Der Teufel in meinem Haus von abgemeldet (Eine Sakura-Fanfiction) ================================================================================ Kapitel 2: Ein Ninja zum Nulltarif ---------------------------------- „When you are dating a nice girl an hour seems like a second. When you sit on a red-hot cinder a second seems like an hour. That's relativity.“ - -Albert Einstein *** „Also, wohin gehen wir, Kakashi-san?“, fragte Sakura und fasste ihren ungewöhnlichen Begleiter für den Abend ins Auge. Kakashi zuckte mit den Schultern. Mit den Händen in den Hosentaschen gestopft, der hängenden Schulterpartie und dem träge dreinschauenden Auge, sah er nicht gerade glücklich aus mit der gegenwärtigen Situation. Aber, er sah auch nicht viel anders aus als sonst. Stets ein wenig gelangweilt und unterfordert. Und immer den Eindruck erweckend, dass er überall sonst sein wollte, nur nicht eben hier. Sakura gluckste. „Ich hätte vielleicht gedacht, Ihre Großmutter würde gerne in dem Restaurant essen, in dem Tsunade-sama immer die ersten Trüffel der Saison verspeist.“, schlug sie mit einem diebischen Lächeln vor. Es entlockte ihm ein müdes Gähnen. „Nur wenn du uns einlädst, Sakura. Das Gedeck kostet 80 Ryo in diesem Restaurant.“ Er sah von der Seite auf sie herab und zeigte sein schwerfälliges Lächeln. „Scheinbar bezahlt die Hokage ihre Medical Nins großzügig, aber meine Großmutter ist nur eine arme Rentnerin und ich als ANBU Kommandeur bin praktisch mittellos.“ „Hey, ihr beiden, könntet ihr bitte aufhören, so von mir zu sprechen, als wäre ich ein Haustier? Ich bin anwesend, bei vollem Verstand und kann immer noch selbst entscheiden, wo ich essen möchte, auch wenn ich Gebissträgerin bin!“, griff Granny in das Gespräch ein. „Wie wäre es mit diesem netten kleinen Restaurant dort drüben auf der anderen Straßenseite?“ Kakashi folgte ihrem Blick und was er sah, ließ ihn enttäuscht ausatmen. Er konnte bereits jetzt vorhersagen, was Sakura und Granny bestellen würden. *** Kakashi studierte die Speisekarte, während Sakura und seine Großmutter die Karte bereits zugeklappt hatten und aus dem Fenster sahen. Draußen glitzerte die späte Nachmittagssonne auf den Dächern von Konoha. „Es sollen ja schon Leute in einem Restaurant verhungert sein“, kommentierte Sakura nach einer Weile und dann an Granny gewandt: „Jetzt weiß ich auch, warum Ihr Enkel so dürr ist.“ Kakashi sah von einem zum anderen. „Ich habe das Gefühl, dass es ein Fehler ist, euch beide allein zu lassen. Vermutlich habt ihr die übelsten Klatschgeschichten über mich erzählt.“ Vage Schmunzelfältchen umrandeten sein Auge, aber in seinem Blick lag auch Neugierde. „Damit wollte ich eigentlich bis nach dem Essen warten ... falls du dich heute noch entscheiden kannst“, bemerkte Granny mit liebevollem Spott. „Vielleicht sollte ich Ihnen die Karte vorlesen, alter Mann?“, bot Sakura grinsend an. „Es ist DEFINITIV ein Fehler, euch allein zu lassen. Ihr scheint euch ja gut zu verstehen.“, beschwerte Kakashi sich. In Wirklichkeit musste er jedoch innerlich kapitulieren, da die Hokage mit ihrer Prophezeiung ins Schwarze getroffen hatte. Flüchtig bäumte sich die Frage in ihm auf, welche Folgen das wohl für Grannys vermeintliches Vorhaben haben könnte. Mit Sakura als ihre Komplizin, sollte er vielleicht doch den klitzekleinen Gedanken in Erwägung, in Otagakure um Asyl zu betteln. Aber auch nur vielleicht. Er konnte Sakura immer noch gefesselt, bewusstlos und mit einer riesigen Schleife auf dem Kopf vor Rock Lee‘s Türschwelle abliefern und wäre sicher, seine Schülerin so bald nicht mehr auf offener Straße wieder zu sehen. Lees unglaubliche Verliebtheit war sogar ihm, der-der-niemals-weiß-was-vor-sich-geht-bis-er-mit-den-Füßen-knöcheltief-durchs-Wasser-stapft-und-sich-wundert-ob-der-Wasserhahn-vielleicht-noch-an-ist-Mensch zu Ohren gekommen. Jemand hätte Kakashi schon den Kopf abreißen müssen, damit er Naruto Uzumakis jahrelange Schimpferei über Lees Ambitionen überhört haben könnte. Heiter schloss er die Speisekarte und winkte dem Kellner. „Na endlich! Ein dreifaches Hoch auf Kami-sama!“, kommentierte die vitale 81jährige. Wie Kakashi vorhergesehen hatte, bestellte Sakura die gemischte Grillplatte und Granny schloss sich ihr an. „Ich hätte gerne Sake, den Schwertfisch mit Reis und den Salatteller, bitte“, entschied er und ignorierte das synchrone Augenrollen seiner Begleiterinnen, die Vorsitzende des barbarischen Clubs ‘Du isst meinem Essen das Essen weg, auf die Knie mit dir, Vegetarier!‘ waren. Der Kellner verschwand - und raus kam das Buch. Der berühmte Copy Nin lehnte sich in seinem Stuhl zurück, schlug die Beine übereinander und schien sich mit Icha Icha Violence die Wartezeit versüßen zu wollen. „Kakashi Hatake! Pack sofort das Schmuddelbuch weg, oder ich zieh dir die Ohren lang!“ Er sah irritiert auf und schien kurz zu überlegen, ob in dem Restaurant noch ein anderer erwachsener Mann mit dem Namen Kakashi Hatake gemeint war. Er blickte seine Großmutter an, seufzte, und ließ das Buch wieder verschwinden. Sakura musste lachen. Es geschah nicht oft, dass jemand ihrem Sensei die Leviten las. Nicht oft, aber bitternötig war es allemal. „Ich hätte euch warnen sollen.“, sagte Kakashi nach einer Weile, um die Langeweile zu überbrücken. „Die Grill-Platte ist ziemlich groß.“ „Ich habe lediglich vorausschauend bestellt“, wandte Sakura ein und in Grannys Richtung erklärte sie, „Kakashi-san hat die Angewohnheit, mehr von anderer Leute Teller zu essen als von seinem eigenen - besonders, wenn sie gerade nicht hinschauen.“ ‚Oder sich im Land der Träume befinden.‘ Letzteres sagte sie nicht, sondern packte es in einem bedeutungsvollen Blick. Kakashi fing den Blick auf und erwiderte ihn mit einem unschuldigen Schulterzucken. „Nur weil ich einmal vor Jahren ein paar Oliven aus deinem Salat gegessen habe, als ein absoluter finanzieller Notstand bei ANBU herrschte…“, verteidigte er sich, „Ich konnte nur nicht zusehen, wie du in dem armen Salat herumgestochert hast, als würden ein paar Vitamine ab und zu dich umbringen. Weißt du, Granny, Sakura ist ein Medical Nin – die essen praktisch alles, es sei denn, es ist gesund.“ „Dann sollten Sie aufpassen, ich könnte eines Tages entscheiden, zum Menschenfresser zu werden“, drohte Sakura scherzhaft. „Und dich vernaschen, Kakashi-kun?“ Granny kicherte als wäre sie elf und nicht 81 Jahre alt. Ein paar lange Sekunden lang war das auch das einzige Geräusch, das am Tisch zu hören war. Kakashi hatte die Luft angehalten. Sakura schob leicht schockiert die Serviette von einer Seite zur anderen. „Granny!“ Der warnende Unterton in Kakashis Stimme war was für fortgeschrittene Kettenrassler. Seine Großmutter lächelte und genoss es wie immer zu versuchen, ihren ruhigen, selbstbewussten Enkel in Verlegenheit zu bringen. „Entschuldige, ich vergaß, du ziehst es ja vor, allein zu leben.“ „…“ „Oder hat sich während meiner Abwesenheit etwas für dich ergeben?“ Die alte Dame lächelte liebenswürdig, so als würde sie nicht gerade ganz nebenbei vor dem Abendessen Kakashis Privatleben auseinander nehmen – und das auch noch vor Sakura. Kakashi hob streng die Braue. „Themenwechsel.“ Sakuras Gesichtsausdruck schwankte zwischen Mitleid, Schadenfreude, Neugierde und Verlegenheit und endete dann bei Belustigung. „Kakashi Hatake! Mir kannst du das doch erzählen; ich bin deine Großmutter! Dieselbe, die dich davon abgehalten hat, mit diesen Pappflügeln von der Scheune zu springen, die dir beigestanden hat, als Klein-Gai dich überreden wollte, einen Chihuahua zu kaufen und die dich vor Kaori Wu aus deiner Windelgruppe gerettet hat!“ „Und dieselbe, die es schon immer liebte, mich vor der Welt zu blamieren!“, murmelte Kakashi und hoffte, dass der Kellner bald das Essen bringen würde, so dass seine Großmutter etwas anderes zu tun bekam, als ihn in Verlegenheit zu bringen. „Ich bin sicher, es gibt irgendein Gesetz in Konoha, das verbietet, Shinobi mit respektablem Ruf in der Öffentlichkeit zu verunglimpfen.“ Hilfesuchend wandte er sich an Sakura. Aber Sakura dachte nicht daran, für ihn und gegen Granny Partei zu ergreifen – Frauen hielten nun einmal zusammen. „Ich habe Tsunade-samas Bibliothek von Anfang bis Ende gelesen. Ich wüsste es, wenn es so etwas gäbe, glauben Sie mir“, versicherte sie amüsiert grinsend. „Dann muss es wohl unter den Ninja-Verhaltensregeln fallen.“, beharrte Kakashi. „Unter Paragraph 38 vermutlich: Kein Shinobi darf ohne ausreichenden Grund der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen werden.“ Er setzte eine betont leidende Miene auf. Sakura nahm ihm die Mitleidsmasche nicht ab. Dafür müsste er schon blutend auf dem Boden liegen. „Hmm, ich sehe die Grabinschrift dafür:“, philosophierte sie. „Hier ruht Kakashi Hatake. Wir gedenken seiner, weil er alle Ninjas mit Schande befleckt und im Alter von 34 Jahren von seiner eigenen Großmutter mit bloßen Worten zermürbt wurde. Er war auch der legendäre Copy Nin, aber das wurde durch die Granny-Episode null und nichtig gemacht.” „Eine Tat, die mir in vielen Teilen dieser Welt bestimmt Heiligenstatus einbringen würde“, überlegte Granny. „Zumindest würde es Ihnen eine Ehrenmitgliedschaft bei Akatsuki sichern - wenn der Gammelverein noch existieren würde.“, setzte Sakura hinterher. „Oh, danke, du bist deinem Kollegen wirklich eine große Hilfe.“, sagte Kakashi trocken. „Das muss die berühmte Loyalität der Medical Nins sein.“ „Tja, Kakashi-san, und Sie sind kein Medical Nin, es sei denn, Sie haben in den drei Wochen, in denen ich im Land der Gräser war, die Branche gewechselt.“ „Kami-sama bewahre, EIN Holzkopf von Team 7 bei den Medical Nins ist mehr als genug“, entgegnete Kakashi steif. „jedenfalls sollte man eine großmütterliche Schweigepflicht einführen.“ Sakura dachte zwei Sekunden ernsthaft darüber nach, ehe sie antwortete: „Ich sehe schwarz für dieses Gesetz, Kakashi-san. Nicht, solange die Hokage selbst im großmütterlichen Alter ist.“ „Dann erinnere mich bitte daran, dass ich Granny‘s Gepäck durchsuche, bevor ich ihr das Hauptquartier zeige - ich möchte nicht, dass nachher irgendwelche peinlichen Kinderphotos von mir in Umlauf sind.“, meinte Kakashi gequält. „Die werde ich Sakura-chan dann schon per Post zuschicken,“, entgegnete Granny lächelnd und erhob sich, „Ihr entschuldigt mich… diese Senioren haben auf der Fähre die ganze Zeit über die Toilette belegt.“ Sie sagte es, als wäre sie selbst noch längst nicht alt genug, um zu den Senioren gerechnet zu werden. Kakashi sah ihr mit unleserlicher Miene nach. Derselbe Blick blieb dann auf Sakura ruhen, als Granny hinter der Tür zu den Toilettenräumen verschwand. „Was ist?“, fragte Sakura lächelnd. „Nichts weiter. Ich schwelge gerade in Erinnerungen.“ „Ah, die gute alte Zeit mit Kaori Wu aus der Windelgruppe?“, neckte Sakura. „Nah, ich versuche mich daran zu erinnern, wie schön es war, als du noch respektvoll zu mir aufgesehen hast.“ „Kakashi-san! Ich sehe immer noch zu Ihnen auf!“, sie kicherte, „Sie sind ja auch ein ganzes Stück größer als ich.“ Er blickte fassungslos drein. „Und das aus deinem Mund, Sakura. Ich bin tief getroffen. Dabei warst du immer meine Lieblingsschülerin gewesen.“ Sakura zog eine schmollende Grimasse. „Ich wette, das sagen Sie zu all Ihren Schülern.“ „In der Tat, das tue ich“, gab Kakashi zu. „Das ist eine ausgezeichnete Motivation. Aber bei dir habe ich es auch gemeint.“ Sakura wurde leicht rot. „Wirklich?“, fragte sie zögernd und hoffte, dass er nicht wieder scherzte. Kakashi hatte zuweilen eine seltsame Art von Humor. “Wie kommt das?“ „Du bist klüger, reifer, lernst schnell… du bist nicht durchgebrannt mit einem kriminellen oder perversen Kerl. Ich musste mich weniger um dich sorgen.“ Die Maske zeichnete die Konturen seines Lächelns nach. „Außerdem lässt du immer die grünen Dropse aus der Wundertüte liegen, was einfach phantastisch ist, weil ich die grünen Dropse liebe. Normalerweise muss ich Sasuke und Naruto knebeln und fesseln und fürchterliche Schmerzen androhen, ehe ich an die grünen Dropse komme, aber du lässt sie einfach liegen.“ „Ja klar, als ob ich jemals freiwillig Bonbons mit Ginkgo-Geschmack in den Mund stecken würde.“ Sie schüttelte sich angewidert. „Wissen Sie, Kakashi-san“, fuhr sie fort mit einem seichten Lächeln. „Ich habe das vermisst, mit Ihnen zusammen zu sein.“ Kakashi blinzelte. „Hm?“ „Sie sollten diesen Mittwochabend unbedingt bei Ichiraku-san vorbeischauen. Sasuke und Naruto würden sich bestimmt freuen. Der alten Zeiten Willen.“ „Vielleicht sollte ich das… vielleicht sollte ich auch meine Sockenschublade aufräumen.“ Was soviel hieß wie ‘vielleicht, aber wohl eher nicht‘. Sakura seufzte. Bei Kakashi konnte man nie sagen, ob er sich vor etwas drückte, oder er tatsächlich das dringende Bedürfnis hatte, seine Socken zu sortieren. Sie ließ es darauf beruhen. Wie immer. „Sie haben wirklich eine ganz reizende Großmutter, Kakashi-san.“ Er stieß einen Seufzer aus. „Sie mag ja reizend zu dir sein, aber nicht zu ihrem eigenen Fleisch und Blut… .“ „Ich bedaure Sie nach dem Essen, okay?“, meinte Sakura frech. „Sicher doch, ohne Essen ist Team 7 nicht mal in der Lage, sich die Schuhe zuzubinden.“, kommentierte Kakashi trocken. Granny verließ gerade die Damentoilette und ging in Richtung ihres Tisches. Prompt wurde sie mit einem Anblick belohnt, der ihr ein Lächeln abrang, das Außenstehende für leicht irre hielten, in der Hatake-Familie aber ein berüchtigtes Symptom war - das Symptom eines Bluthundes, der soeben Lunte gerochen hat. Kakashi und Sakura saßen einander gegenüber, redend, und was immer ihr Enkel von sich gab, es ließ Sakura lächeln und gleichzeitig die Fäuste ballen, als wolle sie ihm den heißen Inhalt des Sakekruges über den Kopf ausschütten. Tat sie aber nicht. Granny fand, das war ein gutes Zeichen. Sie selbst wollte Kakashi öfter gerne mal vors Schienbein treten. Als Granny sich näherte, kickte Kakashi ihren Stuhl lässig mit dem Fuß zurück, bot ihn ihr an. Lächelnd nahm Granny Platz. Manchmal war er seinem Vater und Großvater so ähnlich, dass es ihr den Atem raubte. „Na, Sakura-chan, hat Ihnen mein Enkel während meiner Abwesenheit den letzten Nerv geraubt?“ Amüsiert sah sie zwischen den beiden Ninjas hin und her und kniff ohne Vorwarnung Kakashi liebevoll in die Wange und ließ ihn mit einem preislosen Gesichtsausdruck zurück. Sakura brach - sehr zu Kakashis Missfallen, in schallendes Gelächter aus, das die Aufmerksamkeit der anderen Tische auf sie zog. Kakashi seufzte. Die einzige vernünftige Handelungsweise in dieser Situation war, von seinem Stuhl zu gleiten und unter dem Tisch zu winseln. Natürlich winselte ein Ninja nicht, aber er dachte, mit einem kleinen männlichen Gurgeln käme er vielleicht durch. Sakura hielt sich die zuckenden Bauchmuskeln. Sie hatte nie zuvor gesehen, dass jemand den 1,82m großen Copy Nin und jetzigen ANBU Kommandeur wie einen ungezogenen Jungen behandelte. Granny kniff Kakashi noch ein zweites Mal in die Wange. „Ich kenne doch meinen Enkel. Schon seine Kindergärtnerin wollte ihn regelmäßig an den Gartenzaun des Horts fest ketten und Tennissocken in seine freche Klappe stopfen, weil er sie wahnsinnig machte.“ „Es ist nicht meine Schuld, dass Mina-san so ein schwaches Nervengerüst hatte“, verteidigte sich der Copy Nin. „Schwaches Nervengerüst? Sie war der Grund, weshalb wir dich schon mit drei Jahren an der Ninja Akademie angemeldet haben. Keine andere Vorschule wollte dich mehr aufnehmen!“ Sakura prustete in ihr Wasserglas. „Wer hätte das gedacht, der Copy Nin verdankt seine glänzende Karriere einer hilflosen Kindergärtnerin.“ Glücklicherweise brachte der Kellner das Essen und rettete Kakashi vor weiteren peinlichen Anekdoten aus seiner Kindheit. Sakura stürzte sich auf ihr gebratenes Hähnchen und wunderte sich heimlich über Kakashis Familie. Reizende alte Omas kamen immer zu Geburtstagen und Neujahrsfesten zu Besuch. Sakura hatte Granny jedoch nie vorher kennen gelernt, geschweige denn, sie in Konoha gesehen. All die Jahre nicht. Sicher, der Weg nach Konoha war beschwerlich und nicht einfach für eine betagte Frau, weshalb Sakura zu einer Schlussfolgerung kam: „Gibt es einen besondern Anlass, weshalb Sie nach Konoha gekommen sind?“ „Du meinst, mich zu sehen, ist nicht besonders genug?“ Sakura zupfte ein Hähnchenflügel auseinander und streckte ihrem alten Sensei die Zunge raus. „Weiß nicht, wir können ja mal Mina-san fragen… .“ Die alte Dame ignorierte diesen Einwurf. Eiskalt, ohne mit der Wimper zu zucken und nebenbei mit der Gabel ein kleines Wachtelherz aufspießend, sagte sie: „Natürlich gibt es einen besondern Grund: ich bin zu Kakashi-kuns Hochzeit angereist.“ Die Hälfe des Hähnchenflügels flutschte Sakura aus der Hand und haute den kahlköpfigen Mann an der Bar vom Stuhl. Kakashi verschluckte sich an seinem Sake. Sakura war so freundlich, ihm auf den Rücken zu klopfen. „Wow, das sind ja mal Neuigkeiten“, ließ sie mit angestrengt ruhiger Mimik verlauten. Das Klopfen wurde allmählich zu harten Schlägen. „Und Sie treulose Tomate halten es nicht einmal für nötig, uns davon zu erzählen.“ Zu den Schlägen kamen sanfte Chakraentladungen hinzu und Kakashi fürchtete, er würde auf dem Rücken Morgen in allen Farben schimmern. Also fing er die prügelnde Hand im Flug auf, bevor er demnächst noch Invalidenrente beantragen musste. „Sakura, ich habe nicht vor, zu heiraten. Zumal mir dazu das entscheidende Equipment fehlt: eine Frau.“ Sakura hielt inne. Granny zerhackte seelenruhig mit ihrem Messer ein Steak. „Och, deshalb bin ich ja hier. Ich werde dir eine Frau besorgen und dann wird geheiratet.“ Zu sagen, dass Sakura leicht verwirrt war, war die Untertreibung des Jahres. Sie blickte Kakashi an, versuchte sich ihn als Haus- und Ehemann vorzustellen und fing an, amüsiert zu zucken. Dabei entging ihr glatt der viel sagende Blick, den Granny ihr zuwarf. „Was ist mit Ihnen, meine Liebe?“, fragte die alte Dame kokett. „Die Eintritteskarte zu dem Haus und Ihren vier Wunschkindern sitzt an diesem Tisch. Ich versteigere den Prachtburschen zum Nulltarif, und mich gibt’s als kostenlosen Babysitter noch obendrauf. Wie wär‘s? Haben Sie Interesse an dem Posten meiner zukünftigen Schwiegertochter?“ *** „Wie wär‘s? Haben Sie Interesse an dem Posten meiner zukünftigen Schwiegertochter?“ Sakura fror ein. Kakashi blinzelte sehr langsam. Wahrscheinlich ebenso langsam wie sein Bewusstsein brauchte, um die Frage zu verarbeiten. Granny liebte es zu schockieren. Natürlich liebte sie auch Hochzeiten, Kreuzworträtsel und Zitronenkucken, aber Leute aus ihren Socken kippen zu lassen, war ihr heimliches Lieblingshobby. Warum auch lange um den heißen Brei herumreden? Lieber gleich reinhauen, und belustigt zusehen, wie ihre ‘Opfer‘ verlegen nach Antworten suchten, stotterten, Servietten zerknüllten und sich sehnlichst wünschten, der Boden möge sich unter ihren Füßen auftun und sie verschlingen. Zumindest hatte Granny das erwartet, nachdem sie Sakura ihren Enkel angepriesen hatte, als wäre er der beste Fang des Tages auf einem müffelnden Fischmarkt. Es war zunächst erschreckend ruhig am Tisch. Kein Wörtchen wurde gesprochen und Granny ließ von ihrem Steak los, zersäbelte selig ein anderes Stückchen Fleisch auf ihrer Grillplatte und schob es zu der betäubten Sakura hinüber. „Hier, meine Liebe, Rinderhoden. Das Beste vom Besten. Soll besonders gut für die Fruchtbarkeit sein.“ Um dem Ganzen noch ein Krönchen aufzusetzen, balancierte sie die andere Hälfte auf Kakashis Teller. Und dann explodierte die Bombe. Allerdings auf eine Weise, mit der Granny ganz sicher nicht gerechnet hatte. Die beiden kugelten plötzlich brüllend von den Stühlen, zeigten abwechselnd mit den Fingern auf sich, verstummten kurz, um sich dann wieder aufs Neue laut loszulachen. Kakashi haute mit der Hand auf dem Tisch, legte den Kopf in den Nacken, und ließ dem vibrierenden Gelächter in seiner Kehle freien Lauf. Sakura, leicht rot ums Näschen, ließ den Kopf auf die Tischkante fallen, mit der Stirn voran, zuckte wie ein Epileptiker, kicherte, ruckte wieder hoch mit ein bisschen Ketchup in den rosa Haaren verteilt und schüttelte sich aufs Heftigste aus. Die alte Dame legte leicht pikiert ihr Besteck beiseite. „Ich denke, ich habe es begriffen.“ Nicht, dass das den kollektiven Lachanfall irgendwie beruhigte. Kakashi lehnte sich schmunzelnd vor. „Granny, der Gedanke ist so absurd… Sakura war meine Schülerin. Hast du ernsthaft in Betracht gezogen, mich mit meiner eigenen Schülerin zu verkuppeln? Ich meine, wie alt bist du, Sakura? 16? 17? Sakuras Lachen verstummte dann schneller wie ein Hummer im Delikatessengeschäft. „Ich bin 22!“, protestierte sie. Kakashi blinzelte. „Huh… wirklich?“ Sie verschränkte herausfordernd die Arme vor der Brust. „Ja, wirklich! Sie schulden mir übrigens noch zehn Geburtstagsglückwünsche!“ Er sah sie leicht bedröppelt an und setzte zu seiner Antwort an - als sein Auge sich plötzlich mit Schrecken weitete und er mit dem Finger auf etwas zeigte, das hinter ihr war. „Orochimaru!“ „Wo?!“ Sakura sprang auf, duckte sich, zog ein Kunai, während sie sich gleichzeitig umdrehte und nach Orochimaru suchte. Hinter ihr war jedoch nur ein einsamer Garderobenständer. „Was zum-?“ Als sie sich umdrehte, zog Kakashi gerade wieder die Maske über sein Gesicht, mit vollen kauenden Backen. Der Teller vor ihm war jetzt leer. „Das war wirklich eine ausgezeichnete Mahlzeit“, schmatzte er und rieb sich den Bauch. „Das war wirklich… ein unglaublich billiger Trick, Kakashi-san!“ So unglaublich billig, und dennoch ausreichend, einen Jounin an der Nase herumzuführen. Er zuckte mit den Schultern. „Ein Ninja muss tun, was nötig ist, um zu gewinnen.“ „Sie sind UNMÖGLICH!“ Unmöglich Kakashi‘sch. „Kinder, Kinder… , hört auf zu streiten.“, schaltete sich Granny beruhigend ein. „Wie wär‘s mit einem Dessert?“ ‚Wie wär‘s mit Kakashis Kopf auf einem Teller?‘, grummelte Sakura innerlich. Doch dann kam der Kellner angerauscht, einen kleinen Wagen vor sich herschiebend, auf dem viele kleine Puddingtürmchen, Schokokreationen, Sahnehäubchen und Fruchtsorbets sich den engen Platz teilten mit wirklich entzückend aussehenden Tortenstückchen. Vergessen war der Ärger, raus kam die Begeisterung. Sakura klatschte mit den Händen. „Nein, wie bezaubernd! Seht euch nur diese kleinen Leckerbissen an! Da weiß man gar nicht, wo man anfangen soll.“ Kakashi schmunzelte. Sakura, wie sie leibt und lebte. Für ein bisschen Süßkram würde sie glatt ihren letzten Kunai auf dem Flohmarkt verschachern. „Kann ich bitte die Schokoladenmousse haben?“, fragte Sakura den Ober mit funkelnden Augen, vorgeschobener Unterlippe und einem betörenden Wimpernaufschlag. Er hätte ein Eunuch sein müssen, um ihre Bitte abzulehnen, und der Geschwindigkeit nach zu urteilen, mit der er unterschiedlich große Schälchen mit der braunen Mousse vor ihr aufreihte, war er sich durchaus des Testosterons in seinem Körper bewusst - auch wenn in der lächerlichen Uniform eines Pinguins gequetscht war. „Sie können wählen, junge Dame. Kleines Tellerchen, mittleres Tellerchen, oder das große Tellerchen für große Genießerchen.“ Kakashi starrte ihn seltsam an. Sogar Granny legte den Kopf leicht schräg, um einen besseren Blick auf den Mann zu werfen, der so sorglos mit dem östrogengeschwängerten Wort ‚Tellerchen‘ um sich warf. „Hm“, Sakura legte nachdenklich den Zeigefinger auf ihre Lippen. „Sie sind alle nicht besonders groß.“ Kakashi beschloss auszuhelfen: „Haben Sie in der Küche nicht irgendwo noch ein Goldfischgläschen rumzuliegen?“ Die Gabel, die auf seine Hand zielte, verfehlte ihn nur um wenige Millimeter. Sakura brauste ihn an: „Was zur Hölle soll das schon wieder bedeuten!?“ *** Trotz diverser mieser Verkupplungsversuche und Gabelattacken wurde der Abend dennoch ganz nett - und auf eine verquere Art und Weise sogar recht vertraut. Zumindest konnte Sakura sich nicht daran erinnern, jemals mit Kakashi an einem Tisch zusammen gesessen zu haben, ohne nicht dabei über Lagesondierungen, Missionsplanungen oder schlicht und einfach über Trainingsfortschritte gesprochen zu haben. Schließlich winkte Kakashi dem Kellner und bat um die Rechnung. Als sie gemeinsam zu Tür gingen, öffnete diese sich gerade und zwei grauhaarige Männer traten ein, sich heftig über den Ausgang eines Kartenspiels streitend. Sakura und Granny sahen sich an und lachten, während Kakashi sich die Koffer der alten Dame aufbürdete. „Kommen Sie noch mit auf eine Tasse Tee, Sakura-chan?“, fragte Granny, als sie ihren Nachhauseweg einschlugen. Sakura sah unschlüssig nach vorn und starrte auf den Rücken von Kakashi, der mit den Koffern der alten Dame voran lief. Sie zögerte. Vor allem deshalb, weil sie noch nie in Kakashis Wohnung gewesen war, und sie nicht wusste, ob sie damit eine unsichtbare Grenze überschritt. Aus diesem Grunde beeilte sie sich zu sagen: „Nein danke, ich kann nicht. Ich muss jetzt wirklich nach Hause.“ Die alte Dame grinste. „Ach, richtig: zu Ihrem Mann und den vier Kindern.“ Sakura lachte, während Kakashi einen Blick über die Schulter warf und zwischen den beiden Frauen hin und her sah. „Sollte ich da was verpasst haben, Sakura?“, fragte er neugierig. „Du hast vier Kinder und ich bin bei keinem Patenonkel geworden?“ Granny lächelte vor sich hin. Patenonkel war nicht unbedingt die Rolle, die sie ihm zugedacht hatte, aber natürlich hütete sie sich, das laut zu sagen. „Tz, ich habe gesehen, wie Sie Asuma Junior verwöhnen und das soll bei meinen vier Kleinen nicht passieren.“, wandte Sakura ein. Kakashis Augenbraue schoss zweifelnd in die Höhe. „Ach, und wer hat Asuma junior zu seinem Geburtstag mit Geschenken überhäuft, hm? Und wer musste den Transport übernehmen, weil dieser riesige Bär nicht auf deinem Fahrrad gepasst hat?“, fragte er triumphierend. „Und wer hat ihm dieses ferngesteuerte Auto gekauft, für das Asuma junior noch viel zu klein ist?“, konterte Sakura. „Asuma junior vielleicht, aber Gai Senior schien ziemlich begeistert davon zu sein.“ Er sah ihr ins Gesicht. „Was ist mit dem Tee? Ich habe sogar heiße Schokolade zuhause. Meinetwegen mit soviel Zucker, dass du im Koma landest.“ Sakura schüttelte fast bedauernd den Kopf. „Könnte mich fast überzeugen, aber ich muss morgen Früh der Hokage Bericht erstatten.“ „In Ordnung, dann bringen wir Sie jetzt nach Hause“, meinte Granny. „Nur keine Umstände, ich kann auch gut allein nach Hause laufen. Gute Nacht und vielen Dank für die Einladung. Wir sehen uns dann Morgen vielleicht. Oder nehmen Sie sich ein paar Tage frei?“ Sie sah ihren ehemaligen Sensei fragend an. „Sagen wir‘s mal so: Ich stehe in Verhandlungen mit der Hokage“ „Sie meinen, Sie nerven die Hokage so lange, bis sie nachgibt?“, vermutete Sakura schelmisch. Sie wussten beide, dass man mit der Hokage nicht so einfach über etwas ‚verhandelte‘. „Nein, würde mir nie einfallen“, behauptete Kakashi, „das ist eine Medical Nin-Technik.“ „Haha, guter Witz! Glauben Sie, ich würde Morgen zum Dienst antreten, wenn das eine Technik von uns Medical Nins wäre?“ „Hm, eine Technik muss natürlich auch richtig angewandt werden, damit sie erfolgreich ist. Das kann eben nicht jeder.“ Das forderte Sakuras Medical Nin - Stolz heraus. Sie verschränkte die Arme und sah Kakashi herausfordernd an. „Wetten, dass ich es vor Ihnen schaffe, einen Tag frei zu bekommen?“ „Wette angenommen“, stimmte Kakashi zu und drehte sich um, um Sakura die Hand zu schütteln, so wie er es viele Male mit Gai getan hatte, bevor seine Wetten ziemlich abgefahren wurden. „Und was gewinne ich?“, erkundigte sie Sakura mit einem siegessicheren Medical Nin - Lächeln. „Wenn ich gewinne - und das werde ich - dann isst du einen Monat lang nur Gemüse, Früchte, GESUNDE Nahrung. Schweinerückensteaks und Donuts sind gestrichen.“ Kakashis Auge kringelte sich. „Oh, das ist hart. Aber einverstanden, Sie werden ohnehin nicht gewinnen. Denn wenn ich gewinne, werden Sie einen Monat lang jeden Morgen in einem T-Shirt MEINER Wahl joggen gehen.“ Jetzt grinste Sakura. „Autsch. Das ist gut. Darauf hätte ich kommen müssen.“ *** „Ich hoffe, sie gewinnt“, sagte Granny, sobald Kakashi seine Wohnungstür aufgeschlossen hatte. „Hey, wo bleibt deine Loyalität zu ANBU und deinem Enkel?“, wollte Kakashi wissen. „Ich bin absolut loyal dir gegenüber. Du solltest aber eines bedenken: Wenn Sakura-chan die Wette gewinnt, muss sie einen Monat lang jeden Tag mit dir joggen, um sicherzugehen, dass du das T-Shirt auch wirklich trägst.“ Kakashi fuhr sich mit der Hand durchs unordentliche Haar. „Granny, das wollte ich dir schon den ganzen Abend sagen: Sakura und ich sind Schüler und Lehrer - “ „Waren.“ „- und haben nicht im Entferntesten romantische Absichten.“ „Noch nicht.“ „Weil das so wäre, als würde ich mit meiner kleinen Schwester ein Verhältnis anfangen. Granny. Ich bin mir sicher, dass du dich mit Sakura blendend verstehst. Ihr zwei seid aus einem Holz geschnitzt. Verständlich, dass du sie für ein tolles Mädchen zum Heiraten hältst. Was ich auch gar nicht abstreiten will.“ Granny strahlte ihn hoffnungsvoll an. „Nur eben nicht für mich.“ „Was nicht ist, kann ja noch werden.“, meinte Granny unbeeindruckt. Kakashi stöhnte. Was er auch sagte oder tat, seine Großmutter ließ sich nicht von ihrer Idee abbringen. Dann könnte er gleich versuchen, einen Tyrannosaurus rex von Vegetarierkost zu überzeugen. Seine Erfolgschancen stünden wesentlich besser. Granny zuckte unbeirrt die Schultern. „Weißt du, wenn ich es nicht schon gewusst hätte, dann wäre ich spätestens jetzt überzeugt davon, dass du ein wahrer Hatake bist, Kakashi-kun. Auf deinen Vater musste ich acht Wochen lang einreden, bevor er sich endlich getraut hat, Akemi einen Heiratsantrag zu machen und wenn ich darauf gewartet hätte, dass dein Großvater den ersten Schritt macht, dann würdest du heute mit Sicherheit nicht existieren.“ „Ich bin dir auch äußerst dankbar für meine Existenz, aber Sakura Haruno ist ein Spielfeld, das ich nie betreten werde.“, betonte Kakashi. „Ich glaube nicht, dass meine Urenkel dir da zustimmen würden.“ Kakashi hob eine Augenbraue: „Granny, du hast überhaupt keine Urenkel.“ Auch dieser Einwand beeindruckte seine Großmutter wenig. „Eben“, murmelte sie lächelnd. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)