Augenblick von Whoopi ("Es war so ein Moment, den man sonst aus dem Kino kennt...") ================================================================================ Kapitel 5: Wir wollen nur deine Seele ------------------------------------- Wir wollen nur deine Seele 10: 36 saß die junge Frau in der S-Bahn Richtung Bela B.s Gruft. Sie hatte die ganze Nacht über kaum ein Auge zu getan und auch jetzt noch war sie fürchterlich aufgeregt. Die Ärzte waren ihre absolute Lieblingsband und vielleicht würde sie bald mit ihnen auf der Bühne stehen. Ihr erstes großes Arrangement! Nur befürchtete sie, dass sie dem Doktoren-Trio gegen über wohl kaum ein Wort raus bringen würde… Sie seufzte und trommelte mit ihren Fingern nervös auf ihrem IPOD herum. Auch die beste Musik half einfach nicht sie zu beruhigen. ´Was ist wenn ich vor denen nur noch rum stottere´? Oder wenn ich keinen einzigen Ton treffe!? Oder…oder…oder sonst irgend ein scheiß passiert!!??´ Ihre Strähnen, die ihr übers Gesicht vielen, zwirbelte sie schon die ganze Zeit in ihren Fingern umher. Das tat sie immer wenn sie nervös war. „Nächster Halt: Endstation.“, krächzte die monotone Frauenstimme aus den veralteten Lautsprechern. Seufzend erhob Henrike sich und schlürfte zur Tür. Ihren IPOD verstaute sie schnell in ihrer roten Tasche. Mit einem schrillen Quietschen kam die Bahn zum stehen und öffnete ihren Passagieren die Tore zur Außenwelt. Sie kramte nach dem Zettel in ihrer Hosentasche. Bela hatte ihr in seiner letzten Mail den Treffpunkt und den Weg dorthin beschrieben. Laut dem Zettel war dieser nicht weit von hier. Henrike seufzte noch einmal und zog tief die eisige Luft ein. Es war Mitte Januar, für diesen jedoch recht mild. `Nun gibt es kein zurück…` Im normalen Laufschritt machte sie sich auf gen Treffpunkt. Sie brauchte erst ein bisschen um sich zu Recht zu finden, aber die kleine Skizze auf dem Zettel erwies sich als recht zuverlässig. Genau genommen musste sie nur noch diesen Gang entlang. Der Wind blies unangenehm um ihre Ohren und sie zog sich den Schal enger um den Hals. Eben war ihr die Temperatur noch fast angenehm vorgekommen, aber nun stach diese ihr fies in den Augen. Endlich hatte sie das Ende des Ganges erreicht. Ein letzter Blick verriet ihr, dass sie an einer Lidfasssäule warten solle. Du wirst dann um 11:00 Uhr abgeholt. Und bring ja gute Laune mit! Bela B. Sie schaute sich um und etwas abseits konnte sie besagte Säule schon sehen. Sie steckte den Zettel weg und machte sich auf den „weiten und abenteuerlichen“ Weg Richtung Säule. Dort angekommen stellte sie sich gut sichtbar daneben. Sie krempelte den Ärmel ihrer Jacke hoch, um einen Blick auf ihre Uhr zu werfen. 10:58 Gleich war es soweit! Kurz überprüfte sie noch einmal alles, Kleidung, Haare und alles was ihr sonst noch so einfiel. Sie steckte die Hände in ihre Hosentaschen und verlagerte ihr Körpergewicht auf das rechte Bein. Wie unerträglich 2 Minuten doch sein konnten! Wenigstens taten die dicke Jacke, die Mütze, der Schal und die Fingerlosen Handschuhe ihren Job gut. Kurz grübelte sie noch darüber nach, warum Bela ihr nicht gleich seine Adresse gegeben habe. Doch im selben Moment war ihr auch schon die Antwort klar. Er wollte halt nicht riskieren, dass diese dann wo möglich im Internet verbreitet wurde. Schließlich konnte sie auch noch nicht gut genug. `Typisch, es vertraut mal wieder keiner Klein-Henrike…´ Dachte sie noch, musste aber gleich darauf grinsen. Erneut schaute sie auf die Uhr. 11:59 Sie stöhnte. Sie hielt diese Nervosität einfach nicht mehr aus! „Das gibt’s nicht.“ Henrike registrierte, dass der Satz in ihre Richtung ging, war sich aber nicht sicher ob sie damit gemeint war. „Ich glaubs ja nicht. Hey Rike!“ Das war nun eindeutig an sie gerichtet. Verwundert drehte sie sich zu der Person und glaubte im nächsten Moment endgültig (und das will was heißen!) aus den Latschen zu kippen. „Celina?!“ „Rike!“ Im nächsten Augenblick stürzten die beiden Frauen kreischend auf einander zu. In der stürmischen Begrüßung fand Henrike als erstes die Fassung zurück: „Also entweder bin ich nun endgültig reif für die Anstalt, oder eine meiner besten Freunde steht allen ernstes vor mir! Und nur damit du ´s weißt: Ich tendiere zu eins!“ „Nummer zwei ist aber die richtige Antwort!“ Celina grinste Henrike überglücklich an. Die aus (Afro)Amerika stammende Berlinerin gehörte eindeutig zu Henrikes besten Freunden. Und eigentlich, so dachte Henrike zumindest, sollte diese auf einer Tour quer durch Deutschland sein. „Ich glaub ´s immer noch nicht, was machst du hier? Also nicht dass ich mich nicht freuen würde dich zusehen, ich freu mich riesig, aber du sagtest doch, dass die Tour noch… weiß nich… jedenfalls, dass du noch ne Weile weg sein würdest!“ „War ich ja auch, aber dann wurde ich wegen einem Arrangement angerufen. Vanessa ist die letzte Woche für mich eingesprungen. Max hatte da sehr Verständnis für mich, der Gute.“ Henrike wurde hellhörig. „Ach ja? Und was ist das für ein Arrangement?“ Celina lächelte verlegen. „Du wirst mich wahrscheinlich auf der Stelle killen… also… genau genommen hat mich die Beste Band der Welt gefragt, ob ich nicht Lust hätte bei ihnen Background zu singen. Ich hab das ja schon bei Farin gemacht und da…“ Jetzt fiel bei Celina auch der Groschen. „Moment mal… sag bloß du bist auch deswegen hier!?“ Henrike konnte nur noch nicken. Dann prusteten sie los und lachten herzlich. „Und da meint man noch, so etwas wie Schicksal gäbe es nicht. Ab jetzt glaub ich dran!“ „Ich bin aber echt froh dass du da bist! Dann bin ich nicht gaaaanz so nervös. Und außerdem kennst du die drei doch schon, oder?“ „Farin auf jeden Fall, die anderen eher flüchtig. Haben sie dir auch gesagt, du wirst um 11 Uhr abgeholt?“ Dies bejahte Henrike und nahm sich dies zum Anlass mal wieder auf die Uhr zu gucken. „Jetzt ist es 5 nach… Die verspäten sich wohl.“ Celina klopfte ihrer Freundin beruhigend auf die Schulter. „Keine Angst. Sind alles total nette Kerle, vielleicht ein wenig versaut, aber echt okay.“ Rike grinste ihre Freundin dankbar an. Celinas Anwesenheit beruhigte sie wirklich. Celina war, genau wie sie, Sängerin, nur mehr in der Richtung Hip/Hop – Pop aktiv. Sie hatten sich vor ein paar Jahren bei einem Festival kennen gelernt. Celina war mit ihrem Solo Projekt dort und sie mit ihren Jungs, auf eine der kleineren Bühnen. Backstage waren sie dann auf einander gestoßen und hatten angefangen sich zu unterhalten. Celina und sie hatten sich wirklich schnell gut verstanden. Auch wenn Celina in Berlin wohnte blieb der Kontakt gut und sie freundeten sich immer mehr an. Die Schwarzhaarige mochte Henrike sehr, wohl auch deshalb, da sie ihre Neugierde über Farin zügelte. Zwar hatte sie kein Problem damit, sich mit ihr darüber zu unterhalten, aber sie wollte nicht riskieren, irgendetwas Falsches zu verraten. Jan achtete sehr auf seine Privatsphäre und da wollte sie vorsichtig sein. Henrike hatte auch kein Geheimnis draus gemacht, dass sie Celina um ihren Platz im FURT (Farin Urlaub Racing Team) beneidete. Oft hatte sie ihr scherzhaft angedroht, sie bei der nächst besten Gelegenheit abzumurksen und deren Platz ein zu nehmen. Dieser Gefahr dürfte sie aber wohl dauerhaft entgehen, sollte Rike den Job bei Die Ärzte kriegen. Die Berlinerin war gerade mal ein paar Zentimeter größer als Henrike. Celina gehörte auch zu denjenigen, die Henrike ermutigt hatten, ihren Weg als Sängerin fortzusetzen. Die beiden fingen an sich sehr angeregt zu unterhalten. Was die jeweils andere denn so gemacht habe, obs etwas Neues gäbe und das Übliche. Dabei kam heraus, das Celina Farin seit einem Jahr nicht mehr gesehen hatte, ihr Soloprojekt zwar nicht berauschend, aber doch ganz gut lief und dass sie momentan wieder bei Max Herre „backte“, wie das Backgroundsingen unter Musikern so schön genannt wurde. Henrike hatte nicht sonderlich viel mehr zu bieten. So erzählte sie ihrer Freundin, wie Bela auf zu aufmerksam geworden war und dass im Moment Funkstille in der Band herrschte. Jedoch, die Nachricht, dass Henrike Solo war, überraschte die Amerikanerin. Nach einem mitleidigen Blick, wollte sie gleich nachfragen. Doch da zog ein Räuspern die Aufmerksamkeit auf sich. Die beiden Frauen wandten sich diesem zu und erblickten den einzig wahren Rodrigo Gonzales. „Morgen.“, sagte dieser freundlich und gab beiden die Hand. „Sorry wegen der Verspätung…“ „Nicht weiter schlimm.“, sagte Celina munter, doch Henrike wurde wieder nervös. Rod war, welch Überraschung, komplett in schwarz gehüllt. Schwarze Hose, schwarze Schuhe, schwarze Jacke, schwarze Haare, (fast) schwarze Augen… Vielleicht war ja unter der ersten Schicht Stoff noch etwas mehr Farbe versteckt, dachte Henrike bei sich. Aber sie konnte ihm das keines Falls verübeln. Sie liebte schwarz mindestens genauso sehr. Ebenso ungewöhnlich war die Sonnenbrille. Man hätte ihn sicherlich auf der Stelle erkannt, wenn er sich nicht die Kapuze über gezogen hätte. „Dann kommt mal mit ihr beiden. Das Auto ist gleich da drüben.“ Gehorsam trabten sie hinter dem Chilenen her und waren in wenigen Minuten beim und wenig später auch im Auto. Sie und Celina hatten sich auf die Rückbank verpflanzt und Rod zog als erstes die Bedeckung von seinem Kopf. Kurz nachdem er den Motor gestartet hatte, fing er an mit ihnen zu plaudern, wohl um eine unangenehme Stille gleich zu vermeiden. Na ja, eigentlich redete er mehr mit Celina, denn Rike bekam ihre Lippen nicht so recht auseinander. „Gut dass du konntest. Du wirst bestimmt ne Hilfe dabei sein, Jan umzustimmen.“ „Umstimmen?“, entfuhr es Henrike, die verträumt aus dem Fenster links von ihr geblickt hatte. Rod nickte dem Rückspiegel zu, in dem sich ihre Blicke trafen. Zum Auto fahren hatte er die Brille abgelegt, so konnte sie seine dunklen Augen deutlich sehen. „Jan war nicht unbedingt begeistert von Dirks Idee… Es hat es uns dann überlassen und wir wollen ihn heute überzeugen. Er kommt etwas später hinzu, damit wir ihm schon ein bisschen was zeigen können.“ Der Gedanke an den dritten im Bunde kurbelte Rikes Aufregung noch mal ein starkes Stück an. Aber gleichzeitig war sie etwas erleichtert. Er würde erst später dazu stoßen, so hatte sie noch Zeit, sich erstmal an 2/3 Die Ärzte zu gewöhnen. „Stimmt, habt ihr mir ja gesagt… Aber weshalb denn?“ Rodrigo zuckte mit den Schultern. „Er ist für eine Woche verreist gewesen, daher haben wir ihn nicht groß aus quetschen können.“ Fast hätte er den beiden erzählt, dass Jan ihm und Dirk demonstrativ aus dem Weg gegangen war. Er wollte lieber nicht zu viel sagen. „Und? Wie geht’s euch denn so?“ „Gut.“, kam sofort von Celina. „………………………. Was?... Ach so! Äh auch, danke.” Henrike war so in Gedanken gewesen, dass Rods Frage sie später erreicht hatte. Sie musste über sich lachen und als sie wieder auf blickte, sah sie den Chilenen leicht grinsen. „Immer noch nervös? Brauchst du nicht. Wir wolln doch nur deine Seele…“ Henrike prustete laut los. Celina, die ja kein sonderlich großer DIE ÄRZTE Fan war, verstand den Gag nicht so ganz, grinste aber dennoch. „Auf nem Silbertablett, hier essen oder zum Mitnehmen?“, brachte Rike schließlich hervor. Das verstand auch Celina und das der Bassist auch herzlich lachte, besserte ihre Stimmung erheblich. Im Grunde hatten Die Ärzte ja auch immer sehr deutlich gemacht, dass sie auch nur Menschen waren. Ihre Nervosität rührte auch mehr von dem Respekt her. Die Ärzte hatten schon so viel erreicht, hatten absolut großartige Musik verbrochen, waren ganz anders, als alles andere und hatten sie zudem noch durch eine sehr schwere Zeit ihres Lebens begleitet. Da konnte sie einfach nicht anders als aufgeregt sein. Vor allem ein Mitglied bedeutete ihr viel. Das würde nicht einfach werden, aber wenn sie die Situation hier sah, war sie doch recht optimistisch. `Wird schon schief gehen. ` „Was hast du denn alles so vorher gemacht?“, fragte er nun. „Hab schon immer gesungen. Hat mit DISNEY angefangen. Ab der dritten Klasse habe ich dann in Schulchören geträllert und mit 15 habe ich mir einen Gesangslehrer gesucht, da ich es unbedingt richtig lernen wollte. Momentan ist musikalisch aber leider nicht viel los. Meine Band und ich pausieren gerade…“ „Du hast ne Band?“, nun klang er neugierig. „Ja. Sehr punkig, aber nicht wirklich greifbar.“, Rike blickte ihre Freundin erstaunt an, als diese so plötzlich Werbung für sie machte. Etwas dagegen hatte sie allerdings nicht. Rod sah wieder durch den Spiegel zu ihnen. Seine Pupillen huschten zwischen ihnen hin und her. „Kennt ihr euch etwa?“ Jetzt fiel auch den Frauen ein, dass Rod ja noch nichts von ihrer Bekanntschaft wusste. ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ Ungefähr eine viertel Stunde später waren sie im Schloss das Grafen angekommen. Zuvor hatten sie Rod noch aufgeklärt. Dieser hatte die Tatsache mit einem „Praktisch“ kommentiert und hatte sich dann auf die Straße konzentriert. Ohne große Umschweife brachte er sie zur Haustür, die wie auf Kommando auf ging. „Morgen ihr hübschen.“ Bela hatte offenbar bereits gewartet. „Moin.“, gab Rike zur Antwort und grinste zurück. Bela hatte ganz offensichtlich gute Laune und wies den beiden einladend an einzutreten. So gleich siegte natürlich Rikes Neugier und sie blickte sich um. Sah alles relativ normal aus. Als sie und Celina ihre Jacken aus zogen, fing Bela plötzlich an zu lachen. Leicht irritiert sah sie zu ihm hoch. „Geiles T Shirt!“ sie blickte an sich herunter und grinste erleichtert. „Ich weiß!“ Natürlich mussten der Chilene und die Afro Trägerin auch gleich gucken. Ihr Shirt war Blutrot mit einem weißen Kreuz und einer ebenso zwei weißen Worten darunter: KRANKE SCHWESTER. „Willst dich wohl einschleimen?“, sagte der Bassist trocken und mit hoch gezogener Augenbraue. „Aber klaro!“, kam es von ihr und der Chilene lachte Augen zwinkernd. Bela geleitete sie ins Wohnzimmer, wo es dann doch „etwas“ anders aussah. Die Wände waren allen ernstes in schwarz gestrichen, aber am auffälligsten waren die Glasvitrinen. Diese waren gefüllt mit allerlei Figuren. Mit Comicfiguren, Fußballspielern und einer ordentlichen Reihe welche die vier KISS Mitglieder beinhaltete. In der zweiten Vitrine wurde es schon düsterer. Hauptsächlich Totenschädel. Und eine kleine Gruppe von Särgen, auf denen nackte Frauen mit dem Sensenmann… schmusten. Henrike sog die Augenbrauen nach oben, beschloss aber nichts zu sagen. Sie hatte selbst bei sich zu Hause einige Figuren. Die waren zwar auch nackt, aber es handelte sich dabei um Drachen. „Rike?“, sie schreckte leicht aus ihren Gedanken. Celina hatte sie angestoßen, da Bela sie schon zum zweiten Mal gefragt hatte, ob sie etwas trinken wolle. „Öh Gern.“ „Was darf ich dir den anbieten: Sekt, Bier…“ Er zählte noch ein paar weitere Alkoholsorten auf, bis Henrike ihn vorsichtig unterbrach. „Hast du auch was ohne Alkohol? Ich trink nämlich nicht. Also ich mein keinen Alkohol…“ Des Grafen Augenbrauen wanderten erstaunt in die Höhe. Er hatte das mit dem Alkohol auch eher scherzhaft gemeint. „Nicht ein kleines Schnäpschen?“, frage Rod und sie bejahte es. „Ich trink Vollmilch.“, zitierte sie und Bela zuckte grinsend mit den Schultern. „Na denn… Hat Jan zumindest endlich jemanden auf seiner Seite. Bist aber nicht spießig oder?“, fragte er sie direkt. Henrike hatte den Mund bereits geöffnet, als Celina für sie antwortete. „Die braucht nix trinken. Sie dreht auch schon ohne Alk voll ab.“ Henrike grinste unter den Arm, den ihre Freundin auf ihre Schultern gelegt hatte. Bela warf kurz einen Blick zu Rod. Das kannte er doch irgendwoher? „Na gut, hab ja nix dagegen. Aber ich will euch jetzt erstmal eure Komplizin vorstellen.“ Bela nickte mit dem Kopf einen Raum weiter. Komplizin? Stimmt ja! Es sollten drei Sängerinnen sein. „Für jeden eine.“, hatte es in der Mail gestanden. Neugierig lugte sie um die Ecke konnte aber erst etwas sehen, als sie ein paar Schritte vorwärts gegangen waren. Eine Person erhob sich vom Tisch und kam auf sie zu. Rike beäugte sie einmal von kopf bis Fuß. Murrend musste sie feststellen, dass die Figur der Frau geradezu perfekt war. Oder zumindest die Maße eines Models besaß sie. Ein Schwall blonder Haare mit dunklen Strähnen strömte aus einer Capie. Und als ob die ganzen Äußerlichkeiten noch nicht genug waren, überragte sie sie auch noch. Henrike wusste nicht so recht, wie ihr erster Eindruck ausfiel. Die Person blieb exakt vor Rike stehen und Rod machte sie miteinander bekannt. „Henrike, Celina. Das ist Michaela.“ „Hi!“, sagte die Blonde und gab zu erst Celina, dann der Rothaarigen die Hand. „Auf gute zusammen Arbeit.“, so schloss die einzige Braunhaarige unter ihnen die Begrüßung. Schließlich wusste jeder wie der andere hieß und es war auch jedes Lebewesen an diesem Ort mit genug zu trinken versorgt. Zu fünft saßen sie am Esstisch und besprachen den Ablauf. Rod und Bela hatten ihnen die aktuellen Setlisten übereicht und die Texte, die sie auf jeden Fall lernen sollten. Natürlich hatte sie Rod hauptsächlich darum gekümmert, wie er kurz durch einen trockenen Satz verdeutlichte. Nachdem jeder versorgt war ging es ab in den Probenraum. Dieser befand sich im Keller. Als man nacheinander die Treppe hinunter stieg, fing Bela mit einem Mal an zu grinsen. „Ihr glaubt gar nicht, wie oft sich der liebe Urlaub an den Türrahmen bereits den Kopf gestoßen hat.“ „Mein Beileid. Ich bin mal gegen nen Türpfosten gerannt.“ „Auch nett.“, war Rods Kommentar. Obwohl die ganze Stimmung sehr entspannt war, blieb die Hamburgerin eher unruhig. Denn jetzt wurde es ernst: Sie würden singen. Ihre Augen huschten immer wieder zwischen den andren beiden Frauen umher. Beide waren wirklich cool. Bei Celina wunderte sie das gar nicht. Hatte diese doch bereits bei so einigen Größen im Musikbusiness gesungen. Über Mischas (Michaela hatte ihnen allen angeboten, sie einfach Mischa zu nennen) Lebenslauf wusste sie nichts. Aber auch die Blonde schien mehr Erfahrung als sie zu haben. Henrike fühlte sich immer mehr unter Druck gesetzt. Es vergingen gerade mal Sekunden und da stand sie schon vor dem Mirkophon. Ausgerechnet jetzt erinnerte sie sich daran, wie furchtbar sie ihre Stimme gefunden hatte, als sie diese das erste Mal von einer Aufnahme gehört hatte. Rod ging gerade herum und gab jeder Frau ein Blatt. Textfutter. Seufzend hob Henrike den Zettel an, um den Text erkennen zu können. Als sie diesen sah, weiten sich ihre Augen und sie musste lachen. Irritiert starrten die beiden Mit-Sängerinnen sie an, doch Bela grinste breit. Rod lächelte ihr auch kurz zu, als sie sich wieder eingekriegt hatte. Sie sah zu Bela und dieser zwinkerte ihr zu. Augenblicklich lief sie rot an und lächelte schüchtern zurück. „Wenn ihr mit flirten fertig seit, können wir ja endlich loslegen.“ „Jaja…“, maulte Bela und setzte sich ans Schlagzeug. Rod legte sich die Gitarre um und sie begannen mit der Rod Hymne „Rod Army“. Für den ersten Versuch hatte es ganz gut geklappt. Es hatte noch etwas gedauert, bis die dr4i Backgroundstimmen miteinander harmonierten. Insgesamt konnte man aber wirklich sagen, dass das ganze doch recht gut klang. Henrike wandte sich gleich, nach den insgesamt 11 Versuchen an Celina: „Wie war ich?“ „Hast dich ein- zweimal versungen, aber ansonsten gut.“ Erleichtert atmete sie aus. Da sie in der Mitte gestanden hatte, hatte sie die ganze Zeit über Mischas und Celinas Stimmen gehört, da war es gar nicht so einfach gewesen, sich selbst heraus zu hören. Außerdem hatte sie feststellen müssen, dass Michaela eine verdammt gute Stimme hatte. „Also ich wurde sagen, die Besetzung ist gut so wie sie ist.“ Rod hatte die Gitarre zur Seite gelegt und sich von einem Gespräch mit Bela zu den Damen gewandt. „Heißt das… ich bin jetzt eingestellt?“ Michaela sah sie von der Seite aus an, bevor sie der Rothaarigen mit einem „Natürlich“ antwortete. Drei Sekunden war es still, dann konnte Rike nicht mehr an sich halten und sprang mit einem lauten freudigen Ausruf (JUCHUUUUU!!!) in die Luft. Nur leider unterschätzte sie die Höhe des Raumes und donnerte so mit der rechten Hand gegen eine der Lampen, die geräuschvolles Scheppern von sich gab. „Ups…“, sagte sie etwas kleinlaut und zog die Arme schnell nach unten. Unsicher und schuldbewusst sah sie zu den beiden Herren, die grinsten wie Farin Urlaub höchstpersönlich. „Nun mal langsam.“, sagte Bela und erhob sich von seinem Schlagzeughocker. „Nicht gleich abheben“, kam es von Rod und Celina konnte sich nicht mehr halten. „Eigentlich ja ein wunder, das du die Lampe nicht gleich Schottreif gehauen hast.“ Dafür bekam sie einem Stoß in die Rippen. „Im Grunde sind eigentlich fast fertig.“ Alle Aufmerksamkeit lag auf dem Grafen, der, wie der Chef einer Abteilung, die Ergebnisse begutachtete. „Wir brauchen jetzt nur noch Jans Zustimmung, dann können wir richtig loslegen. Mal sehn er wollte…“ Dirk blickte auf seine Armband Uhr im SIMPSONS Design: „…er müsste wahrscheinlich bald da sein. Wir können kurz Pause machen.“ Pause. Au ja! Das brauchte Rike nun wirklich. „Kannst du kurz zur Seite gehen Frederike?“ Irritiert starrte Rike Michaela an, merkte aber schnell an ihrem Blick, dass diese Wirklich sie meinte. Und das sie direkt vor der Tasche der Blonden stand. „Oh, ja klar. Aber ich heiße eigentlich Henrike.“ Michaela schien kurz nach zu grübeln und kam auf dasselbe Ergebnis. „Ach stimmt ja, sorry. Hab deinen Namen nur noch nie vorher gehört.“ „Kein Thema, Bist nicht die Erste der das passiert.“ Sie lächelten sich kurz zu und Henrike trat zur Seite, damit Michaela an ihre Tasche kommen konnte. Auch Celina hatte sich etwas zu trinken mitgenommen. Henrike schielte hinüber zu ihrem Glas, welches aber leider lehr war. „Kann ich kurz?“ Rod versuchte sich gerade an ihr vorbei zur Tür zu schlängeln. Komisch, irgendwie versperrte sie heute jedem den Weg. Schnell trat sie einen Schritt zur Seite, doch als der Chilene sich mit einem „Danke“ abwandte, fiel ihr noch etwas ein. „War auch… alles OK?“ Der Bassist sah zu ihr auf. „Wie meinst du das genau?“ „Mein Gesang… und so. War damit alles in Ordnung.“ „Ach so.“, er lächelte. „Hab nix zu meckern.“ Eine Welle aus Stolz und Euphorie schoss durch Henrike. Anscheinend sah man ihr das überdeutlich an, denn Rod fing an zu lachen. „Mach dir keinen Kopf, wir treten dir schon rechtzeitig auf die Füße, wenn du was falsch machst. Sie lächelte ihm zu, dankbar für sein Verständnis. Ungefähr fünf Minuten später, in denen sie sich mit Michaela und Celina unterhalten hatte, wandte sich Bela an die drei. „Wir wollen noch schnell eine Aufnahme machen. Macht euch schon mal bereit.“ „Ok.“ Mischa hatte für sie alle geantwortet und so legten sie alles beiseite was für die nächste Tätigkeit nicht gebraucht wurde. Bevor der Drummer auf sie zu gekommen war, hatten sie ein bisschen den anderen über sich erzählt. Schließlich würden sie eine Zeit lang mit einander auskommen müssen, wenn sie die Stelle kriegen würden. Von Michaela wussten sie nun, dass diese tatsächlich gelegentlich modelte. Dass Mischa Modebewusst war, sah man ihr auch schon auf 10 Meilen an. Henrike fand sie nett, hatte aber ein bisschen dass Gefühl, dass die Blonde etwas eingebildet war. Zumindest lies sich nicht leugnen, dass sie Rike ein paar Mal schief beäugt hatte, wohl auf Grund ihrer Erscheinung und Kleidung. Zum Glück, dachte Rike sich, war sie so etwas schon gewöhnt. ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ Während die glorreichen fünf noch einmal „Rod Army“ schmetterten, kam vor dem Haus des Grafen ein Motorrad quietschend zum stehen. Gehört hatte es allerdings keiner. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)