Pokémon Quest [Buch 1] von xRajani (Das Erbe des Giratina) ================================================================================ Kapitel 2: Zu neuen Ufern ------------------------- Direkt das Zweite hinterher! Have Fun! 2. Kapitel Zu neuen Ufern Ungläubig, aber gleichzeitig auch überrascht, starrte Shuu Haruka an. „Du willst… was?“, begann er, stockte aber wieder. Die junge Koordinatorin schenkte ihm ein sanftes Lächeln. „Nach Shinou reisen“, entgegnete Haruka entschlossen. „Mit dir.“ Einige Herzschläge lang schwieg Shuu, offenbar verdutzt über die Entscheidung, die seine Freundin getroffen hatte, aber dann machte ihre Zuversicht ihm Mut. Auch er hatte auf neue Herausforderungen verzichten müssen und war, genau wie Haruka, nicht für die Tatenlosigkeit geschaffen. Masato, der sich bislang zurück gehalten hatte, nickte anerkennend. „Eine gute Entscheidung, Schwesterherz“, meinte er. Ein glückliches Lächeln konnte Haruka nicht verbergen. Sie lachte erheitert und schmiegte sich an Shuus Seite, der froh war, dass nun eine schwere Last von ihren Schultern genommen war. Masatos Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Gerne wäre er beim großen Festival in Johto als Zuschauer dabei gewesen, war aber zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen. „Wie ich sehen konnte, bist du ein guter Trainer geworden“, lobte Haruka voller Stolz ihren kleinen Bruder, der vor Verlegenheit errötete. „Ach Quatsch!“ Vergnügt quittierte Haruka seine gestammelte Antwort mit einem Kichern. Nachdem es beschlossen war, dass Haruka und Shuu wieder auf Reisen gingen würden, besprachen sie dies mit Harukas Eltern, die diese Entscheidung mit großen Freuden begrüßten. Sie wussten um die Unzufriedenheit der Koordinatoren, und so wollten sie ihnen keine Steine in den Weg legen. Zwar hatten sie ihre Gesellschaft genossen, aber Reisende sollte man bekanntlich nicht aufhalten. Und nun begann die Phase der Planungen. Ihr Ziel war die Shinou-Region, in der sich auch ihre Freunde Satoshi und Takeshi aufhielten. Satoshi wollte dort an den Championships teilnehmen, benötigte hierfür die acht Orden der shinou’schen Arenaleiter. Voller Freude hoffe Haruka auf jene zu treffen, was Shuu jedoch dementierte. Ihre Freunde aus Kanto hatten bereits einen großen Vorsprung, und so war es unwahrscheinlich, dass sie auf Satoshi und Takeshi treffen würden. Dies minderte keinesfalls Harukas Heiterkeit. Welche Trainer und Pokémon würden ihnen bei den Wettbewerben begegnen? Und trotz ihrer Beziehung sollte auch ihre alte Rivalität wieder ins Leben zurückkehren. An ihrem letzten Abend in Hoenn verbrachten Shuu und Haruka die letzten Stunden im Kreise der Familie, das sie für unbestimmte Zeit verließen. Masato berichtete ihnen von seiner bisherigen Reise, erzählte von den Trainern und ihren Pokémon, die er begegnet war, und vor allem von den bestrittenen Kämpfen. „Wo werdet ihr eigentlich eure Fähre nehmen?“, wollte nun der Jüngere nach einer Weile des Schweigens wissen. Haruka hob den Kopf und legte die Karte von Shinou beiseite. „In Graphitport City setzt eine Fähre nach Shinou über“, erwiderte die Brünette. „Die werden wir wohl nehmen.“ Nachdenklich nickte Masato. „Ich denke, dass ich euch bis zum Fahrradweg begleiten kann. Ich muss nach Baumhausen City.“ Dankend nickte sie ihrem Bruder zu, lehnte sich an Shuus Schulter und blickte zu ihm herauf. „Du bist so still“, bemerkte sie. „Was ist los?“ Der Angesprochene schüttelte aber bloß seinen Kopf. „Nichts.“ Masato grinste, als Haruka einen Schmollmund zog, aber letztendlich nachgab. Schließlich war es anstrengender Tag gewesen. Es gab vieles zu organisieren, einiges war noch ungeklärt. So zum Beispiel die Sorge um die Fähre, die keiner offiziellen Organisation angehörte. Wollten sie eine andere Fähre nehmen, mussten sie noch eineinhalb Wochen auf die Nächste warten. Senri, der Arenaleiter der hiesigen Arena und Vater von Haruka und Masato, erhob sich räuspernd. „Haruka, Shuu, morgen wird ein nervenaufreibender Tag werden. Ihr solltet langsam ins Bett gehen.“ Zustimmend nickte Haruka und sagte gehorsam: „Natürlich, Dad“, und schaute nun zu Shuu. „Ich komme gleich nach“, meinte er, der sich mit dieser Antwort einen fragenden Blick seiner Freundin einfing. Schließlich aber erhob sie sich. „Schatz, warte!“, erklang die freundliche Stimme ihrer Mutter, die aus der Küche zurückkehrte. „Professor Odamaki hat angerufen“, verkündete Mitsuko. „Ihr sollt morgen noch mal in sein Labor kommen, weil er etwas mit eich besprechen möchte.“ „Was?!“, rief Masato enttäuscht aus. „Dann kann ich nicht Haruka und Shuu begleiten! Ich muss in die andere Richtung!“ „Kann man nichts machen, Kleiner“, sagte Haruka seufzend und zersauste ihm zärtlich das schwarze Haar. Bevor sie ins erste Stockwerk hinauf ging, wandte sie sich zu Shuu. „Mach nicht mehr so lange.“ Dieser lächelte leicht. „Keine Sorge, Chefin.“ Der nächste Morgen eines sommerlichen Junitages brach an, und somit war die Zeit der Abreise gekommen. Haruka hatte sich bereits von ihren Pokémon verabschiedet, die in der Obhut ihrer Eltern waren. Ihre Mutter würde sich bestimmt hervorragend um sie kümmern. Das Mädchen war aber nun kaum mehr zu beruhigen, sondern strotzte voller Energie und Tatendrang, was Shuu schmunzeln ließ. Wie lange sollte diese Erwartung andauern? Als schließlich die Stunde der Abreise gekommen war, wallte auch in ihm die kommende Anspannung auf, zugleich aber auch der Abschiedsschmerz. Masato umarmte seine Schwester. „Mach’s gut, Schwesterherz“, sagte er mit trauriger Stimme, sah dann aber rasch zu Shuu. „Pass mir ja gut auf meine Schwester auf!“, fügte er tadelnd hinzu. Der Koordinator nickte lächelnd. „Ich verspreche es dir“, erwiderte er und drückte sanft Harukas Hand, schulterte dann aber seinen Rucksack, als schließlich ihre Eltern mit der Verabschiedung an der Reihe waren. Lange umarmte Haruka ihre Mutter und ihren Vater und dabei rannen ihr einige Tränen über die Wangen, die sie eilends mit dem Handrücken abwischte. „Nun geh schon, Haruka“, munterte Mitsuko ihre Tochter leise auf. „Shuu wartet schon auf dich.“ Haruka zwang sich ein leichtes Lächeln auf die Lippen, als sie sich anschließend umdrehte und auf Shuu zu rannte. Es dauerte nur eineinhalb Stunden bis Haruka und Shuu in Rosaltstadt angekommen waren und gönnten sich dort eine kurze Pause, bevor sie sich nach Wurzelheim aufmachten, was nicht mehr weit war. Sie erzählte Shuu, das sie dort ihre Reise begonnen hatte und in Wurzelheim auch Bekanntschaft mit Satoshi gemacht hatte. Noch lebhaft konnte sie sich an das Aufeinadertreffen erinnern: Damals war Pikachu, Satoshis treuster Gefährte und Freund, durch die Schuld von Team Rocket stark überladen worden, vermochte aber diese statische Überladung zu überwinden und verjagte somit Team Rocket. Dabei war aber ihr Fahrrad gegrillt worden. Und anschließend bekam sie ihr erstes Pokémon, Flemmli, das inzwischen zu einem mächtigen Lohgock geworden war. Während Shuu ihren Erzählungen aufmerksam lauschte, glaubte der Junge einen Keim der Eifersucht in sich zu spüren. Sogleich schalt er sich aber dafür, da er wusste, dass Satoshi mit Kasumi, der Arenaleiterin von Azuria City, zusammen war, und somit nur eine enge Freundschaft zwischen Satoshi und seiner Freundin existierte. Dennoch nervte es ihm das Gerede über den jungen Trainer aus Alabastia. Er mochte den schwarzhaarigen Jungen nicht sonderlich. „Kannst du mal aufhören von Satoshi zu reden?“, machte er sich seinem Unmut Luft. Haruka schaute ihren Freund an. Konnte es sein…? Ihre Lippen begannen sich zu einem Grinsen zu verziehen. „Bist du eifersüchtig?“ Mit einer fahrigen Geste fuhr sich der Koordinator durch die Haare. „Ja…. So was in der Art“, antwortete Shuu. „Aber wer wird es nicht, wenn die Freundin von jemand anderen schwärmt?“ Haruka senkte den Blick. „Tut mir Leid“, sagte sie mit gedämpfter Stimme. „Ich dachte, du interessierst dich, wie ich meine Reise begonnen habe.“ Nun lachte Shuu. „Aber du weißt, dass ich Satoshi für einen Idioten halte.“ Es war bereits Mittag, als sie ausgelaugt und müde Wurzelheim erreichten. Die Sonne hatte bereits ihren höchsten Stand erreicht und strahlte unbarmherzig auf die Erde herab. Da das Dorf aber klein und übersichtlich war, fand man den Weg zum Labor, welches ein großes, grünes Dach trug, schnell. Vor dem Gebäude hob Haruka die Faust und klopfte. Sie horchte. Stille. Noch einmal klopfte sie und dieses Mal vernahm sie ein schepperndes Geräusch, dann ein Fluchen, bis die Tür sich öffnete. Der Professor war Mann in der Mitte seiner dreißiger Jahre, der großen Wert darauf legte die Pokémon in ihrem natürlichen Lebensraum zu beobachten und versuchte dabei die Gebärden der Pokémon zu verstehen. Ja, der Professor liebte seine Arbeit, vergaß dabei die Regeln der Ordnung. Ordner, Aufzeichnungen, Protokolle – alles Mögliche lag wirr im Raum herum. Haruka lächelte. Sie mochte den Mann sehr. Freundlich und hilfsbereit war Professor Odamaki, trotz seiner chaotischen Ader. „Hallo Professor!“, begrüßte Haruka den Mann, der sich übermüdet durch die zerzausten Haare fuhr und das Mädchen irritiert ansah. „Haruka?“, kam es von ihm. „Wir haben uns ja ewig nicht gesehen!“ Die Koordinatorin lächelte bestätigend. „In der Tat“, erwiderte Haruka. „Lange ist es her, dass ich, oder besser gesagt wir, für längere Zeit in Hoenn waren.“ Odamaki sah abwesend zur Seite, so als befände er sich in dem jetzigen Moment nicht in der Gegenwart, sondern vollkommen in seinen Gedanken eingekehrt. „Jaja, habe gestern schon mit deiner Mutter telefoniert“, fuhr er schließlich fort. „Hat mir erzählt, dass ihr ein halbes Jahr zu Hause wart, nachdem ihr das Festival gewonnen habt.“ Professor Odamaki schenkte dem Grünhaarigen einen kurzen, prüfenden Seitenblick, der sich eine Strähne aus dem Gesicht strich. „Sie wollten etwas mit uns besprechen“, meinte der Koordinator kühl. Der Mann nickte, machte mit einem murmelnden „Oh ja“ die Tür frei, fügte dann aber hinzu: „Kommt doch einen Augenblick herein.“ Haruka und Shuu ließen sich nicht lange bitten. Sie traten über die Schwelle des Labors und sahen sich um. Wie erwartet, war das Labor unaufgeräumt. Bücher stapelten sich bis zu eineinhalb Meter auf. „Tut mir Leid“, entschuldigte sich der Professor. „Ich hatte keine Zeit das Chaos zu beseitigen, aber die Forschungen sind einfach interessant!“ Hastig räumte er einige Bücher beiseite, die auf Stühlen lagen. Dann hob Professor Odamaki den Blick und sah die Jugendlichen an, die sich unsicher ansahen. „Setzt euch doch“, bat er sie, die sich umsahen und schließlich rasch seiner Bitte nachkamen. „Nun… Wie ich gehört habe, wollt ihr nach Shinou reisen“, begann der Professor. Shuu bejahte seine Feststellung mit einem knappen Nicken. „Wir wollen dort am großen Festival teilnehmen“, bestätigte der junge Koordinator. „Eine gute Einscheidung“, meinte der Mann. „Shinou hat eine schöne Insellandschaft, und dort leben einige interessante Pokémon.“ Neugierig schaute Haruka ihn an. „Waren sie dort schon mal, Professor?“, wollte Haruka wissen. Dieser schüttelte aber den Kopf. „Nein, leider nicht, was sehr schade ist…“, antwortete er und kratzte sich am Hinterkopf. „Ah, ich habe aber noch etwas für euch.“ Lächelnd erhob sich der Mann und kramte in einer Schublade. Nach einigen Herzschlägen war er schließlich fündig und wandte sich wieder den Jugendlichen zu. „Hier, den werdet ihr wohl brauchen“, er überreichte Haruka und Shuu zwei Geräte, genannt Pokédex, der jegliche Informationen über Pokémon speicherte. „Dies ist der neuste Pokédex, geupdatet mit den Daten der Pokémon in Shinou.“ Die Jugendlichen starrten auf die Pokémon-Lexika herab. Harukas Pokédex glänzte in einem matten Rotton, dagegen war der von Shuu in einem bläulichen Ton. „Danke!“, sprachen Haruka und Shuu ihre Anerkennung aus, aber der Professor lachte bloß. „Keine Ursache“, er klopfte ihnen kameradschaftlich auf die Schultern. „Nun, es ist sicher Zeit für euch. Eure Fähre fährt doch heute Abend ab, wenn ich mich nicht irre?“ Die Koordinatoren nickten und erhoben sich. „Ja, wir sollten langsam aufbrechen“, meinte Haruka, die Shuu einen kurzen Seitenblick zu warf. „Damit ihr euch nicht hetzen müsst: ich werde euch zur Route 103 fahren und euch dort absetzen“, schlug Professor Odamaki vor. „Wir ihr über den Wasserpfad kommt, ist eure Sache.“ Abermals bedankten sich die Jugendlichen für die Großzügigkeit des Professors. Eine knappe halbe Stunde brauchte das Trio mit dem Auto zur Route 103, die an einem Wasserpfad grenzte. Von diesem Standpunkt aus konnte ein Pokémon zum anderen Ufern schwimmen oder fliegen. Letzteres stellte kein Hindernis dar: Shuu besaß sein Libelldra. Binnen von wenigen Minuten würden sie am anderen Ufer sein. „Da sind wir“, sagte Professor Odamaki. Wieder zeigten sich Shuu und Haruka erkenntlich, aber der braunhaarige Mann belächelte bloß über die Höflichkeit der Jugendlichen. „Passt gut auf euch auf“, sagte der Professor, dann wollte er ins Auto steigen, hielt jedoch inne, als ihm etwas zurück in den Sinn kam. „Ich habe noch etwas vergessen…“, murmelte er und zog einen weißen Kuvert aus dem Kittel. „Es wäre nett, wenn ihr Professor Nanakamado diese Nachricht überbringen würdet. Sein Labor befindet sich in Zweiblattdorf.“ Haruka nahm den Brief entgegen und steckte ihn sorgfältig in ihre Hüfttasche. „Werden wir machen, Professor.“ Ein weiteres Mal lachte der kauzige Professor. „Ich wusste, dass ich mich auf euch verlassen kann!“ Mit diesen Worten stieg er in sein Auto, winkte Shuu und Haruka noch einmal zu und brauste mit quietschenden Reifen davon. Unentschlossen blieben Shuu und Haruka zurück. Sich an die Stirn fassend, schüttelte Shuu den Kopf. „Meine Güte. Einen Tag länger mit ihm könnte ich nicht überstehen.“ In schallendes Gelächter brach seine Freundin aus, zwang sich aber wieder zu beruhigen. „Du übertreibst“, meinte sie. „So schlimm ist der Professor auch wieder nicht.“ „Wie auch immer.“ Desinteressiert zuckte Shuu mit den Schultern und zückte einen rot-weißen Pokéball hervor. „Libelldra, los.“ Binnen weniger Sekunden formte sich aus dem Lichtstrahl ein drachenartiges Wesen, dessen Körper von Schuppen überzogen war. Im Sonnenlicht schimmerten jene, als bestünde der Körper aus funkelnden Smaragden. Einen kurzen Ruf stieß Libelldra aus der Kehle, bevor sich die Drachendame niederkauerte. Den Rücken seines Pokémons bestieg Shuu als erstes, bevor er Haruka auf Libelldra verhalf. Sie waren schon oft gemeinsam auf Libelldras Rücken geflogen, und es erfüllte Haruka mit innerer Freiheit. „Hältst du dich gut fest?“, erkundigte sich Shuu. Ein Kopfnicken, welches von einem leisen „Mhm“ begleitet wurde, beantwortete seine Frage. Nun gab Shuu seinem Pokémon das Zeichen in die Lüfte abzuheben. Libelldra breitete die Flügel aus, die kurz unbewegt in der Luft ausharrten, dann schnellten diese herab und ließen die Drachin in die Lüfte emporsteigen. Haruka verbarg ihr Gesicht an Shuus rechter Schulter. Der peitschende Wind schnitt ihr unangenehm in die Wangen. Pfeifend lag der Wind in ihren Ohren und ließ sie unter einem kalten Schauder erzittern. Es war auf offenem Wasser sehr viel windiger, als auf dem Festland, das stand fest. Einer Tänzerin gleich bewegte sich Libelldra durch die Lüfte; mal flog sie hoch empor, dann schnellte die Drachin knapp an der Wasseroberfläche entlang, wodurch Wasser nach rechts und links wegschwappte und eine Schneise bildete. Haruka wagte die Umgebung, die nur schemenhaft an ihnen vorbei rauschte, zu betrachten. Beide Seiten des Wasserwegs waren durch eine steinige Wand abgetrennt. Sie bezweifelte, dass jene felsige Wand auf natürlich entstanden war, sondern vielmehr durch die Beihilfe der Menschen. Bloß Wasserpokémon vermochten hindurch zu tauchen, oder eben jene, die die Fähigkeit besaßen ihre Schwingen auszubreiten und darüber hinweg zu fliegen. Die Flussläufe mündeten in den Weiten des Ozeans und war eine ideale Wasserverbindung zwischen Rosaltstadt und Graphitport City und dem ebenso nahe liegendem Malvenfroh City. Doch das Gewässer in diesem Meeresarm trügerisch; gefährliche Strömungen hatten schon oft Menschen das Leben gekostet. So hatte man einen steinernen Schutzwall errichtet, um der tödlichen Gefahr Einhalt zu gebieten, achteten dabei den Lebensraum der heimischen Wasserpokémon nicht zu zerstören. Ein markerschütterndes Brüllen riss Haruka plötzlich aus ihren Gedanken. Voller Panik schauten die Jugendlichen auf die Wasseroberfläche, die sich nun kräuselte und der mächtige Kopf eines Garados aus dem Wasser pflügte. Haruka schlug die Hand vor dem Mund um nicht vor Schreck los zu schreien. Als Garados knurrend angriff, brach Libelldra nach links aus um dem blitzschnellen Angriff der Drachenschlange auszuweichen. Wutentbrannt peitschte die Kreatur mit dem Schweif auf das Wasser, bäumte sich dann auf um eine mächtige Fontäne zu speien. Libelldra kam fauchend ins Straucheln, als die Attacke zischend sein Ziel nur knapp verfehlte, aber die Flanke der Drachin leicht streifte. Shuu biss sich auf die Lippen. Nur schwer konnte sich der Grünhaarige am Hals des Pokémons festklammern, welches eine Drehung in der Luft vollführte. Haruka richtete ihren Blick nach vorne und erkannte das lang ersehnte Land. „Da! Das Ufer!“ Prüfend folgte Shuu ihren Blick und schätzte die Entfernung zwischen ihnen und dem rettenden Boden ab. „Wir haben keine andere Wahl“, meinte Shuu hastig. „Wir müssen zuerst ans Ufer.“ Kaum war aus ausgesprochen, brauste Libelldra mit neu gewonnener Kraft dem Ufer entgegen, gefolgt von Garados, welches zischende Laute von sich gab. Das Ungetüm spie eine Hydropumpe nach der Anderen auf Libelldra, aber die schlanke Drachin wich mit geschickten Flugmanövern aus. „Halte durch, Libelldra!“, bat Shuu sein Pokémon inständig. „Wir haben es bald geschafft!“ Tatsächlich war es nicht mehr weit zum rettenden Ufer, doch genau bei den letzten Metern schoss Garados einen gewaltigen Hyperstrahl, der Libelldra ins Taumeln brachte und dazu gezwungen war, eine Bruchlandung zu machen. Hart auf den Boden aufkommend, suchte Libelldra mit scheußlichem Quietschen der Klauen Halt, fanden ihn auch und kam ruckartig zum Stehen. Erschrocken und leicht benommen von der unsanften Landung krabbelten Shuu und Haruka von dem Rücken des Drachenpokémons. Libelldra schien sich nicht zu regen. Besorgt stürzte der Koordinator an die Seite seines Pokémons. „Libelldra! Libelldra!“, er rüttelte am Leib des Drachens. Träge hob Libelldra den Kopf und gab beruhigende Laute von sich. Erleichtert atmete Shuu auf. Körperlich schien Libelldra keinen weiteren Schaden erlitten zu haben, außer kleinen Kratzern, die leicht heilen sollten. Keuchender Atem wich aus dem Maul der Drachin, als sie versuchte sich gegen den Boden zu stemmen um Aufzustehen. Fauchend kam Garados heran gebraust und schoss wieder einen Hyperstrahl aus seinem Maul. Libelldra wirbelte herum, baute sich vor den Menschen auf und spie einen glühenden Flammenwurf dem Hyperstrahl entgegen. Der glühende Feuerstrahl schlang sich um den mächtigen Energiestrahl. Die Attacken lieferten sich einen Machtkampf, entfernten sich aber in einer Explosion voneinander. Den dichten Rauch aber durchstieß Garados. Seine Fangzähne blitzten auf, als es Libelldra von neuem attackierte. Die Flügel des Drachens knirschten unter dem festen Biss des Garados’. Libelldra kreischte schmerzerfüllt auf. Shuu schrie. Er konnte nichts tun! „Psiana! Psychokinese!“, rief Haruka und ließ Psiana aus ihrem Pokéball frei. Der Juwel der Lichtkatze glühte rötlich auf und schleuderte Garados augenblicklich gegen eine Felswand. Sich windend griff es nun seinen nächsten Gegner an: Psiana. „Blitzkanone!“ Um Psiana leuchtete eine gelbliche Aura auf, die sich an seinem Juwel sich zu sammeln schien. Garados war blind vor Wut. So bemerkte es nicht die Gefahr, die von Psiana ausging. Die Blitzkanone hatte eine verheerende Wirkung. Jene schleuderte Garados gegen eine Felswand, die über dem Basilisken zusammenbrach. Haruka atmete auf, sah dann in Shuus Richtung. Der Grünhaarige hockte neben seinem Pokémon, welches den Kopf auf den Boden gelegt hatte und den Flügel vom Körper abspreizte. Ganz klar eine Schonhaltung, dachte Haruka alarmiert. Die Flügelmembran war zerfetzt, blutete aus unzähligen Wunden, und nicht nur das, an manchen Stellen sah man die hervorstehenden Knöchelchen. Libelldra wimmerte leise vor Schmerz. Shuu drückte das Gesicht gegen den Hals des Pokémons. Haruka stand hilflos neben ihm. Sie waren zwar heil angekommen, aber zu welchem Preis? Libelldra war schwer verletzt, es konnte weder fliegen, geschweige den Laufen, dafür war es zu entkräftet. „Shuu?“ Harukas Stimme klang zittrig. „Wir müssen Libelldra ins Pokémon Center bringen.“ Shuu hob für einen Moment den Kopf, erkannte, dass die Angst in der Stimme seiner Freundin lag. „Es braucht Hilfe und zwar dringend!“, betonte das Mädchen. Zögernd nickte Shuu. Ihm war bewusst, dass jede Minute für Libelldra die reinste Qual war. Jeder Muskel vibrierte unter der dicken Drachenhaut. „Halt durch, Libelldra“, wisperte Shuu leise seiner Drachin zu, die träge den Kopf hob, wurde dann aber ins Innere des Pokéballs gesogen. „Beeilung!“ Haruka nickte. Sie lief Shuu hinterher, gefolgt von Psiana, die ihr flink auf den Fersen war. Es war ein anstrengender Lauf, der an einer Kreuzung endete. Nördlich ging es nach Malvenfroh City. Man konnte entweder mit dem Fahrrad den Radweg entlang fahren und die sausende Luft genießen oder den Weg unter der Brücke nehmen. Nach Graphitport City, ihrem angestrebten Ziel, ging es allerdings südlich. Es war kein langer Weg mehr. Einzelne Gebäude konnte man bereits schemenhaft in der Ferne erkennen. „Und jetzt?“, presste Shuu aus zusammengekniffenen Lippen hervor. Er war kaum mehr in der Lage sich auf den Füßen zu halten. „Es gibt eine Möglichkeit“, sagte Haruka, während sie nach Luft schnappte. „Hätten wir auch vorher drauf kommen können. Mit diesen Worten warf sie einen Pokéball in die Luft, der sich klickend öffnete und eine pferdeartige Gestalt aus dem Licht löste. Auf dem Boden scharrend, schnaubte das Feuerpferd. Nun war es Haruka, die Shuu auf den Rücken ihres Pokémons zog. Unbehagen breitete sich in ihm auf, als er auf dem Rücken des Feuerpokémons saß. Haruka schnalzte mit der Zunge. Gallopa ließ sich nicht lange bitten, sondern schoss geradewegs nach vorne. Ängstlich vom Rücken des temperamentvollen Pokémons zu fallen, klammerte sich Shuu an Haruka fest. Das Mädchen beugte sich tief über Gallopas Hals und hielt sich an dessen flammende Mähne fest. Shuu dagegen hatte Mühe sich auf dem Pokémon zu halten. Für ihn stand fest, dass er niemals auf den Rücken des Pokémons mehr steigen würde! Doch trotz allem waren sie schnell am Ziel, und Shuu stieg mit wabbelnden Beinen von Gallopa herunter, gefolgt von Haruka. Sich zusammenreißend, schließlich wollte er sich keine Schwäche anmerken lassen, schritt Shuu mit schmerzenden Schenkeln ins Pokémon Center. Am Tresen wandte sich Shuu Schwester Joy zu, die den Kopf hob, als sie das Kommen der Jugendlichen bemerkte. „Schwester Joy! Könnten Sie sich um Libelldra kümmern?“ Schwester Joy belächelte freundlich. „Natürlich. Das ist doch mein Job!“ Mit diesen Worten nahm sie den Pokéball entgegen, den Shuu ihr anvertraute, und bat sie anschließend im Warteraum Platz zu nehmen. Dann verschwand sie ihm Behandlungsraum. Seufzend nahm Haruka Platz auf einem Stuhl. Shuu konnte sich nicht niedersetzen. Zu aufgewühlt war er, um Ruhe zu finden. Schon bald wurde Haruka durch sein Auf- und Abschreiten nervös. „Shuu, setz dich. Es bringt weder dir noch Libelldra etwas, wenn du dich verrückt machst!“, redete Haruka vernünftig auf ihn ein. Shuu hielt inne. Tief in Innerem gestand er, dass Haruka Recht hatte, doch die Unruhe sollte nicht weiche. Sie wuchs sogar, als Schwester Joy aus dem Operationssaal trat. Mit einem Mal sprang auch Haruka auf die Füße, wechselte einen kurzen, unsicheren Blick mit ihrem Freund. „Und?“, wollte Shuu wissen. „Wie geht es meinem Libelldra?“ Das Lächeln wich von ihren Lippen. Ihre Gesichtszüge wurden ernst. „Libelldra ist schwer verletzt. Die Membran ist vollkommen zerrissen und der rechte Flügel ist gebrochen. Zudem…“, sie machte eine kurze Pause. „Zudem?“, harkte Shuu beunruhigt nach. „Zudem ist Libelldra sehr erschöpft und braucht sicherlich eine Weile bis es sich vollends erholt hat.“ Haruka schluckte unmerklich. „Wie lange wird es ungefähr dauern?“, fragte sie vorsichtig. Abschätzend blickte sie Haruka an. „Ich möchte euch nicht anlügen, aber ich denke, ihr müsst mit fünf Wochen Erholungszeit rechnen.“ Shuu schaute Haruka an, wandte sich dann aber wieder der Pokémon Krankenschwester zu. „Können sie Libelldra in Obhut nehmen, bis sie sich wieder erholt hat?“ „Natürlich kann ich es machen“, erwiderte sie. „Libelldra wird in guten Händen sein.“ Vorwurfsvoll schaute nun Haruka ihn an. „Es geht nicht anders!“, sagte er mit dem Hauch von Traurigkeit in der Stimme. „Wir müssen Libelldra zurücklassem.“ Die Gesichtszüge des Mädchens entspannten sich einwenig und sie drehte sich dann der Krankenschwester zu. „Ich bin die Tochter des Arenaleiters von Blütenburg City“, sprach das Mädchen. „Könnten Sie Libelldra dann zu meinen Eltern nach Blütenburg bringen?“ Die Angesprochene nickte. „Ah, die Tochter von Senri und Mitsuko, die gemeinsam mit ihrem Freund das Johto Festival gewonnen hat“, sagte die junge Frau. „Keine Sorge, werde ich machen, sobald Libelldra wieder in einem guten Zustand sich befindet.“ Shuu bedankte sich bei der Krankenschwester und wollte Libelldra ein letztes Mal sehen, bevor er sich wieder mit Haruka auf dem Weg zur Fähre machen wollte. Haruka beobachtete, wie Shuu zärtlich Libelldras Hals streichelte und sich das Pokémon an seine Hand schmiegte. Der Grünhaarige flüsterte der Drachin beruhigende Worte zu und erklärte, dass es hier im Pokémon Center bleiben musste. Libelldra reckte den Kopf und beäugte Shuu aus ihren schwarzen Augen. Dann, völlig unerwartet, schleckte Libelldra Shuus Wange ab. Ein leises, trauriges Lächeln schlich sich auf Shuus Gesicht, und Haruka glaubte auf den Wangen ihres Freundes Tränen schimmern zu sehen. Oder täuschte sie sich? Der Junge drehte Libelldra den Rücken zu und verließ den Raum. „Können wir?“, sprach er zu Haruka, die zögernd nickte. „Na-Natürlich.“ Bevor Shuu endgültig das Pokémon verließen, sprachen sie ein letztes Mal mit Schwester Joy über die Details von Libelldras künftigen Aufenthalt im Center, bevor sie sich auf den Weg zur Fähre machten. Auf dem Weg dorthin schweiften Harukas Gedanken zu ihrem kleinen Bruder ab. Ob er jetzt schon auf dem Weg nach Malvenfroh City war? Und ob er gut dort angekommen würde? Es war ein anstrengender Marsch von Blütenburg City nach Malvenfroh City zu kommen um dann von dort aus nach Baumhausen City zu gelangen. Ja, aus ihrem kleinen Bruder war jetzt ein verantwortungsvoller, junger Bursche geworden, der gut auf sich selbst aufpassen konnte. Shuu war es, der sie aus ihren Gedankenstrom riss. „Heh, Haruka“, seine Stimme klang schroff und angeschlagen von der Aufregung der vergangenen Stunde. „Wir sind da.“ Den Blick auf die kleine Fähre werfend, hob Haruka den Kopf. Es war in der Tat nur eine kleine Fähre. Wenn man es überhaupt eine Fähre nennen kann, fand Haruka. Wie dem auch sei, es war ihre einigste Möglichkeit nach Shinou zu kommen, auch wenn der Kapitän dieses Gefährts angekündigt hatte, dass er noch andere Inseln ansteuern wollte um Passagiere wohlbehalten an ihre Ziele zu bringen. Nun ja, und Shinou war halt die letzte Etappe auf dieser Reise. Shuu unterhielt sich mit dem Kapitän des Kahns und erhielt die Erlaubnis auf seiner „Suijo no Samé“ zu steigen, welches übersetzt „Hai des Wassers“ bedeutete. Voller Anspannung dachte sie an das Abenteuer, was vor ihnen lang. Beim Gedanken, dass sie Hoenn bald hinter sich ließen, machte ihr Herz einen Luftsprung. „Haruka? Kommst du?“, fragte Shuu. Haruka nahm tief Luft und antwortete: „Ja, ich komme!“ Sie lachte erheitert, sprang auf ein schmales, hölzernes Brett und rutschte haarscharf auf dem glitschigen Steg aus. Doch Shuu packte ihre Hand, zog sie an sich und gab ihr einen leidenschaftlichen Kuss. „Denkst du, ich spring dir hinterher, wenn du ins Wasser fällst?“, neckte er sie provozierend „Ach ja? Wer war es denn, der unbedingt eine Lydzibeere haben wollte und dann runtergestürzt ist?“, feixte Haruka neckisch. „Und ich war es, die hinterher gesprungen ist.“ Ein verführerisches Grinsen umspielte seine Lippen, während er mit dem Zeigefinger über ihre Lippen strich. Dann standen sie in einer festen Umarmung an der Reling der Yacht, bis sich Shuu von ihr löste. Den Kopf auf seine Schulter legend, spürte sie, dass seine Arme sich um sie schlangen. Gemeinsam betrachteten sie die unendliche Weite des Horizonts. Und dort irgendwo warteten bereits neue Abenteuer und Herausforderungen auf sie! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)