Der Teufel in meinem Haus von abgemeldet (Eine Sakura-Fanfiction) ================================================================================ Prolog: Sandmänner und Kühlschrank-Affären ------------------------------------------ „It's kind of fun to do the impossible.“ -- Walt Disney *** Er war nicht der schlechteste Lehrer auf Erden. Jedenfalls nicht solange Gai noch atmete. Doch als Kakashi Hatake die Kühlschranktür von Naruto Uzumaki mit einem leisem Plopp öffnete, verdammte er sich dafür, versäumt zu haben, seine Schüler in die Grundkenntnisse der gesunden Ernährung einzuweihen. Die Fehler der Vergangenheit holten ihn nun ein und sein Auge begutachtete skeptisch die Lebensmittel, die ‘lebendig‘ genug aussahen, um eine intelligente Unterhaltung mit ihm führen zu können. Kakashi seufzte und fuhr sich ratlos mit der Hand übers maskierte Kinn. Es war drei Uhr in der Frühe. Sein eigener Kühlschrank glich einem Endlager für Biomüll, nachdem er längere Zeit in Sunagakure gewesen war. Die Märkte würden erst in wenigen Stunden öffnen und doch hinderte es Kakashis Magen nicht daran, sich nach etwas Genießbaren zu verzehren. Aber wozu hatte er Schüler, wenn nicht dafür, dass sie ihren hungerleidenden Sensei in Zeiten der Not fütterten? Mit oder ohne ihr Wissen. Er hätte natürlich auch bei Gai klingeln und um die Reste vom Abendessen betteln können - aber ehrlich, wer wollte schon freiwillig riskieren, den Verfechter von Spandex-Höschen in seinem Nachtgewand zu überraschen? Nein, Kakashi war hungrig, aber nicht hungrig genug, um völlige Erblindung und lebenslange Therapie in Kauf zu nehmen. Er hatte mit dem Gedanken gespielt, sich bei Iruka einzuschleichen und dessen Kühlschrank heimlich zu plündern. Aber Iruka war die treue Seele von Konoha. Ihm sein Essen wegzunehmen, war, als würde man kleine Enten in den Teich schubsen. Dann doch schon eher Sasukes Kühlschrank - auf die Gefahr hin, dass Kakashi tatsächlich erblindete, denn der einzige Weg in die Küche des Uchiha-Erben war das Mangekyo Sharingan; und sich wegen ein bisschen Feinkost gegenseitig über den Jordan zu schicken, nein, das konnte er auch einfacher haben. Mit Sakuras Kühlschrank zum Beispiel. Er hatte sich in der Vergangenheit unzählige Male an dem reichlich mit gesunden Lebensmitteln bestückten Kühlschrank der Harunos bedient. Bis zu jener denkwürdigen Nacht, in der Sakuras Mutter mit Morgenmantel, Lockenwickler und obligatorischer Gurkenmaske in die Küche gewankt kam, den Copy Nin über ihre Salatschüssel gebeugt vorfand - und den wohl lautesten, jemals gemessenen Schrei in Konoha ausstieß. Auch wenn die Mutter bis heute beinhart schwor, ein unglaublich attraktiver Kobold hätte sich über ihr Essen hergemacht, so hegte Sakura Haruno zumindest einen kleinen Verdacht über seine nächtlichen Diebstahlaktionen. Sie warf ihm noch heute, Jahre nach diesem Vorfall, seltsame Blicke zu, wann immer er seine Finger nach einem Salatblatt ausstreckte. Zu dumm, dass Sakura nicht mehr bei ihren Eltern wohnte. Kakashi war, wie viele Ninjas auch, überzeugter Vegetarier. Sakura war, nach Tsunades ewiger Gehirnwäsche, zu einer Fleischliebhaberin mutiert. Eine Tatsache, die Kakashi Tränen in die Augen getrieben hatte, als er heimlich vor ihrem Kühlschrank stand und nichts weiter darin fand als Stärke, totes Tier und Ketchup. Und genügend Süßigkeiten, um ganz Konoha unter einer dicken Zuckerschicht verschwinden zu lassen. Ein Jammer, dass der Copy Nin nun auf das angewiesen war, was Naruto Uzumaki in seiner spärlichen Küchennische aufbewahrte. “Mmh, was haben wir denn hier…“ Kakashi stand unschlüssig davor, die eine Hand tief in der Hosentasche vergraben, die andere schob den Inhalt des Kühlschrankes inspizierend hin und her. Sie beschrieb einen großen Bogen um etwas, das einer Explosion auf einem Teller ähnelte und zögerte vor einer klebrigen Sprühdose Schlagsahne neben einer halbleeren Sakeflasche. Kakashi stutzte. Er warf einen misstrauischen Blick über die Schulter auf die unwissende Gestalt im Bett. Naruto Uzumaki grunzte im Schlaf. Der junge Mann war mittlerweile zu groß für sein Bett und die langen Beine, die in einer Pyjamahose steckten, aus der er herausgewachsen war, baumelten über den Rand der Matratze. Hingebungsvoll umarmte Naruto sein Kissen, als wäre es Konohas Sexbombe Nummer eins. Und auf dem Nachtschrank lag eine Ausgabe von ‘Kunoichi’s Secrets’ - ein Reizwäschekatalog. Kakashi seufzte schwer. “Kinder heutzutage werden so schnell erwachsen.“, sinnierte er flüchtig, ehe er mit unerschütterlichem Gleichmut seinen nächtlichen Beutezug fortsetzte. Wer war er schon, dass er sich ein Urteil erlauben konnte? Es überraschte ihn nur hin und wieder, wenn er zufällig über die unvermeidlichen Beweise der voranschreitenden Zeit stolperte. Naruto hatte jetzt eine feste Freundin. Sasuke hatte keine Freundin, aber die Wege der Sharinganträger hatten sich vor einigen Monaten in Konohas Vergnügungsviertel gekreuzt. Kakashi und Sasuke hatten sogar die Nerven bewiesen, sich zusammen an die Bar zu setzen und über Sasukes Trainingsfortschritte zu philosophieren, ehe sie dann, jeder mit einer Frau am Arm, in die Hinterzimmer verschwunden waren. Man konnte wohl nichts anderes erwarten von jemanden, der erst bei dem Copy Nin und dann bei Orochimaru in die Lehre gegangen war, genauso wenig wie man Naruto sein Verhalten ankreiden konnte, wo er doch von Konohas größtem Perversling quasi vom Fleck weg adoptiert worden war. Zum Glück gab es ja noch Sakura, die die Ehre von Team 7 hochhielt. Die kleine, unschuldige Sakura. Keine Skandale, keine Gerüchte, nichts Verwerfliches. Sollte Kakashi jemals das Zeitliche segnen und er müsste am Tor zum Himmel anklopfen, dann wäre das Mädchen seine Eintrittskarte. Er hatte im Leben eine Menge Fehler begangen, aber sie zu Tsunade gehen zu lassen, war definitiv eine seiner wenigen lobenswerten Entscheidungen. Kakashi langte nach einem Glas sonnengetrockneter und in Olivenöl eingelegter Tomaten. Er schaute nach dem Haltbarkeitsdatum und vergewisserte sich, dass das Glas nicht vom Vormieter aus Versehen vergessen worden war. Dann fischte er aus dem Brotkorb ein Baguette. Sein Blick blieb anschließend auf dem schnarchenden, von seinem Besucher ahnungslosen Naruto haften. Ein schöner Ninja war er, der er sich im wahrsten Sinne des Wortes die Butter vom Brot stehlen ließ. Kami-sama stehe Konoha bei, sollte er jemals Hokage und somit Hüter der Geheimnisse des Dorfes werden, denn Naruto hatte die Auffassungsgabe eines Hamsters. Eines Hamsters, der in ein paar Stunden Nudelsuppe schlürfen und sich dabei wundern würde, woher der ganze Kies in seinem Zimmer kam. Kakashi hatte seit Wochen keinen Wasserstrahl mehr abbekommen und er trug soviel Sunadreck mit sich herum, dass sogar das Sandmännchen die Nase mit Abscheu über ihn rümpfen würde. Leises, gedämpftes Lachen ertönte im Raum, ehe Kakashi Hatake mit einem Plopp verschwand. *** Etliche Stunden und einen ausführlichen Besuch im Badehaus später, erschien Kakashi mit einer Rauchwolke aus dem Nichts vor der Bürotür der Hokage zu seinem üblichen Antrittsbesuch- und bescherte damit den beiden ANBU-Wächtern den Schock ihres Lebens. Binnen eines Wimpernschlages hatten sie Kunais gezückt, um den Eindringling unter Einsatz ihres Lebens zurückzuschlagen. Die Kunais in den Händen sanken, als sie erkannten, wer vor ihnen stand. “Verdammt, Hatake! Kannst du nicht wie jeder normale Mensch die Vordertür benutzen?!”, knurrte einer der beiden maskierten Wächter. Kakashis Auge kringelte sich leicht erheitert. “Wer auch immer behauptet hat, ich wäre normal.” “Scheiße man, du und deine verdammte Jutsu-Freak-Show können einem echt auf den Sack gehen. Ich hab mir beinahe in die Hose geschissen.” Der Mann mit der hölzernen Kaninchenmaske knurrte weiter und steckte sein Kunai in den Halfter zurück. Sein Name war Isamu Goro und er war nicht nur ein Kollege von Kakashi, sondern auch ein langjähriger Kneipenkumpel. Ihm gegenüber, auf der anderen Seite der Tür, stand ein junger ANBU mit einer Falkenmaske. Er kannte Kakashi nicht von den abendlichen Frustbesäufnissen, sondern nur von den unzähligen Legenden, die um den berühmten Copy Nin kursierten. Aus diesem Grunde schien er trotz Maske sichtlich eingeschüchtert. “S-sir, Sie sollten nicht in diesem T-ton mit Hatake-sama sprechen!” Außerdem schien er gerade eben dem Stimmbruch entschlüpft zu sein. Kakashi blickte ihn abschätzend an. “Wie alt bist du, Junge?” “Nicht alt genug, um mit dir einen trinken zu gehen … wenn es das ist, was du meinst.”, antwortete Isamu für ihn. Sogar unter der Maske konnte Kakashi das breite Grinsen seines erfahrenen Kollegen sehen. “Nah, vergiss es - ich werde in ein paar Jahren noch mal fragen.” Dass hieß natürlich, wenn der Junge bis dahin noch am Leben war, wie Kakashi bitter dachte. Er trat auf die große Holztür zu. “Ich nehme an, die Hokage ist im Büro?” “Ja. War’n ruhiger Tag bisher”, informierte Isamu ihn und klopfte an der Holztür an, bevor er sie gänzlich öffnete. Als Kakashi den Wächter passierte, lehnte der sich vor. “Tu mir ‘n Gefallen und piss sie nicht wieder an!” Kakashi schenkte ihm ein harmloses Lächeln. Vergebens. Einem Ninja mit der tödlichen Effizienz eines Sezierskalpells kaufte man die Unschuldsnummer nicht ab. Deshalb legte Kakashi nach: “Ich komme gerade von einer zweimonatigen Suna Wüstenmission. Keine Sorge, ich habe nicht vor, ihr einen Grund zu geben, noch einmal drei Monate hinten dran zu hängen.” Isamus massig muskulöser Körper schüttelte sich. “Ach, Scheiße, Suna. Is ’ne verdammte Sandburg um die Zeit. Möchte ich jetzt auch nich’ sein. Die armen Scheißhunde dort tun mir leid.” Der ANBU traf mit seiner Aussage den Nagel auf den Kopf. Sunagakure war um diese Jahreszeit der ungemütlichste Ort auf Erden, wo man sich nur aufhalten konnte. Die herbstlichen Sandstürme machten jeden Schritt in freier Natur zur Qual. Der Sand kroch in alle Körperritzen. Stundenlang war man am Tag damit beschäftigt, die Waffen von den kristallscharfen Körnern zu reinigen. Man konnte kaum sehen, wohin man trat und selbst in den Häusern legte sich der Sand wie eine dicke Staubdecke auf alles, was sich nicht bewegte. Kakashi stellte keine hohen Lebensansprüche, aber in diesem besonderen Fall war er froh, wieder zu Hause zu sein. Mit den Händen in den Hosentaschen vergraben, trat er in das Büro der Hokage ein. Tsunade sah mit erhobenen Brauen und einem schnellen Lächeln auf. “Hast du wieder meine Wachen terrorisiert?” “Nur einen, Hokage-sama” Sie rollte mit den Augen. “Willkommen daheim. Ich hoffe, du hast dir wenigstens am Tor die Füße sauber gemacht und nicht die halbe Wüste in mein Dorf geschleppt.”, neckte sie. Kakashi zog die Hand aus der Tasche und Tsunade sah irritiert zu, wie ein kleiner Sandhaufen auf ihren geliebten Teppich fiel. Er fischte den schriftlichen Missionsbericht aus seiner Weste und ließ das zerknitterte Papier mitsamt einem weiteren Haufen Sandkörner auf den Schreibtisch segeln. “Negativ, Hokage-sama. Dafür habe ich Sunas Sandkasten sauber gemacht und die vermeintlichen Seidenhändler als Spione von Otogakure enttarnt.” “Tote?” “Sieben. Keine Zivilisten. Die Mission war erfolgreich und ich bin heute nach Mitternacht, ohne Zwischenfälle, zurückgekehrt.” “Mitternacht, hm? Es ist jetzt elf Uhr. Aber wie ich sehe, hast du dennoch nicht die Zeit gefunden, deinen Waschsalon aufzusuchen.” Ungehalten starrte sie auf den Dreck, den ihr Shinobi an Ort und Stelle hinterließ. Kakashi zuckte mit den Schultern. “Nein, Hokage-sama. Ich war der Ansicht, Sie wollten den Bericht so schnell wie möglich haben, nachdem mich Ihr Bote halbnackt aus dem Badehaus geschliffen hat.” Tsunade schmunzelte. “Hat er das? Klingt, als hätte ich heute ein paar weiblichen Badegästen den Tag versüßt.” “Oder verdorben, wie man‘s nimmt.” “Deine Bescheidenheit - in allen Ehren - ist manchmal zum Davonrennen, Kakashi. Ich schwöre, als ich in deinem Alter war, da-”, Tsunade bremste sich gnädigerweise selbst. “Nein, das erzähle ich dir lieber nicht.” Sie begann, den üblichen Berg Papiere auf ihrem Schreibtisch umzusortieren. Sie fand, wonach sie suchte und hielt eine Schriftrolle in der Hand. “Es ist richtig, ich wollte dich sprechen. Aber nicht der Mission wegen. Sondern privat. Ich habe da etwas für dich.” Ihr Lächeln war geheimnisvoll. *** „Somewhere, something incredible is waiting to be known.“ - - Carl Sagan *** Die Wüste Suna war vielleicht doch kein so übler Ort, dachte Kakashi ein paar Minuten später. Natürlich, die Hitze konnte einem das Blut zum Kochen bringen und den Verstand rauben. Die Sandstürme waren nicht weniger schmerzhaft als eine verrostete Stahlbürste. Es bestand die leise Gefahr einer qualvollen Dehydrierung und dass sein Gerippe am Ende von einem Haufen drittklassiger Suna-Möchtegern-Shinobis gefunden wird, dennoch fand Kakashi diesen Ort im Moment um Längen attraktiver als Konoha. Teufel, sogar die Hölle mit all ihren Schwefelfeuern war attraktiver als Konoha und Kakashi starrte grübelnd zum Fenster hinaus, über die Häusersilhouette hinweg und überlegte scharfsinnig. Seine Finger, die in schwarzen Lederhandschuhen steckten, zerknitterten die Hiobsbotschaft in Form von schwarzer Tusche auf weißem Papier. Kakashi hatte schon öfters schlechte Nachrichten erhalten. Als legendärer Copy Nin, der in mehr Kämpfe verwickelt worden war als er zählen konnte, gehörten schlechte Nachrichten zu seinem Berufsalltag. Ganz gleich, ob Kyuubi vor den Stadttoren rumlungerte, oder Orochimaru, oder die gefährlichste Bande Shinobis, die je auf diesem Boden gewandelt war, er blieb grundsätzlich ruhig und ließ die Nachricht in sein Bewusstsein sacken - und sah dann neugierig zu, wie seine Kameraden reihenweise durchdrehten, die Wände hochgingen und eilig ihr Testament kritzelten. Kein Grund zur Panik. Jedenfalls nicht für ihn, der schon alles gesehen und erlebt hatte und den nichts mehr aus den Sandalen kippen lassen konnte. Um so erstaunter war Tsunade, dass der unerschütterliche Kakashi Hatake ausgerechnet jetzt vor ihrem Schreibtisch plötzlich sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagerte und allgemein den Eindruck erweckte, als würde er jeden Moment die Flucht nach hinten antreten wollen. Mit der Maske und dem Stirnband über seinem Sharingan sah Kakashis Gesicht so passiv wie eh und je aus, doch Tsunade müsste taub sein, um das Zähneknirschen zu überhören, und blind, um das Zucken in seinen Zehen zu übersehen. Die Hokage kämpfte gegen den Drang an, nach Shizune zu pfeifen und s o f o r t eine Kamera holen zu lassen. Es war einfach zu ulkig. Ohnehin war es selten, dass Kakashi einen persönlich adressierten Brief erhielt. Wenn, dann waren es Morddrohungen gedemütigter Shinobis, die das Pech hatten, dem Copy Nin über den Weg gelaufen zu sein. Oder die neusten Werbebroschüren der Waffenhändler. Noch nie während Tsunades zehnjähriger Amtszeit hatte Kakashi tatsächlich Post bekommen. Von einem zivilisierten Wesen geschrieben, ohne die üblichen Anschuldigungen und Schadensersatzforderungen, sondern beginnend mit einem netten ‘Hallo, wie geht es dir? Lange nichts mehr von dir gehört.’ bis hin zu ‘Halt die Ohren steif, Kleiner.’ Zugegeben, es war die pure Sensationslust gewesen, die Tsunade dazu getrieben hatte, Kakashi in ihr Büro zu rufen, damit er den mysteriösen Brief unter ihren Augen öffnen konnte. Der Inhalt war ihr längst vertraut. Kein Brief verließ oder kam nach Konoha, ohne vorher gründlich vom Sicherheitsdienst untersucht worden zu sein. Und als Kakashi den Brief entrollte, konnte er sicher sein, dass das Papier ihm nicht um die Ohren flog. Die Explosion war anderer Art. Sie erfolgte in seinem Inneren. Die Worte sprangen ihm ins Gesicht, wurden scharf eingezogen und traten in seinem Bauch ein Gefühl los, das zu fühlen der Shinobi schon lange nicht mehr in der Lage gewesen war: Beklommenheit. Was folgte, war die kühle Kalkulation eines Mannes, der gewohnt war, seine Gegner in einem Nahkampf auszuschalten. Er fragte sich, wie die Chancen standen, dass seine Großmutter ohne einen hinterhältigen Gedanken nach Konoha käme. Er berücksichtigte dabei, dass diese Frau eine waschechte Hatake war und Hinterhalte genauso zu ihrem Steckenpferdchen zählten wie zu seinem - und er kam nur zu einem Schluss: “Das war’s”, brummte Kakashi durch seine Maske hindurch, “mir bleiben noch vier Stunden, um meine Haare zu färben, den Namen zu ändern und auf einen anderen Kontinent zu flüchten. Vielleicht findet sie mich dann nicht.” Tsunade schüttete sich aus vor Lachen. Es war ein lautes brüllendes Lachen, das tief aus der Kehle kam und jeden Nuke Nin mit Stolz erfüllt hätte. “Wenn das ein offizieller Antrag war um eine Aufnahme in unser Zeugenschutzprogramm, dann betrachte dich hiermit als abgelehnt.” Kakashi blickte der Hokage fest in die Augen. “Es muss nicht gleich das Zeugenschutzprogramm sein, Hokage-sama. Eine Mission am anderen Ende der Welt würde mir auch genügen.” “Wie der Zufall es will, habe ich tatsächlich eine B-Rank-Mission auf meinem Schreibtisch zu liegen, die sehr viel diplomatisches Geschick und Taktgefühl erfordert; am sprichwörtlichen Arsch des Kontinents liegt -” Kakashis Hoffnungen stiegen in den Himmel. “- und die ich bereits an Naruto vergeben habe.” Die Hoffnungen fielen mit einem Klatscher auf den Boden zurück. Dann wiederum, Naruto und diplomatisches Geschick? Das hörte sich für Kakashi eher nach einem politischen Eierlauf an, wobei Tsunade den Löffel mit dem Ei in die Hände eines wandelnden Vulkans gedrückt hatte. Einen Vulkan randvoll mit heißer Kyuubi-Magma. Kakashi blieb stumm. Es lag nicht in seiner Kompetenz, die Hokage offen zu kritisieren. Sein Gegenüber schmunzelte aber kurz und schlug die Beine übereinander. “Ich weiß genau, was hinter deiner Stirn vorgeht, Kakashi. Selbstverständlich habe ich Uzumaki die Mission nicht allein anvertraut. Uchiha wird ihn begleiten.” “Ah.” Genau das Richtige, was ein Vulkan brauchte, jemand, der ihn zum Brodeln brachte. “Und Jiraiya. Damit die zwei sich nicht gegenseitig die Schädel einschlagen”, setzte Tsunade hinterher. “Eine weise Entscheidung, Hokage-sama.” Und obendrein völlig überflüssig. Drei Männer führten einen Job aus, den er allein erledigen konnte. Kakashi ahnte, worauf es die Hokage abgesehen hatte, und der Gedanke bereitete ihm Magenschmerzen. “Dir dürfte doch klar sein”, betonte Tsunade, “dass ich um keinen Preis der Welt verpassen würde, wenn sich d e i n e Großmutter zu einem Besuch in Konoha ankündigt.” Mit engelsgleichem Lächeln sah sie ihn an. “Und wenn ich dafür das halbe Ninja Korps auf Mission schicken muss, damit du zu Hause bleiben kannst, ich würde es ohne mit der Wimper zu zucken in Kauf nehmen. Ich habe nämlich so eine kleine Ahnung, dass es amüsant werden wird. Kakashi Hatake und seine geliebte Großmutter. Hoffentlich erinnerst du dich an deine gute Kinderstube und holst die alte Dame pünktlich von der Bootsanlegestelle ab.” Dann, mit einem sehr breiten Grinsen im Gesicht, bei dem Kakashi anfing sich zu fragen, ob die Frau zwei Hörner unter ihrer blonden Mähne versteckt hatte und wo der Dreizack abgeblieben war, hatte sie doch tatsächlich den Nerv zu fragen: “Treffen die Gerüchte eigentlich zu, dass sie bei ihrem letzten Besuch versucht hat, dich mit einer wildfremden Frau zu verheiraten?” Stille. Dann ein frustrierter Laut. Das Aufstöhnen folgte einer unangenehmen Erinnerung. Kakashi würde es nicht sobald vergessen, wie er als 18jähriger versucht hatte, der krankhaften Besessenheit seiner Großmutter auszuweichen. Damals hatte die alte Frau sich in ihrem original Hatak’schen Querschädel eingeredet, ihr einziger Enkel müsse unbedingt heiraten und Kinder in die Welt setzen. Die gefallene Fackel der Familie wieder aufheben und voller Stolz weiter tragen. Kakashi hielt das für ausgemachten Schwachsinn. Eine Einstellung, von der er bis zum heutigen Tag keinen Millimeter abgerückt war. Eher rangerückt und festgeklebt. Doch die Erinnerung, gepaart mit symbolischem Hochzeitsglockengeläut in seinem Kopf, ließ Kakashi an die Stirn fassen und die Schläfen reiben, als würde ein lästiger Kopfschmerz in den Startlöchern bereit stehen. Kami-sama erbarme sich seiner, nur er wusste, die einzige dauerhafte Beziehung, zu der Kakashi Hatake jemals in der Lage gewesen war, war die zwischen ihm und einem Stück gepresster Baumrinde - mit dem wohlklingenden Namen Icha Icha Paradise darauf. Alles andere unterlag seiner ‘So effektiv wie möglich’ - Lebensphilosophie. Und flüchtige Bekanntschaften zum Stillen humaner Bedürfnisse waren effektiver als schwierige - mit Reden und Erklärungen verbundene - Partnerschaften. Außerdem konnte Kakashi sich noch nie mit dem Gedanken anfreunden, nachts um seine Bettdecke zanken zu müssen. Das letzte Stück vom süßem Rote-Bohnen-Kuchen würde er auch nur nach einem verlorenen Martial-Art-Kampf herausrücken. Keine Idealvoraussetzungen. Wann würde seine Großmutter das endlich akzeptieren und die Shuriken ins Korn werfen? Tsunade schüttelte leicht amüsiert den Kopf angesichts Kakashis Reaktion und erinnerte sich ihrer Pflicht als Mutter der Schäfchen. In Windeseile zauberte sie die nötige ‘Medizin‘ aus der Schublade hervor. Der Copy Nin trat an den Schreibtisch heran und langte nach dem von der Hokage reichlich aufgefülltem Sakeschälchen. Ein schneller Griff unter die Maske und die helle Flüssigkeit rauschte seine Kehle hinunter. In einem einzigen Zug. “Ich schätze, das bedeutet wohl Ja”, schlussfolgerte Tsunade und ihr Mund verzog sich zu einem spöttischen Lächeln. Der nicht verdeckte Teil von Kakashis Stirn legte sich in Falten, als er das Glas auf den Tisch stellte und Tsunade wortlos seiner unausgesprochenen Bitte Folge leistete und nachschenkte. “Hokage-sama, meine Großmutter ist keine schlechte Frau”, begann er mit rauer Stimme, “sie treibt mich nur in den Wahnsinn mit ihrem ständigen Gerede von Heirat und den üblichen Traditionen.” Tsunade verkniff sich ein Grinsen. Da stand er, der berühmt berüchtigte Copy Nin Hatake Kakashi - der personifizierte Alptraum des Bösen. Wenn Nuke Nins hörten, dass er in ihrer Stadt war, dann gab es mehr Seppuku und Kehle durchschneiden als auf einer Akatsuki-Party, zumindest, wenn man dem Bingo Buch glaubte. Tsunade fand das irre witzig. Sie konnte den abgebrühten Kakashi ans andere Ende der Welt schicken, in die Eiswüste, in den Dschungel, in ein gottverdammtes Wespennest und er zeigte keine Regung, sondern nahm gehorsam jede Mission an. Nun offenbarte sie ihm, seine Großmutter sei auf dem Weg nach Konoha und er leerte bereits sein zweites Schälchen Sake in einem Zug. “Den üblichen Traditionen?” Neugierig griff sie seine Worte auf. “Sie wissen schon, den Kram, den Jiraiya in seinen Meisterwerken weglässt.” “Oh, eine glaubwürdige Handlung.“ Kakashis Augenbraue zuckte pikiert. “Junkos Abenteuer sind absolut glaubwürdig, Hokage-sama.” Tsunade schnaubte, was sich verdächtig nach “totaler Realitätsverlust” anhörte, ehe sie sich zu einer Antwort herabließ. “Dann meinst du wohl Liebe und Romantik. Harmonie. Wahre Gefühle. Solche Traditionen?” “Schmalz.” “Ah, und deine Großmutter ist eine hoffnungslose Romantikerin, die ungefragt Leute miteinander verkuppelt, verstehe ich das richtig?” Ein gequältes Lächeln zeichnete sich unter Kakashis Maske ab. “Da ist die Fliege mit dem Kunai an den Baum genagelt. Und ich werde ihr nächstes Opfer sein, Hokage-sama. Wieder. Sie weiß einfach nicht, wann sie eine Schlacht verloren hat.” “Stur ist sie also auch noch, hm? Aber etwas anderes kann man wohl nicht von der Frau erwarten, die den ’White Fang von Konoha’ geboren und den Copy Nin von Konoha großgezogen hat. In diesem Fall denke ich, dass sie sich ausgezeichnet mit Haruno-chan verstehen wird.” “…” “Haruno-chan, Kakashi.”, seufzte die Hokage. “Mein bester Medical Nin. Die Frau, die dir vor zwei Jahren das Leben rettete, als sie dich mehr tot als lebendig von einem Schlachtfeld aufgesammelt hat. Sakura-chan, deine süße, kleine Schülerin, erinnerst du dich?” Kakashi schloss für einen Moment die Augen. “Ich weiß, wer Sakura ist, Hokage-sama. Ich bin 34 Jahre alt, aber nicht senil.” Er trat von einem Fuß auf den anderen. “Ich halte es nur nicht für eine besonders gute Idee, sie mit meiner Granny bekanntzumachen. Ich hab gehört, was Sakura mit Naruto und der kleinen Hyuuga angestellt hat. Sollten die zwei Frauen sich jemals über den Weg laufen, ist am Ende des Besuches meiner Großmutter die eine Hälfte von Konoha mit der anderen verheiratet.” Er räusperte sich kurz. “Mich natürlich ausgeschlossen.” “Und mich.” “Dessen bin ich mir nicht so sicher, Hokage-sama.” Tsunade verschluckte sich heftig an ihrem Sake. Kakashi kratzte sich träge hinterm Ohr. “Sie kennen meine Großmutter nicht, Hokage-sama. Manche Leute sagen, als sie geboren wurde, hat Amor frustriert seinen Schreibtisch geräumt.” “Tz, und als ich geboren wurde, hat Aphrodite eingepackt. Jetzt male nicht gleich den Teufel an die Wand, Kakashi, sonst muss ich deiner Großmutter noch ein Einreiseverbot erteilen.” Sie lächelte beschwichtigend. “Du weißt aber schon, was man über zwei Ninjas in einem großen Wald sagt.” Seine Hand fuhr müde über das maskierte Kinn. “Was? Dass sie sich eher früher als später über den Weg laufen?” “Hm-mm. Dass Gleiches sich immer gern zu Gleichem gesellt.” In mehrerer Hinsicht. *** Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)