Alte Liebe von Nyn (Zehn Jahre sind vergangen seit Sanji und Zoro sich das letzte Mal gesehen haben.) ================================================================================ Kapitel 1: Baratie ------------------ „Was zum...“ Ein zögerliches Tippen auf seiner Schulter riß Sanji unerwartet aus seinen Tagträumen zurück in die geschäftige Realität der Küche des einzigen schwimmenden Restaurants der Welt. Halb aus Reflex hob er sein Bein schon während er von dem blankgeschrubbten Tisch aufstand, an dem er bis gerade mit der Buchführung des Baratie beschäftigt gewesen war. Jedenfalls so lange, bis die endlosen Zahlenreihen vor seinen Augen verschwommen und seine Gedanken auf Wanderschaft gegangen waren. Wieder einmal. Das Bein sauste nieder und selbst die schnelle Reaktion des Küchenjungen, der gleich seine Hand zurückgezogen hatte und zur Seite gesprungen war, bewahrte diesen nicht vor den schmerzhaften Auswirkungen eines der gefürchteten Tritte seines Chefs. Dieser zeigte wenig Reue als er ungeduldig mit der Fußspitze auf den Boden zu tippen begann. Die Jungen heutzutage taugten einfach nichts mehr und er war sowieso viel zu freundlich zu ihnen. Unter Jeff Rotfuß hätte der gerade vor ihm kauernde, dürre Bengel keine fünf Minuten überlebt! Sanjis finsterer Blick verschwand für einen Moment hinter dichten blonden Strähnen, als er aus seiner Hosentasche eine verknautschte Packung hervorholte und mit einer einzigen eleganten Bewegung die von jahrelanger Übung zeugte eine Zigarette herausklopfte und anzündete. Für einen Moment huschte ein bitteres Lächeln über seine Lippen. Jeff hätte es niemals toleriert, daß er in seiner Küche rauchte. Langsam schob er die Packung zurück in seine Tasche und nahm einen tiefen Zug. Aber Jeff Rotfuß ist nicht mehr und auf dem Baratie gelten nun meine Regeln. Langsam ließ er den weißen Rauch durch seine schmalen Lippen entweichen. Dann fiel sein Blick wieder auf den Küchenjungen, der immer noch am Boden hockte und sich verstohlen seine schmerzende Schulter hielt. Er kämpfte offenbar mit den Tränen während er versuchte dem mißbilligenden Blick seines Chefs auszuweichen. Sanjis ohnehin nur knappe Geduld ging beim Anblick der verräterisch bebenden Unterlieppe rapide zur Neige. Unwirsch packte er den Jungen am Arm und zog ihn auf die Füße. „Sieh mich an!“, knurrte er. Irgendwo wußte er, daß er seinem Küchenjungen Unrecht tat. Dieser hatte einfach den denkbar schlechtesten Moment gewählt, Sanji zu stören. Die älteren Köche, die ihn schon länger kannten, wußten, daß Vorsicht geboten war, wenn ihr Chef diesen speziellen abwesenden Ausdruck im Gesicht hatte. Nicht, daß es einer von ihnen gewagt hätte, Sanji einmal zu fragen, was ihm in diesen Momenten durch den Kopf ging. Sie waren schließlich weder dumm noch lebensmüde. Tatsache war aber, daß die selbst im besten Fall sehr unbeständige Laune ihres Chefs zu diesen Zeiten ihren absoluten Tiefstand erreichte und jede noch so kleine Provokation konnte ausgesprochen schmerzhaft werden. Jeder, der einmal einen Tritt des Meisterkochs abbekommen hatte, wußte diesen möglichst aus dem Weg zu gehen. Fragte man die Köche des Baratie jedoch, warum sie dann überhaupt für Sanji arbeiteten, zuckten sie nur lakonisch mit den Schultern. Der Mann war eben der Meisterkoch schlechthin und jeder Koch, der auch nur einen Funken Leidenschaft für seinen Beruf verspürte, hätte seine Seele verkauft nur um einmal unter Sanji arbeiten zu dürfen. Was machten da schon ein paar blaue Flecken? „Also?“ In Sanjis Stimme schwang unverholene Ungeduld mit, die den ohnehin schon sichtlich nervösen Küchenjungen noch weiter in sich zusammen sinken ließ. Doch ein warnender Blick seiner älteren Kollegen erinnerte ihn daran, daß man Sanji nicht warten ließ. Er ballte seine kleinen Hände zu Fäusten und schob entschlossen sein Kinn vor als er seinem Chef endlich in die Augen sah. Doch seine Stimme zitterte, als er schließlich hervorstieß: „W-wir haben ein-nen n-neuen Gast!“ „Und?“ Sanjis Augenbrauen zogen sich bedrohlich zusammen, sein schraubstockartiger Griff um den Oberarm des Jungen wurde noch ein bißchen fester. „Warum bist Du nicht draußen und nimmst seine Bestellung auf?“ Der Junge schluckte nervös, senkte seinen Blick und starrte wie gebannt auf die schwarze Schuhspitze vor ihm, die wieder begonnen hatte auf den Boden zu tippen. „W-ww—wweil....weil...“ „Weil er Angst vor ihm hat.“, mischte sich jetzt Koujin*, ein gutaussehender junger Koch, der seinen Spitznamen seinen feuerroten Haaren zu verdanken hatte, ein und schob sich beherzt zwischen den inzwischen am ganzen Körper bebenden Küchenjungen und seinen Chef. „Wir alle haben Angst vor ihm,“ fügte er hinzu und hielt Sanjis ungläubigen Blick tapfer Stand. Der Blonde fühlte eine Welle der Wut über sich hinwegschwemmen. Für einen Moment hätte er die Idioten, von denen er umgeben war, am liebsten achtkantig vom Schiff gekickt. Aber er hatte seinen Verstand und seinen Gerechtigkeitssinn zum Glück noch nicht ganz verloren und er wußte genau, daß er kurz davor war, zu weit zu gehen. Seine Köche konnten schließlich nichts für seine Verbitterung. Und verbittert war er. Verbittert, traurig, wütend und einsam. Und das seit fast zehn Jahren! Nächsten Monat, an seinem dreißigsten Geburtstag würde sich sein Abschied von Luffy und... von Luffy und den anderen zum zehnten Mal jähren. War das der Grund, warum seine Tagträume in der letzten Zeit so viel häufiger auftraten als früher? Scheiße, von wegen Tagträume! Erinnerungen waren es; Erinnerungen an Zeiten, die soviel besser gewesen waren als alles was er vorher oder seitdem erlebt hatte. Sie kamen ungefragt, waren schmerzhaft lebendig und hinterließen eine Leere, die er nur mit Wut füllen konnte, wenn er nicht unter ihrer Last zusammenbrechen wollte. Und immer nur drehten sie sich um ihn! Ein leises Wimmern und ein scharfes „Sanji!“ riefen ihn wieder zurück. Dem Küchenjungen liefen stumme Tränen über das Gesicht und Sanji bemerkte überrascht, daß er seinen Arm wohl noch fester gepackt hatte als vorher. Mit einem unhörbaren Seufzen ließ er den Jungen endlich los, drehte sich zu seinem Arbeitstisch um seine Zigarette in dem neben den immer noch aufgeschlagenen Büchern stehenden Aschenbecher auszudrücken. Und vielleicht auch, um dem vorwurfsvollen Blick Koujins zu entgehen. Der junge Koch hatte ein viel zu weiches Herz, aber Sanji mochte ihn. Er hatte Mut. Oft war er der einzige, der sich seinem Chef entgegenstellte, wenn die immer unter der Oberfläche lauernde Wut wieder einmal drohte, ihn zu übermannen. Manchmal war er zu spät und trug schmerzhafte Blessuren davon, aber meistens schaffte er es mit seiner leisen Art, den aufgebrachten Sanji zu beruhigen. Diesem war durchaus bewußt, daß er es Koujin zu verdanken hatte, daß er überhaupt noch Personal hatte und das Baratie weiterhin blühte. Etwas gefaßter drehte Sanji sich wieder um und blickte in die Runde. Zehn Augenpaare blickten nervös zurück. „Ihr habt also Angst vor einem Gast?“ Die Frage klang eher ungläubig als bedrohlich und so ging ein zögerliches Nicken durch die versammelte Mannschaft. „Mehr Angst als vor mir?“ Aber die Frage enthielt keine Häme und das erneute einmütige Nicken wurde jetzt von vereinzeltem Lachen begleitet. Ein Grinsen breitete sich auf Sanjis Gesicht aus. „Na, dann werde ich mir dieses furchteinflößende Monster mal ansehen.“ Er griff nach einem blütenweißen Tuch, das er sich elegant über den linken Unterarm warf, klopfte im Vorbeigehen seinem Küchenjungen aufmuternd auf die Schulter und stieß dann, mit seinem breitesten Lächeln bewaffnet, die Tür zum Speiseraum auf. Es dauerte keine zwei Sekunden bis er die Lage erkannt hatte. Da gerade Nachmittag war, war der geräumige Speiseraum des Baratie bis auf eine Handvoll Stammgäste, die noch die letzten Reste ihres Nachtisches genossen, leer. Sanji bemerkte sofort, daß seine Gäste seine vollendeten Kreationen allerdings gerade überhaupt nicht genossen. Sie waren vielmehr damit beschäftigt, nervöse Blicke in Richtung Eingangstür zu werfen. Eine kleine Ader auf seiner Stirn begann zu pulsieren als er wütend den ängstlichen Blicken folgte, um zu sehen, wer da die Harmonie seines Restaurants störte. Dem würde er es schon z... Seine Gesichtszüge gefroren, als er die massige Gestalt erblickte, die lässig an einem Tisch direkt neben der Türe saß. Er brauchte gar nicht erst die drei Schwerter zu sehen, um zu wissen, wer da den Raum einfach durch seine bloße Anwesenheit bis in alle Ecken ausfüllte. Eine eiskalte Hand schloss ich um Sanjis Magen, als sein Blick an dem ihm gerade abgewandten Gesicht unter dem grünen Haarschopf hängenblieb. „Scheiße...“ --- A/N: *Koujin ist ein Name der Shintogottheit des Feuers, des Herdes und der Küche Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)