Eisengel von Gepo (Einige Monate später) ================================================================================ Prolog: Neubeginn ----------------- Dein blondes Haar ist gestriegelt und gezähmt Und auch der Wind kann’s nicht bewegen Dein Gesicht ist streng, schon fast verhämt Und doch will ich meine Lippen auf deine legen Deine Augen sind Silber, zart und fest Die Wimpern Schnee, der Blick so kalt Doch wenn du mich nur in dein Herz lässt Erwärme ich’s dir mehr als bald Harry Potter, seines Zeichens Retter der Zaubererwelt, ließ seinen Blick über die Massen von Schülern, die aus dem Hogwartsexpress strömten, wandern. Da stand er, der Junge-der-lebte und längst kein Junge mehr war, eine lebende Legende, der Meister des Zauberstabs der Ältesten, der Sieger über Voldemort, Orden des Merlin erster Klasse und zweimaliger Gewinner des Preises für das charmanteste Lächeln in der Hexenwoche – auf dem Weg zur Schule. Was war der Dank dafür, dass er ein Jahr lang Horkruxe aufgespürt hatte, um Voldemort zu töten? Er musste das Schuljahr wiederholen. Berufe konnte man nur mit vollendeter Schulausbildung ergreifen – egal, wie viele dunkle Lords man nun besiegt hatte. Wenigstens konnte er sich damit trösten, dass alle Schüler ab der fünften Stufe wiederholen mussten. Das war für Professor McGonagall sicherlich ein guter Organisationsaufwand, aber die neue Schulleiterin wirkte von den ihr bevorstehenden Aufgaben unbeeindruckt. Sie hatte, was sie brauchte – Dumbledore und Snape als Portrait, gute Lehrer für das neue Schuljahr und eine durch das Ministerium reparierte Schule. Nachdem Harry sie im Endkampf erlebt hatte, glaubte er auch längst nicht mehr, dass etwas diese Frau wirklich aus der Ruhe bringen konnte. Das neue Schuljahr versprach also viel, auch wenn es Harry ärgerte, dass er noch ein Jahr die Schulbank drücken musste. Was seine Stimmung in den letzten Monaten, die er in Hogwarts zum Wiederaufbau verbrachte, sehr gehoben hatte, war seine Ernennung zum Schulsprecher – die perfekte Position, um Malfoy das Leben zur Hölle zu machen. Nicht, dass er sich Askaban für den Blonden gewünscht hätte, aber schuldlos freigesprochen? Nun gut, Malfoy hatte wirklich nichts Schlimmes getan, dafür war er bei weitem zu feige gewesen, aber das Installieren der Vorrichtung, mit der die Todesser letztes Jahr in die Schule eingedrungen waren, wenigstens die sollte irgendwie zählen, nicht? Harrys Gesicht verdunkelte sich. Der Gedanke an den Blonden trug Erinnerungen mit sich. Wie er heulend in der Toilette der maulenden Myrthe gesessen hatte, wie er von Voldemort gezwungen wurde Verräter zu foltern – oder ansonsten selber gefoltert zu werden – und sein verängstigtes Gesicht, als er Harry auf Malfoy Manor erkannt hatte. Die Verzweiflung, die in seinen Augen gestanden hatte, seine Angst, als er sich in den tödlichen Flammen an Harry geklammert hatte, sein unterdrücktes Schluchzen… der Schwarzhaarige wusste, dass seine Wut auf Malfoy nur gespielt war. Es war einfach die Gewohnheit, die er versucht hatte in den letzten Monaten wieder zu finden. Wut und Ärger über Malfoy gehörten zu dieser Gewohnheit. Aber Harry konnte sie nicht lange aufrechterhalten. Seine jungen Augen hatten zu viel gesehen. Und Malfoy hatte sicher nicht weniger erlebt, das wusste er genau. Folter und Tod hatten über ein Jahr zu ihrer beiden Leben gehört. Harry schüttelte den Kopf und versuchte die Bilder aus seinen Gedanken zu vertreiben. Mad-Eye Moodys Auge, Dobbys Grab, Freds Leiche und… die grünen Augen richteten sich auf das Bündel in seinen Armen. Remus. Tonks. Beide tot. Andromeda Tonks war zusammengebrochen. Und hatte sich nicht erholt. Die Heiler von St. Mungos waren ratlos. Und in all diesem Wirrwarr war das Ministerium gezwungen Harry das Sorgerecht für Ted Tonks zuzusprechen, da er als Patenonkel die einzige noch lebende, zurechnungsfähige Bezugsperson des Babys war. Mit seinem Daumen strich der Achtzehnjährige abwesend über die Wange des schlafenden Kindes. Professor McGonagall hatte sich auch dadurch nicht aus der Ruhe bringen lassen. Nach Hausordnung Hogwarts wurde Schülern mit Kindern eine eigene Wohnung zugesprochen, die sie ihm natürlich sofort gegeben hatte. Sein privates Bad schloss an das Vertrauensschülerbad an und somit nannte er ein Wohnzimmer und zwei Schlafzimmer nun sein eigen. Nun ja, so gesehen nannte er nur ein Schlafzimmer sein eigen, das andere gehörte natürlich Ted. An den Gedanken Vater zu sein musste sich Harry wahrlich gewöhnen. Aber Hermine und Ron hatten ihm ihre Hilfe zugesprochen und auch Ginny und Luna hatten sich schon als Babysitterinnen beworben. Dean, frisch verlobt mit Letztgenannter der beiden Damen, wurde von seiner Herzallerliebsten kurzerhand freundlich zur Hilfe überredet – gezwungen, um es in Rons Worten auszudrücken. Ted war also gut versorgt. Dean und Luna bildeten ein Onkel-Tante-Päckchen, Ron und Hermine ebenso und Ginny und Harry… ja… der Schwarzhaarige seufzte. Ginny war eine wunderschöne Frau geworden. Sie hatte Mut, Überzeugung, Liebe und Lebenslust in sich, obwohl das letzte Jahr auch für sie Schmerzen bereitgehalten hatte. Sie war sanft, konnte ernst sein und lachen, ihn aufbauen und ihm mit ihren Küssen noch immer den Verstand rauben. Sie hatte ihm erklärt, wie man die Milch für das Baby vorbereitete – er hatte glatt gedacht, dass Kuhmilch eine gute Idee wäre, aber sie hatte ihm in einem feurigen Vortrag etwas Besserem belehrt – und Windeln wechselte. Sie hatte mit ihm zusammen für das Kind eingekauft, von Babypuder bis Tragetüchern und ihm beim Einrichten der Wohnung geholfen. Sie hatte ihm Zauber für den Haushalt beigebracht und seine Garderobe erneuert – ein ordentlicher Vater habe ordentliche Kleidung zu tragen. Sie hatte ihn sogar zur Stilberatung geschleift – bei der Pediküre hatte er schließlich gestreikt. Alles in allem war sie mit das Beste, was ihm passieren konnte. Doch der Krieg hatte ihn verändert. Er war kein liebeskranker Junge mehr, der nach Aufmerksamkeit und Abenteuer gierte. Er war müde. Müde von den Kämpfen, der ständigen Anspannung und der Angst. Er war alt geworden. Und im Stillen dankte er Dumbledore dafür. Der Mann hatte ihm niemals mehr als einen Hauch der Wahrheit gesagt, das war wahr. Aber genau dadurch hatte er ihm die Möglichkeit gegeben sich seiner selbst bewusst zu werden. Hätte er ihm alles offenbart, Harry hätte niemals gewonnen. Und selbst wenn er es getan hätte – am Ende wäre er daran zerbrochen. Die Erinnerungen hätten ihn zerstört. Die letzte Mission Dumbledores, sie hatte Harry alt gemacht. Ein weiterer Grund, warum er nicht mehr in Gewohnheiten zurückkehren konnte. Diese Mission hatte Harry gezeigt, was es hieß Verantwortung zu übernehmen. Er war bereit sie zu tragen. Er konnte Teds Vater sein, er konnte eine lebende Legende sein, er konnte Entscheidungen treffen, die über das Überleben vieler entschieden. Der Tod hatte ihn vieles gelehrt. Wertschätzung dessen, was lebte, noch mehr als er sie sowieso schon in sich trug. Sein Leben kam Harry wie ein großer Plan vor. Das Verhalten der Dursleys, die Gefahren, der Krieg, die Morde, die Gräber – alles schien plötzlich Sinn zu haben. Und Harry konnte nichts tun als Dumbledore immer wieder im Stillen zu danken. Seine Einstellung zu so vielem hatte sich verändert. Und so auch zu Ginny. Sie war eine wundervolle Frau, ohne Frage – aber er konnte sie nicht lieben. Er konnte sich nicht an sie binden. Er wusste nicht einmal, ob er jemals zu so einer Verbindung mit irgendwem fähig wäre. Ginny hatte das schweigend verstanden. So wie sie ihn schon damals schweigend verstanden hatte. Sie wusste, was er fühlte. Sie wusste, dass sie keine Chance mehr hatte. Und so waren sie miteinander übereingekommen Freunde zu sein. Keiner von beiden wollte mehr mehr. Ihrer beiden Geister waren in einer tiefen Seelenverwandtschaft vereint, das reichte ihnen. Ginny würde Teds Ziehmutter sein, ja – aber niemals Harrys Frau. Er hatte sich für ein Leben in Einsamkeit entschieden. Er wollte niemanden mit dem zerstören, was auf seiner Seele lastete. Denn er war sich sicher, dass niemand auf der Welt seinen Schmerz wirklich verstehen konnte. Niemand. „Na, hast du uns alle Erstklässler sicher hergebracht?“, fragte Ginny lächelnd und stellte sich mit ihm neben Professor McGonagall, die traditionell die Schüler begrüßen und zum sprechenden Hut führen würde – das ließ sie sich auch als Schulleiterin nicht nehmen. „Problemlos. Eigentlich habe ich nichts getan außer ihnen wieder aus dem Boot zu helfen und zum Schloss zu führen, der Rest ist Hagrids Aufgabe gewesen.“ „Soll ich vielleicht Ted nehmen? Wer weiß, ob du nicht gleich wieder von Autogrammjägern bestürmt wirst.“, scherzte sie und nahm das Kind entgegen, um es in der Wohnung zu füttern – wie immer hatte sie denselben Gedanken wie Harry gehabt. Sobald irgendjemand seinen Namen sagen würde, brach wahrscheinlich wieder die Hölle los. Professor McGonagall hatte ihm schon verraten, dass sie ihr gemeinsames Abkommen heute Abend publik machen würde – sehr zu Harrys Missfallen. Aber die Ausrede, dass er nichts für seine Berühmtheit wirklich selbst getan hatte, gab es nicht mehr. Die Neider nur wahrscheinlich immer noch… „Erstklässler, aufgepasst! Ich bin Professor McGonagall, die Schulleiterin. Hier neben mir steht Mister Potter, ihr Schulsprecher. Für-“, sie stoppte und versuchte das aufkommende Gemurmel durch dezentes Räuspern zu beenden – nach einjährigem, schlechten Einfluss von Umbridge musste sie das wohl übernommen haben, „Für Anliegen, die die Schule betreffen, können sie sich an ihn wenden. Für hausinterne und persönliche Angelegenheiten können sie sich an ihre jeweiligen Vertrauensschüler oder ihren Hauslehrer wenden. Wir werden jetzt in die große Halle gehen, wo sie in alphabetischer Reihenfolge aufgerufen und einem Haus zugeteilt werden. Bitte setzen sie sich unverzüglich an den Haustisch, dem sie zugeteilt wurden. Sie erkennen diesen meistens daran, dass die Schüler dieses Tisches laut jubeln. Und jetzt folgen sie mir und zwar geordnet und ruhig.“, sie machte auf dem Absatz kehrt und steuerte mit Harry neben ihr die große Halle an – die aufkommenden Gespräche hinter sich einfach ignorierend. Harry lächelte in sich hinein. Es schien eine Ewigkeit her, seit er dort gestanden hatte, beeindruckt, naiv staunend, ahnungslos, was auf ihn zukommen würde… damals hatte er Malfoys Freundschaft ausgeschlagen und hatte sich selbst nach Gryffindor gesteckt. Es war die richtige Entscheidung gewesen. Slytherin hätte ihn nicht groß gemacht. Slytherin hätte ihn zerstört. Ohne Ron und Hermine hätte er all das niemals überstanden… Der Schwarzhaarige ließ sich zwischen Ron und Dean nieder und sah der Erstklässlern hinterher, die sich nun vorne aufstellten, um eingeteilt zu werden. Das Lied des Hutes, die Verteilung, das Festmahl, das die Schulleiterin nicht anders als Dumbledore mit einem knappen „Reden gibt es nachher genug – lasst es euch schmecken.“ begonnen hatte – alles verlief in seinem gewohnten Rhythmus. Und doch war dem jungen Mann etwas flau im Magen. Ihm kam nicht nur einmal die Frage in den Kopf, ob es nicht manchmal schöner war naiv staunen zu können. Aber die Realität hielt dem leider nicht stand… „Guten Abend, liebe Schüler. Nachdem ihr nun alle gesättigt seid, möchte ich also ein paar Worte an euch richten. Und wie ich in meinen vielen Jahren als stellvertretende Direktorin unter Albus Dumbledore gelernt habe, ist die schonungslose Wahrheit manchmal der einzige Weg. Deswegen möchte ich meiner Rede einige Erklärungen voranstellen.“, sie legte eine bedeutungsvolle Pause ein, „Wie sicherlich alle wissen, wurden wir bis vor einigen Monaten von Lord Voldemort terrorisiert. Er besaß die Kontrolle über das Ministerium wie auch über die Schule. Er hat uns die Karrows als Lehrer und Exekutoren aufgezwungen und aufgrund des Krieges fielen Prüfungen und Unterricht am Ende des Jahres aus. Schüler wurden als Geiseln gefangen gehalten, Angehörige verschleppt oder getötet. Aus diesen Gründen erging die Entscheidung, dass die prüfungsgebundenen Jahrgänge – also die Stufen fünf bis sieben – das Jahr wiederholen müssen. Das bedeutet weiterhin, dass wir eine sehr große Stufe fünf haben. Nur ausgezeichneten Schülern wurde gestattet die Prüfungen abzulegen und die Stufe zu wechseln. Somit sind die oberen Jahrgänge nun leicht verändert. Aus diesem Grund werde ich nun zu einigen Personen ein paar Worte sagen. Ich bitte betroffene Personen bei der Erwähnung ihres Namens aufzustehen. Im Hause der Slytherins bleibt Professor Slughorn Hauslehrer.“, sie nickte dem Mann rechts hinter ihr zu, der sich erhob, „Vertrauensschüler bleiben ebenfalls dieselben: Draco Malfoy und Pansy Parkinson.“, es ging ein Wispern durch die Reihen als sich der Blonde erhob, „Wie viele von ihnen wissen, wurde über Mister Malfoy erst kürzlich ein Gerichtsurteil gesprochen. Zwar befand er sich in den Rängen der Todesser, wurde aber als schuldlos befunden. Die Schule teilt die Ansicht des Gerichts über seine Unschuld und ich erwünsche keine Gegenstimmen. Jegliche Taten Mister Malfoys, die von uns verurteilt wurden, hatten einen nicht zu verurteilbaren Grund, seien sie sich dessen versichert.“, Harry musste ihr im Stillen zustimmen, „Da sich Mister Malfoys Eltern beide in Askaban befinden, ist er weiterhin Oberhaupt der Familie, also erwünsche ich von ihnen den gebührenden Respekt ihm gegenüber.“ Der Schwarzhaarige schluckte. Malfoy hatte nun einiges an Verantwortung auf seinen Schultern… und doch blieb seine Miene ausdruckslos. Aber Harry konnte sich vorstellen, dass hinter dieser Miene einige Emotionen bei den Worten der Schulleiterin wirbelten. Er seufzte leise. Malfoy stand wohl nicht weniger am Pranger als er selbst. „Hauslehrerin des Hauses Gryffindor ist Professor Granger, welche meine Position als Hauslehrerin, Lehrerin für Verwandlungskunst und stellvertretende Schulleiterin übernimmt. Ihr Alter soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie mehr als geeignet für diese Position ist. Und ich erwarte auch von ihren früheren Mitschülern, die nun die siebte Stufe besuchen, angemessenes Verhalten. Sie ist Professorin, also behandeln sie sie auch wie eine.“ Harry konnte sein Grinsen kaum verstecken. Wenn Ron seine Freundin mit Professor Granger anreden musste, würde er wahrscheinlich jedes Mal wieder einem Lachkrampf erliegen. Mal schauen, wie lange beide das durchhielten… „Vertrauensschüler des Hauses Gryffindor sind damit Ron Weasley und Ginny Weasley.“, das Gemurmel der Schüler stieg wieder an, welche unverhohlen auf Harry zeigten und ihn immer wieder ansahen. „Ruhe, bitte!“, durchschnitt McGonagalls Stimme das Geschnatter, „Da Professor Sprout durch ihre Verletzungen in den Frühruhestand versetzt wurde, wird ihr Posten als Lehrerin für Pflanzenkunde und Hauslehrerin von Hufflepuff übernommen von Professor Longbottom, der wie Professor Granger ein hervorragendes Zeugnis in den von ihm gewählten Fächern abgelegt hat. Vertrauensschüler bleiben Ernie MacMillan und Hannah Abbott. Hauslehrer von Ravenclaw ist weiterhin unser geehrter Professor Flitwick, der mit mir die Verteidigungszauber der Schule erneuert hat. Seien sie sich sicher, Hogwarts ist immer noch der sicherste Ort der Welt. Vertrauensschüler des Hauses Ravenclaw sind Anthony Goldstein und Padma Patil.“, sie wartete, bis die betreffenden sich wieder gesetzt hatten, „Auch unter den Lehrern gab es natürlich einige weitere Umstellungen. Unsere neue Lehrerin für Muggelkunde ist Professor Thomas…“, Harry sah aus dem Augenwinkel, wie Dean sein Gesicht in seinen Händen vergrub, „…und Verteidigung gegen die dunklen Künste wird von nun an Professor Weasley unterrichten.“, Bill zwinkerte der Masse von Lehrertisch aus zu, „Bisher hat er nur einen Vertrag für ein Jahr, aber wir hoffen ihn etwas länger zu behalten. Obwohl er damit wohl der erste seit sieben Jahren wäre…“, der Schwarzhaarige sandte ein stummes Gebet gen Decke, dass Bill mit dem Leben davon kam, „Und schließlich freut es mich zutiefst ihnen unseren neuen Schulsprecher zu präsentieren: Harry Potter.“, mit einem tiefen Seufzer erhob er sich aus seinem Sitz und erntete ein wildes Klatschen und Johlen. Professor McGonagall hielt einige Sekunden inne, bis sich der Jubel gedämpft hatte, bevor sie fortfuhr: „Wie allen Schülern bekannt sein dürfte, ist es sein Verdienst, dass der Krieg endlich vorbei ist. Aus diesem Grund hat die Schulleitung ihn gebeten einige Vorträge über seinen Kampf gegen Voldemort zu halten, welchem er zu unserer großen Freude zugestimmt hat. Sie können demnach in nächster Zeit mit einem Besuch von Mister Potter in ihrem Verteidigung-gegen-die-dunklen-Künste-Unterricht rechnen. Er wird ihnen dort alle Fragen beantworten, die sie bezüglich des Krieges an ihn haben. Aus diesem Grund möchte ich im Namen Mister Potters alle darum bitten andere nicht wissensdurstig über das Ereignis auszufragen. Besonders einige der Schüler und ihre Familien verzeichneten schwere Verluste und somit bitte ich um ein wenig Zurückhaltung. Speziell Mister Potter soll damit nicht belastet werden, dafür kommt er in ihren Unterricht. Einige Neuigkeiten möchte ich dennoch schon einmal vorwegnehmen. Mister Potter ist seit zweieinhalb Monaten Vater und bewohnt daher nun eine Wohnung im fünften Stock. Seien sie um des Kindes willen in diesem Bereich bitte leise.“ Harry konnte die grausilbernen Augen förmlich spüren, die sich auf ihn gerichtet hatten. Anscheinend hatte Malfoy schon länger nicht mehr in den Tagespropheten gesehen. Das durfte er sich als Oberhaupt des Malfoy-Clans nicht leisten. „Wie jedes Jahr ist zu erwähnen, dass der verbotene Wald für alle Schüler tabu ist. Ausgangssperre liegt von nun an bei zehn Uhr abends und das Zaubern auf den Fluren ist verboten.“, die Direktorin rückte ihre Brille zurecht, „Ich darf weiterhin verkünden, dass sowohl der Hauspokal, als auch der Quidditchpokal in diesem Jahr wieder vergeben werden.“, der Beifall bei diesem Satz war ohrenbetäubend, was sie zwang eine längere Pause einzulegen, „Denken sie daran, ihr Fehlverhalten straft das ganze Haus, ihr Fleiß belohnt alle. Was Quidditch angeht, so möchte ich ihnen kurz noch die Mannschaftskapitäne nennen, welche in zwei Wochen ihre vorläufigen Mannschaften aufstellen werden. Für Slytherin: Draco Malfoy.“, der Beifall an angesprochenem Tisch war bahnbrechend, was nicht nur den Blonden überraschte – sein eigenes Haus stand also noch immer geschlossen hinter ihm, „Für Gryffindor: Harry Potter.“, dieser Applaus versuchte den vorangegangenen zu toppen, „Für Hufflepuff: Kevin Whitby und für Ravenclaw: Cho Chang.“ Und so nahm also alles seinen gewohnten Lauf. Die Schule ließ einen mit Alltag nie im Stich. Der Schwarzhaarige lächelte still. „Wie einigen von ihnen vielleicht aufgefallen ist, habe ich bei meiner Aufzählung der Schrecken, die Voldemort über uns brachte Professor Snape nicht erwähnt.“, sprach sie nun leiser mit einem schon fast erschreckenden Ernst in der Stimme und Harry krampfte die Brust zusammen, „Ich möchte an dieser Stelle klar stellen, dass unser hochverehrter, ehemaliger Schuldirektor sechzehn Jahre für unsere Seite als Spion arbeitete und ein enger Vertrauter Albus Dumbledores war. Er hat mit jeder seiner Taten nach den Anweisungen des Ordens des Phönix gehandelt und sein Leben für den Sieg gegeben. Ich möchte nun in einer Schweigeminute nicht nur ihm, sondern auch allen anderen Opfern des Krieges gedenken. Lassen sie uns für sie beten.“ Schweigen hüllte die Halle in dessen tödliche Arme. Es hätte keiner Aufforderung zur Stille bedurft, denn die unerwarteten Worte hatten allen Gesprächen ein plötzliches Ende bereitet. Harrys fixierte die Platte des Tisches und versuchte die Bilder des sterbenden Severes Snape zu verbannen. Er hatte nie gedacht einmal so tiefes Mitgefühl für ihn zu empfinden… doch die Erinnerungen, die er ihm geschenkt hatte, hatten ihn eines Besseren belehrt. Er verehrte den Mann, der damals in seinen Armen gestorben war. Und er bereute niemals die Wahrheit hinter seiner Maske erkannt zu haben. Er bereute es zutiefst. „Potter.“ „Malfoy.“ Harry musterte den Blonden kühl. Er war seinem Vater ähnlich geworden. Groß, doch leicht hager, empor stehende Wangenknochen, etwas mehr als schulterlange Haare, die mit einem schwarzen Band zum Zopf gebunden waren. Schwarze Zaubererroben mit dem Emblem Slytherins, der Siegelring der Familie Malfoy, der Gehstock aus Ebenholz mit einem silbernen – Harry stutzte kurz – Drachenkopf. „Eine Neuanfertigung?“, fragte der Schwarzhaarige höflich. „Eine Neuzulage?“, fragte der Ältere stattdessen und nickte zu dem schwebenden Kinderkorb, der leicht wiegte. Harry war sich sicher, dass er nicht den Korb an sich meinte. „Von einem Clan-Führer hätte ich mehr Interesse an der Politik erwartet.“, neckte der Grünäugige. „Ich war anderweitig beschäftigt.“, parierte der Blonde, „Wie kommst du zu einem Kind?“ „Ted war ursprünglich mein Patensohn.“, gab der Jüngere Auskunft. „Hm…“, der Silberäugige hob eine seiner behandschuhten Händen an die Lippen und strich abwesend mit einem Fingerrücken über diese, „Gehen wir ein Stück?“ Harrys Unterkiefer zuckte kurz und seine Lider verengten sich minimal. „Dein Patenkind und jetzt Sohn ist vermutlich der frühere Ted Tonks, nicht wahr?“, fragte der Blonde nach, der die Vorsicht des Anderen bemerkt zu haben schien – Harry sandte ihn auf beides ein Nicken, „Ich hoffe, du hast nicht vergessen, dass Nymphadora meine Base ist?“ Die Lider des Grünäugigen verengten sich weiter. „Drohst du mir mit einem Sorgerechtsverfahren um Ted?“, zischte er. „Mir würden schmerzhaftere Wege einfallen dir zu schaden, wenn ich es wollte.“, konterte Malfoy, „Auch wenn mir ein Erbe wohl zugute kommen würde. Aus Sicht des status quo bin ich gezwungen mich noch dieses Schuljahr zu verloben.“ Der Schwarzhaarige lockerte den Griff um seinen Zauberstab, den er in der Tasche hatte. „Meine Intention war es über unser Verhalten dem jeweils anderen gegenüber zu sprechen.“ „Wenn uns dieser Spaziergang zum See führt, bin ich ganz Ohr.“, entschied Harry und nahm bewusst den Platz links von dem Blonden an – was der Aristokrat unkommentiert ließ, auch wenn der Jüngere glaubte ein kurzes Blitzen in den grausilbernen Seen zu entdecken. „Du bist mit der Etikette vertraut?“, fragte der leicht Größere, während das Baby mittig hinter ihnen schwebte. „Es ist möglich, dass ich schon mal in den Knigge gesehen habe.“, um es genau zu nehmen hatte er das Buch verschlungen, nachdem ihm der Gedanke gekommen war, man könne Malfoy mit seinen eigenen Waffen schlagen. „Nun gut…“, murmelte der Blonde nicht näher darauf eingehend. Er schwieg, bis sie den See erreichten und Harry ließ dieses Schweigen unkommentiert. Wenn Malfoy wirklich über ihr Verhältnis zueinander, also über Gefühle sprechen wollte… er konnte sich nur zu gut denken, wie schwer das dem Anderen fiel. Gefühle waren in einer Zeit wie dieser, wo Wunden noch fast blutig waren, gefährlich. Zu gefährlich für jene, die der Krieg ins Herz getroffen hatte – wie sie beide. „In den letzten sieben Jahren war unsere Einstellung zueinander… wechselhaft, würde ich sagen. Aber allgemein eher negativ geprägt.“, begann Malfoy faktisch, „Ich kann allerdings nicht verneinen, dass manche Begebenheiten mich doch… belustigten. Unsere Kinderstreiche waren stets eine gewisse Quelle von Amüsement.“ Der Schwarzhaarige nickte – ob aus Zustimmung oder einfach nur Unterstützung wusste er selber nicht ganz genau. Einige Dinge waren wahrlich kein Spaß gewesen… „Ich habe versucht meinen Vater würdig zu vertreten während seines ersten Aufenthaltes in Askaban.“, ja, das hatte er wahrlich versucht… der Besuch in der Nockturngasse, seine Position als Todesser, sein Auftrag… „Ich bin gescheitert.“ Harrys Blick schnellte zu dem Älteren, sein Starren nur unterbrochen durch ein verwirrtes Blinzeln. „Ich gebe zu dieser Rolle nicht gerecht geworden zu sein.“, wiederholte der Blonde seine Aussage, nachdem er tief durchgeatmet hatte – sein Augen suchten einen Punkt am Horizont, „Ich hatte Angst. Mein Scheitern hätte den Tod meiner Mutter nach sich gezogen. Diese Angst hat mich sehr schwach gemacht.“, ob man es wirklich als Schwäche bezeichnen konnte, wenn jemand aus solchen Gründen weinte? „Und mein Temperament ist sehr oft mit mir durchgegangen. Alles in allem bin ich dem Stolz der Familie nicht gerecht geworden.“ Er war ein sechzehnjähriger Junge in Todesgefahr gewesen, was erwartete er denn von sich? „Ich habe aus meinen Fehlern gelernt.“, setzte der Ältere wieder an, „Ich bin nun offiziell Oberhaupt des Malfoy-Clans. Und auch wenn ich neben meinen in Askaban inhaftierten Eltern das einzige Mitglied dieses Clans bin, habe ich eine lange Reihe von Ahnen, denen ich ein angemessenes Verhalten schuldig bin. Ich habe nicht vor meinem Namen weiterhin Schande zu bereiten.“ Der Grünäugige schüttelte unverständig den Kopf. So etwas konnte auch nur aus dem Mund eines Malfoys kommen… „Und das bedeutet mein Temperament zu zähmen. Ich hoffe also in Zukunft auch mit dir zivilisiert umgehen zu können.“ Seine Augenbrauen wanderten langsam in die Höhe. Es war nur wenige Monate her, dass dieser Mann neben ihm verunsichert hinter zwei Schränken von Individuen stand und vorhatte Harry gefangen zu nehmen und Voldemort auszuhändigen… der Blonde war wie ausgetauscht. „Du bist schon noch Draco Malfoy, oder? Du hörst dich nicht nach ihm an.“, informierte der Jüngere der Silberäugigen. „Ich bin kein Kind mehr, Potter. Die letzten Monate haben mir gezeigt, dass diese Zeit nun vorbei ist. Und ich wünschte, die Erkenntnis wäre früher gekommen. Sie hätte vieles einfacher gemacht.“ Harry sah wieder einmal die Tränen und die Verzweiflung aufblitzten, die auf Malfoys Gesicht gestanden hatten. Töte ihn, töte ihn… Malfoy hatte es nicht gekonnt. Er hatte es nicht getan. Er musste dafür bezahlen. Das Bild hatte sich für immer in seine Gedanken eingebrannt. „Aber hättest du es gewollt?“, fragte der Grünäugige leise, bevor ihn ein fragender Blick traf, „Ich sah, was Voldemort sah, wenn er Gefühle zeigte… ich sah dich…“, flüsterte er erklärend und wich den sich weitenden Lidern aus, indem er den Punkt am Horizont suchte, den Malfoy betrachtet hatte. „Was hast du gesehen?“, zischte der leicht Größere – Harry fragte sich nur, wie lang ihre Masken halten würden. Es war zu gefährlich. Zu tief. „Du solltest ihn foltern… und konntest es nicht…“, hauchte er als Antwort. Die Worte kamen wie Kleber von seinen Lippen. Er musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass Malfoy die Kiefer hart zusammenpresste. „Wusstest du auch von meinem Auftrag? Vorletztes Jahr?“ Sein Kinn sank wie automatisch seiner Brust entgegen, bevor er erwiderte: „Von Anfang an. Ich… ich wusste nicht, was es genau war, aber ich wusste, dass du das dunkle Mal erhalten und einen Auftrag hattest. Ich habe dich in der Nockturngasse, im Zug und mit Snape belauscht… aber ich konnte bis zum Ende nicht herausfinden, was es war.“ Auch der Blonde wandte sich den Punkt am Horizont zu. „Ich… verstehe.“ Und er verschwand wortlos nach einigen Minuten des Schweigens. _________________________________________________________________________________ P.S.: Ich bleibe bei meiner Übersetzung "Zauberstab der Ältesten" und werde sie nicht durch Elderstab austauschen. Zwar wäre die genaue Übersetzung "Älterer Zauberstab", aber etwas künstlerische Freiheit nehme ich mir mal heraus ^.- Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)