Alte Liebe von Nyn (Zehn Jahre sind vergangen seit Sanji und Zoro sich das letzte Mal gesehen haben.) ================================================================================ Kapitel 4: Erinnerungen ----------------------- „Ich soll Dich nach Hause holen.“ Nach Hause. Zu Hause... wieder und wieder klangen Zoros Worte in Sanjis Ohren nach. Nach Hause. Wann war er das letzte mal irgendwo zu Hause gewesen? Sicher, auf dem Baratie hatte er inzwischen fast sein gesamtes Leben verbracht, was war also dieses unerwartete Ziehen in seiner Brustgegend? Ungewollt kamen die Erinnerungen wieder, Bilder aus besseren Zeiten. Sein tränenreicher Abschied von Jeff, der Kampf gegen Arlong um Nami zu retten, damals, als er die anderen noch gar nicht kannte, als er einfach der unerklärlichen Anziehungskraft des Gummijungens und des breitesten Grinsens das er je gesehen hatte gefolgt war. Ja, da waren sie wieder, die Erinnerungen an die schöne Vivi, an Chopper, den tapferen kleinen Elch und Usopp, den nicht ganz so tapferen Scharfschützen, der trotzdem im entscheidenden Moment das Richtige tat. Er sah wieder, wie die drei, Chopper, Usopp und Luffy, lachend und balgend über die Going Merry turnten, von Nami beschimpft und von Robin mit einem gelassenen Lächeln bedacht. Und er sah Zoro wieder. Zoro, der trainierte. Zoro, der schlief. Zoro, der kämpfte. Zoro, der trank und doch nie betrunken wurde. Zoro, der mürrisch war. Zoro, der lachte. Zoro, dessen Blick weich wurde, wenn sie alleine waren. Zoro, dessen rauhe Hände warm und sanft über seine Wange streichelten. Zoro, dessen freudige Erwartung in Windeseile von Ungläubigkeit und, dann, Schmerz ersetzt wurde. Niemals würde Sanji ihn vergessen, diesen Ausdruck in den schwarzen Augen, verletzt und betrogen und unglaublich enttäuscht. Noch am gleichen Tag war er (geflohen) aufgebrochen. Schon in Water Seven hatte er Nachricht erhalten, daß Jeff sehr krank war, aber dann war die Geschichte mit Robin dazwischengekommen und schließlich hatte er zumindest seinen Geburtstag noch abwarten wollen. Nicht zum ersten Mal wünschte Sanji sich, er hätte es nicht getan. Vielleicht wäre alles besser geworden, wenn er nach Enies Lobby sofort aufgebrochen wäre, wenn dieser unglückselige Geburtstag nie stattgefunden hätte. Vielleicht hätte er dann rechtzeitig gemerkt, was ihm so erst durch die abrupte Trennung bewußt geworden war. Scheiße, er war so ein Idiot gewesen! Er hätte sofort losfahren, Jeffs letzte Tage mit ihm verbringen und dann das Baratie auflösen sollen. Dann hätte er zurückkehren können, Zoro seine Liebe gestehen und alles wäre gut gewesen. Hätte, wäre, Scheiße! Nichts hatte er begriffen und so alles verspielt. Nami hatte ihn sogar noch beseite genommen und gewarnt, nicht mit Zoros Gefühlen zu spielen, aber dieses eine Mal hatte er nicht auf sie gehört. Scheiße, er hatte sogar noch gelacht! Und die letzten zehn Jahre damit verbracht, es zu bereuen! Beschissen hatte er sich gefühlt und vor allem schuldig. Zu allem Überfluß war Jeff schon drei Tage tot, als er das Baratie schließlich erreicht hatte. An irgendeinem seltenen Virus war er gestorben und so war seine Seebestattung eine hastige Angelegenheit gewesen und schon längst vorbei als Sanji eintraf. Aus Furcht vor der Krankheit hatten alle seine Köche, bis auf den harten Kern und den Küchenjungen Koujin, der keine Verwandten mehr hatte, zu denen er hätte gehen können, das Restaurant schon vor Wochen verlassen. Von seinem schlechten Gewissen fast erdrückt, hatte Sanji beschlossen, es wenigstens an Jeff wieder gutzumachen, indem er das Baratie wieder ans Laufen brachte. Er hatte sich in die Arbeit gestürzt wie ein Verrückter. Tagsüber hatte er gekocht und neue Rezepte entworfen und auf diese Weise langsam ein paar der alten Köche wieder zurückgewonnen, bis er schließlich einen so guten Ruf erlangt hatte, daß er sich vor Bewerbungen nicht mehr retten konnte. Abends hatte er über den Büchern gesessen, Lieferantenlisten kontrolliert, Preise verglichen und die Lohnbuchhaltung geführt. Er hatte Wetter- und Seekarten konsultiert, Routen berechnet und notwenige Reparaturen beauftragt oder dort, wo sie keiner der Gäste zu sehen bekam, selber durchgeführt. Nachts war er zu müde zum Nachdenken in sein Bett gefallen, nur um vier Stunden später wieder in der Küche zu stehen. Aber soviel er sich auch tagsüber beschäftigte, sobald sein Kopf das Kissen berührte, waren sie da: Erinnerungen, Träume und die erdrückende Gewißheit, einen schwerwiegenden, unwiderruflichen Fehler begangen zu haben. Mit jeder quälenden Nacht wurde seine Gemütslage schlechter, seine Launen unberechenbarer. Ihm war klar, daß er zu wenig aß und zuweilen ein regelrechter Terror sein konnte, aber er konnte nichts dagegen tun. Er wußte einfach nicht wohin mit den Gefühlen, die sich in ihm anstauten. Irgendwann wurde der Druck zu groß und entlud sich in einem Wutausbruch, der ihm für eine Weile Erleichterung verschaffte – bis die nächste Nacht neue Träume brachte. Eines Abends, als er nach einem besonders heftigen Anfall, in dem er alle seine Köche vom Schiff geworfen hatte, den Kopf in beide Hände gestützt am Küchentisch saß, hatte Koujin - inzwischen erwachsen und zum sous chef befördert - sich ihm genähert und schüchtern über den Rücken gestreichelt. Sanjis ganzer Körper hatte sich versteift, während er versuchte dieses neue, alte, Gefühl zu begreifen. Der letzte, der ihn so angefaßt hatte, war Zoro gewesen... Mit einem Ruck und der festen Absicht, den rothaarigen Eindringling ins Jenseits zu befördern, drehte Sanji sich herum, nur um sich im nächsten Moment heftig schluchzend in Koujins Armen wiederzufinden. Als wäre ein Damm gebrochen, schossen all der aufgestaute Schmerz, seine Wut und seine Trauer aus ihm heraus. Er hatte keine Ahnung, wie lange er so da gesessen hatte, sich an den jungen Koch klammernd, der ihm unablässig über den Kopf und den Rücken streichelte und beruhigende Laute von sich gab. Ohne ein Wort zu verlieren war er schließlich aufgestanden, hatte Koujin bei der Hand gepackt und in sein Schlafzimmer geführt. Es war die erste Nacht gewesen, in der er nicht träumte. Danach war es etwas besser geworden. Seine Wutanfälle waren für eine Weile seltener und weniger heftig. Und jedesmal, wenn er doch wieder drohte zu explodieren, war Koujin da. Koujin, der nicht fragte, sondern einfach seine Nähe anbot und so wesentlich dazu beitrug, daß Sanji nicht den Verstand verlor. Dafür war dieser ihm auch dankbar. Aber so sehr er den Jungen auch mochte, er konnte Sanji ebensowenig ein Zuhause bieten, wie das Schiff, auf dem er fast sein ganzes Leben verbracht hatte. ‚Nach Hause’, das bedeutete Luffy und Nami, Usopp, Chopper und Robin. Und Zoro. So eine Scheiße! Wäre der beschissene Marimo nicht aufgetaucht, Sanji hätte sich bis an sein Lebensende einreden können, daß er auf’s Baratie gehörte, daß sein Leben so in Ordnung war. Aber Zoro hatte nicht nur alte Schuldgefühle ans Licht gebracht, sondern auch einen Funken in Sanjis Brust geweckt. Halb befürchtete er, daß es so etwas wie Hoffnung war. Mit einem Seufzen wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem grünhaarigen Fremden zu, der ihn immer noch mit bewegungsloser Miene anstarrte. Die Zustimmung schon auf der Zunge, überlegte Sanji es sich schlagartig anders. Irgendetwas an Zoros beschissener Ausdruckslosigkeit fuchste ihn auf einmal gewaltig! Wieder regte sich etwas in ihm und mit einiger Überraschung stellte er fest, daß es nicht die neue Wut war, sondern das gute alte Gefühl der Rebellion! Pah! Seit wann ließ er sich denn von dem dämlichen Marimo etwas vorschreiben! Befreit erlaubte er dem Grinsen, das an seinen Mundwinkeln zog, sich über sein ganzes Gesicht auszubreiten. Schließlich sah er fest in die schwarzen Augen seines Gegenübers und erwiderte kurz: „Nö.“ Dann lehnte er sich zurück in seinem Stuhl, verschränkte die Arme über der Brust und wartete auf das Gewitter, das nun folgen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)