf die Schulter. „Ich könnte es so einrichten, dass sie heute hier übernachten können. Wäre Ihnen das recht?“ Augenblicklich leuchtete Celinas Gesicht auf. „Ja bitte!!!“ Damit war es beschlossen. Celina würde die Nacht über bleiben und in einem Klappbett neben Rike pennen. Sie wollten es kurz und schmerzlos machen, daher beeilten die andern sich weg zu gehen. „Bei den Ramones…“, keuchte Dirk und wischte sich über die Stirn. Erst jetzt kam das Geschehene richtig oben an. Niemand sagte etwas. Alle schwiegen und gingen, fast wie bei einem Trauermarsch den Gang hinunter. Mischa hielt nur einmal kurz an, um ihren Schal, den ihr die Ärzte wieder gegeben hatten, in eine Mülltonne zu stopfen. Rodrigo legte ihr danach einen Arm um die Schultern, da sie leicht zitterte. Und Jan schlich ihnen völlig stumm nach. Auch in ihm gärte das ganze Dilemma. Es ihm ansehen war aber schwierig, seine Gesichtzüge schienen vollkommen Gefühlskalt und steinern. Innerlich war er wesentlich aufgewühlter. Er hatte zwar endlich auf gehört sich selbst Vorwürfe zu machen, aber es waren andere Dinge die nun in ihm tobten und ihm einfach keine Ruhe ließen. „Fährst du?“ Jan sah auf und bemerkte so, dass die Frage nicht an ihn sondern an Dirk gerichtet war. Dieser nahm dem Chilenen nun den Autoschlüssel ab. Der blonde Riese stand unschlüssig da. Die Hände in den Hosentaschen und immer noch in sich selbst versunken starrte er gerade an dem schwarzen Wagen vorbei. Hinüber auf die andere Straßenseite, wo ein Park begann… „Was ist, kommst du?“ Rodrigo war schon halb im Auto verschwunden und blickte fragend zu seinem Freund auf. Jan blinzelte, setzte einen Schritt vorwärts und blieb dann wieder versteinert stehen. „Was hast du?“, der Chilene klang besorgt und Jan registrierte, dass er im Begriff war wieder aus zu steigen. „Ich hab was vergessen!“ Nun lehnte sich auch Dirk aus dem Fenster. Nur Mischa blieb in der Dunkelheit von dem Platz neben Rod verborgen. „Et…Etwas worauf die Ärzte besser acht geben sollten. Ich geh noch mal zurück, fahrt ruhig. Ich lauf dann zurück.“ Rod und Dirk tauschten kurz bedeutungsvolle Blicke miteinander aus, ehe sie wieder auf sahen. „Und wir sollen nicht noch warten?“, harkte der Graf nach. „Nein… Ich komm zu Recht. Außerdem brauch ich etwas Ruhe…“ Das glaubten ihm seine beiden Freunde sofort. „Na dann… Lass dich aber nicht von fremden Leuten ansprechen mein Kleiner.“, tadelte Dirk noch grinsend und lachte kurz darauf, als Jan mit „Ja Mutti!“ antwortete. Er wartete noch einen Augenblick, bis das Auto um die Ecke bog, dann ging er ins Krankenhaus zurück. Erst langsam, doch als er den Eingang durchquert hatte packte ihn etwas. Er hatte keine Ahnung was es war, aber ein Energieaufschwung kam in ihm auf und er rannte los. Rannte einfach die Stufen und Gänge entlang, bis er keuchend zu stehen kam. Das hatte gut getan. Endlich hatte er diese überschüssige Kraft, die durch die Emotionen entstanden war, entladen können. Er sah auf. Ja, es war der richtige Gang. Und da vorn war die Tür. Kaum setzte er den Gang fort, stand er auch schon vor ihr. Wieder unschlüssig und stumm. Was wollte er eigentlich hier? Er konnte doch gar nichts mehr machen… Seine Hand, die sich auf Höhe der Klinke bewegt hatte, erschlaffte und baumelte kurz an seiner Seite umher. Er kam sich doch etwas idiotisch vor, aber innerlich wollte er einfach nicht weg von hier. Sein Blick schweifte über den Gang. Alles weiß, wie in Krankenhäusern so üblich. Und noch immer befanden sich zwei Stuhle gegenüber der Tür. Mit einem Seufzen ging er los und ließ sich auf einen nieder. Sofort, als hätte sie nur auf diesen Moment gelauert, fiel die Müdigkeit über ihn her. Ohne es verhindern zu können klappten ihm immer öfter die Augen zu. Es gab aber auch wirklich spannenderes als eine weiße Tür stundenlang anzuglotzen. Selbst sich selbst in den Nacken zu zwicken half nicht. Jan sah allmählich nur noch rote Schafe mit Irons um ihn herum hampeln… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)