Der Wolf im Schatten der Natur von Akkasuka (Teil 1: Die Katastrophenzeit) ================================================================================ Kapitel 1: Regen ---------------- Endlich Sommerferien! Für mich war es der letzte Schultag in der 9. Klasse. Ein weiteres Schuljahr war um und somit verkürzte sich die Zeitspanne zum Abitur. Vor dem Schulgebäude wartete meine große Schwester Alexandra schon auf mich, überpünktlich - wie immer. Ich verabschiedete mich mit schönen Grüßen und hastigen Umarmungen noch mal von meinen Freundinnen, dann fuhren wir mit dem Fahrrad auf einen Waldweg zu. Mein Name ist Tia Nokol, damals war ich 15 Jahre alt und lebte mit meinen Eltern und meiner 18-jährigen Schwester Alexandra etwas abseits von einem Dorf, nahe eines Waldes, wegen unseren 5 Katzen. Mein Lieblingstier ist der Wolf. Alex und ich fuhren nach Hause, dabei ahnte ich nicht, dass dieser wunderschöne Tag zum seltsamsten meines Lebens würde und mir gleichzeitig die aufregendsten Ferien bereiten würde. Wir verließen das Schulgelände auf einem schmalen Waldweg, einen Schotterberg hinunter und anschließend die schmale Teerstraße zu unserem Grundstück hoch. Dann bogen wir in unseren Hof ein und parkten die Fahrräder neben unserer Garage, die direkt an das Haus angebaut war und in der mein Vater, Medikamente aufbewahrte. Neben der Garage war ein Teil unseres Gartens, in dem zwei Apfelbäume und zwei Büsche standen. Als Abgrenzung zum Nachbargrundstück diente eine Hecke. Als wir zu Hause waren, fragte unsere Mutter: „Und? Wie waren die Zeugnisse?“ Ich zog mein Zeugnis aus meiner Schultasche und gab es meiner Mutter. „Hey, Super!“, rief sie erfreut aus. Zwar hatte ich nicht nur Einser und Zweier, aber mein Zeugnis war gut, zumindest waren meine Mutter und ich zufrieden. Ein Zeugnis ohne Vier genügte uns völlig. Alex und ich gingen hinaus, um ein bisschen in den nahe gelegenen Wald zu laufen. So gingen wir die schmale Straße von unserem Hof hinauf, einige 100 Meter weiter lag ein kleiner Berg. Wir liefen an dem Haus eines älteren Ehepaars und an dem einer 4-köpfigen Familie vorbei und gingen dann auf eine Wiese zu. Sie war nicht sehr groß, nur noch über diese hinüber und schon wären wir im Wald. Ein lautes, grollendes Donnern zog unsichtbar über unsere Köpfe. Die Wolken zogen sich dichter zusammen. „Ohje...“, seufzte ich, als ich das kommende Gewitter wahrnahm. „Was?“ „Das Donnern...“ „Hä? Welches Donnern?“ „Bist du taub?“, grinste ich meine Schwester an. „Geht es dir gut?“ „Ich - ach, vergiss es!“ „Vielleicht habe ich es mir ja auch nur eingebildet...“, überlegte ich. Es donnerte wieder, lauter, bedrohlicher. „Da ist es schon wieder!“, flüsterte ich zu Alex, blieb stehen. „Was?“ „Na, dieses Donnern! Ich glaube wir sollten nach Hause.“ Während ich auf die dunklen Wolken starrte, welche hinter dem kleinen Berg vor uns hervorkamen, tastete ich mich langsam rückwärts. „Du willst doch nur nicht weiter!“ „Nein…“, hauchte ich, meine Stimme versagte, als ich die bedrohlichen, gigantischen, düsteren Wolken sah, welche sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit am Horizont aufbauten, „Alex, bitte lass uns gehen!“ Ohne auf ihre Antwort zu warten wandte ich mich ab und lief den Weg zurück, erst langsam. Als ich zurück blickte, schien es, als würden sich die Wolken weiter ausbreiten, hingen tief, als wollten sie die Erde erreichen. Bedrohliche Donner grollten über den Himmel. „Alex, komm!!!“, schrie ich flehend, begann schneller zu laufen. Ein mir unbekanntes Gefühl trieb mich dazu, weiter zu rennen, schneller nach Hause zu kommen. „Tia, warte doch!“, rief Alex hinter mir. Ich blickte zurück, sah, dass sie mir nach lief, während die Wolken uns zu verfolgen schienen. „Was ist mit euch passiert?“, fragte unsere Mutter, als wir schnaufend, zur Türe rein platzten. „Tia hat sich eingebildet ein lautes Donnern zuhören! Boa, keinen Bock mehr, wenn die ständig rumzickt und nicht raus will!“ „Ich will ja raus, aber es hat wirklich gedonnert! Mensch, das gibt’s doch nicht! Das war echt unheimlich!“ „Tia?“, fragte meine Mutter, „Geht es dir gut?“ „Ja, es geht mir gut“, knurrte ich genervt, „Ich weiß auch nicht, wie man so ein Donnern überhören kann!“ Ich zog meine Schuhe aus und stieg die Treppe zu meinem Zimmer hinauf. An meiner Zimmertür hingen ein paar Poster. Als ich die Tür öffnete, sah ich direkt aus meinem Fenster, hinter der Tür stand mein Bett an der Wand. Regungslos blieb ich stehen und starrte geistesabwesend aus dem Fenster. Der Himmel war klar. „Was war das eben?“, fragte ich mich, „Dieses Gefühl… Als wolle mein Körper vor etwas fliehen, doch ohne Angst. Es fühlte sich so... vertraut an und doch fremd.“ Zögernd durchquerte ich mein Zimmer, öffnete das Fenster und blickte zu dem Berg, auf den Alex und ich gerade zugelaufen waren. Mein Atem stoppte. „Wie.. wie ist das möglich?“ Der Himmel war auch dort klar. Keine einzige Wolke war mehr zu sehen. Rasch schloss ich das Fenster wieder und lehnte mich rücklings dagegen, die Augen geschlossen. „Bin ich verrückt?“, flüsterte ich, „Das… war das nur Einbildung? Vielleicht war es ein Schuss aus dem Wald, der Donner. Aber.. die Wolken. War das nur ein Streich meiner Psyche? Eine Einbildung?“ Ich beschloss, mich zu beruhigen, mich abzulenken und sah mich in meinem Zimmer um. Als mein Blick auf das leere Terrarium meiner Schildkröten fiel, entschied ich mich nach ihnen zu sehen. In der Küche holte ich ein paar Salatblätter und begab mich zur Terassentür. Wieder überkam mich dieses unbeschreibliche, seltsame Gefühl. Ich sah erst zum Himmel. „Tia, was ist los?“, fragte meine Mutter hinter mir. „Was – äh... nichts“, lächelte ich, während ich mich zu ihr drehte, „Ich wollte Leo und Fynn nur was rausbringen“ „Na, dann. Glaubst du, die freuen sich?“, grinste sie. „Werd ich ja sehen!“ „Ich mach dann essen, weil Alex dann ja auch zum Geburtstag muss.“ Ich nickte, woraufhin sich meine Mutter abwandte. Das seltsame Gefühl sagte mir, dass ich von dem Ereignis nichts sagen sollte. Ich wusste nicht warum, doch ich folgte dem Gefühl, wandte mich wieder dem Garten zu. Meine Hände begannen zu zittern. „Verdammt, was ist denn los mit meinem Körper?“, fluchte ich leise. Mit aller Gewalt zwang ich meinen steifen Körper sich zu bewegen, machte wenige schwere Schritte bis meine Beine leichter wurden. Das eigentlich vertraute, recht gute Gefühl wandte sich zu einem erdrückenden Gefühl, erschwerte mir die Atmung und schien meine Lungen zu quetschen. Ich hetzte zu dem Freigehege der Schildkröten, warf in höchster Eile den Salat hinein und rannte ins Haus zurück. Keuchend setzte ich mich im Wohnzimmer auf einen Stuhl, meine Lungenflügel entspannten sich, die Hände zitterten. Mir wurde kalt. Es dauerte wenige Minuten, bis sich mein Körper beruhigte. Misstrauisch sah ich aus dem großen Fenster hinter mir. „Was ist heute für ein seltsamer Tag?“ „Tia? Alex?“, schallte die Stimme meiner Mutter durch das Haus. „Ja?“, antwortete ich, stand auf und ging in die Küche, „was gibt’s?“ „Machst du mir bitte einen Salat?“, bat sie mich, während sie Alex anzeigte, dass der Tisch gedeckt werden musste. Ich nickte und begann das Gemüse dafür zu waschen und zu schneiden. Nachdenklich zerhackte ich Tomaten, Gurken, Paprika und Salatblätter. War ich wirklich verrückt? Oder waren meine Sorgen und Gedanken der Grund für die eben aufgetretene Schwäche meins Körpers? „Ich sollte mir keine Gedanken darüber machen. Sowas kann ja gar nicht sein!“, beschloss ich ernst und schob das Gemüse mit dem Messer von dem Schneidebrett in die Salatschüssel. Nachdem ich den Salat gewürzt hatte, war auch das restliche Essen fast fertig. Meine Schwester goss die Spaghetti ab und im nächsten Moment saßen wir am Tisch, wünschten einen guten Appetit und begannen zu essen. Danach machte sich Alex auf den Weg zur Geburtstagsfeier einer Freundin. Nun, da sie weg war, überlegte ich, was ich nun machen könnte. Als ich in meinem Zimmer auf dem Bett saß und etwas ratlos auf das leere Blatt starrte, welches auf meinen Beinen lag, sah ich mich um und suchte etwas, was mich zum zeichnen inspirieren könnte. Der Bleistift in meiner rechten Hand wippte ungeduldig zwischen Daumen und Zeigefinger. Mein Blick fiel wieder auf mein Fenster. Meine Gedanken verfingen sich wieder in den Ereignissen der letzten Stunden. Ich legte Bleistift und Blatt beiseite, ging vorsichtig auf das Fenster zu und betrachtete den Himmel. Dieser war strahlend blau, nur eine kleine, weiße Wolke zog gemächlich über den Horizont. „Verdammt, das Wetter ist so schön. Sowas wie vorhin kann ich mir nur eingebildet haben!“, redete ich mir ein, „Ich geh jetzt raus, ist mir egal was kommt!“ So schnappte ich meine Malsachen, lief mit großen, schnellen Schritten die Treppe hinab, drückte meine Hand an den Türknauf unserer Haustüre am Fuße der Treppe und atmete tief ein und aus. Ich öffnete die Türe, trat mit nacktem Fuß auf die vom Hausschatten gekühlte Steintreppe. Einen Moment lang stand ich starr vor der wieder geschlossenen Haustüre. Nichts geschah. Kein seltsames Gefühl, kein Drücken und kein Quetschen in meiner Lunge. Keine dunklen Wolken. Erleichtert atmete ich aus. „Na also“, lächelte ich, „Alles normal.“ Ich lief auf dem kühlen Steinboden um die Hausecke, über den Hof und bog nach links ab, zum gleichen Weg, den ich mit Alex gegangen war. Die Sonne schien, als hätte sie vor die Erde zu grillen und der Himmel war klar. Jedoch nicht lange, wie sich herausstellte als ein Tropfen auf meine Stirn fiel. Langsam richtete ich meine Augen gen Himmel. Keine Wolke. Der vorher hellblaue Himmel hatte jedoch ein helles Grau angenommen. Ein paar weitere Tropfen fielen auf mich herab. „…Regen?“ Seufzend kehrte ich um, der leichte Nieselregen wandelte sich rasch in einen prasselnden Niederschlag. Obwohl er sich angenehm anfühlte, sprintete ich die letzten 100 Meter zur Haustür und kam mit nassen Haaren und feuchter Kleidung am schützenden Unterschlupf vor der Terrassentür an. Der Puls rauschte, das rasch fließende Blut strapazierte meine Adern. Ich versuchte möglichst ruhig zu atmen, während ich die Tür aufstieß, meine völlig durchnässten Malsachen auf den Teppich warf und schlich – um möglichst viele nasse Tapser zu vermeiden – auf Zehenspitzen mit wenigen Schritten über den Laminatboden des Wohnzimmers ins Bad. Dort nahm ich ein Handtuch und trocknete mich auf dem Weg in mein Zimmer ab, in dem ich mich anschließend umzog und die feuchte Kleidung über die Heizung hängte. Sie war zwar aus, aber im Zimmer war es warm genug, dass alles trocknen konnte. Ich sah aus meiner Balkontür neben der Heizung, es regnete noch, auf den Balkonbrettern tanzten die Regentropfen und der Wind blies sanfte Lieder durch die Bäume. „Es regnet…“, seufzte ich und sah in den Himmel, „Die Wolken scheinen nicht so dick zu sein, also wird’s wohl nicht lange dauern. Geh ich später noch mal raus, wenn’s aufgehört hat!“ Daraufhin nahm ich das Handtuch wieder zur Hand, lief die Treppe hinunter und wischte vorsorglich die nassen Fußabdrücke auf dem Laminatboden weg, warf das durchnässte Papier weg und trocknete die Zeichenunterlage sowie Bleistift und Radiergummi ab. Seufzend warf ich das Handtuch auf dem Weg in mein Zimmer in die Ecke vor der Treppe und bemerkte, dass im Keller Licht brannte. Das Rumoren unseres Trockners drang leise in das Stockwerk, in dem ich mich befand. Grinsend nahm ich das feuchte Handtuch ein weiteres Mal in die Hand und schleuderte es schwungvoll am Treppengelände entlang in die untere Ecke der Treppe, „Mama, hier wär noch ein Handtuch!“, rief ich freundlich hinterher. „Ist es wenigstens weiß?“, hallte die Stimme meiner Mutter zu mir. „Hmm, joa!“ „Gut so, Glück für dich! Ich mach grad weiß!“ Lächelnd stieg ich die Treppe hinauf, nahm einen neuen Bleistift und ein neues Blatt, setzte mich auf mein Bett, und begann ein kleines Wolfsrudel zu zeichnen, welches auf einer Waldlichtung lag und – bis auf zwei umher tollende Welpen – friedlich schlief. In meinen Gedanken bewegte sich das Bild, die Bäume wogen sich leicht im Wind, der Fluss rauschte sanft, die Blumen tanzten und die zwei kleinen Wölfe tollten um ihre älteren, schlafenden Artgenossen herum. Als ich mit den erst sanften, dann kräftigen Bleistiftkonturen fertig war, stieß ich ein leichtes Seufzen aus und starrte aus dem Balkonfenster: Es regnete nicht mehr, so fasste ich meinen Beschluss von vorhin auf und ging wieder hinaus, diesmal ohne Malsachen. Falls es doch nochmal so einen dummen Platzregen gibt wär mein Bild dahin. Doch etwas war seltsam: Obwohl es vorhin stark geregnet hatte, war nun alles wieder trocken. Ich wunderte mich, „Wieder so etwas komisches. Heute ist echt nicht mein Tag... Naja, egal, Hauptsache es ist wieder trocken!“ Wieder ging ich über unseren Hof zur schmalen Straße. Doch es war wieder dasselbe Spektakel wie zuvor: Ich trat auf die Straße und die ersten Tropfen fielen auf meinen Körper. Noch rascher als vorhin wandelte sich der sanfte Regen in einen kräftigen Platzregen. Ich drehte mich sofort um und rannte zurück, spürte, wie die Regentropfen immer stärker wurden, mein Herz klopfte heftig gegen meinen Brustkorb. Kurz bevor ich die schützende Überdachung erreichte vermischten sich harte, eisige Hagelkörner mit dem plötzlichen Regen, Blitze zuckten am Horizont, ein Donner grollte über meinem Kopf, der mich zusammenzucken lies. Endlich erreichte ich völlig durchnässt die Terrassentür. Das war schon die zweite Dusche an diesem Tag. Fluchend trat ich ein, tapste wieder auf Zehenspitzen durch das Wohnzimmer und trocknete mich abermals im Bad ab. Ich stieg die Treppe nach oben, spürte unerklärte Wut in mir brodeln. „Was is’ heut für ein scheiß Tag?“, knurrte ich, während ich mich umzog, mich grummelnd auf mein Bett setzte und weiter malte. Ich verpasste den Wölfen verschieden farbige Fellzeichnungen. Weiß mit Schwarz oder grau, grau-braun, rein Weiß oder Schwarz. Als ich dem Wolf, welcher recht Zentral im Bild lag, eben sein braun-graues Fell zeichnen wollte, viel mir sein Auge auf. Der Wolf schlief nicht. Verwundert starrte ich auf das eine, geöffnete Auge, dessen Pupille auf den Betrachter gerichtet war. War ich so in Gedanken, dass ich dem Wolf versehentlich ein offenes Auge gezeichnet hatte? Egal, das Auge war offen und brauchte eine Farbe. Mit der linken Hand griff ich ziellos in die kleine Buntstiftkiste. Was ich herauszog war ein helles Blau. „Na, gut“, seufzte ich, während ich die Augen blau schraffierte, die Farbe gen Pupille dunkler zeichnend, „Jetzt noch ein schwarzes Fell und er sticht wirklich aus dem Bild“ So setzte ich die schwarze Farbe mit Licht und Schatten in das Bild und bemerkte gedankenvertieft nicht, wie schnell die Zeit verging. „So, nur noch der Himmel“, seufzte ich erleichtert und streckte mich. Dabei fiel mein Blick auf das Fenster. „Das gibt’s doch nicht“, staunte ich. Es regnete wieder nicht mehr. Ohne das den klaren Himmel aus den Augen zu lassen, legte ich Blatt und Stifte neben mich und ging zu der Balkontür. Als ich diese öffnete blies mir ein warmer Wind sanft ins Gesicht. Die Sonne hing tief am Horizont zwischen den Bergen, tauchte Wälder, Autos und Häuser in einen leichten, rotschimmernden Umhang. Auf unserem Hof sowie im Garten war von den Regenschauern keine Spur mehr. Verwundert ging ich nach unten und fragte meine Mutter, die im Wohnzimmer auf dem Sofa saß und an ihrem Laptop Rechnungen schrieb: „Seit wann regnet es nicht mehr?“ Meine Mutter sah mich verwirrt an und fragte dann: „Wieso regnen? Es war heute doch den ganzen Tag lang schön!“ „Was?“, entgegnete ich verblüfft, „Als ich vorhin rausgegangen bin, hat's geregnet! Aber hallo! Es hat geschüttet wie sonst was!“ „Ach, erzähl mir doch keine Märchen! Das hast du dir bestimmt nur eingebildet.“ Ich starrte an meiner Mutter vorbei und überlegte mit ernster Miene was vor sich ging. Schließlich lief ich die wenigen Schritte zu meiner Mutter und setzte mich neben sie. Sagte nichts. „Was ist denn mit dir los?“, fragte meine Mutter. „Heute ist irgendwie alles komisch…“ „Wie meinst du das?“ „Naja, als ich raus gegangen bin hat‘s wie aus dem Nichts angefangen zu regnen, und gedonnert und geblitzt hat es auch“, begann ich, „Und du warst ja die ganze Zeit hier gesessen, und willst wirklich nichts mitgekriegt haben?!“ „Heiß ich doof? Natürlich hätte ich das mitgekriegt“, belächelte meine Mutter meine Aussage. „Was soll der Kack?“, grummelte ich genervt und stand auf. „Das musst du dir eingebildet haben. Alex sagte ja auch, dass sie keinen Donner gehört hat“, seufzte meine Mutter. „Und die nasse Kleidung habe ich mir auch nur eingebildet?“, erwiderte ich recht ungehalten, beruhigte mich jedoch sofort wieder, „'Schuldige…“ „Ich weiß ja auch nicht. Du bist seltsam, Schaf.“, sagte meine Mutter ironisch. „Ich weiß“, lächelte ich, mähte kurz grinsend und wandte mich ab. Ich ging auf das große Fenster neben der Terrassentüre zu und flüsterte genervt, „War klar… nur weil es regnet und niemand es mitkriegt bin ich verrückt! Das kann es doch nicht sein!“ Als meine Hand auf der Türklinge ruhte, schluckte ich und beschloss noch einmal hinauszugehen. Ich öffnete die Türe, ließ sie bewusst offen und schritt - mehr aus Trotz als aus Neugierde über die seltsamen Ereignisse - ein wenig steif über unseren Hof Richtung Straße. Der Wechsel zwischen dem schönen, sonnigen Himmel und den prasselnden Regenschauer geschah rasend schnell, das anfängliche Tröpfeln wandelte rasch in einen kräftigen Niederschlag. Ich drehte sofort um, hielt meine Arme schützend über den Kopf. Der Regen vermischte sich wieder mit Hagel, welcher erbarmungslos auf mich niederprasselte. Die eiskalte Luft schnürte meine Kehle zu, es kam mir vor, wie ein endloser Weg, meine Lunge wurde von einer unbekannten Macht zusammengedrückt. Ich spannte meinen Körper an, keuchte, stieß mich mit jedem Schritt kräftiger vom Boden ab, strebte nach der Tür, die mir Sicherheit versprach. Keuchend, triefend nass, mit verspanntem Körper fiel ich durch den Türrahmen, fing meinen Aufprall mit meinen Armen ab, ehe ich im nächsten Moment röchelnd auf dem Boden lag und kaum Luft bekam. „Was ist denn mit dir passiert?“, hörte ich die Stimme meiner Mutter aus dem, durch ein Regal von mir getrennten, Wohnzimmer. „...Ich... krieg... keine Luft!“, krächzte ich kaum hörbar, lag längs auf dem Flur, konnte kaum einen Muskel regen. „Was ist passiert?“, wiederholte meine Mutter mit besorgter Stimme und kam herangeeilt. Ich wollte antworten, doch alles, was meinen Mund verließ, war Luft, vom krampfartigen Arbeiten meiner Lunge hervorgebracht. Ich spürte die warmen Hände meiner Mutter sanft auf meiner Schulter ruhen, als diese besorgt fragte, „Kannst du dich umdrehen?“ Stöhnend drehte ich mich langsam auf meine linke Schulter, hielt kurz meinen Atem an, als sich meine Lunge scheinbar zuschnürte und verzehrte das Gesicht. Meine Mutter half vorsichtig mit ihren Händen und ich röchelte erleichtert, als ich auf dem Laminat saß und meine Lunge wieder mit Luft füllen konnte. Ein schwerfälliger Husten entkam der engen Luftröhre, mein Atem beruhigte sich wieder, während mein Herz noch immer wild empört gegen den Brustkorb hämmerte. „Geht’s wieder?“ „Ja...“, hauchte ich, stützte mich auf meine Ellenbogen und stand mit Hilfe meiner Mutter wieder auf. Meine Beine zitterten, konnten meinen Körper kaum aufrecht erhalten und ich griff nach dem nächsten Stuhl, um mich zu setzen. „Was war denn los?“, fragte meine Mutter und setzte sich mir schräg gegenüber. „Ich weiß es nicht“, keuchte ich, das Reden fiel mir schwer, auch wenn ich wieder genügend Luft in meine Lungen pumpen konnte, „Als ich... rausgegangen bin... begann es plötzlich... zu regnen und... es war..., als ob meine Lunge... eingeschnürt würde. Es war... wie ein... plötzliches Gewitter... und ich lief wieder... zurück und... brach hier eben... zusammen.“ Die Aufmerksamkeit meiner Sinne richtete sich auf das, was nun hinter mir lag: Die Balkontür. Ich blickte meine Mutter an, welche mich nur verwirrt ansah, die Augenbrauen leicht nach innen geschoben. Mein Blick wanderte hinter mich, drehte meinen Körper mit sich, huschte verwirrt quer über das ganze Fenster. „Das ist unmöglich!“, keuchte ich. Draußen war nicht die geringste Spur von einem Gewitter zu sehen. 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