Novemberlied von Bienchen1709 ================================================================================ Kapitel 21: Erwachsen werden ---------------------------- 5 Jahre später Kagome zupfte aufgeregt an ihrem Rock und zählte in Gedanken bis zehn. Sie hatte während des Studiums gelernt, dass es der beste Weg war, ihre Nerven zu beruhigen. „Bitte begrüßen Sie unsere Pressesprecherin, Kagome Higurashi.“ Kagome folgte dem Geräusch des Applauses und schon wenige Augenblicke stand sie auf der Bühne. Die Beleuchtung war so hell, dass sie die Gesichter der Zuhörer nur schemenhaft erkennen konnte, aber sie wusste, dass es sich um die hundert Leute handelte, einige davon Geschäftsmänner, ein paar Politiker, die meisten davon aber Reporter. „Vielen Dank“, sagte sie und der Applaus klang ab so schnell, wie er gekommen war. „Ich habe heute die Ehre Ihnen unser neustes und größtes Projekt vorzustellen.“ Sie drückte einen Knopf auf der Fernbedienung und ihre Präsentation erleuchtete auf einer Leinwand hinter ihr. „Wolf & Moriwaki haben sich jahrelang um ein friedliches Zusammenleben von Menschen und Dämonen in den Vereinigten Staaten bemüht.“ Sie betätigte den Knopf und eine neue Seite ihrer Präsentation leuchtete auf, die ihren Vater zeigte, wie er die Hand des von Naraku schüttelte. „Unsere Organisation hat nun endlich durch die Unterstützung meines Vaters, Kaito Higurashi, die Möglichkeit unsere Visionen auf die nächste Ebene zu bringen. Durch das großzügige Sponsoring von Naraku Musō sind wir in der Lage nach Japan zu expandieren. “ Sie betätigte den Knopf ein weiteres Mal und eine computeranimierte Version von einem Gebäude leuchtete auf. „Wir wollen noch in diesem Jahr einen Zweitsitz in Japan eröffnen“, sagte sie dann und führte das Publikum durch die verschiedenen Gebäudepläne. „Jeder, der heute anwesend ist, wird wissen, dass die Konflikte zwischen Menschen und Dämonen in den letzten Jahren erheblich gestiegen sind. Raubüberfall, Totschlag, Mord, die Zahlen sind erschreckend. Wir von Wolf & Moriwaki werden unser bestes tun, diesen Statistiken entgegen zu wirken. Wie?“ Sie betätigte den Knopf noch einmal. „Arbeitsplätze. So erschreckend die Statistiken der immer steigenden Gewalt zwischen Menschen und Dämonen auch sein mögen, nichts ist so erschreckend wie die Arbeitslosenrate von Dämonen. Innerhalb der letzten Jahre hat sich diese in Japan beinahe verdoppelt. Das wollen wir ändern. Jeder, der unser Konzept in den Vereinigten Staaten kennt wird wissen, wie wir es geschafft haben, dass die Arbeitslosenrate dort zu einem minimalen Prozentsatz gesunken ist.“ Sie drückte den Knopf ein weiteres Mal und hinter ihr erschien das Bild von einer der Sicherheitsfirmen, die ihre Stiftung gegründet hat. „Das ist Wolf & Moriwaki Security in Ohio. Eine eigenständige Sicherheitsfirma, die nur Dämonen beschäftigt. Von diesen haben wir inzwischen über 40 Stück in den USA auf die Beine gestellt.“ Sie betätigte wieder den Knopf und ging weiter ins Detail, darüber wie diese Sicherheitsfirmen Startkapital vom Staat erhalten, ein geringer Prozentsatz der Einnahmen für die Gründung von Waisenhäusern und Tagesstätten gestiftet werden und was für eine enorme Auswirkung dieses Konzept auf die Beziehungen zwischen Dämonen und Menschen haben könnte. Dann erlaubte sie den anwesenden Reportern Fragen zu stellen, darüber, ob die Regierung dieses Projekt schon unterzeichnet hätte, wann der Bau ihrer Zweitstelle fertig werden würde, ob die Organisation auch Arbeitsplätze für Dämonen innerhalb stellen würde und so weiter. Kagome antwortete souverän alle Fragen, bis ein Reporter die Frage stellte, vor der sie sich immer noch fürchtete, obwohl sie sie schon so oft beantwortet hatte. „Vor sechs Jahren hatten sie einen Zwischenfall mit dem jüngsten Taisho Sohn. Wie hat dieser ihre Entscheidung für Wolf & Moriwaki zu arbeiten beeinflusst?“ Kagome hatte schon angesetzt zu sprechen, als eine weitere Frage durch den Raum klang: „Vor einigen Jahren noch war ihr Vater für seine geringe Toleranz gegenüber Dämonen bekannt, wie ist es zu diesem Sinneswandel gekommen?“ Kagome schluckte schwer, denn das war eine Frage, auf die sie selber noch immer eine Antwort suchte. „Wir haben diese Fragen schon in unzähligen Interviews beantwortet“, sagte sie trotzdem mit fester Stimme, „Lesen sie diese, dann werden sie alle Antworten darauf finden.“ Dann verließ sie die Bühne. Hiroto wartete dort schon auf sie mit einem Becher Kaffee in seiner Hand. Er gab ihr einen sanften Kuss auf die Lippen und reichte ihr den Becher. Sie nahm es dankbar entgegen und nahm einen großen Schluck des, mittlerweilen, lauwarmen Getränkes. „Warum bist du hier?“, fragte sie ihn, und wenn ihre Direktheit ihn verletzte, ließ er sich nichts anmerken. „Ist es so erstaunlich, dass ich meine Verlobte sehen möchte?“, fragte er gegen und schenkte ihr ein selbstbewusstes Lächeln, dass ihr unter anderen Umständen wahrscheinlich weiche Knie bereitet hätte. Hiroto, der ungefähr zur selben Zeit bei Wolf & Moriwaki angefangen hatte zu arbeiten wie sie, wurde ihr von ihrem Vater vorgestellt. Es war mehr oder weniger eine arrangierte Ehe, aber das hieß nicht, dass sie ihren Verlobten nicht mochte. Er war zuvorkommend, selbstsicher, humorvoll, gut aussehend, all das, was sich eine normal Sterbliche von ihrem Ehemann wünschen konnte. Und er liebte sie, dessen war sie sich sicher. Sie hatte auch Gefühle für ihn, aber sie verblassten jedes Mal, wenn sie an Inu Yasha denken musste. Sie wusste, dass es nicht gesund war, in der Vergangenheit zu leben, aber so war es nun einmal. All ihre Versuche sich von Inu Yasha loszusagen, waren bis jetzt kläglich gescheitert. „Dein Vater schickt mich“, sagte er dann, weil er Kagomes zweifelnden Blick bemerkte, „Ich soll dir ausrichten, dass er heute Abend ein Geschäftsessen mit einem unserer größten Investoren hat. Er möchte, dass du ihn begleitest.“ „Lass mich raten Ito-san?“ Hiroto nickte und Kagome verdrehte die Augen. „Ich kann mir schon denken, warum mein Vater mich dabei haben will“, seufzte sie und folgte Hiroto zu dem kleinen Raum, in dem sie sich umkleiden konnte. „Ito-san legt viel Wert auf familiäre Beziehungen. Er mag dich, weil du ihn an seine eigene Tochter erinnerst“, erriet Hiroto ihre Gedanken. „Wirst du auch kommen?“, fragte Kagome und setzte sich auf eines der Sofas, das in dem kleinen Raum stand. Hiroto schüttelte den Kopf und stellte seinen eigenen Kaffee auf dem Schminktisch ab. „Ich habe heute Abend ein Meeting mit der Eventplannerin. Es gibt wohl immer noch ein paar offene Fragen, die geklärt werden müssen.“ Kagome lachte heiser: „Da du dich nun so gut mit dem Planen einer Feier auskennst, kannst du bestimmt auch besser unsere Hochzeit planen.“ „Du willst dich doch nur davor drücken“, erwiderte Hiroto und schenkte ihr ein flüchtiges Lächeln. „Ich weiß nicht, weshalb dein Vater so darauf besteht, dass ich mich um die Eröffnungsfeier kümmere. Das liegt nicht unbedingt in meinem Aufgabenfeld“, safte er dann nachdenklich. Kagome nickte zustimmend. Hiroto war vor einigen Jahren als Finanzberater bei Wolf & Moriwaki eingestiegen, aber seit der Verlobung behandelte ihr Vater ihn mehr wie einen persönlichen Assistenten. „Wie dem auch sei“, seufzte er dann, „mein Schreibtisch ist voll mit unerledigter Arbeit. Ich sollte zurück ins Büro. Kommst du mit?“ „Ich kann nicht, ich habe noch ein Interview mit Nikkei-Shinbun“, entgegnete sie und streifte sich die Pumps ab, „Ich werde mich nur einen Moment hier ausruhen, bevor ich mich darauf vorbereite.“ Kagome legte den Kopf in den Nacken und schloss eine Sekunde lang die Augen. Als sie ihre Augen wieder öffnete, lehnte Hiroto über ihr, sein Gesicht nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt. „Du hast dir eine Pause verdient“, flüsterte er, bevor er ihr einen kurzen Kuss auf die Lippen drückte. Seit seinem letzten gescheiterten Versuch Kagome dazuzubekommen sich ihm zu öffnen, waren seine Küsse immer so flüchtig. Sie wusste, dass sie ein schlechtes Gewissen haben sollte, dass sie jemanden wie Hiroto immer noch wie einen Fremden behandelte, aber an diesem Tag war sie zu müde, um sich darum weitere Gedanken zu machen. „Wir sehen uns dann morgen im Büro“, sagte er und lehnte sich wieder zurück. „Ja, bis morgen, Hiroto“, erwiderte Kagome erschöpft. Als ihr Verlobter den Raum verließ und die Tür hinter sich schloss, atmete sie erleichtert aus. Es fiel ihr schwer Hiroto jedes Mal auf ein neues zurückzuweisen, ihn darum zu bitten ihr mehr Zeit zu geben. Sie konnte sich selber nicht erklären, weshalb sie sich bei Hiroto so sehr vor körperlichem Kontakt scheute, aber seit ihrer Begegnung mit Lucas... Sie wollte nicht daran zurückdenken, aber die Erinnerung kam trotzdem hoch. Damals waren mehr als 2 Jahre vergangen, die sie in den USA verbracht hatte. Sie hatte es auf die Columbia University geschafft, was sie wahrscheinlich der Tatsache zu verdanken hatte, dass sie sich damals so betäubt von ihrer Depression gefühlt hatte, dass sie keinerlei Nervosität während des Interviews gespürt hatte und ihr Vater ihre Bewerbung für sie geschrieben hatte. Die ersten zwei Jahre verliefen weiter so. Ihr Schmerz betäubte jegliche Angst oder Scheu, die sie unter anderen Umständen garantiert gespürt hätte. Sie war eine der wenigen Studentinnen, die sich in jedem Seminar mündlich beteiligte und ihre Noten waren dementsprechend gut. Sie hatte kaum Freunde, was aber nicht daran lag, dass sie keine Möglichkeit hatte, Freundschaften zu schließen, sondern daran, dass sie jede freie Minute darauf verwendete ihren Vater zu beschatten und seine Unterlagen zu durchsuchen. Doch der Hinweis auf Inu Yashas Unschuld blieb aus, bis zu dem Tag, als er durch Kikyo freigesprochen wurde. Sie entschied sich dazu ein Praktikum in der Presseabteilung bei Moriwaki & Wolf zu machen, um ihren Vater bei seiner Arbeit beobachten zu können und Hinweise auf den Zusammenhang zwischen der Zusammenarbeit zwischen ihm und Naraku und der geplanten Erweiterung der Firma in Japan zu erforschen. Und dann kam die E-Mail. Es waren nicht mehr als 3 Zeilen. Die erste und einzige Nachricht, die sie von Sango erhalten sollte: Inu Yasha ist frei. Es geht ihm gut. Er hat jemanden kennengelernt. Damals hatte sie stundenlang auf diese 3 Sätze gestarrt. Sie wusste nicht welcher Teil des größte Schock für sie war: Dass sie es nicht geschafft hatte, seine Unschuld zu beweisen, bevor er freikam, dass es ihm gut ging, obwohl er 2 Jahre im Gefängnis verbracht hatte oder dass er in so kurzer Zeit jemanden kennengelernt hatte. Sie wusste, wie egoistisch ihr Schmerz war. Sie hätte sich für ihn freuen sollen, dass er geschafft hatte, wozu sie nicht in der Lage gewesen war- sich auf fremde Menschen einzulassen. Am selben Abend ging sie auf die Geburtstagsfeier von einem ihrer Studienkollegen. Es war das erste Mal, seit sie in den USA angereist war, dass sie eine Einladung zu einer Feier angenommen hatte und sie war dementsprechend schnell betrunken. Die Details des Abends waren auch jetzt nur eine verschwommene Erinnerung. Sie wusste, dass sie mit James getanzt hatte, aber wie es dazu überhaupt kam, war ihrer Erinnerung entflohen. James war einer dieser groß gebauten, charmanten Baseball Spieler, den jedes Mädchen gerne einmal um den Finger gewickelt hätte. Die Tatsache, dass er gut aussehend und beliebt war, hatte Kagome nicht sonderlich interessiert. Sie hatte nur geglaubt, dass er der Typ Mann sein könnte, der zu einem One-Night-Stand nicht Nein sagen würde. Sie hatten getanzt und sich geküsst. Kagome wusste noch, dass es ein paar Leute gab, dessen Aufmerksamkeit sie an diesem Abend erregt hatte. Die meisten hatten sie für ein schüchternes, prüdes Mädchen gehalten und die Zurschaustellung ihrer Küsse und Berührungen mit James, hatte einige Leute in Erstaunen gesetzt. So auch Lucas, der in den darauffolgenden Monaten einen großen Einfluss auf sie haben sollte. Zuerst hatte sie jedoch die Party zusammen mit James verlassen. Er hatte sie zu seinem Zimmer im Studentenwohnheim gebracht und zu Kagomes Überraschung darauf bestanden, dass sie ihren Rausch ausschlief, bevor auch nur irgendetwas anderes zwischen ihnen passieren würde. Auch wenn sie ihm heute für die Entscheidung dankbar war und sie wusste, dass er richtig gehandelt hatte, damals war das einzige Gefühl, das sie verspürt hatte, Scham gewesen. Scham dafür, dass sie sich praktisch an seinen Hals geworfen hatte und er sie trotzdem abgewiesen hatte. Als er ihr am nächsten Morgen gestand, dass er sich ein wenig in sie verliebt hatte und er mehr wollte als nur eine flüchtige Nacht, war sie wortwörtlich vor ihm geflüchtet. Und dann war da plötzlich Lucas. Wo James verständnisvoll und warm war, war Lucas gleichgültig und kühl. Ihn interessierten Kagomes Gefühle nicht, er hatte kein Bedürfnis für eine Beziehung, die über das Körperliche hinausging und er war nicht einmal ein bisschen in Kagome verliebt. Er war genau das, was sie zu dem Zeitpunkt geglaubt hatte zu brauchen. Sie hatten einige Nächte zusammenverbracht, und auch wenn Kagome sich danach nie besser fühlte als vorher, lief sie doch immer wieder in seine Arme. Die paar Stunden, die sie zusammen verbrachten, lenkte sie von ihrem Schmerz ab und sie redete sich ein, dass es der einzige Weg war, Inu Yasha zu vergessen. Für die paar Momente, die er ihr schenkte, in denen sie sich nicht dafür hasste, dass sie nicht glücklich darüber sein konnte, dass Inu Yasha versuchte wieder ein normales Leben zu führen und sich wieder verliebt hatte- für diese paar Momente liebte sie Lucas. Aber Lucas war selbstzerstörerisch. Kagome ahnte, dass seine Vergangenheit ebenso düster war, wie ihre. Darüber sprechen taten sie aber nie. Kagome versuchte ihren Schmerz, ihre Wut und Enttäuschung auf ihre Rache zu leiten. Sie nutzte all ihre düsteren Gefühle für sich selbst und ihren Vater, um in ihrem Job erfolgreich zu werden und ihrem Vater so nahe zu kommen, dass er keine Geheimnisse mehr vor ihr verstecken konnte. Dass sie nur 2 Jahre nach ihrem Abschluss den Job als Pressesprecherin erhalten hatte, war deswegen nicht nur dem Einfluss ihres Vaters zu verdanken, sie hatte wirklich hart gearbeitet, um es dorthin zu schaffen. Lucas jedoch konnte seine negativen Gefühle nicht auf etwas Positives umlenken. Nur einige Monate, nachdem Kagome die düstere, zerstörerische Affäre mit ihm eingegangen war, flog er wegen Drogenmissbrauchs von der Uni. Als Kagome mit ihm darüber reden wollte, schlug er ihr mit der flachen Hand ins Gesicht. Das war der Ausstieg für sie gewesen. Sie hatte die Affäre beendet und sich geschworen, dass sie sich so schnell nicht wieder auf irgendeinen Mann einlassen würde. Sie wollte nicht, dass ihre Sexualität nur mit negativen Gefühlen behaftet war. Sie wollte endlich wieder frei von ihrem immensen Schmerz leben. Wenn ihr Vater ihr der Verlobung mit Hiroto nicht eingeredet hätte, wäre sie wahrscheinlich immer noch Single und würde es lange Zeit bleiben. Inu Yasha blickte regungslos auf den Flachbildschirm in Narakus Büro, in dem die Pressekonferenz vom Wolf & Moriwaki übertragen wurde. Kagome hatte sich nicht viel verändert, seitdem er sie das letzte Mal im Fernsehen gesehen hatte. Sie war so stark und unnahbar geworden, dass es ihm oft schwerfiel, sich daran zu erinnern, wie weich und unsicher sie noch vor einigen Jahren gewesen war. „Sie redet immer noch nicht gerne über dich, hmm?“, sagte Naraku und Inu Yasha zuckte nur mit den Schultern. „Stimmt ja, du hast jegliche Gefühle für Higurashi hinter dich gelassen.“ „Sonst wär ich wohl kaum hier“, erwiderte Inu Yasha ernst und betätigte die Fernbedienung, um den Fernseher auszuschalten. „Nun ja, deine Gefühle für ihren Vater hast du aber noch nicht überwunden.“ „Sonst wär ich wohl kaum hier“, sagte Inu Yasha ein weiteres Mal. „Richtig, Rache. So ein schönes Wort. Es wird nun nicht mehr lange dauern, mein Freund. Der König wird bald fallen. Schachmatt.“ Naraku lachte aber Inu Yasha regte sich immer noch nicht. „Ach, was würde ich nur dafür geben, wenn mein wichtigster Berater ein wenig mehr Humor hätte“, sagte er dann. „Es ist nicht meine Aufgabe Sie zu unterhalten“, erwiderte Inu Yasha und blickte zur Seite. „Wohl wahr“, meinte Naraku und fügte dann nachdenklich hinzu, „Denkst du nicht trotzdem, dass es seltsam ist, dass Higurashi deiner Einstellung hier zu gestimmt hat? Er führt bestimmt wieder irgendetwas im Schilde.“ „Tut er das nicht immer? Das Entscheidende ist, dass wir ihm diesmal ein Bein stellen werden, wenn er es am wenigsten erwartet.“ „Richtig, Inu Yasha, du bist wirklich mein bester Schüler.“ „Ich will nur eins.“ „Das weiß ich und du wirst es bekommen. Geduld mein lieber Freund und bald kannst du dich an der Familie Higurashi rächen so viel du willst.“ „Ich hoffe, Sie vergessen unsere Abmachung nicht“, sagte Inu Yasha stoisch. „Natürlich nicht. Wenn es soweit ist, werde ich dir Higurashi persönlich überreichen und du kannst mit ihm tun und lassen, was du willst. Wenn du magst, kann ich dir Kagome auch noch servieren, ich erinnere mich, dass ihr Blut ganz vorzüglich geschmeckt hat.“ Naraku lachte ein weiteres Mal auf. „Da fällt mir ein, dass ich morgen Nachmittag ein Interview mit Wolf & Moriwaki vereinbart habe. Ich soll über meine gute Zusammenarbeit mit ihnen reden. Vielleicht sollte ich sie darum bitten, ihre beste Pressesprecherin zu schicken?“ Inu Yasha zuckte wieder nur mit den Schultern. „Willst du nicht wissen, ob Kagomes Herz immer noch wie verrückt klopft, wenn sie in deiner Nähe ist? Ich fände es interessant das herauszufinden.“ Inu Yasha antwortete ihm nicht, aber Naraku hatte schon den Hörer seines Telefons abgehoben. „Ruf bei Wolf & Moriwaki and und sag ihnen, dass ich das Interview nur gebe, wenn sie Kagome Higurashi persönlich vorbei schicken“, befahl er seiner Sekretärin, dann hob er dann Hörer ein weiteres Mal an und fügte noch hinzu, „Oh und sag ihnen, dass das Interview bei mir zu Hause stattfinden soll.“ „Endlich mal wieder ein wenig Aufregung, nicht wahr mein Freund?“, fragte er Inu Yasha, aber er bekam wieder einmal keine Antwort. Kagome saß in ihrem Kleinwagen und atmete mehrere Male tief ein und aus. Ihr Vater hatte ihr ein paar Bodyguards zur Seite stellen wollen, aber Kagome hatte darauf verzichtet. Sie wusste, dass Naraku es nicht wagen würde, sie noch einmal anzurühren. Er war nun abhängig von ihrem Vater. Sein ganzes Geld und seine Reinigungsfirma existierten nur dadurch, dass ihr Vater ihm damals das Kapital dafür gestellt hatte. Das änderte nichts daran, dass der Gedanke Naraku nach all den Jahren wieder gegenüberstehen zu müssen eine Panikattacke in ihr auslöste. Sie spürte ihre Finger, die kribbelten und wie sich ihre Lunge trotz der Atemübungen zu schnürte. Einige Minuten saß sie nur da und atmete ein und aus, dann erinnerte sie sich daran, warum sie dem Treffen mit Naraku zugestimmt hatte. Sie wusste, dass noch mehr hinter der Beziehung zwischen ihrem Vater und Naraku stecken musste. Seit Jahren hatte sie die Geschäfte ihres Vaters bespitzelt und sie hatte das Gefühl, dass sie bald alle Puzzleteile zusammenhaben würde. Sie atmete noch einmal tief ein und griff dann in ihr Handschuhfach, um das Pfefferspray in ihre Handtasche packen zu können. Es würde ihr im Notfall wohl nicht viel bringen, aber sie fühlte sich sicherer, wenn sie es bei sich trug. Narakus Haus war eines dieser riesigen traditionellen Häuser, die sich nur jene leisten konnten, die Geld im Milliardenbereich besaßen. Sie musste an das schäbige Wohnviertel denken, in dem Naraku vor zehn Jahren gelebt hatte. Sie wusste aber nur zu gut, dass Naraku sein Geld nicht nur durch seine Firma verdient hatte. Mittlerweile hatte sie genug Informationen über Naraku gesammelt, um zu wissen, dass er auch im Drogenhandel seine Finger im Spiel hatte. Er wirklich einer der Schlimmsten der Schlimmsten, weil man ihm einfach nichts nachweisen konnte. Und diese Person würde nun die Arbeitskräfte für Wolf & Moriwaki stellen, natürlich auf Empfehlung ihres Vaters hin. Sie betätigte die Klingel vor dem großen Holztor des Hauses und nach dem sie sich vorgestellt hatte, ging das Tor sofort auf. Sie schritt durch den geräumigen Vorgarten und sah, wie sich die Eingangstür öffnete. Selbst aus der Entfernung konnte sie die Person, die ihr die Tür geöffnet hatte sofort erkennen. „Inu Yasha...“, flüsterte sie erschrocken, und als sein rechtes Hundeohr zuckte, wusste sie, dass er ihre Stimme gehört hatte. Ihr Vater hatte ihr erzählt, dass er Naraku erlaubt hatte, Inu Yasha einzustellen, doch sie hatte nicht erwartet ihn hier anzutreffen. Nach über fünf Jahren sahen sie sich zum ersten Mal in dem Haus des Menschen wieder, der ihnen beiden so viel Leid zu getragen hatte. Es war schon fast eine skurrile Situation. Sie sahen sich einige Augenblicke nur an, aber Kagome konnte beim besten Willen nicht ausmachen, was in diesem Moment wohl in seinem Kopf vor sich ging. Kagome spürte, wie sich ihre Atemwege zuschnürten und ihr Herz schneller klopfte und ballte in der Anspannung ihre Hände. Sie wusste, dass er die Veränderungen in ihrem Körper spüren konnte. „Naraku wartet schon auf Sie“, sagte er schließlich übertrieben höflich und seine eiserne Stimme ließ das Blut in ihren Adern gefrieren. Er führte sie durch das gewaltige Haus, das trotz seiner traditionell japanischen Außenfassade erstaunlich modern eingerichtet war. Sie blickte auf seinen Rücken und sah, dass er viel steifer und angespannter war als sie es in Erinnerung hatte. Ob seine Zeit im Gefängnis damit zu tun hatte? Dann kamen sie schließlich im Wohnbereich des Hauses zum Stehen. Naraku saß auf eine der Lederganituren mit einem Whiskeyglas in der Hand und lächelte überschwänglich, als er Kagome erblickte. „Higurashi, setzen Sie sich doch“, sagte er und deutete auf das riesige Sofa. Kagome musste sich dazu zwingen, auf ihn zu zutreten. Auch wenn ihr Herz in ihrem Brustkorb so heftig gegen die Rippen schlug, dass sie wusste Inu Yasha würde es hören, blieb sie standfest auf ihren Beinen. Das Inu Yasha merken würde, wie aufgeregt sie wirklich war, hieß noch lange nicht, dass sie Naraku ihre Schwäche zeigen würde. „Ich hoffe, Sie haben den Weg hier hin ohne Umstände gefunden?“, fragte er dann und Kagome wollte ihm am liebsten ins Gesicht spucken. Seine übertrieben freundliche Art widerte sie an. Stattdessen nickte sie und erwiderte sein Lächeln. „Möchten Sie auch etwas trinken?“ „Nein, danke“, erwiderte Kagome und blickte hinüber zu Inu Yasha, der an der im Wohnbereich eingebauten Bar stand und die beiden beobachtete. „Ich hoffe, es stört Sie nicht, dass er anwesend ist“, sagte Naraku mit einem Wink seines Glases in Inu Yashas Richtung. „Ganz und gar nicht.“ „Wissen Sie, ich habe mich wirklich gewundert, dass Ihr Vater der Einstellung von Inu Yasha zu gestimmt hat, nach all dem bösen Blut, das zwischen der Familie Taisho und Higurashi geflossen ist.“ Kagome fühlte brennende Wut in sich aufsteigen. Sie wollte nicht über Inu Yasha mit einer anderen Person in seiner Gegenwart reden. Sie hatte ihm viel zu sagen, aber Naraku war der Letzte, der irgendetwas davon erfahren sollte. „Inu Yasha ist unschuldig gewesen, das ist ja jetzt schon seit Jahren bekannt. Ich sehe keinen Grund, warum mein Vater etwas gegen Inu Yashas Einstellung einzuwenden gehabt hätte“, sagte sie trotzdem und ihre Schultern verspannten sich. „Richtig, Kikyo war es, nicht wahr?“ Er blickte hinüber zu Inu Yasha und Kagome folgte seinem Blick. Sein Gesicht verriet keinerlei Emotionen und es lies sie einen Moment ihre Abscheu und Angst vor Naraku vergessen. Er sah sie genauso an, wie er sie damals im Gerichtssaal angesehen hatte: Leer, resigniert. Fühlte er sich immer noch so? „Dieses verrückte Weibsstück. Sie hat extra einen Formwandler Dämonen verführt, weil sie es nicht ertragen konnte, dass sie Inu Yasha an ein anderes Mädchen verlieren würde.“ Naraku lachte, aber weder Kagome noch Inu Yasha stimmten mit ein. „Sie hat sich wohl gedacht, dass es besser wäre, ihr Liebster wäre hinter Gittern als mit Ihnen zusammen, Higurashi. Wirklich ein verrücktes Weibsstück.“ „Wenn wir dann jetzt zum geschäftlichen Teil übergehen wollen“, sagte Kagome schnell, um das Thema umlenken zu können. „Immer das Geschäftliche. Das ist so langweilig. Mich interessiert viel mehr, wie Sie sich nun fühlen, da Sie Ihre erste große Liebe nach so vielen Jahren wieder sehen. Ich meine so etwas Tragisches wie eure Geschichte sieht man nicht jeden Tag, das stimmt einen schon neugierig.“ Kagome wusste das Naraku versuchte seine Psychospielchen mit ihr zu spielen und biss sich hart auf die Zunge, um nichts Falsches zu sagen. „Was meinst du Inu Yasha? Bist du nicht neugierig, was ihr gerade durch den Kopf geht? Ob sie sich immer noch vor dir fürchtet, obwohl sie weiß, dass du es nicht warst, der sie angegriffen hat?“ Inu Yasha antwortete nicht. „Ich fürchte mich nicht vor ihm“, sagte sie schließlich und blickte Inu Yasha an. Sie wollte, dass er es wusste. „Es sind so viele Jahre seit dem Vorfall vergangen, es gibt eigentlich keinen Grund mehr darüber zu reden. Außerdem hat es nichts damit zu tun, warum ich hier bin.“ „Die Presse sieht das aber anders“, entgegnete Naraku, „Sie können gar nicht genug von eurer tragischen Liebesgeschichte hören. Eine Liebe unter einem schlechten Stern. Das ist so poetisch.“ „Wenn Sie nicht vorhaben, das Interview zu führen, dann werde ich jetzt wieder gehen“, sagte Kagome dann und erhob sich von ihrem Platz. „Ach ja, ich bin heute gar nicht in der Stimmung für ein Interview. Schicken Sie doch einfach jemand anders zu einem nächsten Termin.“ „Ich hoffe, Sie werden die Zeit meiner Kollegen dann nicht so verschwenden wie meine“, erwiderte Kagome genervt und griff nach ihrer Handtasche. „Oh, das Mädchen hat Feuer. Jetzt kann ich verstehen, was dir an ihr gefallen hat.“ Kagome schüttelte nur mit dem Kopf und entfernte sich mit schnellen Schritten von Naraku. „Eine Sache noch, Higurashi“, sagte er dann und obwohl ihre Instinkte ihr rieten so schnell wie möglich davon zu laufen, drehte sie sich wieder zu ihm um und schenkte ihm ein falsches Lächeln. „Ja, bitte?“ „Ist das da ein Verlobungsring an ihrem Finger? Ich würde auf zwei Karat tippen, höchster Reinheitsgrad. Da wird die Verlobung wohl bald bekannt gegeben werden, oder nicht?“ „Ich wüsste nicht, was Sie das angeht“, entgegnete Kagome, doch sie konnte nicht umhin Inu Yasha einen kurzen Blick zu schenken. Er sah auf ihre Hand, aber sie hatte keine Ahnung, was wohl in ihm vor sich ging. Bevor Naraku noch irgendetwas hinzufügen konnte, drehte sie sich schnell wieder um. „Begleite unseren Gast doch nach draußen“, wies er Inu Yasha an, aber Kagome erwiderte schnell: „Ich finde den Weg auch alleine”, und verließ dann das Zimmer. Draußen angekommen lief sie so schnell wie möglich zu ihrem Auto und versuchte mit vor Wut und Anspannung zitternden Fingern, den Schlüssel in das Schloss der Autotür zu schieben. Als sie es endlich geschafft und die Tür aufriss, fühlte sie einen Luftstoß hinter sich und ohne lange darüber nachzudenken, hatte sie das Pfefferspray aus ihrer Tasche geholt und war herumgewirbelt. „Woah!“ „Inu Yasha“, erwiderte sie überrascht, als sie die Person vor sich erkannte. Es war schon dunkel draußen, aber sie standen nahe bei einer Laterne, die ihre Umgebung beleuchtete. Nun, da er ihr relativ nahe war, konnte sie sehen, dass seine Gesichtszüge viel härter waren, als sie es in Erinnerung hatte. Er sah immer noch verdammt gut aus, auch wenn sein Ausdruck die Freude verloren hatte, die sie normalerweise von ihm kannte. „Ich habe ja Gerüchte darüber gehört, dass du Kampfsportstunden an deiner Uni belegt hast, aber ich hätte nicht gedacht, dass deine Instinkte so ausgeprägt sind.“ „Was tust du hier?“, flüsterte sie, ohne auf seine Anmerkung einzugehen. „Ich muss mit dir reden“, erwiderte er ernst und sie ließ das Pfefferspray in ihrer Hand sinken. „Du weißt wahrscheinlich besser als ich, dass es uns in Schwierigkeiten bringen könnte, wenn Naraku dich hier mit mir sieht.“ „Er hat mich hinter dir hergeschickt, damit ich dir das hier geben kann“, erwiderte und reichte ihr Narakus Visitenkarte. „Was soll ich damit?“ Inu Yasha zuckte nur mit den Schultern. Kagome seufzte und kramte dann für einen Moment in ihrer Handtasche. Sie überreichte Inu Yasha dann wieder die Visitenkarte, auf der sie ihre eigene gelegt hatte und tippte auf die Oberfläche. Inu Yasha sah überrascht aus. „Sag Naraku, dass ich seine Visitenkarte nicht brauche. Wenn ich ihn erreichen will, kann ich das über meinen Vater.“ Sie tippte noch einmal mit dem Zeigefinger auf die Oberfläche, um sicherzugehen, dass Inu Yasha verstand, dass ihre Visitenkarte für ihn gedacht war. „Verstanden“, sagte er dann und steckte die Karte in seine Hosentasche. „Wirklich?“, fragte sie und Inu Yasha nickte nur. Sie sah, dass er wieder auf ihren Finger blickte. Auf den Ring, den Naraku richtig als Verlobungsring erkannt hatte. Sie konnte nicht umhin sich zu fragen, ob die Person, die er damals kennengelernt hatte, auch einen Ring von ihm an ihrem Finger trug. Wie konnte er überhaupt eine Beziehung mit seiner Arbeit für Naraku vereinbaren? „Also dann“, sagte sie schnell und stieg in ihr Auto. „Fahr vorsichtig“, erwiderte Inu Yasha und ging in zügigen Schritten zu Narakus Haus zurück. Als Inu Yasha aus ihrem Blickfeld verschwunden war, ließ sie ihren Kopf gegen die Kopflehne senken und atmete einmal tief ein. Die Anspannung in ihrem Körper verließ sie plötzlich und sie fühlte sich wahnsinnig erschöpft, so als wäre sie gerade einen Marathon gelaufen. Inu Yasha war so anders geworden. So stoisch und ernst und es brach ihr das Herz zu wissen, dass er für Naraku arbeitete, auch wenn sie wusste, dass er das sicherlich nicht für Geld tat. Sie hatte sich oft vorgestellt, wie sie Inu Yasha wiedersehen würde. Hatte über zufällige Treffen geträumt oder darüber nachgedacht endlich ihren Mut zu fassen und ihn anzurufen. Sie hatte sich Tausende von Szenarien erträumt. So jedenfalls hatte sie sich ihr Wiedersehen mit Inu Yasha ganz und gar nicht vorgestellt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)