Eindrücke eines vom Aussterben bedrohten Mondkaters von Anju ================================================================================ Kapitel 1: Abendliches Erwachen ------------------------------- Es war einer dieser Abende, die Artemis getrost, nach alter Zeichentrickart, wie eine Papierleinwand zusammengerollt und die nächstbeste Kloschüssel runtergespült hätte. Es war Sommer, die untergehende Sonne warf einen tiefroten Glanz auf Minakos tiefroten, über dem Fensterbrett baumelnden String, und ein letzter Tropfen Sekt fiel auf eines der Motorradheftchen, die Haruka zum Selbstschutz überall mit sich schleppte. Haruka… Auf Artemis schwer strapaziertem Rücken sträubten sich die Haare. Die Feststellung dass die Person, auf welche dieser bedeutungsschwangere Namen passte, sich in unmittelbarer Nähe zu ihm befand, ja sogar dieselbe schweiß- und parfümdurchtränkte Luft von Minas Zimmer mit ihm teilte, war einfach zuviel für seine Nerven. Und das hieß was, denn seine Nerven hatten bereits die Duschräume eines sibirischen Gefängnisses, sowie fünf Staffeln einer gewissen Animeserie überstanden. Gut, er war vielleicht das letzte männliche Wesen seiner Art, nämlich einer missglückten Zucht von Mondkatzen, die ehemals Königen und Königinnen die Schöße vollsabberten. Er hatte hier auf dieser Erde genauso soviel verloren wie ein Fisch auf einem Apfelbaum, und es war klar dass er sich irgendwo anbiedern musste, und sei es auch am Busen einer achtzehnjährigen Blondine mit der Sozialkompetenz eines paarungsreifen Meerschweinchens. Trotzdem hatte auch seine Demut ihre Grenzen, und wenn diese Blondine dann auch noch aus einer febrilen Laune heraus von all den attraktiven Senshi Haruka Tenoh zu ihrer neuesten Sexualpartnerin machen musste, nun, dann…ja, nichts dann. Artemis versank einen Augenblick in einem Strom pubertärer Suizidphantasien, und überlegte dann, wie zum Teufel er sich einen Weg aus diesem zur Lusthöhle pervertierten Zimmer bahnen könnte. Mit großer Mühe gelang es ihm seine zerquetschte Wirbelsäule unter einem Riesenteddy hervorzuziehen. Nicht wenig erfreut stellte er fest dass er von der Auseinandersetzung mit Minako über deren Polyandrie, bis auf die etwas befremdende Form seines Rückens, kaum Schäden davon getragen hatte. Er wankte zielfreudig Richtung Tür. Peng ! Leider war ihm bei dem schwummrigen Abendlicht Harukas knochiger Fußballen entgangen, an dem er sich nun wohl eine wettbewerbsreife Beule zugezogen hatte. Wenn das so weiter gehen würde, konnte man ihn wohl demnächst als Double für Tom aus „Tom und Jerry“ bewundern. Anscheinend ließ sich dieser stinkreiche Zeichentrickoldie die Beulenszenen doublen. Instinktmäßig riss Artemis das Maul auf und biss herzhaft in Haruka-sans kleinen Zeh. „AAAAAAAH“, erscholl auf filmreife Weise Harukas androgyne Stimme. Der Haufen aus Decken und gestohlenen Designerklamotten rumorte auf beunruhigende Weise, bevor Harukas tiefrotes Gesicht wie der Ausguss eines Vulkanes daraus hervorbrach. Rot schien überhaupt kennzeichnend für diesen Abend zu sein, den Artemis, wie gesagt, kaum in schöner Erinnerung behalten würde. „Sag mal, geht noch was, du Pelzbeule“, brüllte Haruka. „Willst wohl dein Fresschen haben oder was? Geh Minakos Mutter stressen!“ „Danke, der Appetit ist mir beim Anblick eurer Akrobatien entgangen“, erwiderte der Kater trocken. „Thunfischbeutel. Parasit. Stupides Animeviech.“ „Playmobilpilotin. Pseudofeministin. Spack.“ Zu Artemis Erstaunen brach Haruka in Tränen aus. Nun, sie war zwar nicht seine beste Freundin, sie war, genauer genommen, überhaupt nicht seine Freundin. Daran war vor allem der Umstand schuld, dass Haruka leider Frauen zugeneigt war, und ihm voriges Jahr den „goldenen Bagger“, ein von Tokami vergebener, heiß umkämpfter Award, vor der Nase weggeschnappt hatte. Bis dahin war es immer ein Duell zwischen Artemis und den beiden Scheintunten vom Dead Moon Zirkus gewesen. Und dann waren auch noch alle übrigen Senshis nach guter alter Shojo-Art, die sich in Magical-Girl Serien wie ein Virus verbreitete, verrückt nach ihr. Vor allem die laszive Michiru Kaio verbrachte schon eine vierstellige Zahl an Nächten mit dieser Person, aus unerklärlichen Gründen, für die wohl nur irgendein halbherziger Kompromiss zwischen Naoko und deren nächtlicher Kreativität verantwortlich sein konnte. Also, wie gesagt, Harukas süßlich androgyne Fresse, die sich wohl irgendwelche Shoujo-Ai Fans entzückt an die Zimmerwände pinnten, würde weder in naher noch in ferner Zukunft Einzug in Artemis Fotoalbum „Meine Freunde“ erhalten. Trotzdem fühlte er sich von diesem etwas überzogenen Gefühlsausbruch berührt. Zwar peinlich berührt, aber immerhin berührt. Und da Minako offenbar eine Zwanzigerpackung an Valium intus hatte und wohl dabei war von einem Kupferstich zu träumen, auf dem sie mit Konsite in der Kamasutrastellung 49 verewigt war, konnte er sich von deren Seite keine Hilfe erhoffen. Zeit also seine leicht verjährten pädagogischen Fähigkeiten aufleben zu lassen. „Ehm…also in der Minibar ist noch ne Flasche Zwetschgenschnaps…damit kannst du auch die Wunde an deinem Zeh desinfizieren.“ „Ich habe gesündigt“, schluchzte Haruka auf. Warum war er eigentlich immer am falschen Ort zur falschen Zeit, um sich das emotive Gesabbel seiner angeblichen Verbündeten anzuhören? War er eine Art Wanne, in der all diese Schwachköpfe ihre sogenannten Gefühle ausbadeten, um mal in Metaphern zu sprechen? „Na, na, jetzt gilt‘s aber zu relativieren“, sagte Artemis bemüht freundlich. „Also, ich finde durchaus dass Mina und du das verkehrte Pairing seid, ausserdem hast du meine Vollzeitrechte auf sie missbraucht, aber von da aus gleich von Sünde zu reden…“ „Du verstehst nichts.“ „Nein, und ich fürchte mein Wille dazu ist auf Urlaub gefahren.“ „Artemis…“ Harukas knochige Hand schnellte hervor und packte Artemis am Hals. Ihren wimmerden Augen nach zu urteilen sollte es eine freundliche Geste sein, aber leider fehlte Haruka genauso viel an taktiler Sensibilität wie ihr an Busen fehlte. „Grlpf…Was denn?!?“ „Wo ist der Zwetschgenschnaps?“ „Bald an einem obskuren Ort deines Unterleibs, Werteste, wenn du nicht gleich aufhörst mich zu würgen“, erklärte Artemis so freundlich wie möglich. Haruka kämpfte sich zur Minibar durch, nahm besagte Flasche und ein Päckchen Erdnüsse. Letzteres fraß sie innerhalb von zwei Minuten vollständig leer, und schüttete dann ordentlich Schnaps nach. Dann setzte sie sich wieder zu Artemis, der sie misstrauisch beäugte. „Artemis, ich werde dir jetzt etwas anvertrauen, was eigentlich unter strengstem Schweigegebot steht.“ „Wie‘s beliebt. Schieß los.“ „Ich schwebe gerade in höchster Gefahr, in eine Zeitspalte verbannt zu werden, als Strafe für meinen Seitensprung.“ „Welchen Seitensprung?“ „Tu nicht so blöd! Der eben, der da, mit ihr da!“ Haruka fuchtelte cholerisch mit der Schnapsflasche nach dem Wäschehaufen, unter dem sich wohl irgendwo Artemis flusenhirnige Mitbewohnerin befinden musste. „Ah, der.“ „Ja. Man wird mich bestrafen.“ „Fass dich wieder, Michi wird sich dir schon nicht ewig verweigern.“ „Jetzt hör mal zu, du Perwoll-Knäuel, ich versuche dir gerade eine Geschichte von alttestamentarischer Wucht zu unterlegen, also quatsch mir nicht dauernd dazwischen. Michiru und ich sind durch einen uralten Pakt, besiegelt von der unbestechlichen Sailor Pluto, für immer aneinander gebunden. Damals wurde noch angenommen dass eine perfekte, gegenseitige Unterstützung im Kampf nur dadurch gewährleistet wurde, wenn man sich auch auf sexueller Ebene totale Loyalität und Hingebung schwor.“ „Das kommt davon wenn man Frauen die Alleinherrschaft über eine Kampfzone überlässt. Nur unnötiges Sauberhalten, und gerade dort wo es nicht nötig ist.“ Noch nie hatte Artemis so schnell eine Faust hervor schnellen sehen, nicht mal wenn er der unverschämt gut ausgestatteten Makoto allzu lange ins Dékollté starrte. Eine zweite Beule gesellte sich zu der Erstigen. „AAH. Was denn jetzt?!?“ „Verunglimpfe nicht das Herrschaftssystem der drei Kriegerinnen des äusseren Sonnensystems“, brüllte Haruka. „Dann eben nicht. Was redest du da überhaupt für einen Stuss daher? Wenn du Minakos Rhythmus nicht gewachsen bist, dann bleib zuhause bei deiner Meerjungfrau, aber bitte lass deinen sexuellen Kater nicht an mir aus. Dafür bin ich weiss Gott zu beschäftigt. Und überhaupt, hast du irgendwelche Pilze zu dir genommen, oder warum kommst du jetzt mit alttestamentarischen Beschlüssen und geistigen Keuschheitsgürtel daher? Wie oft sah ich deine Hände schon an Stellen, an die Makoto nicht mal ihren Ex rangelassen hätte, und besagte Stellen gehörten nicht immer Michiru. Willst du mir allen Ernstes weismachen du hättest noch nie mit jemand anders als Michiru Bubi und Mädi…nun, Mädi und Mädi gespielt?“ „Ja.“ Artemis verstummte. War das nun die totale Verarsche, oder war er tatsächlich dabei, all die jahrelangen Attacken Harukas auf sämtliche weiblichen Körperteile als zwecklose Pantomime zu entlarven? „Ernsthaft?“ „Glaubst du sonst würde ich mit einem Kater Zwetschgenschnaps saufen“, keifte Haruka, wieder rotanlaufend. Puh, war die schlecht drauf. „Nette Story. Könnte einen guten Doujin abgeben. Und was habe ich damit zu tun?“ Erneut begann die etwas emotive Besucherin Artemis zu würgen, doch diesmal wirkte es weder linkisch noch freundlich gemeint, sondern auf höchster Stufe bedrohlich. „Ich habe schlimm gefehlt, und Pluto wird mich in Milliarden kleine Atome auflösen, und damit die Milchstrasse dekorieren, wenn sie Wind davon kriegt. Leider Gottes bist du Zeuge. Deshalb musst du entweder kooperieren, oder Bekanntschaft mit meinem kleinen Freund hier machen.“ Harukas sogenannter Talisman, dieser orientalischer Säbel, streckte sich plötzlich in deren Hand aus, fröhlich aggressiv blitzend. „Schluck. Ja. Wie kann ich dir behilflich sein?“ „Mir helfen und die Klappe halten.“ „Aber früher oder später werde ich dich bescheißen. Da muss schon etwas für mich dabei rausspringen.“ „Was soll ich dir Kater denn bieten? Bin nicht sehr bewandert im Mäusefang.“ „Du machst leider immer noch den Fehler Mondkater mit Normalo-Kater gleichzusetzen. Ich schätze durchaus den Mäusefang, aber einen Mäusefang etwas anderer Art. Michiru, oder du kannst mich vergessen.“ „WAS?“ Das Messerchen zitterte beunruhigend über Artemis Augäpfel. „Es wird nichts nützen, wenn du mich jetzt unschädlich machst, wird sich Minako gegen dich stellen, denn sie hat ihre Gründe mich zu mögen. Und dann bist du völlig dran. Du brauchst meine Hilfe. Also, entweder Michiru-san, wie Gott sie geschaffen hat, pünktlich auf meinem Büro, oder du dekorierst bis ans Ende aller Tage die Milchstrasse.“ Haruka rang sichtlich mit sich selbst. Dann willigte sie aber erschöpft ein. „Und nun?“ „Zuerst müssen wir uns um Minako kümmern. Sonst weiß es in einer Dreiviertelstunde ganz Tokyo.“ „Was is?“ Genau in dem Augenblick kam Minas völlig veschlafenes Antlitz unter einer blauen Himmeldecke hervor. Unendlich schön, und unendlich geistlos, wie es die Figur eines alten, jungen deutschen Dichters mal formuliert hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)