Rayos Reise von abgemeldet
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Kapitel 1: Reise in die fremde Welt
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Konnichi wa!
Hier ist Tara(wieder mal unter Amys Nick)...
In diese FF habe ich alle meine überschüssigen Ideen gesteckt! Ich habe eine
kreative Phase! Mir fällt zu viel ein! Also muss ich das irgendwo rauslassen
und so ist die FF entstanden! Ich hatte mal Lust eine Shônen-Ai zu schreiben!
Also, lasst sie euch schmecken! ^^
"..." Gesprochen
>...< Gedacht
Rayos Reise
Rayo richtete sich etwas auf, um über die gestapelten Kisten, über die er sich
geflüchtet hatte, einen Blick auf seine Verfolger zu erhaschen. Er wusste nicht
mehr, was er tun sollte. Allein, was in den letzten Stunden geschehen war,
brachte ihn beinahe um den Verstand. Vielleicht träumte er ja?
Er wusste nur noch, dass er in diesen komischen Schuppen gegangen war, der
hinter dem verlassenen Bauernhof lag, der ihm aufgefallen war. Doch etwas war
seltsam gewesen und Rayo hatte sich schwindelig gefühlt. In dem Schuppen war
eine Kraft gewesen - anders konnte Rayo es sich nicht erklären - die ihn
irgendwohin gezogen hatte. Genauer gesagt, hierhin! Als er die Augen geöffnet
hatte, sah er Leute, laute Stimmen. Die heiße Sonne hatte auf ihn
niedergeschienen, doch die Stimmung um ihn herum schien ausgelassen. Sie
registrierten ihn nicht im Mindesten. Er stand wohl eindeutig auf einem Markt.
Aber... wie kam ein sechzehnjähriger Schüler auf einen mittelalterlichen
Markt?
Rayo hatte erst einmal nur den Kopf schütteln können. War er womöglich
hingefallen und hatte das Bewusstsein verloren? War das ein Traum?
Ein schmerzhafter Rempler von hinten überzeugte ihn vom Gegenteil. Das musste
echt sein!
"Aus dem Weg, Bursche!" Ein alter bärtiger Mann mit Esel am Halfter drängte
sich an ihm vorbei. Seine Stimme war jedoch nicht die Einzige, die man hier
hören konnte. Der Lärm war beinahe unerträglich. Zwanzig Händler
gleichzeitig priesen ihre Waren an und versuchten sich gegenseitig zu
übertönen. Die Kunden riefen den Händlern ihre Wünsche zu und das in einer
Lautstärke, die der der Händler in nichts nachstand. Ein richtiger Markt! Und
er roch auch so! Fürchterlich. Der Pferdedung schien sich krampfhaft mit
Schweiß und alterndem Fisch messen zu wollen. Schlimm..
Rayo wich etwas in den Schatten zurück und ließ sich an einer Wand zu Boden
sinken. Was war nur los? Wieso passierte gerade ihm das?
Eine Stunde musste er hier ungefähr gesessen haben. Es dunkelte leicht und die
meisten verließen den Markt bereits, während die Händler ihre Stände
abbauten. Rayo stand auf. Er konnte hier nicht so sitzen bleiben. Er lief in
eine Gasse hinein. Immer weiter. Vielleicht würde er hier einen Ausgang finden!
Einen Ausgang nach Hause! Dann würde er sich erst einmal ein großes Glas Cola
genehmigen... oder gleich zwei! Sein Hals schien wie ausgetrocknet! Es war aber
auch heiß! Obwohl es bereits dämmerte.
Drei Gestalten versperrten ihm plötzlich den Weg. Ziemlich große Gestalten und
sie schienen ihm nicht gerade freundlich gesonnen zu sein!
Und so war er schließlich nach einer ganzen Weile zwischen diesen Kisten
gelandet. Seine Verfolger suchten ihn vergeblich, schienen aber auch keine
große Lust mehr zu haben, ihn weiter zu verfolgen. Und tatsächlich - Sie
drehten bald ab und verschwanden wieder im Dunkel der Gassen.
Na, toll! Und wohin jetzt?
Rayo stand vorsichtig auf. Die drei fiesen Gestalten in der zerschlissenen
Kleidung, die er eindeutig als Teil einer Straßenbande identifiziert hatte,
mussten ja nicht die einzigen finsteren Leute sein, die hier rumlungerten. Ihm
waren solche mittelalterlichen Gassen wirklich nicht geheuer!
Aber hier bleiben konnte er auch nicht! Er musste hier weg! Raus aus dieser
Stadt! Nur, wenn er aus dieser Stadt geflüchtet war, wohin sollte er dann
gehen? Was, wenn es draussen noch viel schlimmer war? Wölfe oder etliche
anderen Tiere konnten da im Unterholz lauern! Das wäre gar nicht sein Ding!
Oder... Schlangen!!!
Wie Rayo es auch drehte und wendete, er fand einfach keine angenehme Lösung,
die ihm Zeit gab, bis er einen Weg zurück nach Hause gefunden hatte.
Er kam nach einigen Wandern zurück auf den Markt, der inzwischen ziemlich leer
war. Zwei Nonnen liefen an ihm vorbei, ohne ihm auch nur einen Blick zu
schenken. Dann musste hier in der Nähe also ein Kloster sein! Mitten in der
Stadt?
Rayo folgte ihnen. Ihm war eine verrückte, riskante und ziemlich dämliche Idee
gekommen. Wenn sie aber klappte, würde er etwas Zeit bekommen!
Man hatte ihm schon immer nachgesagt, er habe weiblichere Gesichtszüge als
andere Jungen und verhöhnt hatte man ihn auch schon oft deswegen. Konnte er als
Mädchen verkleidet, beim Kloster um Asyl bitten?
Sein längeres Haar musste nur etwas nach vorne geschoben werden. Er hasste es,
als niedlich bezeichnet zu werden, aber diesmal konnte ihn sein niedliches
Gesicht vielleicht das Leben retten! Seine Stimme verstellen konnte er auch
recht gut!
Jetzt mussten nur die Klosterfrauen darauf reinfallen!
Er angelte sich im Vorbeigehen ein langes Gewand von einer Wäscheleine, die
Unvorsichtigerweise ziemlich tief über die Straße hing und schob sich, die
Nonnen weiterhin beobachtend, in eine enge Gasse.
Er warf sich das Gewand über, das seine Körperproportionen und sein halbes
Gesicht verdeckte. Die schwarze Wuschelmähne lugte etwas unter dem über den
Kopf gezogenen Gewand hervor und mit einem zufriedenen Blick in eine
Wasserpfütze - er hoffte zumindest, dass es Wasser war - trat er aus dem Gang
hervor, lief absichtlich mit kleineren und tapsigeren Schritten, um auch wie ein
Mädchen zu wirken.
Die beiden Nonnen öffneten ein großes Tor und überrascht stellte Rayo fest,
dass da die Stadt zu enden schien. Eine offene Fläche breitete sich vor ihm
aus. Und in der Ferne ragte ein großes Schloss in den Himmel.
Rayo hatte noch nie ein richtiges Schloss gesehen. Der weiße Marmor der Türme
wirkte irgendwie rot in der untergehenden Sonne, was Rayo sehr verblüffte. Es
leuchtete richtig.
Beinahe hätte er die beiden Nonnen vergessen. Die liefen auf ein etwas abseits
stehendes, umzäuntes Haus zu. Rayo beeilte sich, ihnen zu folgen und holte sie
gerade ein, als sie das Tor erreichten.
Schnell ließ er sich vor ihnen auf den Boden fallen und senkte den Kopf, damit
sie sein Gesicht nicht allzu deutlich sahen.
"Ich... ich bitte um Asyl!", flüsterte er mit verstellter Stimme. Er spürte
den musternden Blick der beiden Nonnen auf sich ruhen. Ob sie wohl auf seine
Maskerade hereinfielen?
"Um Asyl?", fragte die eine Nonne mit rauchiger und kratziger Stimme.
"Ja, bitte... ich weiß nicht, wo ich sonst hin soll!"
"Mädchen!", sprach die andere, jüngere Nonne mit sanfter Stimme. "Bist du von
zu Hause weggelaufen?"
"Nein, ich möchte nur für die Nacht um Asyl bitten, um morgen nach Hause gehen
zu können! Die Stadt ist aber zu gefährlich und ich habe kein Geld!" Rayo
fühlte sich in der Rolle eines Mädchens sehr unwohl, dennoch schien seine
kurze Rede zu überzeugen.
"Okay, ich gewähre Ihnen Asyl, Miss..." Die alte Frau stockte erwartend.
"Ray... Raya..."
"...Miss Raya." Rayo sah auf und blickte in das lächelnde Gesicht der alten
Frau. Kein Erschrecken beim Anblick Rayos war in ihren Augen zu erkennen.
"Nennen Sie mich Schwester Thera! Ich leite dieses Haus!"
"Ich danke Ihnen, Schwester Thera!" Rayo senkte den Blick wieder. Er war etwas
beschämt über seinen Auftritt, doch sie schienen nichts bemerkt zu haben.
>Was, wenn sie mich bittet, meinen Umhang abzulegen, oder zu baden?<
"Ich möchte nur etwas schlafen, ich werde früh wieder gehen!", versicherte er
schnell.
"Machen Sie sich deshalb mal keine Sorgen, Miss Raya!", lächelte Schwester
Thera und öffnete das Tor.
Damit war Rayos Tag auch schon so gut wie zu Ende. Man zeigte ihm sein Zimmer
und ließ ihn auf seinen Wunsch hin allein. Es war ein bescheiden eingerichteter
Raum, aber zum Schlafen reichte er. Und schlafen konnte Rayo gut!
Er erwachte erst am späten morgen wieder. Den Umhang hatte er nicht abgelegt.
Vorsicht konnte nie schaden.
Sollte er nicht doch vielleicht hier bleiben? Vorerst wenigstens? Aber er hatte
gestern gesagt, er würde sofort wieder gehen. Jetzt konnte er seine Meinung
nicht einfach so ändern!
Ein Grollen seines Magens machte ihm deutlich, wie misslich seine Lage wirklich
war. Verdammt misslich!
Er hatte weder Geld, noch Essen und auch ein Schlafplatz fehlte vollkommen. Er
konnte sich nicht jede Nacht in einem Kloster als Mädchen verstecken!
Leise stand Rayo auf und öffnete die Tür. Der Flur war leer. Der leise Gesang
von Kirchenglocken kam ihm zu Ohren. Wo war bloß der Ausgang gewesen? Gestern
war er total übermüdet und panisch den Schwestern hinterhergetappt und konnte
sich zu seinem Leidwesen nicht mehr an den Weg erinnern.
>Verdammt! Ich weiß nur, dass die Tür links war, also muss ich den rechten
Gang nehmen. Aber wohin jetzt?<
"Da sind Sie ja, Miss Raya!" Rayo zuckte zusammen.
"Oh, Schwester Thera!" Er machte einen leichten Knicks. Zum Glück hatte er
diesen Umhang um, sonst würde man deutlich sehen, dass er das nicht konnte.
"Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Nacht!"
"Sie wollen doch nicht schon wieder gehen?" Schwester Thera warf einen Blick auf
den Umhang.
"Doch, leider kann ich nicht mehr bleiben!" Rayo senkte den Blick.
"Dann verpassen Sie aber den königlichen Besuch!" Schwester Thera klang etwas
verblüfft. "Der Prinz persönlich wird unser bescheidenes Heim besuchen.
Deshalb haben wir gestern noch ein paar letzte Einkäufe getätigt! Ich hatte
gedacht, dass Sie deshalb hier um Asyl gebeten hätten und mich schon ein wenig
geärgert..."
"Nein, bestimmt nicht..." Rayo war verwundert über die Offenheit Schwester
Theras. "Ich wollte jetzt eigentlich gehen!"
Schwester Thera lachte vergnügt. Sie klatschte einmal in die Hände und griff
dann nach seinem Arm.
"Jetzt möchte ich, dass Sie bleiben! Das sind wir Ihnen schuldig! Wir haben Sie
zu Unrecht verdächtigt!" Sie zog Rayo in eine Art Speisesaal. "Wir haben auch
noch etwas zu Essen, also... Sie müssen hungrig sein, Miss Raya!"
Rayo spürte seinen Magen knurren. Ja, hungrig war er. Ungewollt hatte er auch
schon eine Zustimmung ausgesprochen.
>Nein! Jetzt muss ich auch noch warten, bis der Prinz kommt! Und bis er wieder
geht!<
Thera schien wirklich beschämt zu sein. Sie, eine Nonne, die Leiterin dieses
Klosters, hatte ein armes hungriges Mädchen verdächtigt, dem Prinzen
nachlaufen zu wollen. Aber der Prinz sah auch wirklich gut aus, das wusste sie,
das wusste das ganze Land. Mit einem stillen Lächeln betrachtete sie das
verwirrte Gesicht ihrer hübschen Besucherin, die das bescheidene Essen auf
ihrem Teller anstarrte, als wäre es ein Festmahl. Sie würde dem Prinzen
bestimmt auch gefallen - dieses aussergewöhnliche Gesicht, diese leicht fremden
Züge... Nur ihre Hände waren etwas zu groß für die eines Mädchens, das sah
man gerade jetzt, als sie zu Essen begann, besonders deutlich. Das arme Ding, da
hatte das Schicksal sie gestraft! Doch sie schien nicht viel zu arbeiten, ihre
Haut war hell und die Hände nicht abgearbeitet... waren ihre Eltern
wohlhabend?
>Mann, wenn die wüsste, dass ich ein Junge bin... die würde mich mit einem
Tritt vor die Tür setzen! Oder schlimmer...<
Rayo vertilgte das karge Mahl absichtlich langsam, damit er nicht reden musste.
Doch Schwester Thera schien auch nicht darauf aus zu sein, ihn mit Fragen zu
durchbohren. Vielleicht spürte sie, dass er nicht reden wollte.
Als er fertig war, wurde das Schweigen langsam unangenehm. Er wollte gerade
etwas sagen, als die Tür aufgestoßen wurde und eine aufgeregte Nonne in das
Zimmer gestürmt kam.
"Er ist da! Der Prinz ist da!" Sie lachte etwas dümmlich und hüpfte auf der
Stelle herum. Schwester Thera ließ sie mit einem strengen Blick verstummen und
stillstehen.
"Verzeiht, Schwester Thera, aber ich glaube, Ihr solltet jetzt zu ihm gehen, er
wartet im Empfangssaal!"
"Kommen Sie, Miss Raya!" Thera stand auf und schritt zur Tür. Rayo folgte ihr.
Aus dem Augenwinkel sah er, wie die andere Nonne ihnen ebenfalls folgte, nachdem
sie die Tür geschlossen hatte.
>Was mache ich jetzt... Wieso muss auch gerade heute ausgerechnet der Prinz in
diesem Kloster auftauchen und mich in eine so blöde Lage versetzen! Blöd ist
ja noch kein Ausdruck... Nun, aber wenigstens habe ich was zu Essen bekommen!<
Sie betraten den Empfangssaal. Rayo hielt den Blick gesenkt, damit nicht jeder
in dem Raum sein Gesicht sehen konnte. Gedämpfte Stimmen sprachen. Es schien
jeder in dem Kloster Lebender in diesen Raum gekommen zu sein. Nur, weil der
Prinz vorbeikam?
"Setzen Sie sich dorthin, Miss Raya..." Schwester Thera deutete auf einen Stuhl
und setzte sich auf den daneben. "Die Mutter spricht gerade mit dem Prinzen.",
flüsterte sie dann. "Sie ist dem Tode nahe und es war ihr letzter Wunsch, noch
einmal mit ihm zu reden. Ich weiß nicht warum, dabei kannten sie sich gar
nicht. Oder... der König kannte sie aus Kindertagen, vielleicht wollte sie
seinen Sohn einfach noch einmal kennenlernen, bevor sie von uns geht... der
König hat ihr den Wunsch erfüllt und seinen Sohn hierher geschickt!"
>Wen interessiert das schon...< Trotzdem nickte Rayo höflich. Er hob nun
endlich den Kopf, um sich umzusehen. Ein Bett stand in dem Raum und die
murmelnde Stimme kam vom Bett. Dort lag die Mutter... sie hielt die Hände des
Prinzen umfasst, doch der Griff schien nicht fest. Hatte sie keine Kraft mehr?
Noch nie hatte Rayo jemanden gesehen, der so kurz vor dem Sterben lag. Ihr
ergrautes Haar war offen und der ganze Körper erschlafft. Doch noch immer
redete die Todgeweihte. Und der Prinz...
Rayo riss sich vom Anblick der sterbenden Frau los und musterte den Prinzen. Er
sah wirklich gut aus, kein Wunder, dass man ihn verdächtigt hatte. Dem mussten
ja alle Mädchen nachlaufen! Wildes, pechschwarzes Haar umrahmte das schöne
Gesicht des Prinzen. Er wirkte irgendwie kalt. Der Anblick der sterbenden Mutter
schien ihn nicht zu berühren. Doch irgend etwas hatte er an sich, das Rayo
erröten ließ.
Er spielte die Rolle eines Mädchens und nun errötete er auch noch wie eines!
Peinlich! Und gerade in diesem Augenblick wandte der Prinz den Kopf um und sah
ihn direkt an - mit diesen stechend klaren grauen Augen. Hatte er seinen Blick
gespürt?
Rayo stellte entsetzt fest, dass er der einzige hier war, der den Prinzen ansah,
die anderen blickten züchtig zu Boden, oder zur Seite. Auch er senkte den Blick
wieder. Doch der Anblick von eben ließ ihn nicht mehr los. Was hatte er in den
grauen Augen gesehen? Verwirrung? Ärger? Nein, nicht wirklich Ärger, eher
Unbehagen. Er war es wohl nicht gewohnt, so angestarrt zu werden. Erst recht
nicht in einem Kloster!
"Sie sind ja ganz rot, Kind!", lächelte Schwester Thera neben ihm. "Ich wusste,
er würde Ihnen gefallen! Sie haben ihn wirklich noch nie gesehen?"
"Woher wissen Sie...?" Rayo wagte es nicht, ihr zu widersprechen und zu sagen,
er würde ihm nicht gefallen... denn welchem Mädchen gefiel dieser Junge nicht?
"...dass Sie ihn noch nie gesehen haben?" Schwester Thera lachte leise. Noch
immer unterhielten sie sich im Flüsterton. "Jedes Mädchen hätte mich
angebettelt, hierbleiben zu dürfen, aber Sie nicht und deshalb wollte ich auch
so unbedingt, dass Sie ihn sehen! Ich liebe es, junge Mädchen dabei zu
beobachten, wenn sie den Prinzen zum ersten Mal sehen! Sie sind alle gleich!"
>Oh, Mann! Gut, dass ich rot geworden bin<
Die alte Frau stand plötzlich auf. "Wir verlassen den Raum jetzt, die Mutter
braucht Ruhe!"
Alle anderen waren schon dabei, das Zimmer zu verlassen. Warum besuchten sie die
Mutter im Empfangssaal? Seltsam, aber er kannte sich hier eben nicht aus.
"Schwester Thera?"
"Oh, Prinz Daron!" Die Schwester lachte wie immer. "Sie sind wirklich ein
hübscher Bursche, so wie man es sich überall erzählt!"
>Sie nimmt sich wirklich kein Blatt vor den Mund< Rayo entfernte sich ein Stück
und beobachtete misstrauisch das Gespräch der beiden. Der Prinz schien ein
wenig verärgert über die Offenheit der Schwester, redete aber eindringlich auf
sie ein. Plötzlich bemerkte er, dass sie zu ihm herübersahen. Warum denn das?
>Beschwert der blöde Prinz sich jetzt etwa über mich, weil ich ihn eine
Sekunde zu lange angesehen habe? Doofer Typ!<
"Miss Raya? Kommen Sie mal herüber?" Widerwillig folgte er der Aufforderung,
spürte der durchdringenden Blick des Prinzen. Er warf ihm einen bösen Blick
zu, der mit höchster Verwunderung registriert wurde.
>Tja, Alter! Das hast du nicht erwartet, was? Dass dir ein Mädchen mal einen
Killerblick schickt!<
"Ich möchte Ihnen Prinz Daron Troya vorstellen. Prinz, das ist Miss Raya. Sie
hat um Asyl gebeten und hatte vor am heutigen Tage wieder abzureisen."
"Ganz genau!", stimmte Rayo bissig zu. Es fiel ihm schwer, bei seiner Wut noch
die Stimme zu verstellen. "Und ich habe es furchtbar eilig! Ich muss noch vor
Anbruch der Nacht daheim sein! Also muss ich mich wohl schon wieder
verabschieden! Schwester! Prinz Daron Troya!" Er machte einen Knicks, dessen
Misslingen wieder nur der weite Umhang verbergen konnte.
Der Griff des Prinzen um seinen Arm hielt ihn auf, als er sich gerade umgedreht
hatte und gehen wollte. Die Stelle, die er berührte, prickelte leicht, als
züngelte eine warme Flamme über seine Haut. Rayo hielt den Atem an. Langsam
drehte er sich wieder zu dem Prinzen um. Er war sauer. Was maßte dieser
Blödmann in der schicken Rüstung sich da eigentlich an? Er war doch bloß ein
Prinz! Und nicht der König.
"Prinz Daron wollte Sie bitten, ihn auf sein Schloss zu begleiten...", erklärte
Schwester Thera leicht verwirrt, aufgrund Miss Rayas kühlen Blickes, als diese
sich jetzt wieder zu Prinz Daron umdrehte.
>Nicht zu fassen, diese Anmaßung! Als ob ich nichts besseres zu tun hätte!<
"Tut mir aufrichtig leid, werter Prinz!" Sein Blick schoss giftige Pfeile, doch
die Stimme blieb entschuldigend. "Meine Eltern erwarten mich, ich hätte schon
längst zu Hause sein müssen, aber leider bin ich wohl zu lange bei meinen
Verwandten geblieben und habe es nicht geschafft, rechtzeitig mein Heim zu
erreichen. Es wird langsam Mittag, ich muss also los..."
"Ich schicke jemanden zu dir, der deinen Eltern die Lage erklärt und sie
beruhigt!" Die samtweiche, aber feste Stimme ließ Rayo bis ins Innerste
erbeben, dennoch schoss er weiterhin Blicke, die ihn auf der Stelle getötet
hätten, würde das gehen.
"Nein, nicht nötig, ich ziehe es vor nach Hause zu gehen! Mein Verlobter ist
bestimmt ausser sich vor Sorge!"
Die Augen des Prinzen zogen sich zu Schlitzen zusammen.
"Das ist aber schade für ihn!"
>Mistkerl!<
"Aber Prinz Daron!", keuchte Schwester Thera entrüstet. "Das könnt Ihr nicht
machen."
"Ach, kann ich nicht?" Die grauen Augen ließen Rayo nicht los, es war, als
wollte er ihn festnageln.
>Mich kannst du nicht einschüchtern!< Rayo blieb standhaft, funkelte den
Prinzen zornig an und riss dann mit einem Ruck seinen Arm los. Daron war viel zu
verblüfft, um ihn festzuhalten. Wer leistete dem Prinzen schon Widerstand?
>Ich!<
Er wirbelte herum und stürmte zur Tür hinaus. Dort, der lange Gang... Zur Tür
hinaus...
Ja, draussen! Rayo sprang ins Gebüsch, riss sich den Umhang herunter und
kletterte auf einen Baum. Da er auf einem Bauernhof aufgewachsen war, hatte er
logischerweise als Kind auch gelernt, auf Bäume zu klettern. Doch seit sie in
die Stadt gezogen waren, musste er etwas aus der Übung gekommen sein, Mit Mühe
erreichte er einen höheren Ast und versteckte sich halb hinter dem Grün der
Bäume.
Da lief auch schon der Prinz zum Tor hinaus.
>Blödmann!<
Er suchte hektisch die Gegend ab, doch da würde er lange suchen dürfen - Miss
Raya gab es nämlich nicht!
Die etwas langsamere Schwester Thera kam ebenfalls zur Tür hinaus und
Betrachtete den jungen Prinzen, der kaum älter als Rayo selbst sein konnte,
beim Absuchen der Büsche und der näheren Umgebung.
"Was tun Sie denn da?", fragte sie leicht säuerlich. "Sie ist verlobt, da haben
Sie nicht das Recht, die junge Miss Raya mitzunehmen! Ach, wenn ich das vorher
gewusst hätte..."
"Klappe! Ich mache, was ich will!" Der Prinz rief einem Jungen, der ein paar
Schritte entfernt wartete zu, er solle ihm sein Pferd holen. Rayo lachte leise
in sich hinein.
Daron stieg auf und ritt nun langsam in seine Richtung. Rayo musste sein Lachen
unterdrücken, doch dann rutschte er fast ab. Mit knapper Not konnte er sich in
den Zweigen halten, hing aber nun kopfüber vom Baum herunter. Und obwohl die
Welt Kopf stand, erkannte er wie Daron zu ihm hochsah und sein Pferd, einen
kräftigen schwarzen Hengst, stoppte.
"Hey, du da oben!", rief er. Rayo zog sich schnell hoch und kroch hinter die
Zweige zurück, so, dass man ihn nicht mehr genau sehen konnte.
"Ja?" Seine normale Stimme zu hören war etwas seltsam, nachdem er die ganz Zeit
so mädchenhaft geredet hatte.
"Hast du ein junges Mädchen mit Umhang hier vorbeilaufen sehen?"
"Eins auf einem Pferd?", fragte Rayo und musste sich beherrschen, um nicht dabei
zu lachen.
"Kann sein... hast du denn jetzt, oder nicht?" Der Prinz klang verärgert. Wieso
maßten sich hier alle Leute so ein Verhalten ihm, dem Prinzen, gegenüber an?
"Ja, schwarzes Haar... goldbraune Augen, hübsches Ding! Sie ritt auf einem
Schimmel die Lichtung herunter, hatte es wohl ziemlich eilig!"
"Ach, ja?" Der Prinz machte Anstalten, loszureiten, blieb dann jedoch noch
einmal stehen. "Komm da runter!"
>Scheiße!<
Rayo sprang vom Baum und senkte den Blick, damit man seine Augenfarbe nicht
erkennen konnte. Gleichzeitig biss er die Zähne zusammen, damit seine Züge
härter erschienen.
"Nimm das!" Rayo fiel ein kleiner Beutel mit einem Klimpern in die Hände. "Als
Dank für deine wertvolle Hilfe!"
Und damit verschwand er.
Verwirrt über die plötzlich so nette Geste starrte Rayo ihm nach. Das schwarze
Pferd raste, einem Pfeil gleich, die Lichtung herab. Hätte er auch ein noch so
gutes Pferd gehabt, als Miss Raya wäre er sicherlich nicht entkommen! Der
Hengst übertraf einfach alles Dagewesene.
>Und was soll ich jetzt machen? Na, ja! Wenigstens wurde ich nicht vom Prinzen
abgeschleppt! Ich bin jetzt zum Glück auch noch satt und es ist früh! Also
kann ich mich auf die Suche nach einem Rückweg machen!<
To be Continued...
So, das war's!
Der nächste Teil kommt demnächst auf jeden Fall!
Ich mag Rayos Selbstgespräche!
Wie findet ihr die FF? Wäre dankbar über Kommentare!
Bye
Tara(wieder mal unter Amys Nick)
Kapitel 2: Seltsame Entführung
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Konnichi wa
Hier ist Tara(wieder mal unter Amys Nick)
Also, hier nicht viel zu sagen: Der zweite Teil ist da!
Danke für die lieben Komentare und viel Spaß beim Lesen!
"..." Gesprochen
>...< Gedacht
>...< Rayos innere Stimme (wer auch immer das sein mag...)
Rayo ging in die Büsche zurück und hob den dort liegengelassenen Umhang auf.
Vielleicht konnte er sich von dem Geld ein Pferd kaufen. Das wäre eine
Möglichkeit. In der Stadt würde er das Tor zurück bestimmt nicht finden. Er
brauchte jemanden, der sich mit diesen Dingen auskannte. Also... zurück in die
Stadt und ein Pferd kaufen!
>Wenn das Geld reicht...<
>Ach, halt die Klappe! Es wird schon reichen!<
>Und wenn nicht?<
>Dann wird es schon irgendwie anders gehen!<
Rayo brach sein stummes Selbstgespräch ab und machte sich auf den Weg. Es waren
nur hundert Meter bis zum Tor in die Gassen zurück. Und von da aus war es auch
nicht weit zum Markt. Da herrschte natürlich wieder reger Betrieb. Rayo mischte
sich unter die Leute und suchte den Markt ab. Es gab viele Händler. Und
tatsächlich. Neben Händlern für Fleisch, Fisch, Tuch, Gewürzen und allen
anderen häuslichen Kram, gab es auch einen Pferdestall, der am eigenen Hof
gezüchtete junge Pferde vermietete und verkaufte.
"Verzeihung?", fragte Rayo einen älteren Mann mit lauerndem Blick und
schmierigen Gehabe, der wohl eindeutig der Verkäufer war.
"Hm?", knurrte der nur desinteressiert.
"Ich möchte gerne ein Pferd kaufen..."
"Oh, ach, ja, natürlich!" Der Mann war wie ausgewechselt, doch jedes Kind
hätte diese Fassade durchschaut. "Kommen Sie mit, wir haben hier eine Auswahl
von fünf Pferden! Sehen Sie sich jedes ruhig an! Sie sind gut ernährt und
versorgt! Züchtung erster Klasse! Sehen Sie sich dieses an! Kräftige Beine!
Stämmige Statur! Es wird ihnen gute Dienste leisten!"
Rayo hörte gar nicht zu, sondern musterte jedes der Pferde genau. Er war mit
Pferden aufgewachsen und stellte überrascht fest, dass diese sogar wirklich gut
versorgt waren und der Händler nicht versuchte, ihn über den Tisch zu ziehen.
Oder würde das erst bei Preis kommen?
>Nicht mit mir!<
Er blieb an einem Haflinger stehen. Er war nicht sehr groß, dafür kräftig. Er
würde eine gute Ausdauer beweisen können. Das Pferd warf ihm einen Blick zu,
der sagte, ,Hol mich bitte mal von dem weg!'. Rayo beendete seine Musterung und
sah zu dem Händler.
"Den Haflinger bitte. Wie viel wollen Sie?"
>Ich lass mich nicht über den Tisch ziehen.<
"Der kostet 13 Goldstücke und 20 Silberlinge!", erklärte der Händler mit
einem tückischen Funkeln in den Augen.
"Was?!", fauchte Rayo entsetzt. "Sind Sie verrückt..."
>Goldstücke? Silberlinge? Was ist das? Bin ich doch nicht in der Vergangenheit?
Aber wo dann?<
"Ich... ich hab mich versprochen, ich meinte natürlich 5 Goldstücke und 20
Silberlinge..."
>Ach, dachte der Händler, ich meinte den Preis?< Rayo schüttelte verwirrt den
Kopf.
"Hey, das ist jetzt aber der richtige Preis!", meckerte der Händler, der das
Kopfschütteln auf sich bezogen hatte.
"Aber natürlich..." Rayo zog den Beutel aus seiner Tasche und zählte fünf von
den goldenen Münzen ab. Schließlich nahm er noch eine Silbermünze, auf der
eine zwanzig stand.
"Danke..." Der Händler wirkte geknickt. Wieder hatte er seinen Kunden nicht
betrügen können.
Rayo seufzte, band den Haflinger los und führte ihn zur Tür.
"Mister, ich könnte Ihnen auch einen Sattel verkaufen..." Der Händler deutete
in eine Ecke des Stalls, wo Reitutensilien gestapelt waren. Rayo verneinte den
Vorschlag. Das Zaumzeug reichte ihm. Er war schon als Kind immer ohne Sattel
geritten. Und der Haflinger wirkte ruhig und ausgeglichen.
"Auf Wiedersehen!", verabschiedete er sich und verließ endgültig den Stall.
Der Haflinger schnaubte leise, als sie den überfüllten Marktplatz betraten.
Rayo wählte die einzige Richtung, die er kannte. Er verließ die Stadt durch
das Tor, durch das er sie eben betreten hatte. Er saß auf und warf einen Blick
zum Kloster. Niemand war dort, es schien wie ausgestorben. Es war aber auch
Mittagszeit. Vielleicht ruhten sie jetzt, oder was auch immer...
"Du bist doch dieser verlogene Bengel von vorhin, oder?"
Rayo fuhr vor Schreck zusammen. Diese eisige stimme kannte er doch... oder?
Er drehte sich halb im Sattel herum und erblickte den Prinzen, der auf seinem
schwarzen Hengst saß. Er kochte vor Wut, doch das war Rayo egal. Sollte er doch
kochen! Am besten verkochte er gleich! Dann war er ihn los!
Er musste gerade erst zurückgekommen sein, denn der schwarze Hengst war ausser
Atem. Na, um so bessere Chance für ihn, mit dem Haflinger zu entkommen. Denn
der war topfit!
"Ja, der bin ich!" Rayo drehte ihm wieder den Rücken zu, damit er sein Gesicht
nicht sehen konnte. "Aber wie kommst du auf ,verlogen'?"
"Das Mädchen, das ich suche, konnte nie und nimmer in diese Richtung geflohen
sein, es sei denn sie hat sich in den Tod gestürzt! Wie du weißt, ist dort ein
Abgrund! Sieh mich gefälligst an!"
"Vielleicht hat sie vorher die Richtung geändert, was weiß ich! Was geht mich
das an! Aber warum sollte ich dich ansehen?"
Er sprach absichtlich unhöflich mit ihm Siezte ihn nicht einmal mehr.
>Blödmann! Du kannst mich mal!<
"Jetzt dreh dich endlich um!" Daron klang richtig sauer, was Rayo durchaus
verstehen konnte. Doch seine Miss Raya war verlobt! Mit dem Scheinverlobten von
Niemandsland!
Widerwillig drehte er sich jetzt doch um. Daron war näher gekommen, als er
gedacht hatte. Würde er ihn erkennen?
"Warte mal... deine Augen... diese Haare..."
>Nein! Nein! Nein!<
"Bist du mit Miss Raya verwandt?", fragte Prinz Daron prüfend.
"Äh... Ja!" Die Erleichterung war übergroß. "Ich bin ihr Bruder..."
"Und dann hast du mich also doch angelogen?" Der Prinz wurde wieder wütend,
funkelte ihn mit seinen grauen Augen eisig an. "Und wo ist deine Schwester?"
"Ich muss meine Schwester vor dir schützen! Sie ist glücklich verlobt! Ich
kann es nicht zulassen, dass du sie entführst!"
Die Wut musste Rayo nicht einmal spielen. Die kam schon von allein. Diese Prinz
war einfach furchtbar arrogant!
"Dann..." Ein triumphierendes Grinsen breitete sich auf dem Gesicht des Prinzen
aus. "...werde ich eben dich mitnehmen! Wenn sie dich retten will, wird sie
kommen!"
>Es gibt sie aber nicht!<
Rayo stieß dem Haflinger die Hacken in die Seiten. Der wieherte überrascht auf
und preschte los, die Lichtung hinab. Daron rief noch etwas warnendes, doch Rayo
hörte nicht hin.
Er trieb den Haflinger nur weiter, wollte alles, nur nicht vom Prinzen
verschleppt werden. Sonst würde er niemals mehr nach Hause zurückfinden. Keine
sehr verlockende Vorstellung, für immer im Kerker des Schlosses zu hocken, weil
Miss Raya nicht vorbeikommen will - oder kann.
Der Haflinger erreichte das Ende der Lichtung und tauchte ins Unterholz ein.
Doch nicht lange ritten sie durch den Wald. Irgendwann hörte er abrupt auf.
Rayo hörte den Haflinger aufschreien. Ein kläglicher Laut voller Panik. Er
blieb stehen, rammte die Hufe in den Boden und rollte erschrocken mit den Augen.
Die Vorderhufe hoben vom Boden ab, Rayo hatte seine liebe Mühe, sich im Sattel
zu halten, schaffte es jedoch nicht. Und als er fiel, erkannte er auch den Grund
für das Erschrecken seines Pferdes. Der eben erwähnte Abgrund! Er versuchte,
nach irgend etwas zu greifen und sich festzuhalten, doch seine Hände fanden
keinen Halt.
Rayo öffnete die Augen. Er erinnerte sich noch schwach an einen Traum, der mit
dem Prinzen zu tun gehabt haben musste. Jetzt erst bemerkte er, wo er sich
befand. Erschrocken richtete er sich auf, doch ein heftiger Schmerz im Kopf,
ließ ihn zurücksinken. Er saß im Sattel.
>Im Sattel? Ich habe doch keinen Sattel gehabt...<
Das Pferd unter ihm lief nur im Schritt und hinter ihm... seine Stütze? Das
konnte ja nur einer sein...
Wieder richtete er sich kerzengerade auf, um dieser Berührung zu entkommen.
Daron drückte ihn verärgert zurück.
"Hör auf zu zappeln!", schimpfte er. "So kann ich die Zügel doch gar nicht
halten!"
Rayo bemerkte, dass Daron die Arme an beiden Seiten von ihm vorbeigelegt hatte,
und so die Zügel und ihn gleichzeitig im Sattel hielt.
Seufzend musste Rayo sich seinem Schicksal ergeben und sich zurücklehnen. Es
war ja keineswegs unangenehm, sich an den warmen Körper zu schmiegen.
>Was denke ich nur für nen Müll? Ich will nach Hause!<
"Deinen Haflinger habe ich hinten angebunden! Du bist ja auch blöd! Reitest
genau auf die Schlucht zu! Vielleicht ist deine Schwester ja genauso kopflos und
jetzt wirklich unten in der Schlucht! Du hattest echt Glück! Du bist nicht tief
gefallen, nur auf so einem Vorsprung gelandet."
Er schien wirklich verärgert darüber zu sein.
>Ach, was! Er ist immer verärgert!<
>Und wenn er sich nun wirklich Sorgen um dich macht?<
>Bist du blöd? Bei dem kalten Blick? Und wieso sollte er?<
>Du bist der Bruder seiner Angebeteten!<
>Ja! Sähe schlecht für ihn aus, wenn er an meinem Tod schuld wäre! Miss Raya
wäre das dann jedenfalls egal!<
>Kannst du nichts ernst nehmen?<
>Nein!<
Somit unterbrach Rayo wie heute schon einmal sein stummes Zwiegespräch mit sich
selbst.
"Du bist deiner Schwester sehr ähnlich!", begann Daron plötzlich zu reden.
"Ja, und? Wir sind Geschwister, da kommt das schon mal vor!"
"Ich meine, auch Charakterlich!", knurrte Daron.
"Hast du sie denn schon besser kennengelernt?", gab Rayo abwehrend zurück.
"Ja!" Daron klang etwas missmutig. "Sie ist genau wie du! Verlogen, leicht
reizbar und hat gar keinen Respekt!"
"Ich lüge... nicht... und meine Schwester erst recht nicht!" Rayo frustrierte
dieses Gespräch so langsam. Dieser Hohlkopf hätte ihn doch einfach da liegen
lassen können, wo er hingefallen war.
"Und warum hat deine Schwester erzählt, sie würde hier irgendwo wohnen? Mit
einem Verlobten?"
"Hä?" Verzweifelt rutschte Rayo hin und her. Daron ließ das Pferd halten und
legte die Arme langsam um seinen Brustkorb. Sein Kinn stützte er auf Rayos
Schulter.
>Will er mir damit Angst machen, oder was?<
"Hier im Umkreis liegen insgesamt fünf Gestüte! Keiner auf diesen Gestüten
kennt Miss Raya, ihre Familie oder den Verlobten.", flüsterte Daron in sein
Ohr. "Wer seid ihr also? Und vor allem: Wo kommt ihr her? Und wo willst du jetzt
hin?"
Rayos Herz klopfte unnatürlich heftig und schnell. Es war, als wollte es
zerspringen. Hatte er etwa Angst? Vor dem Prinzen?
Aber das, was er fühlte, konnte keine Angst sein. Es war etwas anderes,
unbestimmtes. Seine Nähe war anders als die jedes anderen. Sie war viel
intensiver, etwas in ihm sog dieses Gefühl auf, hielt es fest.
Rayo konnte sich nicht bewegen. Er war wie erstarrt in der Trance.
"Wenn du meine Schwester suchst... sie wirst du nicht finden!", schaffte er es
trotzdem zu antworten. "Und sie wird auch nicht kommen, um mich zu befreien!
Egal, wie lange du mich festhältst!"
"Deine Schwester interessiert mich im Moment recht wenig... jetzt will ich nur
wissen, wer du bist!"
"Ich..."
>Geht den das was an? Soll ich ihm etwa noch mehr Karten in die Hand spielen?<
"Ich verrate es dir nicht!" Rayo brachte ein Kopfschütteln zustande.
"Dann sag mir, wohin du willst!", verlangte Daron im Flüsterton, nahe seinem
Ohr. Seine Hände strichen sanft über Rayos Brust. Der sog scharf die Luft
ein.
>Meine Kopfverletzung ist doch schlimmer, als ich dachte!<
"Ich will nach Hause!" Diesmal war er ehrlich. Ja, er wollte nach Hause! Und
diesmal würde es nicht bei zwei Gläsern Cola bleiben. Er brauchte dringend
Fast Food.
>Nen fetten Hamburger... mit Pommes und ner großen Cola!<
"Nach Hause!", wisperte Daron. "Und wo liegt das?"
Das betäubende Gefühl in ihm breitete sich bis in jede Haarspitze aus. Seine
Nackenhärchen hatten sich kribbelnd aufgestellt, jede Bewegung der Finger auf
seiner Brust wurde registriert. Die warmen Schauer, die durch seinen Körper
jagten ließen ihn leise seufzen.
"Weiß nicht!" Die Antwort kam verspätet, aber Daron hatte scheinbar nicht
vergessen, worum es ging.
"Dann kann ich dich nicht einfach gehen lassen!"
Rayo durchbrach die Sperre in seinem Körper. Er richtete sich mit einem Ruck
auf. Daron nahm sofort seine Hände weg und griff wieder nach den Zügeln.
"Ich werde gehen!" Rayo machte Anstalten, vom Pferd zu springen, doch ein
leichtes Schwindelgefühl und Darons Arm hielten ihn zurück.
"Du bist verletzt!" Daron zog ihn wieder zurück in den Sattel. "Wir reiten zum
Schloss! Befehl des Prinzen Troya!"
"Du bist nicht mein Prinz!" Doch Rayo ließ es geschehen, dass Daron sein Pferd
zu einem leichten Trab antrieb und weiter ritt.
>So ein Mist! Der will mich doch tatsächlich mitnehmen!<
>Du bist ja auch so blöd und lässt dir das gefallen!<
>Was?! Denkst du etwa, ich mache das hier mit Absicht?<
>Nicht?<
>Bist du verrückt?!<
>Dafür, dass du das hier alles unfreiwillig machst, wehrst du dich aber
recht wenig!<
>Unverschämtheit! Wie soll ich mich bitte wehren?<
>Wie wäre es mit Absteigen? Oder dafür sorgen, dass sein Pferd durchgeht?<
Nachdenklich rieb Rayo sich den schmerzenden Kopf. Daron seufzte genervt und zog
seinen Arm wieder runter.
"Ich kann gar nichts mehr sehen, wenn du dauernd deine Flossen im Weg hast!",
meckerte er.
Rayo musste unwillkürlich grinsen. Das war's doch!
Er drehte sich im Sattel um und hielt dem Prinzen die Hände über die Augen.
Der fluchte laut und ließ die Zügel fallen, um sich zu befreien.
>Dich Chance muss ich nutzen!<
Rayo ließ von seinem Opfer ab, wirbelte herum und riss die Zügel an sich. Der
Hengst bemerkte natürlich, dass irgend etwas vor ging und tänzelte nervös,
als Rayo ihn stoppte.
"Gib mir sofort die Zügel zurück!", schrie Daron und versuchte ihm sie
irgendwie zu entwinden.
"Das hättest du wohl gerne, du Möchtergernprinz! Wir reiten zurück!"
"Du kannst das Pferd sowieso nicht reiten!", schimpfte Daron weiter. "Das endet
nur in einer Katastrophe!"
"Wieso sollte ich es nicht reiten können!" Rayo gab dem Hengst seine Hacken zu
spüren. Der schien dabei zu sein, total auszurasten, da ihn das Treiben der
beiden Streithähne auf seinem Rücken verängstigte und rührte sich keinen
Zentimeter.
"Jetzt gib mir die Zügel zurück! Ich befehle es dir!"
"Nein!"
>Da kannst du lange warten! Ich werde abhauen!<
Rayo warf die Zügel nach vorne, über den Pferdehals, so dass sie nach unten
baumelten und Daron sie nicht mehr erreichen konnte. Dann schwang er ein Bein
über den Rücken des Pferdes und sprang zu Boden. Er schmerzhaftes Pochen in
seinem Kopf ließ ihn zusammenzucken.
>Ich darf jetzt nicht schlappmachen!<
"Bleib hier!" Daron schien erkannt zu haben, dass er die Zügel so schnell nicht
wiederbekam und folgte ihm mit einem Sprung vom Pferd. Rayo war gerade damit
beschäftigt, den Haflinger, dessen Zügel hinten am Sattel des Hengstes
befestigt waren, zu befreien, als Daron ihn erreichte.
"Du wirst hierbleiben!"
Er schubste ihn von dem Pferd weg und stellte sich davor, die Hände
gebieterisch in die Hüften gestemmt. Da er ein gutes Stück größer war, als
Rayo, kam auch noch dazu, dass er auf ihn herab sah.
>Dieser blöde... ich kann ihn nicht leiden!<
"Ich werde ganz bestimmt nicht hierbleiben!", fauchte Rayo. "Wie willst du mich
denn davon abhalten, abzuhauen?"
"Ich könnte dich bewusstlos schlagen! Als du bewusstlos warst, konnte ich dich
sehr viel bequemer transportieren!"
>Transportieren?! Was bin ich denn? Eine Ware, die man so einfach mal mitnehmen
kann, wenn man Lust dazu hat? So... So was Eingebildetes habe ich noch nie
gesehen!<
"Wie kommst du denn nur darauf, mich einfach mitzunehmen?", fragte Rayo zornig.
"Deine Schwester wird ja doch kommen, um dich zu retten! Deshalb!"
>Miss Raya ist doch schon da, du Idiot!<
"Meine Schwester wird nicht kommen! Sollen wir wetten?" Rayo funkelte ihn
entschlossen an.
"Nun, worum wetten wir?", ging Daron sofort darauf ein.
"Sagen wir... wenn meine Schwester nicht in einer Woche ein Lebenszeichen von
sich gegeben hat, lässt du mich gehen!"
"Und was habe ich nun davon?", knurrte Daron. "Nun... gut, ich nehme deine
Bedingungen an. Mein sind folgende: Sollte sie innerhalb einer Woche auftauchen,
wo und wann ist egal, sorgst du dafür, dass sie bei mir bleibt!"
"Okay!"
>Die Wette hast du jetzt schon verloren!<
Zwar würde Rayo dann noch eine Woche länger in diesem Kaff herumhängen
müssen, aber er würde wohl nicht darum herumkommen. Er fügte sich also in
sein Schicksal und freute sich auf das dumme Gesicht des Prinzen, wenn er die
Wette verlor. Es würde für ihn eine reine Freude sein, zu beobachten, wie der
Sohn des Königs immer nervöser wurde und die Zeit immer knapper.
"Lass uns die Wette besiegeln!" Der Prinz hielt ihm die Hand hin. Rayo griff
automatisch danach. Daron schüttelte sie kurz und zog den entsetzt
Aufkeuchenden dann mit einem Ruck nah zu sich heran.
"Und wehe du hältst dich nicht daran...", wisperte er bedrohlich, drehte sich
dann weg und ließ Rayo einfach stehen. Der stand noch immer total perplex da
und starrte an die Stelle, an der Daron gerade gestanden hatte. Als er merkte,
dass er die Hand noch immer erhoben hatte, ließ er sie erschrocken sinken und
sah zu dem Prinzen herüber.
"Kann ich jetzt wenigstens auf meinem eigenen Pferd reiten?", fragte er gedehnt
und beobachtete Daron dabei wie er die Zügel richtete.
"Nein!"
"Aber ich halte mein Wort, ich werde jetzt doch nicht mehr weglaufen!",
versicherte Rayo ehrlich.
"Nein!"
"Ach, komm schon!", bat Rayo.
"Nein!"
"Daron!" Er warf ihm einen bittenden Blick zu. "Denkst du, diese Augen können
lügen?"
>Jetzt müsste er ja auch nein sagen!<
Daron hielt kurz bei seiner Tätigkeit inne und blickte ihm ins Gesicht.
"Ja!" Daron schien auch nicht vorzuhaben, in absehbarer Zeit mal weiterzumachen,
denn sein Blick hing unverwandt an Rayos Augen, was den sehr verwirrte.
>Was will der denn? Ist das wieder so eine Einschüchterungsmethode wie gerade
eben?<
"Du lügst dauernd! Das scheint bei euch in der Familie zu liegen!" Daron
lächelte ernst. Rayo warf ihm einen finsteren Blick zu.
"Aber du bist noch viel schlimmer!", behauptete er kleinlaut. "Was ich gemacht
habe, war nur eine Notlüge! Ich würde aber nicht auf die Idee kommen, jemanden
einfach so zu verschleppen! Machst du das öfter?"
"Nein!" Daron zuckte mit den Schultern. "Eigentlich war das nie nötig! Sonst
kommen immer alle freiwillig mit! Jeder reißt sich doch darum, einmal ins
Schloss zu kommen!"
"Du hast echt keine Skrupel! Ich habe halt wichtigere Dinge zu tun, als mir ein
Schloss vom Kerker aus anzusehen!"
>Das ist ein Verbrechen, werter Prinz!<
"Es war eben eine Notentführung!" Dem Prinzen schien das nichts auszumachen.
>Bah, widerlich! Notentführung!<
"Notentführung?", ächzte Rayo. "Dafür sollte man dich ins Gefängnis stecken!
Meine Schwester würde dir genau das gleiche sagen!"
"Deine Schwester ist auch genauso wie du!" Darons Augen musterten ihn von oben
bis unten. "Ihr seid genau gleich groß, habt die gleichen Augen und Haare, das
gleiche Temperament...!"
"Wir sind Zwillinge!", lachte Rayo verlegen.
>Wieder eine Lüge... Ich befürchte, er hatte recht!<
"Dann wird sie erst recht kommen!" Daron fühlte sich sehr bestätigt.
"Sie weiß doch gar nicht, wo ich bin!" Rayo fühlte sich zunehmend unwohler,
obwohl er schon gedacht hatte, unwohler konnte man sich nicht mehr fühlen.
"Ich habe so den Verdacht, du weißt, wo sie ist!", grinste Daron. "Ich werde es
wohl aus dir herauskriegen müssen..."
>Bitte keine Folter!<
"Ach, und wie?", fragte Rayo herausfordernd.
"Da können wir ja gleich mal mit anfangen!"
Rayo wich erschrocken zurück. Dabei stolperte er und fiel fast zu Boden.
>Was hast du vor? Weich von mir, du Parasit!<
Mit einem Sprung warf sich Daron gegen ihn und riss ihn so mit sich zu Boden.
"Ich werde dich auskitzeln, bis du nicht mehr kannst und alles tust, damit ich
bloß aufhöre!"
"Ich bin aber nicht kitzelig!", rief Rayo und versuchte sich von dem Gewicht zu
befreien, das ihn niederdrückte und am Boden hielt.
>Was soll das denn werden? Der hat sie nicht mehr alle! Auskitzeln! Pah!<
Plötzlich hielt Daron inne, zog sich ein Stück nach oben und sah ihn direkt in
die Augen.
"Nicht kitzelig?", fragte er enttäuscht. "Das ist aber schade!"
"Wenn ich es doch sage! Geh gefälligst von mir runter!"
Das er ihn so barsch angeblafft hatte, tat Rayo jetzt leid, denn er sah ganz
deutlich den Trotz auf dem Gesicht des Prinzen.
>Oh, nein! Jetzt bleibt er erst recht liegen!<
"Du willst einem Prinzen Befehle erteilen? Was bist du? Ein Straßenräuber?
Bettler? Oder lebst du in einer winzigen Wohnung in der Stadt?"
"Gar nichts von all dem!" Rayo stemmte sich mit den Händen gegen die Brust des
über ihm Liegenden. "Meine Familie hat ein eigenes Haus in der Stadt! Sie sind
keine Bettler! Oder sehe ich etwa so aus!" Im ersten Moment hatte Rayo von
seiner eigenen Stadt gesprochen, doch dann wurde ihm klar, dass Daron die andere
meinen musste.
"Du fühlst dich nicht gerade hager an, aber das heißt nicht, dass du dein
Essen nicht klaust!"
"Ich rede von der Kleidung!", regte der Schwarzhaarige sich auf. Daron
verschränkte die Arme auf Rayos Brust und legte das Kinn darauf. Prüfend sah
er auf den Stoff das Oberteils, betrachtete eine Weile die Nähte.
"Seltsame Kleidung!", murmelte er. "Sehr präzise genäht! Die Näherin möchte
ich gerne mal kennenlernen! Lebt sie in der Stadt?"
"Nein!" Diesmal war Rayo es, der knapp antwortete.
"Wie heißt du denn jetzt überhaupt... oder soll ich dich immer mit Trottel,
oder Idiot ansprechen? Oder soll ich Schwager sagen?"
Rayo hob die Hand und kniff Daron in die Seite. Der sprang erschrocken auf. Die
Gelegenheit nutzte Rayo und sprang ebenfalls auf die Füße.
"Was sollte das?" Der Prinz rieb sich die Seite. "Das war eine gemeine
Tätlichkeit!"
"Wenn Entführung hier erlaubt ist, wird es das wohl auch sein, oder?"
>Das hat er jedenfalls davon!<
"Wirklich?" Die grauen Augen blitzten tückisch auf. "Dann kann ich dich ja
foltern... wenn es doch erlaubt ist!"
"Ich hatte mich aufs Kneifen bezogen!"
>Meint der das jetzt ernst? Ich weiß nicht, was er denkt! Immer versucht er
mich einzuschüchtern, damit ich ihm sage, wo Raya ist! Wenn er wüsste... wieso
sage ich es ihm nicht einfach? Dann ist die Sache doch vorbei...
...und sein verärgertes Gesicht verpassen, wenn er die Wette verloren hat?
Nein!<
"Dann darf ich dich also kneifen?" Er schob Rayo auf das große schwarze Pferd
zu und deutete ihm, aufzusteigen.
"Ich sagte doch, ich reite selbst!", fauchte der Kleinere.
"Und ich sagte bereits Nein!"
Missmutig stieg Rayo auf den Rücken des Hengstes. Fast im selben Augenblick
hockte Daron sich hinter ihm auf das Pferd und ergriff die Zügel.
"Festhalten!", rief er. "Nicht mehr lange und wir sind da!"
"War ich so lange bewusstlos?", fragte Rayo. Das Schloss musste hinter dem
nächsten Hügel wieder zu sehen sein...
"Ja!", antwortete Daron auf seine fragen und trieb das Pferd an, das zugleich in
einen sagenhaften Galopp fiel. Die Landschaft um sie verwischte, zog wie in
Streifen an ihnen vorüber. Der Wind peitschte Rayo ins Gesicht und schmerzte in
seinen Augen. Sie erreichten die Hügelkuppe und vor ihnen ragte das Schloss in
den Himmel. Sie waren wirklich fast da. Noch den Hügel runter und schon
erreichten sie das Tor.
Er wurde wohl schon erwartet, denn das Tor wurde auch gleich heruntergelassen.
Daron lenkte den Hengst über die Zugbrücke auf den Schlosshof. Sofort kam ein
Junge in Stallkleidung herbeigelaufen und nahm dem Prinzen die Zügel ab, als
dieser zusammen mit Rayo abstieg.
Als Rayo einen Blick auf seinen Haflinger warf, stellte er fest, dass der total
ausser Atem war. Er musste erste Probleme gehabt haben, das Tempo mitzuhalten.
Er ging auf ihn zu und klopfte beruhigend seinen Hals.
"Kümmere dich auch um das Pferd unseres Gastes!", verlangte Daron
gebieterisch.
>Gast?<
>Er wird dich wohl doch nicht wegsperren!<
>Na, hoffentlich!<
>Hast du denn gar kein Vertrauen in dein Gefühl?"
>Wenn du das bist, dann nicht!<
>Na, danke!<
>Aber gern geschehen!<
"Kommst du endlich?"
Rayo nickte in Gedanken versunken und folgte Daron.
"Ich werde also nicht in den Kerker gesperrt?", fragte Rayo schon halbwegs
erleichtert.
"Wenn du den vorziehst, lässt sich da bestimmt was machen!"
"Nein, lass mal lieber!"
>Ich hatte Recht! Er hat sie nicht mehr alle!<
"Gut... du wirst dann in das Zimmer neben meinem ziehen! Ich will dich im Auge
behalten können!"
"In das... neben deinem?"
"Wenn ich nicht wüsste, dass du völlig ausrastest, würde ich dich direkt in
mein Zimmer sperren!"
>Er will mich doch wegsperren!<
>Tja, Pech!<
>Gut, dass ich dir nicht vertraut habe!<
"Du würdest also ernsthaft daran denken, mich in... deinem Zimmer... hast du
denn nur eins?"
"Nur ein?" Daron lachte laut. "Natürlich nicht! Wo denkst du hin! In eines
meiner Zimmer!"
Rayo wurde misstrauisch.
"Und das neben deinem gehört also nicht dir?", fragte er säuerlich.
"Nun... Doch!"
"Hab ich es mir doch gleich gedacht!"
>Betrüger!<
"Was gedacht?" Daron grinste. Jetzt, da er Rayo sicher in seinen vier Wänden
hatte, war er wohl äußerst zufrieden. "Da du immer lügst, ist mein Misstrauen
dir gegenüber doch berechtigt, oder?"
>Was wohl heute im Fernsehen läuft...<
"Mir fällt gerade ein, du hast ja keine Sachen...", überlegte Daron kaut.
"Egal, ich gebe dir einfach von mir welche!"
>Ich verpasse bestimmt alle meine Lieblingsserien!<
"Dein Zimmer ist hier hinten!" Sie erreichten das Ende des Ganges. Daron
öffnete eine Tür und zeigte ins Zimmer.
>Die essen mir zu Hause bestimmt alles weg! Dabei sollte es heute meine
Lieblingsspeise geben... Kohlrouladen! Mann, was gäbe ich jetzt dafür,
mitessen zu können!<
"Du sagst ja gar nichts mehr!" Rayo schreckte aus seinen Gedanken hoch und sah
in Darons überraschtes Gesicht.
"Ich habe nachgedacht!", entschuldigte Rayo sich leise.
"Ach, und worüber?", fragte Daron.
"Daran, was es wohl zu Essen geben könnte...", grinste Rayo, doch irgendwie
fühlte er sich nicht wohl.
>Ach, ne! Das hätte ich nie gedacht! Wer fühlt sich schon im Hause seines
Entführers wohl? Na, ich bestimmt nicht!<
"Es gibt das, was ich möchte!", erklärte Daron bestimmt.
>Natürlich! Wie hätte es auch anders sein können?!<
"Und das wäre?", fragte Rayo trocken.
"Ähm... lass mich mal nachdenken!... Sagen wir, dir zu Ehren, kochen wir das,
was zu haben willst!"
"Wie gnädig!" Auf Darons wütendes Schnauben hin, lächelte Rayo
entschuldigend.
"Ich möchte Kohlrouladen!", legte er ihm dann seinen Wunsch vor.
"Kohl-was?" Daron legte verwirrt den Kopf schief.
"Rouladen!"
>Kennt der das nicht...?<
"Was sind denn Rouladen?"
>Wie er es schon ausspricht! Der kennt das tatsächlich nicht!<
"Kohlrouladen bestehen aus Kohl, in den Hackfleisch eingewickelt ist! Der Kohl
muss vorher gekocht werden, dann nimmt man die größten Blätter zum Einwickeln
des in kleine Portionen geteilten Fleisches!"
"Du kannst kochen?", fragte der Prinz perplex. "Du bist ein Junge, kein
Mädchen!"
"Jeder Junge sollte kochen können!", meinte Rayo abwinkend. "Wer nicht kochen
kann, der kann nicht für sich selbst sorgen! Stell dir mal vor, ich würde
irgendwann alleine leben wollen! Wäre doch blöd, wenn ich nicht kochen
könnte!"
"Alleine?" Daron schien irgendwie fassungslos. "Aber ein Mann heiratet doch...
es reicht, wenn die Frau kocht... man lebt eigentlich nicht alleine..."
"Dann eben nicht..." Rayo ging in das Zimmer und sah sich um.
>Wo wir jetzt das Thema Kohlrouladen so lang und breit diskutiert haben, habe
ich Hunger darauf... Er könnte doch...<
"Das Zimmer ist in Ordnung!" Rayo hatte es sich zwar nicht richtig angesehen, es
war ihm aber auch eigentlich egal. "Wo ist die Küche?"
"Küche?" Daron schien nicht zu begreifen.
"Ja... die Küche..."
"Den Flur runter, die Treppe, zwei Stockwerke tiefer und dann die dritte Tür
links... Wieso?"
"Danke!" Rayo hatte sich fest vorgenommen, Kohlrouladen zu machen. Das würde
ihn erstens etwas ablenken und zweitens würde ihm das den lästigen Prinzen vom
Hals halten. Denn der hatte die Küche wohl noch nie betreten und würde es
bestimmt nicht in allzu ferner Zukunft tun.
"Warte doch!" Daron war über das Verhalten seines ,Gastes' total verwirrt. Doch
der war schon weg und Daron stand alleine in dem Zimmer, das sein zukünftiger
Schwager nun bewohnte. Wenigstens würde seine Schwester dann auch kochen
können...
Rayo betrat die Küche und sah sich um. Ein junger Koch und drei Köchinnen
blickten ihm überrascht entgegen.
"Guten Tag...", grüßte er verlegen. Wie sollte man denen erklären, dass er
kochen wollte? "Ich wollte in ihrer Küche gerne etwas zubereiten, wenn das
möglich wäre..."
"Etwas zubereiten?", fragte eine Frau mit Kochschürze. "Bist du denn Koch?"
"Nicht direkt, aber ich kenne ein neues Gericht und wollte es gerne
ausprobieren."
"Ein neues Gericht?", Der Koch und die Köchinnen waren sofort neugierig bei der
Sache.
"Neue Rezepte sind bei uns immer erwünscht!", sagte eine ältere Köchin. "Bist
du Lehrling bei jemandem und hier zu Gast?"
>Der Lehrling meiner Mutter in Sachen kochen...?<
"Ja, so in der Art..."
"Um was für ein Gericht handelt es sich denn?", fragte die Köchin weiter.
"Kohlrouladen!", erklärte Rayo bereitwillig. Ratlose Gesichter waren die
Reaktion.
"Kohl...rouladen...", sprach die Köchin mit der Schürze langsam.
"Also, ich bin dafür, dass wir es ausprobieren!", rief der enthusiastische
junge Mann aus. "Mal sehen, vielleicht schmeckt es seiner Majestät ja!"
>Ich wollte eigentlich nicht für den König kochen! Nein! Immer ich!
Verdammt!<
"Machen wir das!"
Und somit fing Rayo an, den vier folgsamen Schülern beizubringen, wie man
Kohlrouladen zubereitete...
"Fertig!", rief Rayo aus und schnupperte begeistert an der köstlich gewordenen
Soße.
"Das ist einfach phantastisch.", freute sich die ältere Köchin. "Ich bin noch
nie darauf gekommen, dass man Kohl auch braten kann!"
"Das kann man auch mit Blumenkohl machen!", erklärte Rayo weiter. "Schmeckt
wirklich köstlich, wenn man es gut würzt!"
"Wir können das Essen gleich anrichten!", berichtete der junge Koch. "Dya,
bringst du die Schüssel mit den Kartoffeln schon mal raus?"
Die Frau mit der Schürze nickte, nahm sich die Schüssel und ging zur Tür
heraus.
"Reicht denn eine Schüssel?", fragte Rayo vorsichtig.
"Der König, die Königin und sein Sohn essen immer allein...", erklärte die
junge Köchin. "Ach, ja! Ich habe gehört, heute wäre noch jemand da! Der
zukünftige Schwager des Prinzen!"
"Ich wusste ja gar nicht, dass er vorhat zu heiraten!", freute sich die ältere
Köchin.
"Ja, schön, nicht! Wird auch Zeit!"
>Oh, Gott! Alle Welt verbündet sich gegen mich!<
"Da muss er sich aber schwer verliebt haben, wenn er die Entscheidung so
plötzlich trifft!", lachte der junge Koch.
"Ja, er hat immer gegen eine Heirat protestiert..."
>Würg! In mich verliebt! Pah! Der will mich nur in den Wahnsinn treiben! Der
ist verrückt!<
"Der König und die Königin gehen zu Tisch!", rief Dya, als sie in die Küche
kam. "Also muss das Essen jetzt auf den Tisch!"
"Und der Prinz ist noch nicht da?", fragte die ältere Köchin verdutzt. "Der
ist doch sonst immer so schnell bei Tisch!"
>Das sieht ihm ähnlich... es könnte ihm ja jemand was wegessen!<
>Wer hat denn gerade darüber gejammert, dass ihm zu Hause jemand was
wegessen könnte?!<
>Weiß nicht...<
>Tu doch nicht so!<
>Ich weiß nicht, was du meinst...!<
"Ich muss glaube ich noch etwas erwähnen!" Die Köchinnen und der Koch drehten
sich verwundert zu ihm um. "Dieser Schwager, den ihr erwähnt habt... das bin
ich! Aber ich bin nicht wirklich..."
"Oh!", kam ein verwunderter Ausruf aus allen Richtungen.
"Dann ist der Schwager also in der Ausbildung zum Koch!", rief Dya freudig aus.
"Dann kann er uns ja noch mehr neue Rezepte beibringen!"
>Das ich Koch werde, ist mir total neu!<
"Wirklich? Der Schwager?" Die ältere Frau lächelte glücklich. "So einen
netten Jungen wie dich kann man sich ja nur zum Schwager wünschen!"
"Also, ich bin nicht...!" Verzweifelt versuchte Rayo sich die Aufmerksamkeit der
Anderen zu erkämpfen. "Meine Schwester... sie ist nicht mit Daron..."
"Dann solltest du jetzt schleunigst zu Tisch gehen!", scheuchte ihn der junge
Mann. "Das geht ja nicht an, das ein Gast sich hier selbst bekochen muss!"
"Halt!" Rayo stand schon im Gang, doch der Koch war wieder in der Küche
verschwunden.. "Ich..."
>...bin nicht der Schwager des Prinzen... Soweit kommt's noch!<
"Da bist du ja, mein lieber Schwager!" Daron nickte dem Koch, der beim Klang
seiner Stimme überrascht zur Tür hinaustrat, zu und griff nach Rayos Arm. "Ich
habe dich gesucht!"
Er zog Rayo die Treppen wieder hoch und über einen Gang.
"Was soll das?", fauchte Rayo und versuchte sich loszureißen. "Ich bin doch gar
nicht dein Schwager! Du kannst das doch nicht einfach hier überall
herumerzählen!"
"Kann ich nicht?" Daron blieb stehen und drehte sich zu ihm um. "Und noch was:
Du warst also wirklich in der Küche?"
"Ich habe dir doch gesagt, ich gehe was kochen..."
"Ich habe es dir nicht abgekauft!" Daron sog die Luft durch die Nase ein. "Es
riecht lecker! Und das kocht man bei euch zu Hause?"
"Ja, das und anderes..." Rayo zerrte noch einmal an dem umklammerten Arm, doch
da Daron stärker war als er, gab er dieses sinnlose Unterfangen wieder auf.
"Au, ja!" Darons Augen leuchteten plötzlich auf.
>Oh, nein! Er hat eine Idee!<
"Wenn das Essen so gut schmeckt wie es riecht, stelle ich dich als Koch ein!"
>Nein!<
"Vergiss es!", knurrte Rayo. "Ich werde nächste Woche wieder gehen! Und du
lässt Raya gefälligst in Frieden! Du hast doch gehört, dass sie verlobt ist!
Und falls du es nicht begriffen hast: Sie will nichts von dir!"
"Wenn du ihren Blick gesehen hättest, als sie mich in dem Kloster ansah,
würdest du das verstehen! Sie ist sogar rot geworden!"
>Nein! Nein! Nein! Ich hasse dich! Ich hasse dich! Nein! Nein! Nein!<
"Ganz eindeutig ist sie in mich verliebt! Sie will es sich nur nicht
eingestehen!"
>Liebe... Ich und er... Der ist total durchgeknallt...<
"Sieht dich nicht jedes Mädchen im ganzen Land so an?", fragte Rayo trocken.
"Aber keine ist so wie sie!" Daron ergab sich in Schwärmereien.
>Das kann ja heiter werden!<
"Ihr Gesicht ist aussergewöhnlich! Diese goldbraunen Augen... das Haar! Ach,
einfach alles an ihr ist toll!"
"Ach..."
>Miss Raya trug einen weiten Umhang... was, wenn sie fett wie eine Tonne
wäre... Hehe...<
>Oder ein Junge...<
>Klappe!<
Leider stimmte Zweiteres. Unter dem Mantel verbarg sich ein Junge! Und leider
war er dieser Junge und durfte sich jetzt anhören, was an ihm dem Prinzen
besonders gut gefiel.
"Meine Schwester ist dicker als ich!", erklärte Rayo mit ernster Miene. "Und
ihre Hände sind zu groß! Ich glaube, das können sie sich von der Schwester im
Kloster bestätigen lassen! Ich habe beide zusammen gesehen!"
"Du warst also die ganz Zeit in ihrer Nähe?", fragte Daron. In seine Augen trat
ein wachsames Funkeln.
>Mist!<
"Ein Mädchen darf nicht alleine reisen!", erklärte Rayo. "Jemand muss doch auf
sie aufpassen! Ein weiterer Grund, warum ich nicht mit dir auf das Schloss
kommen wollte! Meine Schwester ist einfach so losgeritten und nun passt keiner
auf sie auf!"
"Und ihr Verlobter? Wäre das nicht seine Aufgabe gewesen... wenn es überhaupt
einen Verlobten gibt?"
"Es gibt einen, aber der hatte einen Reitunfall und sich den Knöchel verrenkt!
Er kann nicht laufen! Und wozu gibt es denn Brüder?!"
Darons Blick blieb zweifelnd. Rayo wusste, er glaubte ihm kein Wort. Aber waren
seine Argumente nicht stichhaltig?
>Daron ist einfach zu schlau! Zu blöd auch! Wieso schafft er es, mich zu
durchschauen? Ich bin ein guter Schauspieler!<
"Wie heißt denn dieser Verlobte?", fragte Daron etwas ärgerlich.
"Ähm..."
>Gute Frage!<
"Denkst du, ich würde dir das jetzt sagen?", lachte er schließlich. "Dann
könntest du ihn doch mit Leichtigkeit aufspüren und da er verletzt ist, hätte
er keine Chance gegen dich!"
"Ach, und wäre er gesund, hätte er eine?" Darons Blick wurde immer düsterer.
"Auf jeden Fall!"
>Da er unsichtbar ist, mein lieber Feind!<
"Das nimmst du zurück!" Daron sah aus, als würde er gleich vor Wut platzen.
>Ja! Ja! Platz! Los! In tausend Stücke!<
>Schön wär's, was?<
>Man wird doch wohl noch träumen dürfen!<
"Nimm es zurück!" Darons Griff um seinen Arm begann schmerzhaft zu werden.
"Ja, ist gut!", keuchte Rayo wimmernd. "Vielleicht..."
Der Griff wurde wieder fester.
"Ja, auf jeden Fall würdest du ihn schlagen!", gab er widerwillig zu.
"So ist es schon besser! Und jetzt komm! Die anderen warten auf uns!" Und damit
zog er ihn einfach weiter.
To be continued...
Na, wie wars?
Würde mich über Feedback freuen!
Ciao
Tara
Kapitel 3: Unfreiwilliger Gast
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So... und hier ist wieder Tara(unter Amys Nick) mit dem dritten Teil der FF!!!
Rayos Reise wird weitergehen!!! ^^
Mir wurden auch schon einige Vorschläge gemacht wie die Woche so verlaufen
könnte! Und: Ja, ich werde diese Ideen verwenden! Das mit dem Gespräch
zwischen Daron und Rayo über Schwule und Lesben gefällt mir auch gut, ich
werde es wohl im vierten Teil einbauen! Danke!!!
Ich widme die Story allen, die dem Verlauf der Story bis jetzt gefolgt sind und
denen sie gefallen hat!
Das Pairing wird inzwischen klar sein, oder? Ha, ich freue mich auch schon
richtig darauf, die beiden zu verkuppeln... meint ihr, ich brauche da jemanden
neutrales, der den beiden einen kleinen Anstoß gibt??
Na, ja! Genug gelabert!
Viel Spass mit dem dritten Teil!
"..." Gesprochen
>...< Rayos Gedanken
=>...< Rayos innere Stimme (wenigstens führt er seine Selbstgespräche
leise...*g*<
"Daron!" Die helle Stimme seiner Mutter erklang, als sie den Speisesaal
betraten. "Warum hast du so lange gebraucht?"
"Ich musste meinen zukünftigen Schwager noch suchen!", erklärte der Sohn
unverblümt. "Er ist übrigens für das Essen da verantwortlich!"
"Ach?" Die etwas ältere Frau mit dem hübschen Abendkleid schob sich eine lose
Locke des ergrauenden blonden Haars hinters Ohr. "Er ist also Koch?"
"Nein!", erklärte Daron einfach weiter, ohne Rayo zu Wort kommen zu lassen.
"Seine Mutter hat ihm das Kochen beigebracht, weil sie der Meinung war, ein
Junge sollte für sich selbst sorgen können!"
Der dicke Mann an der Seite der Frau - eindeutig der König, aufgrund des
purpurnen Mantels, der über seinen Schultern lag - lachte schallend. Daron kam
eher nach ihm, denn er hatte die dunklen Haare seines Vaters. Die grauen Augen
jedoch hatte er wohl von seiner Mutter wie Rayo mit einem Blick zu besagter
feststellte.
"Eine seltsame Einstellung! Reicht es nicht, wenn die Frau das kann?", fragte
der König noch immer lachend. Doch man sah ihm seine Neugierde deutlich an.
"Das habe ich ihn auch gefragt, aber er ist sehr überzeugt von dieser
Meinung!", antwortete wieder einmal Daron.
"Wie heißt denn unser neues Familienmitglied überhaupt?", fragte die
Königin.
"Ich habe es euch doch alles erklärt!", seufzte ihr Sohn. "Ihr wisst doch, dass
er sich weigert, seinen Namen zu nennen!"
"Es stimmt also wirklich?", fragte der König in Rayos Richtung. Der nickte
nur.
>Mann, ist das unangenehm! Immerhin ist es der König! Es gibt nicht sehr viele
von diesen Leutchen und die sind sehr mächtig...! Ich widersetze mich einem
König! Wow! Bin ich blöd!<
"Das Essen riecht aber köstlich!", rief die Königin auf einmal aus. Sie schien
das Thema wechseln zu wollen. "Wir könnten dich als Koch fest anstellen, wenn
du noch mehr solcher Sachen drauf hast!"
"Nein... also, das ist ja nett gemeint, aber ich werde nicht hierbleiben! In
einer Woche werde ich wieder nach Hause gehen!"
>Ganz nach Hause! Zu Fernsehen und Fast Food!<
"Oh, aber warum denn? Das Leben hier ist doch viel angenehmer als in der Stadt!"
Der König fasste das doch hoffentlich nicht als Beleidigung auf, oder?
"Vielleicht!" Daron trat ihm gegen das Schienbein. Rayo zuckte zusammen, verzog
aber ansonsten keine Miene. "Ganz sicher ist es hier angenehmer, aber ich habe
mich um meine Familie zu kümmern!" Erst jetzt funkelte er den Prinzen böse an
und gab ihm seinen Tritt mindestens genauso hart zurück.
"Schade!" Die Königin schien nichts von dem Duell der beiden zu bemerken, das
sich jetzt in Form von wütenden Hieben und Tritten fortsetzte. Dann kamen zwei
Bedienstete, setzten ihnen die gefüllten Teller vor die Nase und verschwanden
dann wieder. Augenblicklich war der Konflikt vergessen.
"Guten Appetit!", sagte Rayo, während er das Besteck nahm und überglücklich
sein Essen betrachtete.
"Hä?" Rayo blickte zu Daron auf, der dieses intelligente Wort geäußert hatte.
"Was hast du gerade gesagt?"
"Guten Appetit!", wiederholte Rayo genervt.
"Und was soll das? Was geht es mich an, ob du einen guten Appetit hast?" Daron
schien an seinem Verstand zu zweifeln.
"Das ist ein Tischwunsch!", erklärte Rayo kurz angebunden. "Das sagt man, um
jemanden einen guten Appetit zu wünschen und nicht um jemanden zu sagen, man
hätte einen!"
"Komische Sitten habt ihr..."
>Das musst du gerade sagen! Steht hier Entführung auf dem Tagesplan?<
"Mir gefällt diese Sitte!", gab die Königin zu. "Liebling! Lass sie uns doch
im ganzen Land einführen, ja?"
"Natürlich, mein Schatz! Gute Idee!"
>Sind die irre?! Es ist gar nicht gut, dass ich in dieser Welt bin! Ich bringe
alles durcheinander! Die lernen wie man Kohlrouladen macht und führen jetzt
auch noch das ,Guten Appetit' ein...Gar nicht gut!<
Rayo verdrängte seine Zweifel und konzentrierte sich wieder auf sein Essen.
>Köstlich! Genial! Ich bin wieder so gut! Lecker!<
"Oh, schmeckt das gut!", lächelte die Königin begeistert. "Das machen wir
öfter!"
"Ey!" Rayo spürte ein Zupfen an seinem Ärmel. Er sah zu Daron herüber, der
neben ihm saß. "Was ist das hier?" Der Prinz deutete mit der Gabel auf die
braun und leicht grünen Blätter.
>Oh, Mann!<
"Das ist der gebratene Wirsing!", sagte er lahm und wandte sich wieder seinem
Essen zu.
"Sieht komisch aus!", jammerte Daron weiter.
>Musst es ja nicht essen!<
"Riecht aber gut!" Eine kurze Pause entstand, man hörte nur das Klappern des
Bestecks.
"Lecker!", rief da plötzlich der Prinz aus. Rayo schrak zusammen. "Das ist
gut!"
>Ich hätte gerade fast einen Herzschlag bekommen! Deshalb mag ich ihn nicht!
Immer bringt er mich aus der Bahn!<
"Einfach krass! Besser als Dyas Fleischauflauf!", jubelte Daron vor sich hin.
Rayo sah zu ihm herüber. Der Schwarzhaarige grinste von einem Ohr zum anderen.
>Ich habe ihn noch nie lächeln sehen - nicht so... immer nur so finster, oder
hämisch. So sieht er fast aus wie ein normaler Mensch! Würde er öfter so
lächeln könnte ich bestimmt besser mit ihm auskommen... sein Lächeln ist
wirklich schön!<
"Was guckst du so?", fragte Daron und riss ihn damit aus seinen Gedanken. Rayo
merkte erst jetzt, dass er ihn die ganze Zeit angesehen hatte und lenkte seine
Aufmerksamkeit zurück auf seinen Teller. Doch der war schon leer.
>Hey! War da nicht gerade eben noch eine halbe Kohlroulade übrig gewesen?<
Mit einem Ruck wirbelte er zu seinem Tischnachbarn herum. Der steckte sich
gerade das letzte Stück der Roulade in den Mund und sah ihn unschuldig und
kauend an.
>Ich hasse ihn!<
"Ist was?", fragte Daron. "Du hast aufgehört zu essen und da dachte ich du
wärst satt!"
"Meine... meine... Oh, du Schuft! Du wusstest genau, dass ich sie noch essen
wollte!"
"Wie kommst du denn darauf?"
"Ich gehe jetzt!" Rayo stand auf und lief zur Tür.
>Wenn ich nicht sofort hier rauskomme, schlage ich ihn K.O.!<
>Oder eher er dich!<
>Pah!<
>Sei froh, dass du ihm entkommen bist!<
>Ihm entkommen? ... Na, ja! Andererseits hast du recht!<
>Siehst du!<
>Bilde dir bloß nichts darauf ein!<
"Schwager!"
>Nein! Ich wusste, dass du Unrecht hattest!<
>Na, hör mal! Konnte ich das wissen?<
"Bleib doch mal stehen!" Daron holte ihn ein und verstellte ihm den Weg.
"Was denn?", fragte Rayo entnervt.
"Bist du jetzt wirklich sauer wegen dieser blöden Rollade? Wir haben noch genug
davon!"
"Ich bin nicht sauer!", fauchte Rayo.
>Jedenfalls nicht aus dem Grund, den du dir denkst! Ich lasse mich halt nicht
gerne entführen!<
"Und ausserdem..." Er grinste ihn an. "Heißt das nicht Rollade, sonder
Roulade!"
"Ist doch egal!" Daron griff nach seinem Handgelenk. "Wenn du in dein Zimmer
willst, bist du hier übrigens total falsch! Komm!"
Er zog Rayo den Gang zurück und hielt erst wieder vor dem Zimmer am Ende des
Ganges an, wo er ihn losließ.
"Da wären wir." Er öffnete die Tür und betrat das Zimmer. Rayo folgte ihm. Es
war ein großer Raum mit schönen Möbeln und weichen Teppichen.
>Sieht ihm ähnlich!<
Zwei weitere Türen führten in andere Räume. Rayo öffnete die eine und fand
sich in einem Bad wieder.
"Das Bad ist toll!", sagte Daron hinter ihm. "Wir haben neulich überall solche
einbauen lassen! Es gibt eine Art Rohr, durch das Wasser kommt! Wie das
allerdings funktioniert, weiß ich nicht!"
"Es gibt hier schon Pumpen? Revolutionär!"
"Pumpen?", fragte Daron. "Du weißt, wie das geht?"
"Ungefähr!" Rayo drehte den Hahn auf. Ein kleiner Wasserstrahl floß in das
Becken. "Das Wasser wird durch Druck in das Rohr gebracht. Das macht die
Pumpe!"
"Aha! Und sowas habt ihr bei euch auch?", wunderte der Prinz sich. "Dann seid
ihr aber sehr reich!"
"Nein, natürlich haben wir sowas nicht!", erwiderte der Kleinere hastig. "Wir
haben ein Schulprojekt gemacht!"
"Schulprojekt?"
"Ja!" Rayo nickte panisch. "Daher weiß ich das!"
Er verließ das Bad und öffnete die zweite Tür. Die führte in ein anderes
Zimmer.
"Das ist mein Schlafzimmer!", klärte Daron, der ihm gefolgt war, auf.
>Und ich soll nebenan schlafen?<
"Ach, wirklich?", fragte Rayo. "Und kann ich die Tür denn wenigstens
abschließen?"
"Nein, hier gibt es keine Schlösser in den Türen!"
>Was?!<
"Nicht wirklich, oder?", murmelte der Schwarzhaarige entsetzt.
"Ausserdem würde ich dann ja gar nicht aus meinem Zimmer kommen!", überlegte
der Prinz laut. "Von meinem Zimmer führt nur eine Tür in das Vorzimmer!"
"Vorzimmer?" Rayo kam eine schreckliche Ahnung. "Du willst mir doch nicht im
Ernst sagen, ich soll sozusagen vor deiner Tür schlafen?"
"Nicht nur sozusagen!"
>Waaah!<
"Das mache ich nicht mit!", sträubte sich Rayo.
"Bleibt dir etwas anderes übrig? Du kannst ja auch bei mir im Schlafzimmer
übernachten! Da hast du wenigstens ein Bett!"
Rayo ließ den Blick durch das Zimmer schweifen.
>Kein Bett!<
"Da schlafe ich lieber auf dem Boden!", versetzte er spitz. "Nie im Leben würde
ich mit dir in einem Zimmer schlafen!"
"Dann eben nicht!" Daron zuckte die Schultern. "Der Boden ist sicher auch
bequem! Aber sei vorsichtig! Das Zimmermädchen beschwert sich schon immer über
die fiesen Ratten! Die werden immer dreister!"
"Ratten?"
>Das mit der Dreistigkeit gucken sie sich bestimmt von dir ab! Das beste
Vorbild, das man sich wünschen kann!<
"Ja, und das sage ich nicht nur zur Abschreckung!" Daron machte ein ernstes
Gesicht.
>Lügt er? Er sieht nicht so aus!<
"Also sind hier wirklich...?"
"Ja!"
Rayo warf einen unsicheren Blick auf den Boden. War da nicht der Teppichrand
etwas angeknabbert? Und die Spuren unten an den Möbeln? Sahen die nicht wie die
Abdrücke von Zähnen aus?
"Überredet!" Ein letztes Mal huschten die goldbraunen Augen durch den Raum,
dann drehte er sich um und ging in Darons Schlafzimmer.
>Ich hasse Ratten!<
Darons Zimmer war sehr bequem eingerichtet. Rayo hatte den leisen Verdacht, dass
das alles in seiner Abwesenheit in der Küche geplant worden war, denn es
standen schon zwei Betten hier drinnen. Warum hatte er sich vorhin bloß nicht
genauer umgesehen? Verdammt! Und ob das mit den Ratten wohl stimmte? Er
bezweifelte es irgendwie...
>Ich hasse es, wenn jemand eine meiner Schwächen ausnutzt!<
"Wie ich sehe, hast du dich bereits umgesehen!", stellte Daron fest, der ihm
gefolgt war.
>Hat der eigentlich nichts besseres zu tun, als mir auf den Wecker zu fallen?
Hat der kein Hobby?... Ach, ja! Ich bin ja sein neues Hobby!<
"Sei nicht sauer!", sagte der Prinz grinsend. "So schlimm ist es doch auch
nicht, oder? Ich will nur dafür sorgen, dass du auch hierbleibst! Wenn du
abhaust, finde ich deine Schwester nämlich erst recht nicht mehr!"
"Wir hatten doch diese Wette! Wieso sollte ich da weglaufen?" Rayo seufzte etwas
gequält und ließ sich auf eines der Betten nieder.
"Runter da! Da schlafe ich!" Daron kam auf ihn zu und versuchte ihn mit leichtem
Schieben vom Bett zu befördern, doch Rayo hatte nicht vor, das Feld einfach so
zu räumen.
"Lass mich wenigstens aussuchen, wo ich schlafe, wenn ich schon hier
übernachten muss!"
Der Prinz ließ sich nun hinter ihm auf das Bett fallen, um ihn mit den Füßen
herunterzuschieben.
>Nicht mit mir!<
Rayo wich ihm zur anderen Bettseite hin aus. Daron lachte triumphierend und warf
sich auf ihn. Rayo fiel durch den Schubser nach hinten und landete schmerzhaft
auf dem Rücken. Der Aufprall wäre dank des Teppichs nicht so schlimm gewesen,
wäre Daron nicht durch die Wucht seines Angriffs mitgerissen worden. So landete
sein ganzes Gewicht auf dem armen Jungen.
>Ja, arm triffts genau!<
"Noch alles heil?", drang die besorgte Stimme des Prinzen an sein Ohr.
"Fast... dein Knie hat nur meine Niere getroffen und ein ganz klein wenig
gequetscht..." Mit schmerzverzerrtem Gesicht stemmte Rayo sich etwas hoch. Auch
Daron richtete sich in eine Sitzposition auf.
"Jammerlappen!", kommentierte er gelangweilt.
"Soll ich das mal mit dir machen? Und übrigens: Ich bin kein Sitzpolster!",
fauchte Rayo, da er es war, auf dem der Prinz da saß.
Der machte jedoch keine Anstalten, sich von seinem Schoß zu erheben.
"Ist doch bequem!"
>Der ist ja vielleicht einer! Total durchgeknallt!<
"Ich möchte aber gerne aufstehen! Du bist verdammt schwer!" Rayo wollte ihn von
sich herunterschieben, doch Daron hatte wohl wieder vor, ihn in die Ecke zu
drängen oder ähnliches, um ihn zum Reden zu bringen. Den Gesichtsausdruck
kannte er ja bereits.
"Willst du mir nicht endlich sagen, wie du heißt, damit ich dich mit
irgendeinem Namen ansprechen kann?"
"Nenn mich Münchhausen! Deiner Meinung nach lüge ich ja oft genug!"
"Münchhausen?!" Daron machte ein so dummes Gesicht, dass Rayo fast laut
losgelacht hätte. Aber er behielt seine Gesichtszüge unter Kontrolle - ganz im
Gegensatz zu dem Prinzen...
>Was grinst der denn so?<
"Münchhausen... Wäre ich du, hätte ich meinen Namen auch verschwiegen!" Daron
bekam einen ausgewachsenen Lachanfall und fiel dabei von Rayos Schoß. Sich
kringelnd vor Lachen richtete er sich schließlich wieder auf.
"Also, Münchhausen..."
"Ich heiße nicht Münchhausen!", knurrte Rayo. "Das hast du doch wohl nicht
ernst genommen, oder?"
"Du heißt also nicht...?" Daron war eindeutig total verwirrt.
"Münchhausen ist der Lügenbaron!" Rayo hatte unabsichtlich wieder ein Detail
aus seiner eigenen Welt gebraucht, von dem hier niemand eine Ahnung hatte. "Ich
sagte das deshalb, weil du immer behauptest, ich würde dich anlügen!"
"Tust du es denn nicht?" Prinz Daron stand jetzt auf und ließ sich ganz
nebenbei wieder auf dem Bett nieder. "Also: Wie heißt du wirklich?"
"Nenn mich Schwager! Jetzt weiß es sowieso jeder, dass du vorhast, meine
Schwester zu heiraten!"
>Das wird eine Hochzeit! Ich heirate einen Prinzen und bin gleichzeitig der
Schwager! Warum nicht auch gleich Pate des Kindes, das ich in die Welt setzen
werde... Hey! Ich werde Mama! Wie will der Prinz mit mir einen Thronerben
zeugen? Was für eine Vorstellung!< Tatsächlich schlich sich doch das Bild von
sich und dem Prinzen in seinen Kopf wie sie sich umarmten... und wieder brachte
es ihn dazu, zu erröten...
>Warum bloß? Ich bin doch kein Dampfkessel, dass mir dauernd die Hitze ins
Gesicht steigt, wenn... ja, wenn ich an diesen Idioten denke... Das liegt
bestimmt daran, dass mir das mit Raya immer noch peinlich ist. Ich habe ja auch
noch nie jemanden so oft und schlimm belogen!<
"Was hast du nur gegen mich?", fragte Daron säuerlich. Rayo war froh, dass er
ihm nicht ins Gesicht sah und die verräterische Röte entdeckte.
"Ich kann deiner Schwester alles geben!", fuhr er unerschütterlich fort.
"Reichtum! Kleider! Schmuck! Kohlrouladen!"
"Sie ist verlobt!", fügte Rayo hinzu, dessen Gesichtsfarbe sich wieder
normalisiert hatte.
>Ein klitzekleine Kleinigkeit, die du aus Versehen vergessen hast, zu
erwähnen!<
"Glücklich verlobt!" Rayo bedachte ihn mit einem strengen Blick. "Sie liebt
ihren Verlobten mehr als alles andere auf der Welt! Und wäre er ein Bettler,
würde sie trotzdem nur ihn wählen!"
>Ich bin wirklich ein guter Schauspieler! Selbst der Lügenbaron könnte da
nicht mithalten!<
"Bist du dir da ganz sicher?", fragte Daron und ein Funken Trauer blitzte in
seinen grauen Augen auf.
"Du hast sie nie zusammen gesehen!", murmelte Rayo. Er wusste, ihn würde die
schmerzliche Wahrheit... >Unwahrheit< ... sehr verletzen, doch er musste ihm um
jeden Preis diesen Zahn ziehen, seine Schwester heiraten zu wollen.
>Wie würde er wohl die richtige Wahrheit aufnehmen?<
=>Ganz einfach! Er würde natürlich dich statt ihrer nehmen!<
>Mich?! Spinnst du? Ich bin ein Junge, oder hast du das vergessen?<
=>Was denkst du? Ob ihm das was ausmacht?<
Rayo warf einen prüfenden Blick auf den Prinzen.
>Sicher bin ich mir nicht! Er ist zu allem fähig!<
=>Sag ich doch!<
>Wah! Widerlich!<
Er durfte sich nicht von seiner inneren Stimme beeinflussen lassen. Die sagte
sowieso immer nur das, was ihm am Wenigsten passte.
=>Wenn dir die Wahrheit nicht passt, kann ich doch nichts dafür!<
>Ruhe!<
Jetzt erst merkte Rayo, dass Daron schon die ganze Zeit schwieg, während er mit
sich selbst gekämpft hatte. Ja, er sah richtig nachdenklich aus.
>Kann der das überhaupt?<
=>Haha! Der war gut!<
"Hast du endlich begriffen, dass ihr Herz schon vergeben ist?"
Daron schwieg, sah nur auf seine Füße.
"Daron..." Rayo rutschte näher an das Bett heran und blickte zu dem
Schwarzhaarigen auf. "Es wäre am Besten, du vergisst sie und suchst jemanden,
der besser zu dir passt!"
"Sei mal still!", fauchte der Prinz plötzlich. "Ich überlege gerade, wie ich
ihr Herz für mich erobern kann, also stör mich nicht!"
Völlig vor den Kopf gestoßen wich Rayo zurück.
>Hat der denn immer noch nicht aufgegeben? Mist! Hätte ich mir ja denken
können! Dieser Trotzkopf! Total verzogen! Er weiß einfach nicht, wann genug
ist!<
Eine Weile schwiegen sie sich an. Rayo träumte von Alltag und Schulstress.
>Ja, schön war die Zeit... Damals war alles noch besser...<
"Sag mal, Schwager..." Er betonte das Wort Schwager besonders. Es schien ihm
noch immer nicht in den Kram zu passen. "Fällt dir nichts ein? Du kennst deine
Schwester doch... Worauf steht sie?"
>Ja, worauf stehe ich eigentlich? Fußball... Aber... Geht den das was an?<
"Sie macht gerne Sport!", sagte Rayo grimmig.
"Sport? Jagdsport?" Daron schien verwirrt. "Ein Mädchen, das Sport treibt! Was
seid ihr eigentlich für eine Familie? Wann soll sie denn Stricken und Kochen
lernen, wenn sie Sport treibt?"
"Sie kann nicht jagen!", grummelte Rayo. "Sie mag Ballsport! Sagt dir das
irgendwas? Und stricken kann sie schon gar nicht! In der Schule ist das zwar
durchgenommen worden, aber ich... äh... wir sind beide Nieten in diesen
Dingen!"
"Das macht ihr in der Schule?", fragte der Prinz geschockt. "Als Junge lernst du
Stricken in der Schule?"
"Wir sind in einer Klasse... da kommt man nicht drumherum..." Rayo wurde
zusehends nervöser. Irgend etwas schien Daron daran misstrauisch zu machen.
>Kennen die keinen Ballsport? Treiben Mädchen hier wirklich kein Sport?<
Und musste man als Mädchen wirklich unbedingt stricken können? Und wie sah es
mit Jungen aus? Durften die nicht stricken können?
"In einer Klasse?" Der Prinz schien nun endgültig überzeugt, dass etwas an
seinem zwanghaft hier untergebrachten Gast nicht stimmen konnte. "Jungs und
Mädchen gehen nicht in eine Klasse! Hast du keine Jungenschule besucht?"
>Gingen nicht in eine...? Mist verdammter!<
"Es gibt da eine Ausnahme!" Hastig überlegte er sich eine neue Geschichte. "Wir
haben mal ziemlich weit entfernt von hier gewohnt. Da gab es so eine Schule, die
Jungen und Mädchen zusammen unterrichtete!"
"Nein!" Daron schüttelte beunruhigend langsam den Kopf und musterte ihn noch
einmal von oben bis unten. "So eine Schule gibt es nicht!"
"Also..." Rayo hatte dieses unangenehme Fettnäpfchen-Gefühl. Er hatte sich da
irgendwie verstrickt und kam nun aus seinem selbstgebauten Netz nicht mehr
heraus. Je mehr er sich wehrte und zappelte, desto enger zog sich die Schlinge
zusammen und umso enger zog sich das Netz um ihn herum.
>Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als jetzt zu Hause zu sein... einfach nur
zu Hause! Als Einzelkind! Ohne Schwester, die ich vor verliebten Lackaffen
verteidigen muss! Aber zu Hause sind die Jungen nicht so blöd und laufen den
Mädchen so nach wie Daron!<
"Sprachlos?", fragte der Prinz grinsend. "Hat der Lügenbaron keine Ausreden
mehr parat?"
>Lügenbaron? Der lernt zu schnell für meinen Geschmack! Ich verändere den
ganzen zukünftigen Lauf der Geschichte dieses Landes! Fehlt nur noch das Vater
Unser!<
"Nein... sind mir ausgegangen... Warte! Ich gehe eben neue holen!" Rayo stand
vom Boden auf und wollte zur Tür eilen, doch er hatte nicht mit Darons Bein
berechnet, das sich zwischen seinen Füßen hindurchschlich und ihn stolpern
ließ. Mit einem lauten Poltern landete er wieder dort, wo er gerade gesessen
hatte: Auf dem Boden.
>Aua...<
"Ups... Habe ich dir weh getan?" Daron schien es wirklich leid zu tun, aber Rayo
war es satt immer auf die Nase zu fliegen, weil der andere spontane brutale
Reaktionen nicht vermeiden konnte.
>Am Besten, man widerspricht ihm erst gar nicht!<
=>Ja, das wäre mal was... aber nicht für dich!<
>Ja! Nicht für mich!<
=>Da sind wir uns ja mal einer Meinung!<
>Sollte öfter mal vorkommen!<
=>Lieber nicht! Du bringst uns sonst noch mit deinen Ideen um!<
>Deine Ideen waren bis jetzt auch nicht besser wie du an deinem jetzigen Zustand
deutlich sehen kannst!<
=>Du hast ja nie auf mich gehört wie sollte deine Situation da besser
sein!<
"Hey... du?"
Rayo entschloss, nun doch endlich zu reagieren und richtete sich mit einem
Jammerlaut in die Sitzposition auf. Als er zu Daron herübersah, lachte der
allerdings nicht.
>Gerade das hätte ich jetzt vermutet!<
"Was?", fragte Rayo den Prinzen, der ihn ernst anblickte. Daron winkte ihn
heran. Rayo ahnte nichts Gutes, wollte aber nicht auch noch gewaltsam zum Bett
geschleppt werden und folgte der Aufforderung. Er setzte sich neben ihn auf die
weiche Decke und sah hinunter auf seine Hände.
"Wie wäre es zur Abwechslung mal mit der Wahrheit?"
Die Frage hatte er kommen sehen. Was antworten?
>Nun... ich könnte sagen, ich wäre aus einer anderen - weit
fortschrittlicheren - Welt gekommen, hätte keine Geschwister und würde nur
wieder nach Hause reisen wollen.<
"Mit welcher Wahrheit würdest du dich denn zufrieden geben?", fragte er leise.
"Was willst du wissen?"
"Wirst du nicht lügen?", stellte Daron eine Gegenfrage. "Schwöre es!"
>Hiermit schwöre ich feierlich...<
"Ja, ich schwöre, ich werde dich nicht mehr anlügen - im Moment jedenfalls
nicht!"
"Im Moment?!" Unzufrieden lehnte sich der Prinz zu ihm vor, so dass ihre
Nasenspitzen nur noch ein paar Zentimeter voneinander entfernt waren. Rayo
schoss das Blut in den Kopf, er spürte wie die Hitze sich erneut in seinen
Wangen sammelte. Warum wurde er denn jetzt schon wieder rot?
"Ja, im Moment... Sei froh, dass ich dir das zugestehe!" Er wandte das Gesicht
ab, damit Daron die Röte in seinem Gesicht nicht bemerkte.
>Wie peinlich! Es ist wie im Kloster, nur schlimmer!<
=>Haha! Du bist rot geworden!<
>Mach dich nicht darüber lustig!<
Sowieso rückte Daron ihm seiner Meinung nach ein wenig zu nah! Auf dem Bett war
doch Platz genug! Schon wieder eine Einschüchterungsmasche?
"Also... " Der Prinz überlegte. "Wie heißt du?"
"Rayo..." Er sah zu dem neben ihm Sitzenden herüber, um seine Reaktion zu
beobachten.
"Rayo?" Daron schaute etwas verblüfft. "Rayo... Raya... Deine Eltern sind
wirklich so komisch wie du! Na, ja! Irgendwoher muss das ja kommen! Und ihr seid
ja auch Zwillinge! Nicht gerade originell, wenn du mich fragst..."
"Ich frage dich aber nicht!"
>Mein Name und der meiner Schwester gehen den nichts an! ... Oh... ich hab ja
gar keine Schwester...<
"Und meine zweite Frage... Wo ist Raya?" Ungeduld zeichnete sich auf dem Gesicht
des Jungen ab.
"Das ist etwas, das ich dir nicht sagen werde!", weigerte sich Rayo.
"Du hast geschworen, die Wahrheit zu sagen!", fauchte der Prinz aufgebracht und
stieß ihn leicht an.
"Es ist die Wahrheit, dass ich es dir nicht sagen werde!" Rayo stieß nun
seinerseits den vor Wut Kochenden in die Seite. "Du kannst nicht erwarten, dass
ich dir meine Schwester ausliefere!"
"Gemein! Gemein! Gemein! Ich gehe zu meinen Eltern, die werden dich schon zum
Reden bringen!"
"Wissen sie etwa, dass du eine bereits glücklich verlobt zu heiraten gedenkst?"
Rayo warf ihm einen feixenden Blick zu.
"Du mieser Betrüger! Ich liebe sie und ich werde sie finden! Verlaß dich
darauf!"
Er beruhigte sich langsam wieder und starrte auf seine Füße, die monoton über
den Teppich schabten und dort dunklere Streifen hinterließen, wenn er die
Teppichfransen entgegengesetzt zu der Richtung schob, in die sie zeigten.
"Was war das mit der Schule?" Daron hob den Blick. "Es gibt nirgendwo Schulen,
die Jungen und Mädchen zusammen besuchen... Und ein Junge lernt nicht Stricken!
Bitte erklär mir das mal!"
"Tut mir leid... dieses Detail meiner Vergangenheit muss ich auch für mich
behalten!" Rayo schüttelte etwas traurig den Kopf.
"Warum, Rayo?" Daron schien das wichtiger und persönlicher zu nehmen, als er
angenommen hatte. Wieso lag ihm soviel an seinem unfreiwilligen Gast? Oder ging
es ihm wirklich nur um Raya?
>Ich würde es dir wirklich gerne erzählen... Manchmal wirkst du so
verletzlich... es ist seltsam!<
To be continued...
So, an dieser Stelle breche ich erst einmal ab! Ich bin in einer Sackgasse! Ich
muss mir jetzt überlegen, wie ich Rayo da heil wieder raushole! Der Arme! So
was passiert auch nur ihm! Er sollte besser mal nachdenken, bevor er redet!
Was haltet ihr von seinen Selbstgesprächen? Ich habe sie etwas verändert, um
es klarer zu machen, wer redet, da mir aufgefallen ist, dass bei Animexx die
Zeilen verschoben werden... vorher habe ich einfach drei Leerzeichen gesetzt,
die werden aber da nicht gezeigt... *grummel*
Habt ihr noch weitere Ideen, die ich einbauen kann? Wie kann ich Daron und Rayo
noch quälen? *g* Sollte wirklich noch eine Person dazukommen, die den beiden
klar macht, dass sie füreinander bestimmt sind? Sowas mit Eifersucht? Hehe...
wäre doch mal was!
Über Kommentare würde ich mich freuen...
Die Ideen, die ihr hattet, konnte ich in diesem Teil noch nicht verwenden, da
ich ihn vorher fertig hatte!
Und nochmals danke allen, die bis jetzt fleißig gelesen haben!!!
Ciao
Tara(wieder mal unter Amys Nick)
Kapitel 4: Kira
---------------
Konnichi wa!!!
Hier Tara(unter Amys Nick)
Endlich komme ich mal dazu, den vierten Teil zu schreiben! Ich habe eine
Inspiration! Jipiie!!!
Ich möchte euch heute nicht viel aufhalten! Danke für eure Tipps, ich werde
sicher für vieles Verwendung finden, ich weiß nur noch nicht, wann! Danke!
Danke! Danke!!!
Viel Spaß also noch beim Lesen!
"..." Gesprochen
>...< Rayos Gedanken
=>...< Rayos innere Stimme
Rayos Reise Part 4
"Ich kann dir sonst nichts mehr erzählen!", stellte Rayo sich quer. "Ich bin
müde, ich hatte heute einen sehr wirschen Tag!"
Daron seufzte resigniert. "Na, dann!" Er zog sich sein Oberteil über den Kopf
und warf es neben das Bett auf den Boden. Überrascht starrte Rayo, der noch
immer vor dem Bett saß, zu dem Prinzen hoch, konnte nichts anders, als seinen
Blick über den muskulösen Oberkörper des Jungen wandern zu lassen und die
samtene gleichmäßig gebräunte Haut zu bewundern.
>Dieser verwöhnte Stubenhocker scheint ja doch recht oft an der frischen Luft
zu sein...<
Die goldenen Augen wanderten über das Schlüsselbein hinauf zu Darons Gesicht.
Der erwiderte den Blick mit seinen grauen Augen. Rayo konnte seinen
Gesichtsausdruck nicht deuten. Aber er war fesselnd.
>Was mache ich hier eigentlich? Und wieso... wieso werde ich schon wieder rot?!
Ich merke es genau, ich mutiere noch zur Tomate! Das ist alles seine Schuld!<
Rayo wandte sich schnell ab und sprang auf die Füße, um zu seinem Bett zu
gehen. Er schlug die Decke zurück und wollte sich gerade in die Federn
kuscheln, als Daron hinter ihm räusperte. Obwohl alles in ihm dagegen
protestierte, drehte er sich, auf dem Bett sitzend, zu dem Prinzen um.
"Willst du in den stinkenden Klamotten schlafen?"
"Die stinken nicht!", fauchte Rayo.
"Ach? Ist es dir dann etwa peinlich, weil ich viel attraktiver bin, als du?",
reizte der Prinz mit fiesem Grinsen. "So wie du mich gerade angestarrt hast..."
In seine Augen trat ein Funkeln, das Rayo nicht zuordnen konnte.
"Quatsch!", rief Rayo verlegen aus. Rasch zog er sein Oberteil ebenfalls über
den Kopf und legte es etwas sorgfältiger als es der Prinz zuvor getan hatte,
neben das Bett. Er wagte es nicht, den mitten im Raum stehenden Schwarzhaarigen
anzusehen.
"Ich sag's ja: Ich bin viel attraktiver!", sagte der plötzlich und kam näher.
Rayo sah nun doch auf. Er schämte sich vor einem Jungen, das war doch
lächerlich! Und was sagte dieser Blödmann?
"Das ist nicht wahr! Ich treibe täglich Sport!"
>Da zahlt der Fußball sich halt aus!<
=>Ja, bei deinen Beinen! Über die Arme wollen wir lieber nicht reden!<
>Hmpf!<
"Sieht man dir aber nicht an..." Der Prinz ging vor ihm in die Hocke und
musterte ihn eindringlich.
>Wieso will der mich so reizen? Was will er überhaupt? Der soll einfach ins
Bett verschwinden!<
"Überhaupt bist du für einen Jungen viel zu zierlich gebaut! Fast wie ein
Mädchen! Du und deine Schwester seid euch wirklich noch ähnlicher, als ich
dachte. Wenn ich dich so von nahem betrachte..."
Sein Gesicht näherte sich Rayos. Der wusste nicht mehr, was er von dem Prinzen
halten sollte.
>Was will er? Was will er? Was will er?<
Er fühlte sich nicht imstande zurückzuweichen. Sein Atem beschleunigte sich
etwas, als hätte er Angst. Daron war ihm so nah, dass er die Wärme, die von
ihm ausging, auf seinem nackten Oberkörper spüren konnte. Sein Atem streifte
über Rayos Gesicht, löste ein leichtes Prickeln an den Stellen aus, die er
berührte.
>Verdammt, was soll ich machen?<
Er tat gar nichts. Und ausnahmsweise wusste auch seine innere Stimme nichts dazu
zu sagen.
Die Lippen des Prinzen berührten sanft seine, strichen fordernd über sie und
ließen Rayos Verstand nun vollends ausklinken. Er hatte schon geküsst, aber
das war einfach anders als alles andere, das er je erlebt hatte. Das warme
Gefühl in seinem Bauch glich tatsächlich Tausenden von Schmetterlingen, die
durcheinanderwirbelten und deren Flügel über seine Organe kitzelten.
Automatisch öffnete er den Mund, völlig vergessend, wen er vor sich hatte. Ein
Gewicht legte sich auf seine Beine, Daron hatte sich auf seinen Schoß gesetzt
und ließ seine Hände in seinen Nacken gleiten, um dort durch die sich
aufstellenden Härchen zu kraulen..
Der Prinz erforschte seine Mundhöhle, berührte Rayos Zunge vorsichtig mit
seiner und bat um Erwiderung des innigen Kusses.
Dann war es plötzlich vorbei. Darons Lippen lösten sich von Rayos und er
blickte mit Schalk in den grauen Augen hinab zu seinem unfreiwilligen Gast, auf
dessen Schoß er saß.
"Durch und durch ein Mädchen!", lachte er.
"Was sollte das?" Rayo traute sich noch immer nicht, sich zu rühren.
"Jetzt weiß ich schon einiges mehr über dich!", erklärte Daron.
"Hä?"
"Küssen kannst du!" Daron grinste, machte keine Anstalten, aufzustehen, oder
seine Hände wegzunehmen. "Bist du verheiratet?"
"Wie bitte?!", gab Rayo ungläubig von sich. "Ich bin erst sechzehn!"
"Erst?", fragte der Prinz. "In deinem Alter solltest du schon längst eine Frau
haben!"
"Pah! Und du? Du bist doch auch nicht verheiratet!"
"Ich kann mir Zeit lassen. Meine Eltern können es sich leisten! Ausserdem werde
ich in einer Woche verheiratet sein... Mit deiner bezaubernden Schwester Raya!"
"Und was hast du noch so über mich in Erfahrung gebracht?", lenkte Rayo vom
Thema ab.
"Ahm... Zum Beispiel, dass du ziemlich leicht aus der Fassung zu bringen bist.
Du lässt dich einfach so von mir küssen... Oder bist du etwa so seiner...?!"
"Ich bin durch und durch hetero!!!"
"Was bitte?" Das Grinsen tauschte mit einem verwirrten Gesichtsausdruck.
"Soll heißen: Ich bin nicht schwul! Ich küsse keine anderen Jungs!"
"Was willst du damit sagen, du Sittenstrolch?", knurrte Daron. "Du hast dich
nicht gewehrt, ich wollte bloß..."
"Ja, was wolltest du, du Perversling?"
"Ich wollte dich prüfen!", meinte Daron nur selbstsicher. "Immerhin bist du
deiner Schwester sehr ähnlich, da wollte ich einfach mal probieren..."
"Na, danke!", murmelte Rayo bitter.
"Sei nicht angefressen, der Kuss war nicht persönlich gemeint... Sollen wir das
noch mal ausprobieren?"
"Red keinen Scheiß! Geh lieber runter und in dein eigenes Bett!"
"Spielverderber!", griente Daron, stand auf und streckte sich. Rayo starrte
verunsichert auf seine Hände.
>Blödmann... Will bei mir ausprobieren wie Raya küsst. Das fällt echt nur ihm
ein... Wenn ich es mir aber recht überlege, war es eigentlich nicht so
schlecht. Wenn er kein Junge wäre... Igitt!<
Plötzlich wurde sein Kinn nach oben gedrückt und Daron drückte seine Lippen
kurz auf Rayos. Der riss perplex die Augen auf.
"Gute Nacht... Wenn deine Schwester auch so köstlich ist wie du, wird es mir
ein vergnügen sein, sie zu ehelichen!"
>Ich könnte heulen!!! Meine arme Schwester!<
"Nacht... Und meine Schwester wirst du nicht kriegen!"
Er drehte sich weg, wickelte sich in die Decke und starrte verwirrt und
betroffen die Wand an. Das Licht der Kerzen hinter ihm verlosch. Man hörte noch
die Decke rascheln und das Bett knarren. Dann wurde es still.
Rayo seufzte und griff nach dem Anhänger seiner Mutter, den er immer um den
Hals trug.
>Verflixt...<
Er tastete hektisch, doch seine Hand ergriff kein kühles Metall.
>Er ist weg!<
Er warf sich herum und wühlte in seinem Oberteil, für den Fall, dass er es
beim Ausziehen verloren hatte. Nichts...
>Das Kloster! Ich muss ihm beim Schlafen verloren haben! Wieso habe ich das
nicht schon früher bemerkt? Ich muss ihn wiederhaben! Gleich morgen reite ich
hin! Als Junge kann ich da unmöglich reingehen. Leider ist mein Umhang
futsch... Ich muss mir wohl schon wieder was nehmen... Ich werde mir etwas von
einem Dienstmädchen leihen. Peinlich! Dummer Prinz!<
Mit diesen letzten durcheinanderwirbelnden Gedanken fiel er in einen
Erschöpfungsschlaf.
Der nächste Morgen brach katastrophal über ihm herein. Er wurde durch eine
äußerst unbequeme Kopfnuß des Prinzen aus dem Schlaf gerissen.
"Hey... lass mich gefälligst in Ruhe!", murmelte er verschlafen und drehte sich
weg. Er war fest entschlossen, weiterzuschlafen.
"Rayo, du stehst jetzt auf! Die Sonne geht gleich auf!"
"Waaas?!", fuhr Rayo hoch. "Dann ist es ja noch Nacht!"
"Gar nicht!", maulte Daron und zerrte ihn auf die Füße. "Ich muss jetzt kurz
weg, morgendliches Schwerttraining!"
"Und was habe ich damit zu tun...?"
"Du hättest dich sonst gefragt, wo ich bin..." Daron strich mit der Fußspitze
über den Teppich.
"Ich schlafe noch mindestens die nächsten drei Stunden, also geh ruhig..."
Der Prinz zuckte nur die Achseln und verließ das Zimmer. Leider war Rayo jetzt
wach und würde auf keinen Fall mehr einschlafen können. Was war nur gestern in
den Prinzen gefahren?
>Bah, widerlich! Ich habe einen Jungen geküsst... Nein, warte mal! Ein Junge
hat mich geküsst! Das zählt nicht!<
=>Es hätte nicht gezählt, wenn du den Kuss nicht mit Genuß erwidert
hättest!"
>Ich habe es nicht genossen!!!<
=>Nicht? Ich schon...<
>Halt die Klappe! Ich bin nicht du!<
=>Ich fürchte aber schon<
>Nein, nein, nein, nein, nein! Ich - habe - es - nicht - genossen!!!<
=>Ist gut, wenn du meinst...<
>Ja, meine ich!<
Rayo zog sich das Oberteil wieder über und verließ schnell das Zimmer. Er lief
den Gang hinab.
>Ein Dienstmädchen fragen werde ich sicher nicht! Ich leihe mir einfach so was
aus...<
Er öffnete eine Tür und fand sich in einem leeren Zimmer wieder. Leider keine
Spur von Mädchenklamotten! Er trat zurück auf den Gang und schob die Tür zum
nächsten Zimmer auf. Niemand war hier, aber es sah schon eher nach einem
Mädchenzimmer aus. Ein Schminktisch mit vielen Parfümflaschen stand in der
einen Ecke. Dahinter ein großer Spiegel. Rayo trat an den großen
Kleiderschrank und riss willkürlich etwas heraus, das nach Mädchen aussah. Er
wollte sich nicht länger hier aufhalten als nötig und verließ den Raum
wieder. Die Klamotten schnürte er zu einem Bündel zusammen und klemmte sie
sich unter den Arm. Gut, dass er sich den Weg zum Ausgang gemerkt hatte. So kam
er recht rasch zum Stall, begegnete zwischendurch nur wenigen Leuten. Daron war
wohl echt ein Frühaufsteher, selbst für die Dienstboten des Schlosses.
Er betrat den Stall und ging zu der Box seines Haflingers herüber. Der
schnaubte leise und steckte den Kopf durch den Spalt des Tors. Er knabberte
leicht an Rayos Ärmel und rieb seine Nase an seiner Hand.
"Hey, du...", grüßte er im Flüsterton. "Ich werde wohl jetzt nicht mit dir
ausreiten... Darons Pferd ist schneller und ich bin sicher, er wird versuchen,
mir zu folgen. Aber ich komme gleich wieder."
Er wandte sich von dem Pferd ab und suchte einen Stallburschen. Den fand er
schlafend auf einem Holzbalken vor.
"Hallo! Entschuldigen Sie!", rief er zu ihm herauf. Der Junge schrak aus dem
Schlaf hoch und blickte verwirrt zu ihm herunter.
"Oh, Verzeihen Sie, Sir!" Er sprang herab und sah ihn erwartungsvoll an. "Sie
wollen ausreiten?"
"Ja und zwar mit Prinz Darons schwarzem Hengst. Er hat sich einverstanden
erklärt, keine Sorge!"
Der Junge schaute kurz misstrauisch und nickte dann.
>Lügen kann man wohl doch lernen.<
Rayo ließ sich das Pferd satteln. Er hätte es selbst machen können, aber der
Stallbursche bestand darauf, es für ihn zu tun. Also bedankte er sich bei dem
Jungen und verließ mit dem Pferd am Strick den Stall.
"Sagen Sie dem Prinzen, wenn er nach mir fragt, ich komme später wieder!"
Er sprang auf den Rücken des schwarzen Hengstes, klopfte ihm kurz beruhigend
auf den Hals und nahm dann die Zügel. Er trieb das Pferd an, war trotzdem noch
vorsichtig, da er es nicht kannte.
Der Hengst erwies sich als sehr temperamentvoll und lauffreudig. Dass er schnell
war, wusste Rayo bereits.
Doch ein Problem tat sich an dieser Stelle vor ihm auf: Er wusste nicht, wohin
er reiten sollte, da er die meiste Zeit ihres Ritts bewusstlos gewesen war.
>Mist, und jetzt? So finde ich das Kloster nie! Wenn ich doch wenigstens
wüsste, wie die Stadt heißt...<
Er traf auf einen Bauernhof und ritt auf das Hauptgebäude zu. Dann musste er
eben fragen, was war schon dabei?
Plötzlich blitzte es vor ihm auf und ehe er sich versah, drückte jemand ein
Messer an seine Kehle. Rayo brach der Angstschweiß aus.
>Waaah! Ich werde sterben!!<
"Wer bist du?", fragte eine helle Stimme hinter ihm. "Und was willst du hier?"
"Ich wollte...", Rayo schluckte panisch. "Ich wollte nur fragen, wo die nächste
Stadt liegt..."
Eine Hand tastete über seine Hüfte.
"Du trägst keine Waffe bei dir...?", fragte die Stimme überrascht. "Was ist in
dem Bündel da?"
"K-kleidung...", stotterte Rayo zitternd. Das Messer verschwand und endlich
konnte er sich herumdrehen und das Mädchen mustern, das auf einer weißen Stute
saß und das Messer noch immer misstrauisch auf ihn gerichtet hielt.
"Wie konntest du dich mit deinem Pferd so einfach von hinten an mich
heranschleichen?!", fragte Rayo zittrig.
"Mein Pferd ist leiser als ein Wiesel und schneller als eine Antilope!", prahlte
das Mädchen mit finsterem Gesicht.
"Aha..." Rayo ging mit dem Hengst etwas auf Abstand und musterte seine
Kontrahentin prüfend. "Und kannst du mir sagen wo die nächste Stadt liegt?"
"Ich wollte gerade in die Stadt, also kannst du mir ja einfach folgen. Dein
Pferd sieht so aus, als könnte es sogar mit meiner Tamira mithalten." Ihr Blick
glitt bewundernd über den Leib des schwarzen Prachtexemplars. "Den hast du
sicher geklaut, nicht?"
"Nein, nur geliehen...", gab Rayo grinsend zurück. "Ist nicht meiner!"
Zum ersten Mal, seit er sie gesehen hatte, wurden die Züge des Mädchens etwas
lockerer. Ihr Misstrauen schien zu schwinden. Das Messer verschwand in einem
Oberschenkelgürtel.
"Und du bist?", fragte Rayo.
"Kira!", sagte das blonde Mädchen. "Nenn mich einfach Kira, mehr musst du nicht
wissen."
"Dann sag du einfach Rayo zu mir."
"Gut, Rayo. Dann zeig mal, was dein Hengst drauf hat!" Sie preschte ohne
Vorwarnung los. Die weiße Stute war schneller, als sie aussah. Bedeutend
schneller. Rayo trieb den schwarzen Hengst zu Höchstleistungen an und hatte
selbst dann Schwierigkeiten, sie einzuholen. Als er wieder auf einer Höhe mit
ihr war, lächelte sie zu ihm herüber.
"Gar nicht schlecht! Dafür, dass er nur geliehen ist, kannst du gut mit ihm
umgehen!"
"Danke! Du bist auch eine echt gute Reiterin!"
Die blauen Augen der Blonden leuchteten kurz auf, dann wandte sie sich wieder
dem Weg zu.
Sie ritten über eine Ebene mit trockenen Sträuchern und Gräsern. Hier brannte
die aufgehende Sonne direkt auf sie nieder, keine Bäume spendeten Schatten.
"Ist es sehr weit bis zur Stadt?", fragte Rayo, als sie im leichten Trab
nebeneinander her ritten. "Und woher weißt du, in welche Richtung wir müssen,
wo doch alles gleich aussieht?"
"Ja, wir werden noch eine ganze Weile brauchen! Und die Richtung weiß ich durch
den Sonnenstand... Hast du eigentlich gar keine Ahnung?"
"Hä? Worüber?"
>Scheiße, ich fühl mich richtig blöd...<
=>War auch ein dummer Kommentar!<
>Klappe, du hast doch auch keinen Schimmer...<
=>Natür...<
Kiras helles Lachen hinderte seine innere Stimme am Weitersprechen.
"Du reist mit einem kleinen Bündel Kleidung, ohne Nahrung und jegliches Wissen
über deine Umgebung durch das Land? So hast du nicht die geringste
Überlebenschance, Kleiner!"
"Ich weiß schon, was ich tue!", grummelte Rayo missmutig.
"Scheint mir aber nicht so! Du hast keinerlei Orientierung, kein Essen, keine
Decke zum Schlafen und nicht einmal eine Waffe, um dich zu verteidigen!"
Wieder lachte sie verächtlich. Rayo kochte vor Wut. Er würde ihr gerne seine
Meinung sagen, aber von ihrem Standpunkt gesehen, hatte sie nicht ganz unrecht.
"Stimmt schon.", gab er also einsichtig zu. "Deshalb brauchst du dich aber nicht
über mich lustig zu machen, ich habe schon meine Gründe..."
"Ach, Gründe? Weißt du eigentlich wie viele Diebe und Räuber es hier gibt?
Dein Pferd ist es denen wert, dich zu töten."
Ihr Blick war ernst und kein Spott glänzte mehr in ihren schönen blauen Augen.
"Für dich ist es aber auch nicht gerade ungefährlich, alleine in die Stadt zu
gehen!" Er deutete auf ihren schlanken Körper. "Du bist es ihnen auch wert,
dich zu vergewaltigen!"
Sie wurde bis unter die Haarwurzeln rot und verbarg ihr Gesicht in den Händen.
"Flegel!", fauchte sie. "Über so etwas redet man nicht in der Anwesenheit einer
Dame!" Sie lugte beschämt zwischen den Fingern hindurch. Rayo war verwirrt.
>Was ist an diesem Thema jetzt so schlimm?<
"Warum?", fragte er also kleinlaut.
"Du hast echt gar keine Manieren! Schlechte Kinderstube, was?!" Sie nahm die
Hände von ihren Augen und warf ihm einen empörten Blick zu. "Ich habe keine
Ahnung von sowas, also lass mich damit in Ruhe! Was in der Ehe passiert,
erfährt eine Frau erst, wenn sie heiratet!"
"Echt?", keuchte Rayo. "Ist ja dämlich..."
>Wieder so eine Sitte...<
// Anm. der Autorin: Für alle, die es nicht wissen
Früher wussten Frauen wirklich nicht, was im Ehebett gemacht wird. Entsprechend
groß war die Angst vorher. Sex vor der Ehe gab es sowieso nicht, zumindest
nicht offiziell und in guten Kreisen. Es galt als Verstoß gegen die guten
Sitten. Besonders in der feinen Gesellschaft gab man sich nicht mit solchen
Leuten ab und wollte auf gar keinen Fall mit jemanden gesehen werden, der einen
schlechten Ruf hatte.
Eine Frau wusste eigentlich gar nichts über Männer. Auch nicht wie man küsst,
oder was ein Mann so in der Hose hat ^^ Die Frauen waren total unerfahren und
auch Mütter erzählten ihren Töchtern nichts. Muss schrecklich gewesen sein...
Das erklärt jetzt hoffentlich für alle, die es nicht wussten, Kiras Reaktion.
Niemand redet über sowas und deshalb ist es ihr peinlich, dass Rayo es tut...
Also, weiter im Text \\
"Dämlich? Du redest echt nur Müll! Was bist du bloß für einer?"
"Und du darfst echt alleine so weit reiten?", lenkte Rayo verlegen lächelnd ab.
"Mein Vater hat mich vom Haus aus beobachtet. Ich darf nicht alleine weg, aber
ich habe doch eine Begleitung, oder? Er wird mich nachher noch löchern mit
Fragen über dich. Ich hatte mich schon geärgert, weil keiner Zeit für mich
hatte..."
=>Deshalb hat das Mädchen so schnell klein bei gegeben... Hab ich's doch
geahnt!<
>Tja, so ist es eben... Wenigstens komm ich jetzt in die Stadt!<
=> Du sagst es... Eine Hand wäscht die andere!<
"Aber ich kann dich nicht beschützen!", erklärte Rayo. "Wie du schon betont
hast, ich habe keine Waffe und kräftig bin ich dazu auch noch nicht einmal!"
"Du bist ja auch gebaut wie ein Mädchen!", lästerte Kira.
>Wie ein Mädchen... Argh!<
=> Wie sagte Daron nicht gleich? Durch und durch ein Mädchen...<
>Nein!!!<
"Klappe!", brüllte Rayo. "Wie ich gebaut bin, geht dich nichts an! Dann bin ich
eben klein und schmächtig!"
"Beruhige dich!", lächelte Kira. "Größer als ich bist du doch sicher..."
>Der Prinz verfolgt mich selbst bis hierher! Hat man denn nie seine Ruhe?<
In den folgenden Stunden erfuhr Rayo von dem, wie er mitbekommen hatte,
ebenfalls sechzehnjährigen Mädchen Kira, einiges über ihr Leben. Ihr Vater
war einfacher Bauer, der es liebte, Bücher zu sammeln. Ihre Mutter machte den
Haushalt. Sie erzählte ihm von ihrem Stall, der wie sie ihm flüsternd
berichtete, klasse Pferde züchtete. Rayo wunderte sich, dass selbst das Thema
Pferdezucht zu dem Bereich zählte, der für Frauen Tabu war und über das man
in ihrer Anwesenheit nicht sprach. Sie schämte sich eindeutig, darüber geredet
zu haben. Was sollte dieser fremde junge Mann jetzt von ihr denken?
Rayo hätte sie liebend gern beruhigt, aber er traute sich nicht, noch weiter
über diese Sache zu reden. Durfte man hier eigentlich gar nicht frei seine
Meinung sagen?
Dann endlich waren sie da. Die Reise hierher hatte länger gedauert, als er
gedacht hatte, aber es war erst gegen Mittag, da sie ja in aller Herrgottsfrühe
losgeritten waren. Sie stiegen am Stadttor von den Pferden. Tatsächlich war
Rayo ein kleines Stück größer als Kira. Aber auch nur ein kleines. Und hier
würden sich also ihre Wege trennen.
"Danke, dass du mir den Weg gezeigt hast!", lächelte Rayo, erleichtert, endlich
am Ziel zu sein. Dann fiel ihm spontan etwas ein. Er musst ja noch einen Weg
zurück in seine Welt finden! "Gibt es hier eigentlich sowas wie Hexen, Magier,
oder Wahrsager?"
"Was?!" Entsetzt starrte das Mädchen ihn an. "Hexen?"
>Oh, nein... Da war ja was mit Hexenverbrennung, oder...?<
"Ich meine, damit ich weiß, ob ich mich vorsehen muss. Ich kenne mich hier doch
nicht aus..."
"Hexen sind gefährlich und..." Ihr Blick wurde düster.
"...werden verbrannt, ich weiß..."
"Verbrannt?", fragte Kira überrascht. "Wo gibt es denn sowas? In den Sagen
über Hexen wurde noch nie eine verbrannt... soweit ich weiß..."
"Sagen?"
>Ich glaube, ich habe doch keine Ahnung! War das eine falsche Episode?<
"Ja, Sagen..." Sie lachte.
"Ach, so!" Rayo kratzte sich peinlich berührt am Hinterkopf. "Die Sagen!"
"Du bist total durchgeknallt...", grinste Kira. "Hexen gibt es nicht,
Trottelchen! Ich habe dich reingelegt!"
Rayo würde sich in Zukunft wohl erkundigen müssen, bevor er redete.
"Ich muss jetzt aber weg! Danke noch mal...", murmelte er und verbeugte sich
leicht.
>Lieber schnell zum Kloster und...<
"Du willst eine arme schwache Frau allein in die Stadt gehen lassen? Wo steckt
eigentlich der Gentleman in dir?" Wehleidig blickte sie ihn aus flehenden Augen
an.
"Ich habe aber wirklich keine Zeit..."
"Aber ich kann doch nicht..."
"Ich kann dir sowieso nicht helfen..."
"Ich... ich..." Tränen glänzten in ihren blauen Augen und sie schickte ihm
noch einen Rehblick.
"Gut, gut!", gab Rayo trotzig nach. "Ich komme ja mit! Ich kann aber für nichts
garantieren!"
Strahlend hakte sie sich bei ihm ein und zerrte ihn durch das Tor in die Stadt.
An ihrer freien Hand führte sie die Stute und Rayo hatte Probleme den Hengst,
der die Menschenmassen nicht gewohnt war, ebenfalls mit einer Hand durch das
Gedränge zu lotsen.
"Frischer Fisch!", rief ein Händler links von ihm. "Kaufen Sie! Heute besonders
günstig!"
"Oh, Fisch brauche ich!", rief Kira. "Sieh mal, Rayo!"
"Der sieht aber gar nicht gut aus..."
"Hey, mein Fisch ist frisch!", meckerte der Verkäufer.
"Ist er nicht! Ich kenne mich da ein wenig aus!" Rayo ging weiter. Diesmal zog
er Kira mit sich.
"Du kennst dich da wirklich aus?", fragte Kira verwirrt. "Du bist ein Mann!"
"Ja, und?", fauchte Rayo. "Ich bin nicht so wie andere Typen, merk dir das!"
Kira quietschte plötzlich vergnügt auf und riss ihn mit sich zu einem anderen
Stand.
"Guck mal!" Sie deutete auf das silberne Armband auf der Theke des
Schmuckhändlers.
"Das ist schön!" Wieder schenkte sie ihm einen bettelnden Rehblick. "Kauf es
mir... Bitte!"
"Nein!", rief Rayo empört aus. "Bist du in die Stadt gegangen, um dich
durchzuschnorren?"
"Ne, aber ich kann mir das Armband nicht leisten. Ich brauch mein Geld für
Essen. Du könntest mir aber doch sicher... Bitte..."
"Guck mich nicht so an! Das ist unfair!", wehrte er sich vergeblich.
=> Du hast ein zu weiches Herz! Sie wird dich bis auf die Knochen auslaugen...<
>Du hast recht!<
"Och, komm schon..."
"Kommt nicht in Frage!"
"Hast du nicht genug Geld...? Na, dann lass es!"
Rayo nickte und schwieg. Als er weitergehen wollte, hielt sie ihn zurück.
"Fühlst du dich in deinem Stolz gar nicht verletzt?", fragte sie grimmig.
"Jeder andere Kerl hätte sich beweisen wollen!"
"Ich bin nicht jeder andere Kerl, Kira!", murrte Rayo.
"Du bist gemein!", jammerte sie weinerlich.
=>Achtung, Junge! Sie greift zu ihrer letzten und gefährlichsten Waffe!<
>Bitte, keine Tränen!!!<
"Ich kaufe es dir!" Rayo holte seufzend Darons Beutel hervor und bezahlte dem
grinsenden Händler die fünfzig Silberlinge für das Armband. Der Mann packte
das gute Stück in eine Papiertüte und drückte es ihm in die Hand.
"Da ist jeder machtlos!", lächelte er verständnisinnig. "Pass gut auf deine
kleine Freundin auf!"
Rayo grummelte nur ein "Wiedersehen" und ließ sich genervt von Kira zum
nächsten Stand ziehen. Zum Glück kaufte sie hier nur Obst und Gemüse. Darauf
am folgenden Stand Fleisch und an einem anderen Fisch, bei dem sie Rayo um Rat
fragte.
"Ist der auch wirklich gut, Rayo?"
"Der ist in Ordnung, habe ich doch schon gesagt! Du solltest aber jetzt
zurückreiten, sonst wird das Zeug schlecht!"
"Oh, gut! Aber vorher gehen wir noch was essen, ja?"
"Von mir aus..."
"Du lädst mich ja ein, nicht wahr? Danke!"
>Diese... ich glaube es nicht!<
=>Sie nutzt dich aus!<
>Ach, nein! Das habe ich noch gar nicht bemerkt!<
Sie banden die Pferde draussen an und traten in eine kleine Gaststube. Dort
setzten sich an einen Tisch in einer abgelegeneren Ecke. Kira blickte Rayo, der
ihr gegenüber saß, lächelnd an.
"Dass du mir das Armband gekauft hast, fand ich wirklich lieb von dir!"
Rayo holte die Tüte hervor und öffnete sie. Kira betrachtete mit leuchtenden
Augen den schimmernden Gegenstand.
"Legst du es mir an?", fragte sie errötend.
"Na, klar!" Rayo streifte ihr das Armband über die Hand. "Es steht dir gut!"
Kira errötete noch mehr und sah schüchtern zu ihm herüber. "Danke..."
"Keine Ursache." Rayo wusste die Währung dieses Landes nicht einzuschätzen,
also war ihm der Preis recht egal gewesen. Hauptsache sie hörte auf zu nerven.
"Ich weiß, ich habe dich ziemlich ausgenutzt... Das war nicht nett von mir..."
Kira senkte den Blick auf das Holz des Tisches und strich die Rillen leicht mit
den Fingern nach. "Ich bin echt blöd..."
"Bist du nicht...", sagte Rayo leise. "Nur etwas unverschämt!"
"Waaas?!", fuhr Kira auf. Einige Leute drehten sich zu ihnen um. "Was fällt dir
ein, mich so zu beleidigen!"
"Was wollen Sie bestellen?", fragte plötzlich ein Kellner vorsichtig.
"Ach, ja!!! Ich möchte bitte einmal das Tagesmenü mit Getränk und eine große
Portion Fleischauflauf! Dazu die Nachspeise und..."
"...für mich bitte nichts."
"Du willst nichts?", fragte Kira verwundert.
"Nein, dein Essen reicht sicher für zwei!"
"Gemeinheit! Ich esse doch nicht mit dir von einem Teller! Ist ja ekelig!"
"Du musst ja nichts essen!"
Kira verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust und lehnte sich zurück.
>Frauen sind so schwierig...< Rayo begnügte sich mit dem Schweigen und stützte
die sein Kinn auf seine Hände.
Wenig später kam das köstliche Mahl. Zuerst weigerte Kira sich strikt,
mitzuessen, aber ihr Hunger siegte über ihre Wut und sie schlug herzhaft zu.
"Einfach lecker!", kommentierte Rayo. "Das Essen hier ist wirklich nicht
schlecht! Fast so gut wie zu Hause!"
"Du hast also auch ein Zuhause...", bemerkte Kira ironisch. "Bisher habe nur ich
von mir erzählt! Von dir weiß ich nichts!"
"Ich möchte auch nichts von mir erzählen. Sonst hätte ich es sicher schon
getan." Rayo lächelte geheimnisvoll. "Und da das Essen jetzt vertilgt ist,
werde ich mich wieder auf den Weg machen! Allein!"
Er bezahlte dem Kellner die verlangten 20 Silberlinge und stand auf.
"Ich komme noch mit zum Ausgang der Stadt...", sagte Kira mit neugierigem Blick.
"Darf man wenigstens erfahren, wo du jetzt hinwillst?"
"Tut mir leid, da muss ich passen!" Die alte Verlegenheit blitzte wieder an die
Oberfläche und zeigte sich in einer unsicheren Geste mit der Hand zum
Hinterkopf.
"Du bist echt ein komischer Typ!" Kiras Blick nahm wieder etwas von ihrer
vorherigen Überlegenheit an, da sie durch Rayos Unsicherheit neuen Mut gewann.
"Und wie soll ich allein nach Hause kommen?"
"Ich bin nicht dein Schutzengel!", beschwerte sich der Schwarzhaarige. Er war
wieder eindeutig in der Defensive.
"Und wenn mir was passiert?", schniefte Kira. "Dann bist du Schuld, weil du mich
nicht beschützt hast!"
"Ich muss aber noch was erledigen..."
"Was denn?"
"Es geht um einen Anhänger meiner Mutter, den ich holen muss... und zwar aus
dem Kloster..."
=>Bist du blöd?! Warum erzählst du ihr das?!<
>Ich kann ihr nichts abschlagen...<
=>Du bist doof!<
>Schön, das weiß ich auch!<
"Aus dem Kloster?", kreischte Kira.
"Pssst!", machte Rayo erschrocken und zog das Mädchen schnell von ihrem Platz
aus dem Laden. Sie schaffte es gerade noch, ihre Einkäufe mitzunehmen.
"Erzähl weiter!", sagte sie aufgeregt, als sie bei den Pferden ankamen und Rayo
den schwarzen Hengst losband.
"Ganz einfach, ich habe einen Anhänger dort verloren, als ich mich im Kloster
als Mädchen versteckt habe. Und den muss ich zurückholen. Als Mädchen!"
Kira schüttelte fassungslos und mit glühenden Wangen den Kopf.
"In einem Kloster, Rayo!", schimpfte sie. "Wenn ich nicht wüsste, dass du ein
guter Mensch bist... also, nein!"
"Ich musste mich da nur verstecken!", rechtfertigte Rayo sich. "Weil ich keinen
Schlafplatz hatte!"
"Ich glaube dir ja!", lachte Kira. "Die Sache ist einfach zu komisch! Deshalb
treibst du dich hier also rum! Ich werde dir helfen und mit dir ins Kloster
gehen! Das muss ich sehen! Dich als Mädchen!"
"Das ist nicht komisch!"
Sie verließen die Stadt nun endgültig und ritten in den nahen Wald beim
Kloster, mit dem Rayo schon bittere Erfahrungen gemacht hatte.
"Pass auf, Rayo!", warnte Kira. "Da ist ein Abgrund, den man erst gar nicht
bemerkt, wenn man durch den Wald reitet."
"Ich weiß...", knurrte der Junge.
>Der Prinz hätte mich wirklich liegenlassen können...<
Sie blieben stehen und Rayo stieg vom Pferd.
"Verstecken wir hier die Pferde?", fragte das Mädchen.
"Unter anderem.", bestätigte Rayo. "Ich geh mich eben dort drüben umziehen.
Ich muss ja als Mädchen hin..."
"Deshalb das Kleidungsbündel!", rief Kira aus. "Na, dann beeil dich!"
Rayo packte sich besagtes Bündel und verschwand zwischen den Bäumen. Dort
rollte er es aus und fand ein züchtiges Kleid mit hohem Verschluss. Genau das,
was er brauchte!
Er zog sich bis auf die Unterwäsche aus und streifte das Kleid über.
>Es passt perfekt... Wie peinlich...<
Der seidene Stoff legte sich locker um seinen Körper, wäre er ein Mädchen,
würde es ihm gefallen. Nur etwas für den Oberkörper brauchte er noch... Ja,
da war ein passender Umhang gegen die kühle Luft. Ein empfindliches Fräulein
durfte sich ja schließlich nicht erkälten...
Rayo trat zurück zu den Pferden und Kira aus den Büschen. Kira bekam einen
ausgewachsenen Lachanfall.
"Du siehst ja wirklich wie ein Mädchen aus! Genial!"
"Hör auf zu lachen!", schrie Rayo. "Ich finde das ätzend."
"Ja, ja!", grinste Kira. "Guck nicht so undamenhaft!"
"Kira... Mach mich nicht wütend!"
"Tut mir leid, aber ich habe noch nie einen Mann in Frauenkleidern gesehen. Du
kannst wirklich jeden damit täuschen. Du bist zu feminin."
"Das weiß ich selbst!", murrte Rayo vor sich hin. "Ich finde das widerlich!"
"Stimmt gar nicht, ich finde das wirklich süß!"
"Ich möchte aber nicht >süß< sein!"
"Bist du aber!" Kira hakte sich wieder unter und zog den Jungen aus dem kleinen
Wald heraus über die Lichtung zum Kloster. "Und dort sollen wir rein?"
"Ja..." Er trat nahe an die Tür heran und klopfte kräftig gegen das Holz.
"Wie soll ich dich überhaupt nennen, Rayo?"
"Sag..."
Die Tür öffnete sich einen Spalt und eine Nonne mit tiefen Ringen unter den
Augen lugte hervor.
"Schwester Thera?", fragte Rayo mit seiner verstellten Stimme und musterte die
Frau besorgt. Kiras Lachen hinter ihm überhörte er einfach.
"Miss Raya!" Thera öffnete erfreut die Tür, aber ihre Stimme blieb leise. "Die
Mutter ist gestern Nacht verstorben, wir haben die ganze Nacht hindurch an ihrem
Sterbebett gewacht. Jetzt kommen Sie aber erst einmal herein, Miss. Sie haben
Begleitung?"
"Ja, das ist eine gute Freundin von mir. Miss Kira!"
"Ihre Freunde sind auch unsere Freunde!" Ein gutmütiges Lächeln zierte das
Gesicht der alten Frau. Sie betraten das Kloster und folgten Schwester Thera in
den Empfangssaal.
"Ich weiß schon, weshalb Sie gekommen sind." Sie öffnete ein kleines Kästchen
und zog den Anhänger hervor, der Schuld an Rayos Reise war. "Er ist ein
schönes Stück! Besonders der Stein, der in ihn hineingearbeitet ist. Je nach
dem, wie die Sonne drauffällt, ändert er seine Farbe. Wunderschön!"
"Ja, das ist er!", freute Rayo sich. "Der lange Ritt war also nicht umsonst!"
"Bitte sehr." Thera gab ihm den Anhänger, den er sich schnell um den Hals
band.
"Bäh...", flüsterte Kira ihm ins Ohr. "Eine Junge, der Schmuck trägt. Du bist
wirklich wie ein Mädchen..."
>Warum muss eigentlich immer jeder betonen, dass ich wie ein Mädchen aussehe
oder benehme... das macht mich wahnsinnig!<
"Nicht sauer sein...", lachte Kira mit unschuldigem Augenaufschlag.
"Miss Raya, Miss Kira?" Schwester Thera deutete auf einen Tisch, an dem
duftendes Essen stand. "Wollen Sie nicht noch was essen und mir dabei erzählen,
was alles so passiert ist, nachdem der Prinz Sie, Miss Raya, verfolgt hat?"
"Ne...", begann Rayo.
"Aber natürlich!" Kira lächelte das Essen entzückt an und setzte sich
sogleich.
"Du hast gar keine Manieren.", tadelte Rayo sie. "Und du hast gemeint, ich
hätte keine..."
"Hast du ja auch nicht, Raya-Schätzchen..."
"Du bist hier im Kloster, also benimm dich!"
"Miss Raya, Sie haben sich kein bisschen verändert!", lachte Thera und setzte
sich zu ihnen an den Tisch. "Essen Sie soviel Sie wollen, Miss Kira!"
"Danke!"
"Und nun, Miss Raya? Was war mit dem Prinzen und ihrem Verlobten?"
Kira hustete und klopfte sich auf die Brust.
"Der Prinz hat mich natürlich nicht gefunden und ich konnte heil nach Hause
zurückkehren.", log Rayo mit flauem Gefühl im Bauch. Daron anzulügen war
etwas anderes, als Thera etwas vorspielen zu müssen. Es stimmte zwar, dass er
ihr von Anfang an nicht die Wahrheit gesagt hatte, aber es fiel ihm schwerer als
bei dem idiotischen Prinzen.
"Er hat Sie nicht gefunden?", staunte Schwester Thera. "Wie sind Sie ihm
entkommen, Kindchen?"
Kira grinste. Sie konnte sich wohl schon denken, wie.
"Er wusste ja nicht, wo ich lebe und das ist sehr weit weg von hier. Soweit ist
er wohl nicht geritten."
"Er machte einen sehr entschlossenen Eindruck auf mich.", sinnierte Thera. "Er
hat Sie also nicht weiter belästigt? Mir kam nämlich zu Ohren, er würde Sie
im ganzen Land suchen. Hier im Kloster war ein Bote von ihm und hat sich nach
Ihnen erkundigt. Wenn Sie auftauchen, soll ich das sofort melden..."
"Schwester?", fragte Rayo erschrocken.
"Keine Sorge!", lächelte die Nonne. "Sie sind doch verlobt. Es ist meine
heilige Pflicht, die Verlobung zu schützen. Ich werde Sie nicht verraten."
"Ich danke Ihnen!"
"Du musst mir nicht danken, es ist mir eine Ehre..."
"Ich danke Ihnen trotzdem. Allerdings können wir nicht länger bleiben. Die
Heimreise steht an und man wartet sicher schon auf uns!"
"Gut, Gott möge euch schützen. Ich begleite euch noch zur Tür."
Gesagt, getan. Die alte Nonne brachte sie zur Tür und sah den beiden belustigt
nach. Miss Raya war wirklich sonderbar mit ihrem fast schulterlangen Haar und
den zu großen Händen. Sie würde den kleinen Wildfang wirklich zu gerne unter
ihre Fittiche nehmen, aber sie wusste, das Mädchen würde sich nicht für ein
Kloster begeistern lassen. Jedenfalls würde sie ihren Schützling weiter
beobachten und Raya zur Seite stehen, wenn sie Hilfe brauchte.
"Das musst du mir jetzt genauer erklären!" Kaum, dass sie den Wald betreten
hatten, verstellte Kira Rayo den Weg und fuchtelte aufgeregt mit den Armen
herum. "Du kennst Prinz Daron Troya? Und wieso hat er dich verfolgt? War es das
Pferd? Hast du es ihm doch geklaut?"
"Quatsch!" Wütend stemmte Rayo die Hände in die Hüften. "Der Prinz wollte
meine Schwester heiraten! Dieser verdammte... Dabei ist sie verlobt! Ich werde
sie beschützen!"
=>Idiot!<
"Deine Schwester?", fragte Kira verwirrt.
"Raya!", antwortete Rayo aufgebracht, stockte dann jedoch. "M-mich... meine
ich..."
"Er wollte dich heiraten?!", keuchte Kira. "Aber du bist ein Junge..."
"Guck mich doch an! Sehe ich in den Klamotten aus wie ein Junge?"
"Also...", überlegte die Blonde. "Wenn du so guckst wie jetzt, dann nicht!"
"In dem Moment dachten aber alle, ich wäre ein Mädchen, weil ich mich auch so
benehmen musste, um nicht aufzufliegen! Als der Prinz mir dann diesen ätzenden
Antrag gemacht hat, habe ich ihm erzählt, ich wäre verlobt. Er sollte mich
bloß in Ruhe lassen!"
"Und?" Interessiert beugte Kira sich zu ihm vor.
"Es war ihm egal!", brauste der Schwarzhaarige auf. Das Mädchen brach in
schallendes Gelächter aus und klopfte ihm mitleidig auf die rechte Schulter.
"Und dann bist du weggelaufen, nicht wahr?", lachte sie. "Und hast dir dabei
seinen schönen Hengst >geliehenAuf Leben und Tod?!< Rayo ließ seinen Blick von dem Muskelprotz zu Daron und
wieder zurück gleiten.
"Boss!", riefen die beiden anderen Männer ebenfalls entsetzt und unsicher.
"Lass das!"
Der Angesprochene warf seinen Leuten nur einen bösen Blick zu und wandte sich
dann wieder an Daron. Der spuckte nur verächtlich aus.
"Es ist deine Sache, wenn du sterben willst!", murmelte der Prinz. "Die Klinge
von Baldo hat dein Blut geschmeckt und wartet ungeduldig auf mehr!"
Wie zum Beweis hob er das Schwert in seinen Händen, dessen blutige Spitze im
Sonnenlicht dumpf leuchtete. Jede seiner Bewegungen zeugte von jahrelangem
harten Training. Er wusste genau, was er tat und dieser Angeber würde nicht die
geringste Chance gegen ihn haben. Schweren Herzens trat Rayo in die Büsche und
zog Kira, die noch zu erschrocken war, um zu protestieren, zu den Pferden, die
in der Nähe standen. Schweigend deutete er ihr, die weiße Stute Tamira zu
besteigen, riss sich das Kleid herunter und zog seine eigene Kleidung wieder an.
Den Rest schnürte er zu einem Bündel und band es an den Sattel des schwarzen
Hengstes, der schnaubend den Kopf zu ihm umwandte. Rayo warf ihm einen kurzen
Blick zu und schwang sich auf seinen Rücken.
"Lass uns von hier verschwinden!", flüsterte er dem blonden Mädchen zu. "Der
Prinz schafft das schon!"
Kira sah ihn zweifelnd an und trieb ihre Stute an. Im scharfen Galopp verließen
sie den Wald und lenkten ihre Pferde in stillem Einverständnis in Richtung des
Bauernhofes, den Kira mit ihren Eltern bewohnte.
To be continued...
So, das war der vierte Teil. Sorry, dass es so lange gedauert hat, aber
zwischendurch bin ich auch mit anderen Projekten beschäftigt, die meine
Aufmerksamkeit verlangen. Außerdem hatte ich extremen Klausurenstress, was ja
jetzt endlich so gut wie vorüber ist! Jetzt werde ich wohl mehr zum Schreiben
kommen. Das heißt, wenn mein Vater mich nicht davon abhält mit Sprüchen wie
>Lern mal für die Schule!<, oder sowas ähnliches. Das kennt jeder, nicht wahr?
Der ewige Konflikt mit den Eltern! Nie sind sie zufrieden mit einem! Na, ja! Was
soll's! ^^
Ich hoffe es hat euch gefallen! Daron kam im letzten Teil dieses Parts sehr
wenig vor, aber der Anfang reicht sicherlich als Entschädigung, ne?! *ggg* Die
Kussszene konnte ich einfach nicht weglassen... Amy sagt, ich könnte es so
stehen lassen, weil Daron ja aus dem Motiv heraus Rayo küsst, ihn zu
>probieren<, um zu sehen wie Raya küsst. Fadenscheinig, ich weiß, aber ich
wollte das unbedingt da reinbringen - vor allem, weil es für Rayo so unerwartet
kommt. Der zweite Kuss direkt danach hätte nicht sein müssen. Gutenachkuss ^^.
Ich wollte aber ausdrücken, dass Daron seine Finger einfach nicht von dem
kleinen Rayo lassen kann, auch, wenn er selbst es wahrscheinlich gar nicht mal
merkt!
Und hiermit widme ich die FF Mistery!
@Mistery: Du schreibst mir immer so liebe Kommentare, dafür muss ich mich mal
endlich bedanken. Deine ENS hatte ich bekommen, als ich noch nicht wusste wie
man die schreibt... gomen, deshalb konnte ich nicht antworten... Deine Ideen
sind prima! Ich würde mich freuen, wenn du mir auch weiterhin mit Rat und Tat
zur Seite stehst... *liebguck*
Ich danke auch allen anderen, denen meine Story gefallen hat und besonders
denen, die mir das auch sagen! Mag sein, dass dieser Teil nicht so lustig war
wie die vorigen, aber die ernstere Episode musste mal sein! Ich wollte den Kuss
der beiden nicht veralbern! Ausserdem sollte Kira nicht in ein falsches Licht
gerückt werden!
Rayos Reise wird weitergehen!!!
Ciao
Tara
Kapitel 5: Die Magierin
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Konnichi wa!
Hier Tara(unter Amys Nick)
Hier also der fünfte Part von Rayos Reise!
Ich weiß, ich habe jetzt lange gebraucht, aber ich war im Stress und musste den
größten Teil des Parts noch einmal völlig verändern! Dafür ist er aber auch
länger als alle vorherigen und das ist doch schon mal was, oder?
Ich bin jetzt eigentlich recht zufrieden damit, aber so wie er vorher war,
konnte ich ihn unmöglich lassen... ^^
Eine Widmung geht an alle, die diese FF lesen, ein ganz besonderer Gruß an
Mistery und Marn, die mich immer so lieb unterstützt haben! Danke!
Jetzt aber viel Spaß beim weiteren Lesen:
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"Lass uns von hier verschwinden!", flüsterte er dem blonden Mädchen zu. "Der
Prinz schafft das schon!"
Kira schaute nur zweifelnd und trieb ihre Stute an. Im scharfen Galopp
verließen sie den Wald und lenkten ihre Pferde in stillem Einverständnis in
Richtung des Bauernhofes, den Kira mit ihren Eltern bewohnte.
---
Rayos Reise Part 5
Kaum, dass sie zehn Minuten lang geritten waren, hörten sie lautes
Hufgetrappel. Und es waren eindeutig nicht die Geräusche ihrer Pferde. Da war
jemand hinter ihnen und er war schnell.
"Rayo!", rief Kira warnend. Er hatte es auch gesehen. Ein dunkler Schatten war
mit unglaublicher Geschwindigkeit an ihnen vorbeigezogen, obwohl sie selbst
schon im schärfsten Galopp ritten. Tamira und Darons Hengst wurden von einem
schwarzen Koloss von Pferd in den Schatten gestellt, das jetzt vor ihnen
einlenkte und sie dazu zwang, scharf abzubremsen.
Das schwarze Pferd hatte einen edel gebogenen Hals, stolze dunkle Augen, die sie
wissend musterten, eine graue, nach allen Seiten abstehende Mähne und ein
peitschenden grauen Schweif, der den Staub auf dem Boden mit einem Ruck
aufwühlte. Und die Person auf seinem Rücken war kein anderer als Prinz Daron
Troya, dessen Gesicht und Kleidung mit Blut beschmiert waren. Sein stechender
Blick suchte sofort den des Jungen und versprach bittere Konsequenzen für den
Vertrauensbruch.
"Da-Daron...", stotterte Rayo mit plötzlicher Nervosität.
"Würdest du mir das alles bitte mal erklären?", knurrte der Prinz, der Rayo
wie ein anderer vorkam, nicht wie der verwöhnte Bursche, den er kennengelernt
hatte.
"Also... also, ich..."
"Keine Lügen!", mahnte Daron finster. "Du hast es versprochen!"
"Ich war in der Stadt, Daron...", murmelte Rayo. "Mit Kira..."
Kira nickte beflissen und mit gesenktem Blick. Der Prinz wandte sich ihr zu.
"Und wer bist du, Kira?", fragte er streng, wobei er ihren Namen spöttisch
gedehnt aussprach.
"Ich bin die Tochter eines reichen Gutsherren, dem hier ein großer Teil des
Landes gehört. Sie kennen meinen Vater sicher, er heißt Solomo Berano. Ich
wohne auf dem Fronhof in der Galeiasteppe."
//Anm. der Autorin: Zur Gutsherrschaft: Früher haben die Gutsherren ihr Land an
sogenannte Grundholden für Abgaben in Form von Naturalien und später Geld
verliehen (Landleihe). Für die Verwaltung hatten sie einen Angestellten, den
Meier, der Geschäftliches regelte. Die Gutsherren beschützten ihre
Grundholden, dafür standen die Grundholden ihrem Gutsherren bei einer Fehde,
einer kriegerischen Auseinandersetzung zweier Parteien und ihrer Verbündeten,
bei. Ausserdem hatte der Gutsherr Gerichtsbarkeit über seine Grundholden und so
auch öffentlich-rechtliche Befugnisse über sie.
Kiras Vater ist ein Gutsherr. \\
"Aha.", war Darons Kommentar zu Kiras Ausführungen. Dann wandte er sich wieder
an den Jungen. "Was hast du hier mit dem Mädchen verloren?"
"Kira hat nichts damit zu tun, Daron!", verteidigte Rayo sie sofort. "Ich kenne
sie eigentlich gar nicht richtig! Sie bat mich, sie zur Stadt zu begleiten und
da ich ebenfalls in diese Richtung wollte, sagte ich zu... mehr nicht..."
Rayo brach ab. Der Blick des Prinzen hatte mit jedem Wort der Verteidigung des
Mädchens an Schärfe zugenommen, als würde es ihm nicht passen, dass Rayo
versuchte, sie vor ihm zu schützen.
"Er hat ein Kleid für seine Schwester gekauft!", mischte sich plötzlich Kira
ein und warf Rayo einen verschmitzten Blick zu, der besagte, >Du darfst zwar
nicht lügen, aber ich schon!<. Daron entging der kurze Blickkontakt keineswegs.
Seine Miene wurde immer düsterer.
"Zeig es mir!", brummte er unwirsch.
Rayo reichte ihm das Bündel. Daron rollte es aus, betrachtete den guten Stoff
kurz und warf ihn dann Kira zu.
"Behalt es, Mädchen!", murrte er, wendete das Pferd und pfiff kurz und laut.
Die Ohren des schwarzen Hengstes von Daron, auf dem noch immer Rayo saß,
zuckten daraufhin und er folgte dem Prinzen mit seiner Last auf dem Rücken.
Rayo versuchte, ihn zu stoppen, aber das schwarze Pferd gehorchte ihm nicht
mehr. Er wäre gerne abgesprungen, doch erstens brachte ihm das sowieso nichts
und zweitens traute er sich nicht, weiteren Widerstand zu leisten.
"Und was ist mit mir?", rief Kira panisch und machte Anstalten, ihnen zu
folgen.
"Ein Diener wird dich zu Solomo zurückbringen!", rief Daron der Blonden
gelangweilt zu, ohne sich zu ihr umzudrehen.
Das Mädchen wagte es nicht, sich dem Prinzen zu widersetzen. Er war für sie
eine Person, der man sich nicht zu widersetzen hatte, der Prinz eben!
Dennoch wäre sie gerne mit Rayo gegangen, um ihm beizustehen. Was musste er
bloß mit diesem Kerl durchmachen?! Der Prinz war ein echtes Ekelpaket!
Unvorstellbar, dass sie einmal zu denen gehört hatte, die bei seinem Anblick
vor Entzücken fast in Ohnmacht gefallen waren. Seit Rayo da war... Er war zwar
nicht stark und heldenmütig, vielleicht auch etwas dumm und verrückt... aber
dafür war er einfühlsam und lieb. Nicht viele Männer waren so. Die meisten
betrachteten eine Frau als eine Art Gegenstand, als Besitz, als etwas, was man
erobern musste. Nicht so Rayo. Rayo hatte sie von Anfang an als Person
angesehen. Kein Versuch, ihr zu nahe zu treten, keine übermäßige
Distanziertheit. Er betrachtete sie als gleichgesinnt. Und das gefiel ihr so an
ihm... Sie wusste, sie würde ihn wiedersehen...
Als sie ein Stück geritten waren, stoppte Daron und sprang zu Boden.
"Geh runter von meinem Pferd!", befahl er. "Ich habe dir doch gesagt, du darfst
ihn nicht reiten! Was fällt dir ein?"
"Ich wollte möglichst schnell wieder am Schloss sein!", antwortete Rayo im
Absteigen. "Ich dachte nicht, dass es ein schnelleres Pferd als dieses hier
gibt!"
"Du kennst Bleihs nicht?", staunte Daron. "Jeder kennt ihn, er ist das
schnellste Pferd der Welt! Er gehört meinem Vater! Wegen dir musste ich zu ihm
gehen und ihn mir leihen! Er hat getobt!"
"Das schnellste Pferd der Welt!", rief Rayo aus. "Wow!"
"Mein Vater reißt mir den Kopf ab, wenn ich nicht bald mit Bleihs wieder im
sicheren Schloss bin, also steig endlich auf!"
Ehrfürchtig trat Rayo an das schwarze Pferd mit der grauen Mähne und dem
grauen Schweif heran und schwang sich mit einiger Anstrengung auf das riesige
Tier. Daron folgte mit Leichtigkeit und machte es sich hinter ihm bequem. Rayo
spürte seine Körperwärme durch sein Oberteil dringen und seinen Rücken
wärmen. Unerwartet für ihn, drückte Daron ihn an sich.
"Wehe du läufst noch einmal weg!", flüsterte er nahe seinem Ohr mit rauher
Stimme. "Es macht mich wahnsinnig, die ganze Zeit befürchten zu müssen, du
machst dich aus dem Staub, kaum, dass ich dir den Rücken zudrehe!"
>Was erwartet er eigentlich? Er hat mich entführt! Und ich soll da einfach
gleichgültig daneben stehen? Ich habe auch noch ein Zuhause!<
=>Ob du es wohl jemals wiedersiehst?<
>Weiß nicht... Ich hoffe es!<
Ein lauter Pfiff durchschnitt die Luft, als sie losritten. Der schwarze Hengst
wieherte leise und folgte ihnen. Ohne Last auf dem Rücken, ganz im Gegensatz zu
Bleihs, der zwei Personen zu tragen hatte, war er zwar schneller als vorher,
aber würde Daron das Pferd seines Vaters nicht etwas zügeln, würde er keinen
Stich gegen das Prachttier machen und weit zurückfallen.
Rayo gab mit einem Seufzer dem Bedürfnis nach, sich erschöpft an den Prinzen
zu lehnen, während die Landschaft in rasender Geschwindigkeit an ihnen
vorüberzog und der Wind ihnen um die Ohren pfiff. Er wusste nicht, woran es
lag, vielleicht hatte er sich schon daran gewöhnt, aber es machte ihm nichts
aus, Darons Oberkörper an seinem Rücken und seine linke Hand Halt gebend auf
seinem Bauch zu spüren. Ganz im Gegenteil. Es war eine angenehme Wärme, die
von ihm ausging, die ihn selbst den Ekel vor den blutgetränkten Sachen
verlieren ließ, die Daron trug.
Er nahm den Geruch auf, der auch in gewisser Weise Darons Zimmer erfüllte.
Darons Geruch. Er empfand ihn als angenehm und wagte es nicht, genauer darüber
nachzudenken. Es war so und er war viel zu erledigt, um innerlich jetzt dagegen
zu appellieren. Er war einfach müde... war es nicht gewohnt... so viel auf
einmal...
Rayo schloss kurz die Augen. Er hatte eindeutig zu wenig geschlafen...
Es war schwer, die Lider wieder zu heben, deshalb gab Rayo die Bemühungen auf
und lauschte statt dessen den Geräuschen der Hufe, die in gleichmäßigen Takt
erklangen, in völligem Einklang mit den Bewegungen des Pferdes waren. Und ehe
er sich versah, versank er in einem tiefen traumlosen Schlaf.
Rayo spürte eine sanfte Hand über seine Stirn streichen, die ihn aus dem
Schlaf holte. Langsam öffnete er die Augen und schielte gegen das Licht der
Sonne, die jetzt etwas tiefer am Himmel stand, als er es in Erinnerung hatte.
Wie lange hatte er geschlafen?
"Na, wach?", hörte er die Stimme Darons, an dessen Schulter er noch immer
lehnte. Schnell fuhr er hoch und drehte sich halb zu dem Prinzen um.
"Hey, ich bin keine Pest!", schimpfte der leicht beleidigt.
"Tut mir leid, ich wollte nicht... also es ist nur so, dass..."
>...dass du mich verwirrst und deine Nähe mich unsicher macht...<
=>Mich auch!<
>Klappe, dich fragt keiner!<
"Schon gut!", meinte Daron gnädig. "Wir sind übrigens gleich zu Hause!"
>Zu Hause...<
Gerade in diesem Moment trabte Bleihs auf die Anhöhe und ließ den Blick auf
das prachtvolle Schloß zu, mit seinen ganzen Zinnen und Erkern. Diese Szene kam
Rayo furchtbar bekannt vor. Nur, dass er gestern vom Sturz und nicht vom Schlaf
benommen gewesen war.
Plötzlich hielt Daron das Pferd und stieg ab.
"Bleib sitzen!", rief Daron ihm zu. "Wir wechseln nur die Plätze! Jetzt, wo du
endlich wach bist, können wir einen tollen Endspurt hinlegen! Vorne kann ich
das Pferd besser kontrollieren!"
Er wartete gar nicht auf Rayos Erwiderung und setzte sich vor ihn hin.
"Halt dich gut an mir fest!", ermahnte er ihn und gab Bleihs die Fersen zu
spüren. Erschrocken von dem unerwarteten Ruck, als das Pferd lospreschte,
schlang Rayo beide Arme um den Jungen vor sich. Hätte er das nicht gemacht,
würde er jetzt vermutlich Staub schmecken.
Das Pferd wurde immer schneller. Rayo hatte noch nie ein solch schnelles Tier
gesehen, nicht Darons schwarzen Hengst und auch keines seiner Pferde Zuhause
konnte da mithalten. Die Landschaft zog in ungeheurem Tempo an ihnen vorüber.
Rayo konnte nur zu deutlich den pfeifenden Wind an seinen Haaren und seiner
Kleidung reissen spüren.
Schon waren sie im Tal und ritten auf das Tor zu. Daron hob kurz die Hand und
schon wurde das Schloßtor für sie geöffnet. Scharf bremsend hielten sie am
Stall.
Ein Junge kam aus dem Gebäude und nahm die Zügel entgegen.
"Euer Vater hat sich schon Sorgen um Bleihs gemacht!", sprudelte er hervor. "Er
befürchtete unbesonnenes Handeln Eurerseits und beschimpfte sämtliche
Dienerschaft. Der König erwartet Euch übrigens... beide!"
"Gut, gut!" Daron sprang lässig vom Pferd und streckte Rayo die Hand entgegen.
"Ich bin kein Mädchen!", meckerte der und ignorierte die Hilfestellung. "Und
ein Kleinkind bin ich auch nicht!"
Daron zuckte nur die Schultern, packte seinen Arm und riss ihn von Bleihs
Rücken.
>So was engstirniges! Lässt der sich denn nichts sagen?<
=>Nein, siehst du doch!<
Er ließ sich vom Prinzen zum Innenhof führen. Hinter sich hörte er noch
Darons schwarzen Hengst durch das Tor galoppieren und einige erschrockene
Schreie von Dienstmädchen.
"Du blamierst mich total!", beschwerte Rayo sich und versuchte dabei, seinen Arm
aus Darons Griff zu befreien.
"Nein, du blamierst mich!" Daron zog noch etwas fester. "Niemand stellt sich
gegen die Wünsche oder Befehle des Prinzen! Du auch nicht!"
Rayo gab schließlich auf und betrat die Halle nach Daron, der ihn wie ein
Anhängsel mitschleifte.
"Wo ist mein Vater?", fragte Daron sofort einen Türsteher.
"Er erwartet euch bereits im Salon!", antwortete der bereitwillig.
Der Prinz nickte ihm kurz zu und zerrte Rayo weiter durch eine der Türen.
"Siehst du!" Er deutete mit der freien Hand über seine Schulter. "So muss das
aussehen! Eine präzise Antwort ohne irgendwelche Mucken!"
"Soll ich mich etwa so vor dir benehmen?", ächzte Rayo und leistete ein
weiteres Mal Widerstand gegen die unfreiwillige Führung, den der Größere dank
seiner überlegenen Körperkräfte sofort zunichte machte.
"Na, ja... nein!"
"Wie jetzt?", fragte Rayo perplex.
"Nicht immer!", gestand der Prinz. "Ich finde es eigentlich richtig niedlich,
wenn du dich zu Wehren versuchst!"
"Waaas?"
"Und ich gewinne ja doch immer!", lachte Daron. "Weil ich stärker bin!"
"Von wegen! Nur prahlen kannst du!"
"Du bist mir nichts gewachsen! Das kann ich dir auch gleich beweisen!" Daron
drückte ihn gegen die Wand und Rayo zuckte erschrocken zusammen. Der Prinz
ergriff nun auch sein anderes Handgelenk und betrachtete ihn mit einem
unergründlichen Blick.
"Siehst du?", murmelte er mit rauher Stimme. "Du kommst nicht gegen mich an!"
Wütend wand Rayo sich und versuchte, sich loszureißen, was jedoch ebenfalls
scheiterte. "Lächerlich!" Daron grinste überlegen. "Du bist einfach viel zu
feminin..."
Daron beugte sich vor, die Augen halb geschlossen. Rayo blieb der Protest
sprichwörtlich im Halse stecken, als die Lippen des Prinzen sanft über seine
strichen, die Zunge spielerisch über sie streifte, wie um sie noch einmal zu
kosten, den Geschmack noch einmal zu verspüren. Wieder vergaß Rayo die Welt um
sich herum, ließ sich einfach fallen. Sein Verstand protestierte gegen die
Schwäche, die von ihm Besitz ergriff, aber sein Körper war wie gelähmt, er
gehorchte ebensowenig, wie sein Herz, das unter Darons leichten Berührungen
einfach dahinschmolz.
Als die Umschmeichlungen des Prinzen fordernder wurden, gab Rayo seinem Drängen
widerstandslos nach und öffnete leicht seinen Mund, gewährte ihm Einlass und
empfing ihn sehnsüchtig. Er umspielte seine Zunge, verwöhnte sie mit
Streicheleien, kappte nun endgültig die letzte Verbindung zu seinem Verstand,
der eindeutig gegen sein Tun war und ihm sagte, er sollte aufhören, bevor es zu
spät war.
Wieder war es Daron, der den Kuss löste und sich zu seinem Ohr vorbeugte.
"Wie gesagt, du bist mir in keinerlei Hinsicht gewachsen!", flüsterte er,
hauchte einen letzten flüchtigen Kuss auf Rayos Lippen und gab ihm mit einem
Wink zu verstehen, dass er ihm folgen sollte, während er sich vollends von ihm
losmachte und den Gang hinablief.
Rayo blieb an der Wand gelehnt stehen und starrte gegenüber auf ein Portrait
eines alten Mannes, neben dem zwei Wolfshunde standen und ergeben zu ihm
aufschauten. Es war nicht möglich, dass das gerade passiert war. Nein, das
hatte er nicht zugelassen, er hatte es doch sicher nicht! Oder?
=>Du hast es zugelassen! Belüg' dich nicht erst selbst!<
>Ich habe nicht...!!!<
Seine rechte Hand wanderte an seine Lippen. Er strich vorsichtig mit den Fingern
über sie, als wären sie verletzt, oder als gälte es, etwas auf ihnen zu
bewahren, das durch kleinste Berührung zerstört werden konnte. Wieso hatte er
es zugelassen? Wieso hatte der Prinz das getan? Er musste hier weg! Das gefiel
ihm ganz und gar nicht! Es machte ihm Angst!
>Ich muss hier raus! Bloß raus hier! Ich will doch einfach nur nach Hause!<
Plötzlich stand der Prinz direkt vor ihm. Er schien verwirrt und seine grauen
Augen musterten ihn fragend.
"Kommst du?", murmelte er mit seiner üblichen Lässigkeit. Doch Rayo sah, dass
sie diesmal nur gespielt war. "Mein Vater erwartet uns!"
"Ja, ich komme..." Rayo stieß sich leicht von der Wand ab, warf einen letzten
Blick auf den alten Mann mit den Hunden und folgte Daron schließlich, der
voranging.
>Ich komme hier schon noch raus!<
Der König sah ihnen finster entgegen, als sie den Raum betraten.
"Daron, du hast aber ganz schön lange gebraucht!", schalt er seinen Sohn. Rayo
hatte ihn bis jetzt nur einmal gesehen. Beim Essen nämlich und da war er ihm
als gütiger, sogar recht müßiger älterer Herr erschienen. Aber wie so oft
trog der Schein. Das faltenreiche Gesicht zeigte väterliche Wut und er
beherrschte die Mimik eines erzürnten Gottes perfekt. Sogar Daron senkte
beschämt den Blick, was Rayo ja so gar nicht von ihm gewohnt war. Aber
schließlich wäre der Mann sonst nicht König, wenn er nicht auch eine gewisse
Strenge an den Tag legen konnte, die von seinen Untertanen höchsten Respekt und
unbedingten Gehorsam forderte. Als Daron ihm vorhin erzählt hatte, sein Vater
hätte getobt, hatte er es für weit übertrieben gehalten. Der schwarzhaarige
Prinz schien doch nicht so verwöhnt zu werden, wie er es sich bisher ausgemalt
hatte. Er war immerhin auch Kämpfer in der königlichen Garde und wurde
bestimmt von seinem Vater bereits in seine Regierungsgeschäfte eingeweiht.
Nichts da, Müßiggang. Rayos Respekt wuchs um ein paar Stufen.
"Also, Vater...", versuchte der Prinz zu erklären. "Ich musste Rayo doch
zurückholen, also ich... also... er hat Palo aus dem Stall genommen und hier
gibt es sonst kein schnelleres Pferd als Bleihs! Was hätte ich denn anderes tun
sollen?"
"Schweig!", befahl der König, dann entspannten sich seine Gesichtszüge jedoch
merklich. "Das weiß ich alles schon. Aber warum lässt du den Jungen nicht
gehen, wenn er es möchte?"
"Es geht doch eigentlich nicht um ihn! Ich will seine Zwillingsschwester finden!
Ich habe mich auf den ersten Blick in sie verliebt!"
"Aber wer gibt dir die Berechtigung, ihn zu entführen, um seine Schwester
hierher zu locken?", fragte sein Vater sanft, aber mit wachsamen Blick.
"Ich... ich...", stotterte Daron. "Ich weiß einfach nicht, wo sie ist!"
"Wie wäre es, wenn du den Jungen gehen lässt!" Der König hob die Hand, um
Daron am Sprechen zu hindern. "Statt dessen will ich versuchen, seine Schwester
zu unserem Ball morgen einzuladen!"
>Oh, mein Gott!<
Rayo wäre am liebsten im Erdboden versunken. Das passierte jetzt alles nicht
wirklich, oder?!
"Aber ich habe keine Ahnung, wo sie lebt!", jammerte Daron. "Rayo wollte es mir
nicht sagen!"
"Er scheint ein sehr schüchterner junger Mann zu sein.", überlegte der König
und warf an seinem Sohn vorbei einen Blick auf den stummen Gast. "Ich hoffe, du
hast ihn nicht allzusehr unter Druck gesetzt?"
"Nein!"
"Nun... gut." Seine Augen funkelten zweifelnd. "Ich kann es jedenfalls nicht
zulassen, dass hier jemand gegen seinen Willen festgehalten wird! Wenn ich das
früher gewusst hätte... was sollen denn die Leute über uns denken?"
"Tut mir leid, Vater..."
"Und du Rayo? Bist du einverstanden, wenn ich deine Schwester frage, ob sie zu
einem Ball kommen möchte? Ich werde schon aufpassen, dass mein Sohn ihr nichts
tut!"
"Es tut mir leid, dass gerade ich es Euch sagen muss, aber Raya, meine
Schwester, ist bereits verlobt. Deshalb habe ich nichts gesagt. Ich muss sie vor
Eurem, wie Ihr zugeben müsst, sehr aufdringlichen Sohn beschützen!"
Der König lachte schallend.
"So kenne ich meinen Knaben!", prustete er, fing sich dann aber und wurde wieder
ernst. "Ich danke dir, für deine Offenheit! Daron?! Wieso weiß ich davon
nichts?!"
"Ich glaube ihm nicht, Vater!" Daron zeigte mit grimmiger Miene auf Rayo. "Er
belügt mich dauernd! Ich habe Leute ausgesandt, in Städte und überallhin!
Keiner konnte sie finden! Und keiner konnte ihren Verlobten finden! Und auch
seine und ihre Familie konnte niemand ausfindig machen! Diejenigen, die ich
losgeschickt habe, sind keine Laien, Vater, das weißt du! Unsere Gesandten
kennen hier jeden, doch seinen Namen, oder den seiner Schwester wussten sie
nicht zuzuordnen! Und im Register ist auch niemand unter dem Namen Rayo, oder
Raya zu finden! Er soll mir verdammt noch mal endlich die Wahrheit sagen!"
Schwer atmend verschränkte Daron die Arme vor der Brust und warf einen
empörten Blick in das schmunzelnde Gesicht seines Vaters, dessen Stirn jedoch
in nachdenklichen Falten lag.
"Diese Sache scheint dir ja doch sehr am Herzen zu liegen, mein Sohn..." Der
König wandte sich an Rayo. "Sind das wirklich alles Lügen, die du meinem
Sprössling aufgetischt hast, um ihn in die Irre zu führen?"
Rayo senkte den Blick, fieberhaft überlegend, was er nun sagen sollte.
Lügen... konnte er den König noch weiter anlügen? Nein... Aber die
Wahrheit... was wäre, wenn alles auffliegen würde...?
Die einzige Möglichkeit war... um den Brei herum reden, oder zumindest nur
einen unbedeutenden Teil der Wahrheit enthüllen. Das mit Raya war ja schon
gelogen, leider ließ sich das nicht vermeiden!
"Nicht alles ist gelogen..." stotterte Rayo schließlich. "Aber einiges, das
gebe ich zu. Ich versuche mit allen Mitteln, Raya zu beschützen!"
=>Du bist wirklich dreist!<
>Hast du eine bessere Idee? Dann raus damit!<
=>Lauf weg!<
>Das kann ich nicht machen!<
=>Ich würde es trotzdem tun! Was gehen die deine Familienverhältnisse an?<
>Da magst du ja recht haben, aber das da ist immerhin der König!<
=>König hin, König her! Sei nicht immer so ängstlich!<
>Du hast leicht reden!<
Nachdem der König einige Augenblicke lang nachgedacht hatte, räusperte er sich
unterdrückt.
"Daron, Rayo, ich denke, diese Sache solltet ihr unter euch regeln!", sagte er
dann. "Ich passe auf, dass dir, Rayo, kein Leid geschieht und dass du nicht
unter Druck gesetzt wirst! Daron hat hier meiner Meinung nach kein Recht, Miss
Raya zu umwerben, wenn sie verlobt ist! Ich befinde Rayo als stark genug, mit
dieser Situation allein fertig zu werden, es sei denn er bittet mich offen um
Hilfe!"
Dankbar stieß Rayo einen leisen Seufzer der Erleichterung aus. Damit wäre
dieses Problem ausgestanden. Jetzt nur weg hier! Er musste dem Einfluss des
Prinzen entkommen, der manchmal sekundenlang seinen Blick fesselte, ihn die
ebenmäßigen Züge des Jungen betrachten ließ und seine Phantasie zu
Höchstleistungen anspornte, wenn er es am allerwenigsten gebrauchen konnte.
"Danke, Eure Hoheit!", murmelte Rayo, verunsichert durch diese ungewohnte
Anrede. "Das werde ich Euch nicht vergessen, seid Euch da sicher!"
"Ich habe doch gar nichts gemacht, mein Junge!", lächelte der König
väterlich.
"Geh schon mal raus!", flüsterte Daron Rayo verärgert zu. "Ich habe was mit
meinem alten Herren zu bereden!"
Der Kleinere trat wortlos auf den Flur zurück und schloss die Tür hinter sich.
Darons laute Stimme konnte er durch das dicke Holz der Tür noch hören. Er
musste sehr wütend darüber sein, dass sein Vater ihm nicht nachgab. Seufzend
machte Rayo sich auf dem Weg zu Darons und auch zeitweise seinem Zimmer.
>Nur ein Problem! Wo ist es?<
Innerlich fühlte er sich jedoch völlig resigniert, so dass es ihm momentan
egal war, in welche Richtung er ging. Nur weg hier...
Wenn er gleich wirklich von hier verschwand, würde er Daron wahrscheinlich nie
wieder sehen. Irgendwie versetzte ihm das einen Stich. Einen sehr schmerzhaften
Stich.
Dabei hatte es dieser aufdringliche Typ gar nicht verdient, dass er wegen ihm
traurig war. Überhaupt nicht! Immerhin hatte er ihn... geküsst... und das
gleich zweimal...
Wenn er so daran zurückdachte, dann verspürte er keinerlei Ekel. Eher
Wärme... Verzweifelt seufzte Rayo auf, vertrieb das unerwünschte Bild der
nahen, durchdringenden grauen Augen aus seinen Gedanken. Je mehr er es
allerdings versuchte, desto verbissener schien sich dieser anhängliche Gedanke
in seinem Kopf festzusetzen.
>Wo ist bloß dieses verdammte Zimmer!!!<
Zwangsablenkung war angesagt. Er musste sich auf die Umgebung konzentrieren,
versuchte es angestrengt. Doch in seinem Kopf war nur Daron, immer nur Daron.
Was hatte dieser Idiot mit ihm gemacht? Nur weil er mit diesem unmöglichen
Mittel seine Dominanz beweisen wollte, verdammt, die Tatsache blieb, dass ihn
ein Junge geküsst hatte. Und dann benahm eben dieser sich auch noch so, als
wäre nichts außergewöhnliches passiert.
>Ich hasse ihn! Ich hasse ihn! Ich hasse ihn!<
=>Schön, du läufst aber trotzdem in die falsche Richtung!<
>Geht dich nichts an!!!<
=>Soll ich dir helfen, nach dem Zimmer zu suchen?<
>Sehr witzig!<
=>Weißt du was, ich glaube, du könntest meine Hilfe gut gebrauchen!<
>Was?!<
=>Ich kenne mich hier recht gut aus!<
Rayo blieb verwirrt stehen und befühlte seinen Kopf. Was war das? Wurde er
jetzt völlig verrückt? Wenn ja, konnte nur eine Person schuld sein! Daron!!
>Ich hasse ihn! Ich hasse ihn! Ich...<
=>Erde an Rayo, ich rede mit dir!<
>Tust du nicht! Das geht gar nicht!<
=>Doch!<
>Nein!<
Diese Stimme... war nicht "seine Stimme". Irgendwie... war soviel auf ihn
eingestürzt, dass er wahrhaftig keinen Gedanken an diese Stimme verschwendet
hatte. Er hatte ja auch überhaupt keine Zeit dafür gehabt! Aber... was war das
für eine Stimme, wenn nicht seine eigene...
>Was... bist du...?<
=>Tja, das würdest du gerne wissen!<
>Hilfe und ich dachte, du bist eine Einbildung!<
=>Ich weiß!<
Rayo schwindelte. Er hatte hier ja schon viel erlebt, aber eigentlich hatte sich
bisher wenigstens alles, ausgenommen dem Sog, der ihn hierher gebracht hatte,
auf einigermaßen vertrauten Bahnen bewegt. Das hier war eindeutig Hexerei. Und
an sowas glaubte er nicht!
>Aber was bist du nun? Und wer?<
=>Sieh mal, dort hinten an der Ecke...<
Panisch tastete Rayos Blick durch den Flur, doch er sah niemanden. Das
erleichterte ihn im gewissen Sinne.
>Und du bist doch eine Einbildung! Mist, ich bin schizophren!<
=>Hach, meine Güte!<
Erschrocken wandte Rayo den Blick zu Boden. Etwas kleines weißes flitzte über
den roten Teppich auf ihn zu. Eine Maus!
=>Da bin ich!<
>Du bist eine Maus?<
Rayo hasste Mäuse. Er hasste sie wie die Pest! Fast so sehr wie Daron! Wenn
nicht noch mehr! Entsetzt wich er vor dem weißen Ding zurück.
>Eine Maus...<
=>Nein, ich bin keine Maus... ich habe viele Gesichter, aber eine Maus bin ich
nicht! Es war übrigens schwer, dir auf den Fersen zu bleiben...<
Als die Maus ruhig stehenblieb, wagte Rayo es, seinen Fluchtkomplex etwas zu
lockern. Er fühlte sich vollkommen erstarrt und das nicht nur dank der
Tatsache, dass ihm eine sprechende Maus gegenüberstand, die behauptete, keine
Maus zu sein. Er hatte doch gar keinen Alkohol getrunken...
>Und wie hast du mir folgen können? Im Gepäck?<
=>Nein... hast du dir in der Stadt nicht ein Pferd gekauft?<
Rayo konnte das Grinsen aus den Worten heraushören. Ja, er hatte sich ein Pferd
gekauft... aber was hatte sein Pferd mit... nein...?!
>Der Haflinger? DU bist der Haflinger?<
=>Genau! Und du hast es nicht gemerkt!<
Rayos schwieg. Er brauchte erst einmal eine kleine Weile, um sich den Umstand
bewusst zu machen, dass es wirklich sowas wie Hexerei gab. Allerdings fiel es
ihm doch nicht so sehr schwer. Allein die Tatsache, dass er hier war, in einer
seltsamen mittelalterlichen Welt, trug dazu bei, die Sache zu akzeptieren wie
sie war. Dann gab es eben doch Zauberei. Das war eh alles nur ein großer
Zauber.
=>Jetzt hat es dir aber die Sprach verschlagen! Ich kenne deine dunkelsten
Geheimnisse!<
Der Spott in der Stimme war nicht zu überhören. Leider funktionierte das
Akzeptieren wohl nicht so gut, wie er gedacht hatte. Bestimmt träumte er. Alles
war ein großer Traum! So wie Darons Kuss eben und diese elende Schwäche, die
ihn gelähmt hatte!
>Ich hasse ihn! Ich hasse ihn! Ich hasse ihn! Ich...<
=>Rayo!! Hör auf mit dem Scheiß!<
Wieder mal schienen seine Gedanken zu dem Schwarzhaarigen gewandert zu sein. Das
machte es nicht eben besser. Und wer war schuld? Na, wer wohl?!
>Ich hasse ihn! Ich hasse ihn! Ich...<
=>Rayo!!!<
>Klappe! Du bist immer noch genauso schlimm, wie vorher! Nur... dass du echt
bist!<
=>Was erwartest du? Das ich mich auf einmal verändere? Ich habe dich nur
beobachtet, seit du hierher gekommen bist!<
Die kleine weiße Maus, die bisher nur vor ihm gestanden hatte, krabbelte nun
weiter auf ihn zu. Rayo wich geschockt zurück und wäre dabei fast über seine
eigenen Füße gestolpert.
>Komm mir nicht zu nahe! Ich hasse Mäuse!<
=>Oh, du scheinst ja vieles zu hassen! Warte mal...<
Die Maus verschwand mit einem leisen Geräusch in einer kleinen Rauchwolke. Als
der weiße Qualm sich lichtete, stand an der Stelle der Maus eine schwarze Katze
mit grünen funkelnden Augen.
=>...ist dir das lieber?<
Rayo konnte die Katze nur anstarren. Ungläubig. Wie paralysiert.
>Dann bist du also wirklich die Stimme in meinem Kopf...<
Das war fast das dümmste, was er hatte sagen können.
=>Nein! Wieder falsch! Ich bin nicht "die Stimme"! Ich rede nur in deinen
Gedanken mit dir... Manchmal konnte ich mir wohl den einen oder anderen
Kommentar nicht verkneifen, das ist alles!<
>Und ich dachte schon an gespaltene Persönlichkeit, oder eine andere psychische
Störung! Na, die habe ich scheinbar sowieso! Jetzt aber mal eine andere Frage:
Warum bist du hier? Und was noch viel wichtiger ist: Warum bin ICH hier?<
=>Ich habe mir schon gedacht, dass du fragen würdest...<
Die Katze streckte sich kurz und sprang mit einem Satz auf seine Schulter. Rayo
hätte sie fast vor Schreck abgeschüttelt, doch er konnte diesen Reflex noch
rechtzeitig unterdrücken. Das Tier rollte sich um seinen Nacken und ließ es
sich dort oben gut gehen.
=>Erst mal möchte ich mich vorstellen: Ich bin Lileya, gehöre einer
Magierfamilie an und bin auf der Suche nach einem Abenteuer. Mehr nicht. Und zu
deiner ersten Frage: Ich bin hier, weil ich es so möchte. Ich war neugierig!
Nicht oft betritt jemand diese Welt und dann auch noch, ohne es beabsichtigt zu
haben! Zu deiner zweiten Frage: Es gibt keinen mir bekannten Grund, aus dem du
hier bist! Wer durch das Tor geht, ist hier! Das ist eine Tatsache und das hast
du dir selbst zuzuschreiben!<
>Mir selbst? Na, toll! Und wie komme ich wieder zurück?<
>Keine Ahnung!<, gab Lileya offen zu. >Das wirst du wohl herausfinden müssen!
Mein Angebot gilt übrigens immer noch: Soll ich dir helfen?<
>Das sieht dir ähnlich!< Rayo schnaubte verächtlich. >Jetzt, wo Daron mich in
Ruhe lassen muss, bietest du mir deine Hilfe an! Sehr nett!<
>Na, dann nicht!< Lileyas Stimme troff vor Gleichgültigkeit.
Rayo nahm seinen Weg wieder auf und traf kurz darauf auf die Halle. Also war er
gerade da, wo er nicht sein wollte. Na, fabelhaft! Er kehrte um und lief zurück
in den Gang hinein.
>Am Ende des Ganges musst du übrigens links...<, sagte Lileya in derselben
gleichgültigen Tonlage.
>Ich wollte nicht sagen, ich bräuchte deine Hilfe nicht!<
>Aha... Ups! Achtung! Der Pri...<
"Rayo!", ertönte die ärgerliche Stimme Darons. "Du musst auch immer
weglaufen!"
>Der Prinz...<, vervollständigte Lileya den Satz.
"Ich hatte keine Lust zu warten, bis du und dein Vater da mal fertig wurdet!",
meinte Rayo gedehnt.
"Ich musste nur mal klarstellen... Hey, wo kommt denn diese Katze her?"
"Ach, die lief hier so rum... Kusch, kusch..."
>Geh!<, befahl Rayo.
Die Katze gähnte müde und rührte sich ansonsten nicht.
>Lileya!<
>Ich will nicht!<
"Das haben wir gleich!", grinste Daron und streckte die Hand nach dem schwarzen
Tier aus. Lileya beobachtete jede seiner Bewegungen genau, fauchte dann warnend
und legte die Ohren eng an den Kopf.
>Rayo, sag dem, er soll mich nicht angrabschen!<, kreischte sie hysterisch.
>Wenn du meinst...<
"Lass doch das arme Tier!" Rayo hob abwehrend die Hände.
"Wieso?", fragte der Prinz. "Ist es dir plötzlich ans Herz gewachsen?"
"Na, ja... stören tut die Katze mich jedenfalls nicht!"
>Danke, Kleiner!<, schnurrte Lileya und rieb ihren Katzenkopf an Rayos Haar.
>Na, immerhin warst du ja die ganze Zeit schon da. Dann kannst du auch weiterhin
bleiben. Wenigstens jemand, vor dem ich keine Geheimnisse zu haben brauche!<
"Was ist?", fragte Daron und musterte ihn aufmerksam. "Du scheinst so
abwesend..."
"Ach, nichts!"
>Lileya, ich wette, du bist ein Mädchen!<
>Natürlich bin ich ein Mädchen!<, empörte die Katze sich in seinen Gedanken.
>Du redest auch wie eins!<
"Rayo?" Daron fuchtelte vor seinem Gesicht herum. "Bist du auch ganz wach? Ich
fragte, ob wir nicht langsam weitergehen sollten! Wir stehen hier ganz schön
blöd im Flur herum!"
"J-ja, klar!", antwortete Rayo. "Gehen wir!"
Kopfschüttelnd sah Daron ihn noch einige Sekunden lang an und wandte sich dann
zum Gehen. Der Schwarzhaarige folgte ihm.
>Ich kann mir nicht erklären, was du dir dadurch versprichst, auf meinen
Schultern herumzulungern!<, zweifelte Rayo.
>Bin ich dir zu schwer?<
>Nein, das ist es nicht! Ich rede von...<
>Schon klar!<, unterbrach Lileya ihn. >Der Alltag ist langweilig! Ich suche ein
neues Ziel, ganz einfach. Genügt dir das nicht?<
Dazu wusste Rayo nichts mehr zu sagen und heftete seinen Blick auf Darons
Rücken, der jetzt an ihrer Tür hielt und sie öffnete.
"Wie lange bleibst du noch hier?", fragte er dann im Umdrehen.
"Weiß nicht...", murmelte Rayo.
>Sag ihm, du gehst jetzt!<, forderte Lileya. >Das ist deine Chance!<
"Bleibst du noch bis nach dem Ball?" Daron schaute bittend. "Und... kannst du
deine Schwester einladen? Ich werde ihr sicher nicht zu nahe treten! Mein Vater
hat es mir verboten, falls ihr beide kommt..."
>Sag nein!< Die Katze auf seiner Schulter fauchte aufgeregt und Rayo spürte die
Krallen durch seine Kleidung hindurch. >Mach jetzt bloß nichts falsches!<
>Aber... er guckst so traurig...<
>Und wie willst du das machen? Du hast keine Schwester!<
>Ach ja...< Beflissen kratzte Rayo sich am Hinterkopf.
"Tut mir leid, Daron, aber ich weiß momentan wirklich nicht, wo sie ist!"
Erleichtert stellte er fest, dass die Lileya ihre Krallen wieder einzog. Daron
hingegen stemmte verstimmt die Hände in die Hüften.
"Du lügst schon wieder!", meckerte er. "Ich habe sie letztens erst gesehen und
du..." er tippte dem Schwarzhaarigen mit dem Zeigefinger auf die Brust.
"...warst ganz in der Nähe!"
"So ein Zufall aber auch!", rief Rayo verlegen aus.
>Das ist ja überhaupt nicht auffällig!<, lästerte Lileya.
>Mach's doch besser!<
>Wenn das mal so einfach wäre!<
"Rayo, jetzt sag mir, wieso du das machst!", ärgerte sich der Prinz. "Du hast
jetzt keinen Grund mehr, mich anzulügen! Warum willst du nicht, dass deine
Schwester kommt?"
Plötzlich breitete ein fieses Lächeln sich auf Darons Lippen aus.
"Oder bist du etwa eifersüchtig auf Raya... weil ich sie liebe..."
"Von wegen!", schrie Rayo empört. "Perversling! Widerlich!"
>Achtung, Kleiner!<, warnte Lileya. >Das ist...<
"Gut, wenn du unbedingt willst, bitte ich Raya, zu dem Ball zu gehen!",
erklärte Rayo laut.
>...ein Trick... Na, toll!<
"Okay, einverstanden!" Daron schlug Rayo freundschaftlich auf die Schulter.
"Danke!"
>Wieso hast du nichts gesagt?<, beschuldigte Rayo die Katze.
>Haha!<, gab Lileya sarkastisch zurück. >Ist es mein Problem, dass du dich
immer in Schwierigkeiten bringst? Aber du hast ja noch nie auf mich gehört!<
>Tut mir leid!< Rayo strich der schwarzen Katze leicht über den Kopf. >Ich
werde dir demnächst mehr zuhören!<
>Wäre für dich auch sehr zum Vorteil!<
Überrascht stellte Rayo fest, dass Daron bereits in dem Zimmer verschwunden
war. Schnell folgte er ihm und schloss die Tür. Das würde ja wieder eine tolle
Nacht werden.
Unruhig warf Rayo sich auf die andere Seite und versuchte erneut, die Augen
ruhig zu schließen, sich völlig auf die leisen Geräusche zu konzentrieren,
die in diesem Hause allgegenwärtig waren. Er stellte fest, dass ihm die Musik
sehr fehlte. Musik war wieder ein Detail seiner Welt, das er nicht zu schätzen
gewusst hatte, solange er es besessen hatte. Jetzt, wo er keine Musik mehr
hören konnte, vermisste er sie umso mehr. Sicher gab es hier bestimmt auch
Orchester und ähnliches, aber die waren etwas ganz anderes, als das, was er
gerne hörte. Es war eigentlich allgemein die ganze Technik, die ihm sein Leben
bequemer gemacht hatte, die nun, wo sie nicht mehr da war, eine tiefe Lücke in
seinem Leben hinterlassen hatte. Zwar war die Luft reiner und angenehmer, die
Gegend war weit schöner und keine kranken Bäume standen im Wald, aber dies war
nicht sein Zuhause. Er war wohl einfach verweichlicht und verwöhnt. Solche
tagelangen Strapazen machten ihn total fertig. Er hatte Sehnsucht nach richtigen
Toiletten, ganz normalem Essen, nach Fernsehen, Gemütlichkeit und vor allem
nach seiner Familie und seinen Freunden. Rayo unterdrückte einen Schluchzer,
spürte aber sein Innerstes Erbeben, als würde es sich zusammenkrampfen, um den
aufgestauten Schmerz herauszuspülen. Er fand es normalerweise falsch, zu heulen
wie ein Kind, oder ein Mädchen, aber ihm ging es so furchtbar schlecht, er
wollte nur nach Hause, dorthin, wo er aufgewachsen war und wo er seit jeher sein
Leben verbracht hatte, wo er sich nicht so verstellen musste...
Erst jetzt spürte er die heißen Tränen auf seinem Gesicht und wischte sich
die Augen schnell am Stoff des Bettzeugs ab. Er konnte nicht sagen, wann er das
letzte Mal so geheult hatte. Schluchzer schüttelten ihn, doch er ließ sie
nicht heraus, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Könnte er doch wenigstens
allein sein! Ganz für sich...
Würde er überhaupt jemals nach Hause kommen? Den ersten Tag hatte er versucht,
das ganze noch mit etwas mehr Humor zu sehen, er hatte gedacht, dieser Zustand
wäre nur kurzzeitig, irgendwie würde er schon das Tor wiederfinden, oder
zumindest jemanden, der es ihm zeigen konnte. Rayo vergrub sein Gesicht in den
Kissen und spürte, wie in ihm wieder etwas Ruhe einkehrte. Er seufzte einmal
tief.
Plötzlich stupste etwas seinen Arm an. Er schrak zusammen und wollte sich dem
Störenfried stellen.
>Hey, du...<, grüßte Lileya, die - immer noch als Katze - an der Bettkante
stand und ihn musterte. >Sei nicht traurig... Ich habe doch gesagt, ich helfe
dir!<
>Ich bin nicht traurig!<, fauchte Rayo sie gedanklich an und ließ sich
zurückfallen. Die Katze machte einen Satz über ihn hinweg und kuschelte sich
in die Kuhle zwischen ihm und der Wand.
>Leugnen hilft nichts!< Das Tier gähnte. Man konnte die kleinen spitzen Zähne
im Dämmerlicht sehen. >Ich habe ein Gespür für sowas!<
>Nun gut, ich geb's ja zu... ich möchte nach Hause! Und ich habe noch ein
Problem! Ich weiß nicht, wie ich das morgen machen soll! Ich habe keine
Schwester und niemand sieht mir so ähnlich wie ein Zwilling!<
>Überlass das ruhig alles der alten Leya!<, erwiderte das Mädchen und
zwinkerte ihm mit einem Katzenauge schelmisch zu. >Ich mach das schon!<
>Wehe, das geht schief!<, knurrte Rayo im Scherz. >Ich vertrau dir
ausnahmsweise, also mach deine Sache gut! Aber jetzt sag mal, wo warst du
eigentlich die ganze Zeit?<
>Ich war essen!<
Rayos Magen knurrte laut. Daron war kein besonders guter Gastgeber. Immer
vergaß er, ihm etwas zu Essen zu geben. Das ging ihm eindeutig gegen den
Strich.
Die leuchtend grünen Augen der Katze schlossen sich und der Schwarzhaarige
vergaß seinen Hunger, denn die Müdigkeit überwog eindeutig. Rayo sah, wie das
Tier einmal tief die Luft einsog und dann kraftvoll ausstieß. Dann fielen auch
ihm die Augen zu und er schlief zum zweiten Mal an diesem Tag erschöpft ein.
Der Morgen brach mit Ach und Krach über Rayo herein. Er wurde nämlich von dem
total aufgedrehten Prinzen wachgerüttelt.
"Steh auf!", rief der und schüttelte ihn durch. "Es ist schon fast Mittag! Du
musst dich langsam fertig machen! Deine Schwester kommt sicher gleich!"
>Und ich dachte, von einem Prinzen wird mach wach ,geküsst' und nicht
,gerüttelt'...<
"Rayo!!!"
Träge öffnete der Angesprochene die Augen, blickte empört in das Gesicht des
Prinzen, der neben ihm auf dem Bett saß, sich wie ein hyperaktives Kind benahm
und ihn bei den Schultern gepackt hielt, an denen er ununterbrochen zerrte.
"Hör auf, verdammt!" Rayo richtete sich auf und stieß mit dem Kopf unter
Darons Kinn. "Ah, aua!"
"Brich mir ja nicht noch das Kinn, bevor der Ball anfängt!" Der Prinz fluchte
unterdrückt und rieb sich den schmerzenden Kiefer.
"Dann weck mich nicht so grob, Idiot!", Rayo strich sich über die total
zerwühlten Haare und schob sich an Daron vorbei, als er aufstand.
"Ich bin kein Idiot!", rief der hinter ihm her. "Ich habe eine dringende Frage
an dich: Wann hast du deine Schwester eigentlich eingeladen?"
"Äh..."
>Gute Frage...<
Darons Miene wurde mit einem Mal finster und er ballte sie Fäuste. "Gib's zu,
sie wird nicht kommen! Sie weiß doch gar nichts von dem Ball!"
"Keine Sorge, sie wird kommen!" Rayo sah sich kurz nach Lileya um. Die Katze war
nirgends zu sehen. Erleichtert lächelte er den Prinzen an. "Es ist alles
geregelt, das meine ich ehrlich!"
Der Prinz schien besänftigt. Jedenfalls sah er nicht mehr wütend aus. Er
starrte ihn nur mit seinem undeutbaren Blick an.
"Was denn?", fragte Rayo nach einer Weile.
"So habe ich dich noch nie lächeln sehen!", sagte Daron mit gedämpfter Stimme.
"Woran liegt es, dass du das auf einmal kannst?"
"Es könnte an dem Umstand liegen, dass ich nicht mehr dein Gefangener bin!",
grinste Rayo.
"Hm... Tja, wenn ich gewusst hätte, dass das so viel ausmacht, hätte ich es
von Anfang an anders gemacht!"
Ein Klopfen an der Tür beendete das Thema erst einmal.
"Herein!", rief Daron laut. Die Tür wurde geöffnet und ein Diener verbeugte
sich ehrfürchtig. "Die ersten Gäste treffen ein, mein Prinz. Und wie befohlen
erstatte ich Bericht von Miss Rayas Ankunft!"
Daron sprang mit all seinem Übereifer auf und stürmte zur Tür. Rayo zog sich
schnell den Anzug zu Ende an, den Daron ihm am letzten Abend noch gegeben hatte.
Natürlich hatte er ihn auch anprobieren müssen. Rayo verdrehte die Augen bei
dem Gedanken an die Anprobe. Doch schnell wanderten seine Gedanken wieder zu
seiner Schwester. Wie Lileya das wohl angestellt hatte? Wen hatte sie bloß
angeschleppt, den man als seine Schwester ausgeben konnte?
Rayo betrat die Halle und sah sich um. Sein Blick traf auf Daron, der wahrhaftig
gerade vor einem Mädchen kniete und ihr die Hand küsste. Und dieses Mädchen
war das genaue Abbild von ihm selbst, nur, dass sie eben die weiblichen Teile
hatte, die ihm fehlten.
>Wer ist das???<
Plötzlich wandte sein Zwilling sich ihm zu und winkte erfreut. Neugierig
näherte der Schwarzhaarige sich dem Prinzen und seiner angeblichen Schwester,
die ein wunderbares Kleid trug, mit einem Ausschnitt, der keinen Zweifel an
ihrem Geschlecht ließ.
"Bruderherz!" Das Mädchen fiel ihm in die Arme. Der Form halber erwiderte er
die Umarmung, doch er war unsicher. Wo hatte Lileya dieses Mädchen
aufgetrieben?
"Na, Rayo, sehe ich so aus, wie du dir deine Schwester vorstellst?"
Bei den an seinem Ohr geflüsterten Worten fiel es Rayo wie Schuppen von den
Augen.
"Lileya!", murmelte er mit leicht fragendem Unterton.
"Natürlich ich! Wie hätte ich das sonst arrangieren sollen?" Sie lachte leise
und löste sich wieder von ihm. "Ich habe dich vermisst, Bruder!"
"Wie ich sehe hast du den Prinzen schon kennengelernt!", spielte Rayo mit
höflich distanzierter Miene mit.
"Meine erste Begegnung mit ihm war ja nicht so toll, ich fand sein Benehmen sehr
dreist!" Lileya tat so, als würde sie ein privates Gespräch mit ihm führen
und schloss Daron absichtlich aus. Rayo sah an dem Funkeln in ihren Augen, dass
es ihr gefiel, ihn zu ärgern. Seiner Mimik nach zu schließen, ging ihre
Rechnung auf. Der Prinz räusperte sich jetzt auffällig.
"Die meisten Gäste kommen erst später gegen abend, da der Ball noch nicht
beginnt!", erzählte er.
"Ich bin ja eigentlich nur früher gekommen, um meinen Bruder sehen zu
können!", lachte Raya alias Lileya mit glockenheller Stimme und wusste, dass
sie damit den Prinzen ein weiteres Mal total überging.
"Sie ist irgendwie anders als sonst!", flüsterte Daron Rayo zu. Der grinste
ertappt.
"Wir haben uns erst einmal getroffen!", empörte Raya sich. "Ihr wisst doch gar
nichts über mich!"
Daron schwieg verlegen, da er nicht damit gerechnet hatte, sie könnte etwas
hören.
"Verzeiht, Miss!" Er verbeugte sich tief. "Ihr habt natürlich recht!"
>Du bist wirklich gemein zu ihm!<, schalt Rayo Lileya gedanklich.
>Ich weiß!< Raya grinste ihn frech an. >Immer doch! Er war ja auch die ganze
Zeit fies zu dir!<
"Ich vergebe Euch!", murmelte sie dann überlegen an den Prinzen gewandt. Rayo
musste zugeben, dass es auch ihm ein bisschen gefiel, wenn der Prinz einmal
etwas litt. Aber er fand, dass es genug war.
>Leya, du solltest jetzt damit aufhören!<
>Tut mir leid, ich tue deinem Liebsten schon nichts!<
>Lileya, das nimmst du sofort wieder zurück...!<
Eilige Schritte unterbrachen sie. Plötzlich fühlte Rayo sich erneut umarmt.
Wieder von einem Mädchen...
"Rayo!!!", rief Kira glücklich. "Ich bin extra früher gekommen, nur um dich zu
sehen!"
Daron knurrte verstimmt. Wieder jemand, der ihn völlig übersah und statt
dessen Rayo um den Hals fiel. Hatten sich denn alle gegen ihn verschworen?
Raya lachte vergnügt, als sie die Reaktion des Prinzen auf diese
unbeabsichtigte Pointe Kiras mitverfolgte. Dieser Abend würde einfach zu
komisch werden! Der Prinz, dem sonst alle Mädchen zu Füßen lagen, musste
heute wohl mal etwas zurückstehen. Und sie, Raya, würde dafür sorgen, dass
der Prinz nicht länger glaubte, er wäre in sie verliebt. Denn sie wusste es
besser! Arme Kira. Sie ahnte ja nichts! Dabei mochte sie das temperamentvolle
Mädchen!
Doch darüber würde sie sich an einem anderen Tag Gedanken machen! Heute war
Spaß angesagt! Sie hatte gleich gewusst, sich an Rayos Fersen zu heften, würde
sie wieder etwas aus ihrer Lethargie und diesem Alltagswahn herausholen.
>Schon aufgeregt?<, fragte sie, nur für ihn hörbar.
>Ja, sehr!<, kam die Antwort mit einem kleinen Zwinkern. >Ist ja mein erster
Ball! Aber... es wird bestimmt lustig!<
"Du hättest nicht extra wegen mir früher kommen müssen!", sagte Rayo nun zu
der Blonden, die sich glücklich an seinen Arm klammerte.
"Ich wollte aber früher kommen! Guck mal, was ich trage!" Stolz hielt sie ihm
ihr Handgelenk unter die Nase. "Das Armband, das du mir geschenkt hast!"
"Oh!", staunte Lileya. "Das war sicher sehr teuer!"
>Als ob du das nicht mitbekommen hättest!<, meinte Rayo zu Lileya. >Wirklich
gut!<
>Danke!<
"Ja, teuer war es! Hat fünfzig Silberlinge gekostet!" Bereitwillig zeigte Kira
das Schmuckstück auch dem Prinzen und jedem anderen, der es sehen wollte.
"Rayo, wieso hast du ihr das Ding gekauft?", fragte Daron, sichtlich schlechter
gelaunt, als noch vor einer Minute.
"Sie hat mich darum gebeten!", grinste Rayo. Er fragte sich, wieso die sich alle
so aufregten.
"Ich dachte, du hast sie gestern das erste Mal gesehen! Ihr seht nicht so aus,
als würdet ihr euch kaum kennen! Und jemanden, von dem man nichts weiß, kauft
man nicht so etwas wertvolles!"
"Äh... Daron, also ich..."
>Wertvoll? Leya!< Er warf dem Mädchen in der Gestalt seiner Schwester einen
flehenden Blick zu. >Ich kann mit der Währung hier nicht umgehen!<
>Du hast ziemlich viel Geld für Kira ausgegeben!<, erklärte Lileya. >Für mich
als Haflinger hast du fünf Goldstücke bezahlt, ein erste Klasse Pferd kostet
halt so viel! Aber der Armreif für fünfzig Silberlinge... für ein
Schmuckstück sehr teuer!<
>Aber Daron hat mir das Geld doch geschenkt... für eine Auskunft!<
>Na, ja... er wirft manchmal mit Geld um sich, sagt man...<
"Rayo?", fragte der Prinz wütend. "Gib mir eine Antwort! Ich will das auf der
Stelle wissen! Was hast du mit diesem Mädchen zu schaffen?"
"Schreit ihn nicht so an!", verteidigte Kira den Schwarzhaarigen. "Ich hab ihn
überredet, mir das Armband zu schenken! Wir haben uns wirklich nur einmal
getroffen!"
"Ach, so?!", meinte Daron mit säuerlichem Unterton. "Dich habe ich nicht
gefragt! Rayo!!!"
"Was willst du überhaupt?", fragte der und blitzte ihn mit seinen goldenen
Augen nun ebenfalls wütend an. "Ich darf mich doch anfreunden, mit wem ich
will!"
"Nein, nein, nein! Das dulde ich nicht!" Daron stampfte mit dem Fuß auf dem
Boden auf.
"Und wenn ich es doch tue?!", knurrte Rayo.
"Dann sperre ich dich wieder weg!", drohte Daron und packte den Kleineren am
Kragen, an dem er ihn zu sich heran zog.
Raya grinste nur, als sie die Szene beobachtete, doch Kira schien das gar nicht
zu gefallen.
"Hört auf, ihr Kindsköpfe!", schrie sie und errötete, als sie bemerkte, wen
sie da gerade zusammengestaucht hatte. "Oh, verzeiht, Prinz!"
"Ungezogenes Gör!", spuckte Daron verächtlich aus und sah wieder zu Rayo, dem
er einen langen Blick schenkte und den er daraufhin mit gleichgültiger Miene
losließ. Der Junge torkelte ein Stück nach hinten und fing sich in letzter
Sekunde, bevor er hinfallen konnte.
"Ähm... entschuldigt..." Zwei Dienerinnen standen hinter dem Prinzen und
wirkten eindeutig ziemlich nervös.
"Ja?", fragte Daron mißlaunig.
"Wir wollen die Damen auf ihre Zimmer geleiten...", stotterte die Jüngere der
beiden.
Der schwarzhaarige Prinz machte eine Geste in Richtung der Mädchen.
"Ihr könnt jetzt gehen!"
Kira warf Rayo noch einen mitleidigen Blick zu und verschwand dann mit Raya
hinter einer der Türen zu den Gästezimmern.
>Viel Spaß noch, und bis nachher!<, hörte der Schwarzhaarige Lileya noch
sagen, bevor die Tür sich schloss.
"Ich mag diese Kira nicht!", knurrte Daron.
"Tja, was für ein Pech auch!", lachte Rayo verlegen. "Ich gehe jetzt einfach
mal..."
"Wohin?" Die grauen Augen funkelten misstrauisch.
"Nur aufs Zimmer.", antwortete Rayo verwundert, ob dieses strengen Tons.
"Ich komme mit!"
Ohne eine Miene zu verziehen, nickte Rayo. Doch innerlich seufzte er resigniert.
Hatte er denn nie eine ruhige Minute für sich?
Also verließen auch sie die Halle und gingen den Gang hinab zu Darons Tür.
Kaum, dass sie diese wieder geschlossen hatten, sprudelte es aus dem Prinzen
hervor:
"Also, was hast du mit dieser Kira zu schaffen? Und wieso tut deine Schwester
so, als wäre ich der letzte Dreck für sie? Ich war doch total höflich! Sag,
was habe ich falsch gemacht? Ich habe das Gefühl ihr wollt mich alle
veräppeln...!"
"Bleib ruhig!", unterbrach Rayo ihn unwirsch. "Was ich mit Kira zu tun habe,
sagte ich bereits, da ist nichts! Ich weiß gar nicht, was dich das
interessieren sollte! Du liebst doch Raya!"
"Ich..."
"Außerdem...", sprach Rayo laut weiter. "...hat meine Schwester dir schon
einmal eine Abfuhr erteilt! Sie möchte einfach nicht, dass du dir Hoffnungen
machst! Du hast nichts falsch gemacht! Nur zügeln solltest du dich vielleicht
mal... du benimmst dich wie ein Kind!"
Daron schaute erst perplex drein, dann wurde er wütend.
"Ich benehme mich wie ein Kind? Ich bin der Prinz, verdammt! Ich bin dazu
geboren, eines Tages über das ganze Land zu herrschen!"
"Eben!"
"Was soll das jetzt wieder heißen?"
"Das soll heißen..." Rayo atmete einmal tief durch und schloss kurz die Augen.
"...dass du einfach zu offen und zu leicht angreifbar bist!"
"Angreifbar?" Unverständnis spiegelte sich in Darons Miene wider. "Das verstehe
ich nicht! Wer sollte mich denn angreifen?"
Rayo blickte sich kurz in dem Zimmer um und wanderte dann nachdenklich zu einem
kleinen Sessel, in dem er sich niederließ. Er strich mit seiner Rechten durch
sein pechschwarzes Haar und sah dann endlich wieder den Prinzen direkt an.
"Jeder Mensch hat doch Feinde! Besonders ein Prinz oder König!", versuchte Rayo
ihm verständlich zu machen, was er dachte. "Du schaffst es einfach nicht, deine
Schwächen vor der Außenwelt zu verstecken! Das macht dich verwundbar!"
Daron sah ihn einen kurzen Moment lang an, dann verfinsterte sich sein Gesicht
und er lief zum Fenster, vor dem herrliches Wetter herrschte.
"Und was bitte sind meine Schwächen?", meckerte er. "Erzähl mir mal, welche
meiner Schwächen du auf Anhieb ausnützen könntest, ohne mich besser zu
kennen?"
"Raya!" Der Schwarzhaarige setzte sich auf und strich nebenbei seinen Anzug
glatt. "Jeder im Land weiß inzwischen, dass du sie suchst! Schließlich wurden
ja alle möglichen Menschen befragt! Es wäre mir ein leichtes, diesen
Schwachpunkt auszunutzen!"
Daron schwieg wieder, starrte nur hinaus aus dem Fenster.
>Sieht er es ein? Ich wünschte, er würde!<
"Und weiter?", fragte der Prinz mit ausdrucksloser Stimme.
"Ein anderer Schwachpunkt ist immer die Familie, aber das lässt sich so leicht
nicht vermeiden!"
"Scheinbar doch!" Graue Augen wandten sich ihm nun zu, sie verrieten keine Wut,
keinen Ärger, sie zeigten nichts.
"Wie meinst du das?"
"Deine Familie wurde vergeblich im ganzen Land gesucht, selbst Raya schafft es,
in einem Moment da zu sein und im nächsten spurlos zu verschwinden! Ebenso ist
es mit dir! Was hat es mit deinen Eltern und deiner Schwester auf sich?"
"Ich weiß gar nicht, wovon du sprichst!" Rayo spürte sich deutlich in die
Defensive zurückgedrängt. "Ich habe eine ganz normale Familie, wie jeder
andere auch! Ich habe eine Mutter und einen Vater, die beide ein geregeltes
Leben führen und eine Schwester, die verlobt ist und nur deshalb ohne ihren
Verlobten auftaucht, weil der verletzt ist und Bettruhe verordnet bekommen hat!
Sie wäre heute eigentlich gar nicht gekommen, hättest du mich nicht dazu
gedrängt, sie einzuladen!"
Eine lange Pause folgte auf Rayos Worte, der Prinz schien zu überlegen.
"Dann sag mir doch, wo du wohnst!", murmelte der Prinz. "Sag mir, wo deine
Familie steckt! Was hält dich davon ab? Sind sie Verbrecher?"
"Nein!" Ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen, als er sich
vorstellte, es würde tatsächlich so sein. "Das Land ist groß, ich möchte dir
nicht noch weitere Schwächen preisgeben!"
Das war das einzige, was Rayo noch zu sagen vermochte. Etwas besseres fiel ihm
einfach nicht ein. Er konnte ja schlecht sagen, dass seine Familie in einer
anderen Welt lebte.
"Schwächen preisgeben!", rief Daron sarkastisch aus. "Natürlich, alles klar!
Warum belügst du mich? Ich verstehe das nicht! Wenn du morgen gehst, weiß ich
nicht, wohin du gehst, was du machen wirst, dort, wo du bist... und vor allem
nicht, was deine Schwester machen wird!"
"Ich kann dir sagen, was sie machen wird, wenn es dich so sehr interessiert!",
versuchte Rayo mit leiserer Stimme, die Wut des Prinzen zu dämpfen. "Sie wird
ganz normal zur Schule gehen, ihren Verlobten ehelichen, mit ihm zusammenwohnen
und Kinder kriegen, die sie dann erziehen wird! Was denkst du, sollte ein
Mädchen sonst machen?"
>Blöde, konservative Sichtweise! Gut, dass das in meiner Welt ein bisschen
anders abläuft!<
Rayo wusste wirklich nicht, wie die Mädchen in dieser Welt sich mit so einem
Leben zufrieden geben konnten! Das war doch widerlich!
"Und du, Rayo?", fragte Daron. "Was wirst du tun?"
"Zur Schule gehen, viel lernen, die Welt bereisen, heiraten!", redete er spontan
drauf los. "Ich weiß es doch nicht!"
>Wieso erwarten die hier eigentlich, dass man mit sechzehn Jahren bereits
verheiratet sein sollte??<
"Du willst also heiraten?", murmelte Daron. "Vielleicht diese Kira?"
"Öhm..." Rayo stellte sich wieder auf die Füße. "Wie kommst du denn darauf?"
"Na, ihr hingt ziemlich eng aneinander, gerade in der Halle!", grinste Daron,
doch das Grinsen erreichte diesmal seine Augen nicht. "Erzähl mal, wie findest
du das Mädchen? Sie ist doch hübsch, nicht wahr?"
"Ja, schon... aber... ich will sie doch nicht heiraten!"
"Ach, nein?", fragte Daron prüfend. "Einer Affäre wird sie sicherlich nicht
zustimmen!"
"Ich will nichts von ihr, kapier das endlich!", rief Rayo wutschnaubend.
"Also gibt es schon ein anderes Mädchen, das du lieber magst!", nickte Daron.
"Das ist natürlich etwas anderes!"
"Nein, nein!" Rayo ballte die Fäuste und blitzte Daron aufgebracht an. "Es gibt
da keinerlei Affären, über die ich dir erzählen könnte und da ist auch keine
Verlobte oder so, also halt die Klappe!"
>Ich hasse ihn! Ich hasse ihn! Ich hasse...<
"Der kleine Rayo ist also noch niemandem versprochen?" Dieses Mal war Darons
Grinsen ein echtes. "Dich haben wohl alle für ein Mädchen gehalten, was?"
"Haben sie nicht!", knurrte Rayo. "Hast du jetzt genug erfahren?"
"Nein!", erwiderte der Prinz lächelnd. "Wo wohnst du? Wie lautet dein Nachname?
Auf welche Schule gehst du? Was isst du gerne... ach, nee, das weiß ich ja
schon, das sind die Kohlrouladen...!"
"Dann weißt du genug!", sagte Rayo bestimmt und funkelte Daron an. "Musst du
nicht noch etwas wichtiges erledigen? Gäste empfangen oder so?"
"Hey, du hast recht!" Daron warf einen kurzen Blick nach Draussen. "Lass uns
gehen!"
"Nein, ich werde sicher nicht gehen!"
"Aber das ist ein Ball! Die Tänze fangen gleich schon an!" Daron war schon an
der Tür.
"Tänze?!"
"Hm?" Verwirrt wandte der Prinz sich zu ihm um.
>So ein Mist! Ich kann gar nicht tanzen!<
"Daron, ich fühle mich auf einmal sehr krank..."
"Du willst dich ja bloß drücken! Obwohl... du bist blaß um die
Nasenspitze..."
>Ja, sehr blaß, sehr blaß! Ich bleibe hier!!!<
"Haha! Komm, wir gehen!", rief Daron überschwenglich und verschwand aus der
Tür.
>Nein!!! Was mache ich jetzt? Ha! Ich weiß! Meines Wissens fordern die Männer
die Frauen zum Tanzen auf! Ich fordere einfach keine auf!<
Etwas beruhigt folgte er Daron, der ungeduldig auf dem Flur stand.
"Da bist du ja! Los, auf ins Getümmel!"
Die Ballsäle waren gefüllt mit Leuten in den vornehmsten Abendroben, die man
sich vorstellen konnte. Es wurde gerade ein schnelles Lied gespielt und die
Tanzpaare rauschten durch die Gegend wie ein aufeinander eingespielter bunter
Vogelschwarm. Jede der reichen Frauen schien versucht zu haben, sich ein
möglichst auffälliges Kleid nähen zu lassen und sich eine möglichst
kunstvolle Frisur von der Zofe aufstecken zu lassen, um ja im Mittelpunkt der
Aufmerksamkeit zu stehen. Das hatte dafür gesorgt, dass tatsächlich ein
farbenfrohes Durcheinander in den beiden riesigen Sälen herrschte, die für den
Ball hergerichtet worden waren. Die Männer trugen geschlossen schwarz. Rayo
wusste nicht, warum das so war, sein eigener Anzug war ebenfalls schwarz.
Vielleicht Mode? Da war es aber mal an der Zeit, einen neuen Stil einzuführen!
Wenige Leute standen in Gruppen an den Rändern der runden Säle. Zumeist waren
es ältere Frauen und Herren, die nicht mehr die Kraft hatten, die ganze Zeit zu
tanzen, oder jüngere, die sich kurz ausruhten oder zu den alten Jungfern
gehörten, die niemand zum Tanzen aufforderte, weil sie entweder zu hässlich,
oder nicht reich genug waren.
Rayo lehnte sich an eine mit roten Tüchern behängte Wand und folgte neugierig
dem regen Treiben. So etwas hatte er noch niemals gesehen, so viele verschiedene
Menschen, stolze und schüchterne Gesichter, undurchdringliche Mienen, vor
Aufregung gerötete Wangen, arrogante Blicke, lachende, verächtliche, feixende.
Alle Arten von Menschen schienen sich hier versammelt zu haben, um zu feiern.
"Na, hast du Spaß, Bruder?"
Raya tauchte plötzlich neben ihm auf und grinste verschmitzt. Sie trug ein
anderes Kleid als bei ihrer Ankunft, eleganter, mit wallenden Röcken, die
bauschig um sie herum lagen. Es war weiß gehalten mit Rüschen am Kragen und
vielen Schleifen und schönen Mustern. Solch ein Kleid hatte Rayo noch niemals
vor Augen gehabt. Das war kein Vergleich mit dem Fernsehen, in dem man alte
Filme anschauen konnte. Das war einfach unglaublich.
"Was guckst du so?", fragte Raya mit einem allgegenwärtigen Lächeln. "Du
solltest deine Schwester nicht so anstarren!"
"Ich habe nur das Kleid angesehen... Solche Kleider kenne ich halt nicht!"
"Ach, ja!", lachte sie. "Ich vergaß, du kommst ja nicht von hier!"
Sie wirkte plötzlich leicht erschrocken und ihr Blick wanderte an ihm vorbei.
"...wir kommen ja nicht von hier aus der Gegend!"
>Rayo, Achtung! Hinter dir kommt ,er'!<
Rayo verstand schlagartig.
"Bei uns sind die Kleider weit bunter!", redete er weiter. "Dieses Weiß ist
einfach fabelhaft! Es unterstreicht dein dunkles Haar und hebt deine goldenen
Augen hervor! Vielleicht hätten wir schon eher hierher reisen sollen!"
"Prinz Daron!", rief Leya plötzlich aus, als hätte sie ihn jetzt erst
entdeckt. "Dieser Ball ist einfach wunderschön, das muss ich Euch zugestehen!
Nie war ich auf einer solch farbenfrohen Veranstaltung!"
"Danke, Ihr seht heute Abend aber hinreißend aus, Miss Raya!", schmeichelte der
Prinz und verbeugte sich höflich. "Dürfte ich um den nächsten Tanz bitten?"
Er hielt ihr seine Hand hin, die sie ergriff. "Gerne, Prinz!"
"Und was ist mit dir, Rayo?", fragte Daron dann an ihn gewandt. "Ich habe dich
heute Abend noch nicht einmal tanzen sehen!"
"Das muss auch nicht sein!", lachte Rayo. "Ich werde mich dann mal nach
bekannten Gesichtern umschauen gehen! Viel Spaß noch!"
Damit trennte es sich von dem Tanzpaar, das auf den Beginn des nächsten Tanzes
wartete und lief durch den Saal. Währenddessen musterte er die fremden
Gesichter, die er passierte. Darunter waren Frauen, die sich Luft zufächelten
und dabei sehr erschöpft wirkten. Das lag daran, dass sie sich die Kleider zu
eng schnüren ließen und dann bei kleinster Aufregung ohnmächtig wurden, weil
sie nicht genug Luft bekamen. Dann standen da Männer, die sich lachend
miteinander unterhielten und dabei massig Alkohol tranken, manche mit strengen,
manche mit offenen Mienen. Kichernde Jungfern, die über die lästerten, die
einen Mann abbekamen, weil sie selbst nicht zu den glücklichen zählten.
Aber was sollte er bei diesen ganzen Leuten? Er fühlte sich mit einem Male
völlig fehl am Platze.
"Hey, Rayo!", hörte er plötzlich eine bekannte Stimme. "Hier drüben!"
Er sah sich um und erblickte Kira, die mit einem älteren Herrn, einer Dame und
einem jungen Mann zusammenstand und ihm zuwinkte. Erleichtert, endlich nicht
mehr dumm herumstehen zu müssen, lief er herüber und gesellte sich zu ihnen.
"Vater, Mutter!", sagte das blonde Mädchen förmlich zu den beiden älteren
Leuten. "Das ist Rayo, der Junge, von dem ich euch erzählt habe!"
"Guten Abend!", grüßte er mit einer leichten Verbeugung. "Freut mich!"
"Schönen guten Abend, junger Mann!", lächelte der Mann.
"Ja, schönen Abend!", sagte auch die Frau neben ihm.
"Und das ist mein großer Bruder Kanro!", stellte Kira nun den jungen Kerl vor,
der neben ihr stand und etwas genervt wirkte. "Er ist total vernarrt in die
physische Beschaffenheit unserer Welt, studiert alle möglichen Bücher!"
"Ach, sowas wie Erdanziehungskraft?", fragte Rayo dazwischen, verfluchte sich
dann im nächsten Moment für seine Gedankenlosigkeit.
"Erdanziehungskraft?", fragte der junge Mann neugierig. "Kennst du dich in
Physik aus?"
"Also... nicht so wirklich... ich..."
"Meine Studien berufen sich auf das Wissen aus Büchern und der Lehrer, die mich
bisher unterrichteten! Die große Frage, die ich zu beantworten trachte, ist
die, was unsere Erde zusammenhält! Wieso fällt ein Stein zu Boden, wenn man
ihn loslässt? Wieso nicht nach oben? Warum fällt ein Blatt langsamer als ein
Fels? Du sprachst von Erdanziehung? Was bedeutet das?"
"Also... ich weiß nicht..."
"Och, langweilige Männergespräche!", seufzte Kira. "Mutter, Vater, ich gehe
tanzen!"
Damit wandte sie sich zur Tanzfläche und lächelte entzückend, was ihr gleich
die Blicke einiger Männer bescherte, die sie wohl gleich zum nächsten Tanz
auffordern würden.
"Das Wort habe ich bloß mal aufgeschnappt!", lachte Rayo nervös.
"Erdanziehung... Du meinst also, es muss etwas unter der Erde sein, das alles
anzieht?", fragte Kanro weiter.
"Die Erde ist doch rund, ja, ich glaube etwas in der Erde zieht alles an die
Erdkugel heran!"
"Hm...", überlegte der ältere Bruder Kiras. "So habe ich das noch nie gesehen,
sehr interessant! Hast du schon den Resopal gelesen?"
"Den Reso-was?"
"Pflichtlektüre für jeden Physiker!", erklärte Kanro ernst. "Resopal hat
versucht, das Weltall zu erforschen und das Buch enthält seine Studien und
Ergebnisse. Er hat wichtige Erkenntnisse gebracht! Laut Resopal ist das All
luftleer!"
>Ach, nee!<
"Ja, davon habe ich schon gehört!"
"Wirklich?", lächelte Kanro, der in seinem Element war. "Dann bist du ja
wirklich ein angehender Physiker, wenn du dich für so etwas interessierst! Ich
muss dich unbedingt meinen Genossen vorstellen!"
"Wir gehen dann auch tanzen, Kanro!", murmelte sein Vater und verließ den
hilflosen Rayo und den überglücklichen Kanro mit seiner Frau am Arm.
"Jares! Permin!", erregte Kiras Bruder die Aufmerksamkeit einer nahe stehenden
Gruppe von jüngeren und älteren Männern. "Kommt mal alle rüber, ich habe
hier jemand Interessantes kennengelernt!"
Ein paar Sekunden später befand Rayo sich inmitten dieser Gruppe und wusste
nicht, wie er darauf reagieren sollte.
"Das ist Rayo, meine Schwester hat ihn mir eben vorgestellt und wie ich
feststellte, hat der Kleine Ahnung von Physik!"
"Das stimmt nicht, ich..."
"Wirklich?"
"Worüber habt ihr euch denn unterhalten!"
"Erzähl's deinen Genossen! Du wirst uns doch keine Erkenntnis verheimlichen!"
Einstimmiges Lachen folgte. Rayo fühlte sich total zerdrückt von der
Aufmerksamkeit so vieler aufdringlicher Menschen.
"Wir sprachen gerade über den Umstand, dass etwas zu Boden fällt, sobald man
es loslässt! Rayo meinte, da die Erde rund ist, muss etwas in ihr sein, das
dafür sorgt, dass überall, an jedem Platz auf der Welt alles in Richtung Boden
gezogen wird!"
"Erzähl mal mehr, Kleiner!"
"Ja, wieso ist es so?"
"Woher soll ich das denn wissen?", fragte Rayo aufgeregt. "Ich bin erst
sechzehn!"
"Na, und?"
"Also, gut!", knurrte er säuerlich. "Ich weiß nichts genaues über die
Erdanziehungskraft! Nur, dass das alles mit einem Magnetfeld zu tun hat, das im
inneren der Erde durch geschmolzenes Metall erzeugt wird... Mehr nicht!"
"Mehr nicht?!", keuchte ein energischer Mann. "Woher hast du das denn?"
"Was ist ein Magnetfeld?"
"Das verstehe ich nicht!"
Alle begannen durcheinanderzureden und da Rayo zwischen ihnen stand, konnte er
auch nicht im Tumult verschwinden.
>Was brocke ich mir da eigentlich immer wieder ein?! Bin ich blöd!<
"Ach, hier bist du, Rayo!" Plötzlich tauchte Daron neben ihm auf, der sichtlich
erleichtert wirkte. Hinter ihm stand Raya.
"Er dachte, du wärst abgehauen!", grinste Leya in der Gestalt seiner Schwester.
"Ähm... was machst du überhaupt hier bei den Physikern?", fragte Daron dann
und wurde endlich von den aufgeregten Männern wahrgenommen, die über einen
flüssigen Erdkern diskutierten.
"Prinz Daron!", grüßte Kanro mit seinen Genossen. "Verzeihung, wir haben Euch
gar nicht bemerkt!"
"Schon gut!", winkte der Prinz ab. "Kommst du, Rayo?"
"Ja!"
"Aber Prinz... kann er nicht noch unserer Runde beiwohnen?", fragte Kanro. "Wir
führten gerade ein anregendes Gespräch über den Erdkern und er..."
"Nein, Rayo kommt jetzt mit mir!"
"Wir sehen uns, Rayo!", verabschiedete Kiras Bruder sich enttäuscht. "Und dann
erzählst du mir alles, was du weißt!"
"Hehe, ich weiß echt nichts..."
Doch Daron hatte ihn schon aus der Gruppe der Physiker gezogen und drängte ihn
nun Richtung Saalende.
>Jetzt bin ich vielleicht erleichtert! Ich glaube, diesen Abend überlebe ich
nicht!<
>Wie bist du da bloß wieder reingeraten?<, fragte Lileya, so dass nur er es
hören konnte.
>Ich konnte meinen Mund nicht halten!<
>Typisch!<
"Rayo!!" Kira stürmte ihnen entgegen, zügelte ihre stürmische Art jedoch
sofort, als sie den Prinzen erblickte. "Prinz!"
"Miss Kira!", grüßte Daron unglücklich. Die Freude schien auf beiden Seiten
nicht vorhanden zu sein.
Das Mädchen stellte sich an Rayos Seite und ergriff seinen Arm.
"Rayo, alles klar? Ich hab' dich gar nicht tanzen sehen!"
"Ich habe ja auch noch gar nicht getanzt!" Der Schwarzhaarige kratzte sich
verlegen am Hinterkopf.
"Dabei ist es inzwischen schon ziemlich spät!", plapperte Kira weiter. "Mir
schwirrt schon der Kopf! Ich habe Devon noch einen Tanz versprochen!"
"Dann solltest du ihn nicht warten lassen!", murrte Daron missgelaunt.
"Bin ja schon weg!", gab Kira mit erzwungen höflicher Stimme zurück.
"Devon!!"
Und schon war sie wieder in der Masse der Menschen verschwunden. Sie schien ein
sehr lebhaftes Mädchen zu sein, jedenfalls konnte sie wohl keinen Augenblick
stillstehen.
"Daron, Bruder?" Rayo wandte sich seiner ,Schwester' zu, die einen Diener
herbeiwinkte, ihr ihren Mantel herbeizubringen. "Ich werde ein wenig auf die
Terrasse gehen, ich werde auch jemanden bitten, mich zu begleiten!"
"Gut, aber bleib nicht zu lange, sonst erkältest du dich!", erwiderte Rayo
besorgt.
"Okay!"
Etwas war seltsam an ihrem Blick, als wüsste sie etwas, das er nicht wusste
aber lieber wissen sollte, denn es schien ihn direkt zu betreffen. Doch schon
hatte sie sich umgedreht und lief auf die Terrasse zu.
"Und was machen wir beide jetzt?
"Tja, weiß nicht!"
To be continued...
So, das war der fünfte Part! Ich hoffe, dass er euch gefallen hat.
Über eure Meinung würde ich mich freuen!
Bis zum nächsten Part!
Tara
Kapitel 6: Special 1
--------------------
Rayos Reise Part 5 - Special 1: Die Anprobe
Konnichi wa!
So, hier ist mal wieder Tara! Diesmal mit einem kleinen Special! Ihr habt doch
sicher alle mitbekommen, dass Daron unserem Rayo einen Anzug verpasst hat, hm?
Und da war die Rede von einer Anprobe, ja? Nun, und ihr wollt jetzt mal wissen,
warum Rayo mit ungutem Gefühl daran zurückgedacht hat? Gut, hier ist die
Antwort!
Viel Spaß beim Lesen, ich hoffe, das Special gefällt euch!
Es spielt übrigens noch vor der Heimwehszene, kurz nachdem Rayo Leya
kennengelernt hat.
Widmen tue ich das Geschreibsel all denen, die es geschafft haben, die Story
trotz des schlechten Anfangs bis hierher durchzuhalten! Danke!! ^^
Special: Die Anprobe
Als Rayo die Tür hinter sich geschlossen hatte, die Katze noch immer auf den
Schultern tragend, suchte er mit seinen Augen den Vorraum, der fast sein eigenes
Zimmer geworden wäre, nach dem Prinzen ab. Doch der war wohl schon weiter in
den hinteren Raum gegangen. Müde tapste er ihm hinterher und öffnete die Tür.
Doch Fehlanzeige. Er war nicht hier.
Aber er musste doch hier sein... Er hatte vor ihm die Räumlichkeiten betreten,
also musste er theoretisch hier sein... was eindeutig nicht so war...
>Aaah! Die Magie hat wieder ihre Finger im Spiel!!<
>Quatsch!<, hörte er Lileya spöttisch in seine Gedanken sprechen. >Das hätte
ich gespürt! Werde mir bloß nicht paranoid! Magie gibt es nicht an jeder
Ecke!<
>Aber wo ist er nur?<
Rayo ging zurück in den Vorraum. Kein Licht brannte. Der Raum war verlassen. Es
herrschte Stille. Gespenstische Stille.
Bis...
Die Klospülung ging. Die Technik hatte ihre Leistungen getan, die neuen
Toiletten schienen zu funktionieren. Rayo fühlte sich wie vor den Kopf
geschlagen. Natürlich musste man ja auch mal aufs Klo! Er ließ sich schwer
seufzend in den Sessel fallen. Er wurde wirklich langsam verrückt!
>Ich wusste es doch!<, hörte er Lileya feixen. >Es gibt für alles eine
logische Erklärung!<
>Das sagt die Richtige!< Rayo strich sich müde über die Augen.
Erleichtert bemerkte er, wie sich das Gewicht der Katze von seinen Schultern
löste, so dass er sich zurücklehnen konnte. Leya sprang auf einen
Kleiderschrank und sah von dort oben mit funkelnden grünen Augen auf ihn herab.
>Du siehst ziemlich fertig aus!<, murmelte sie.
>Ist das ein Wunder?<
Die Tür wurde geöffnet und der Prinz trat in das Zimmer.
"Wieso hast du kein Licht angemacht?", kam die vorhersehbare und dennoch
berechtigte Frage.
"Hatte keine Lust!" Er gähnte unterdrückt. "Draussen ist's doch noch hell!"
"Nein, es wird gerade dunkel, du Trottel!" Daron lief zur Tür, die nach nebenan
führte. "Ich mache drüben die Kerzen an, du könntest dich ruhig mal bequemen,
die hier anzuzünden. Für den Kamin kannst du einen Diener rufen! Na, mach
schon!"
Und damit verschwand der Prinz. Rayo war wütend. Immer befahl er und erwartete
mit einer kränkenden Selbstverständlichkeit, dass man auf der Stelle Folge
leistete. Das ging ihm gehörig gegen den Strich! Na, da würde er ihm aber mal
eine Lektion erteilen!
Nicht, indem er ihm ,nicht' gehorchte. Bekanntlich klappte das ja bei ihm nicht.
Er würde nur wieder sauer werden und das versuchte er diesmal zu verhindern.
Nein, er würde es ganz anders machen. Er würde das genaue Gegenteil
probieren...
>Ich glaube nicht, dass das klappt!<
Rayo überhörte Leyas Kommentar und kramte in seiner Hosentasche. Er betete
darum, dass er den gesuchten Gegenstand auch dabei hatte, denn das war jetzt
wichtig. Glücklicherweise umschlossen seine Finger das kühle Metall des
Feuerzeuges, das er nun hervorzog. Sein Schulfreund Tomoya hatte es ihm kurz vor
seinem unerwünschten Ausflug in die Hand gedrückt. Er hatte gesagt, so etwas
würde schließlich jeder mit sich herumtragen, wenn auch nur, um einem
hübschen Mädchen die Zigarette anzünden zu können. Als hätte Tomoya es
geahnt. Er hatte ihm eigentlich noch nie etwas ohne Grund geschenkt, er war eher
einer der Menschen, die sich selten eine Blöße gaben. Es war ihm noch immer
ein Rätsel.
Gedankenverloren zündete Rayo eine Kerze nach der anderen an und wandte sich
schließlich dem Kamin zu. Er nahm einige Holzscheite vom Vorrat und legte sie
in die Asche. Ob das brennen würde, wusste er nicht, doch versuchen konnte er
es ja zumindest.
"Hey, was machst du denn da?!", ertönte die Stimme des Prinzen hinter ihm. "Du
solltest doch einen Diener rufen! Der macht das schon!"
Erschrocken wirbelte Rayo herum und ließ schnell den kleinen metallischen
Gegenstand in seiner Hosentasche verschwinden.
"Entschuldige, ich wollte es nur versuchen. Natürlich hole ich sofort einen
Diener!" Höflich senkte er den Blick und lächelte.
Zweifel trat in die Augen des Prinzen. "Sag mal, willst du mich auf den Arm
nehmen?!"
"Warum?", fragte Rayo mit Engelsunschuld.
>Das wird nicht klappen!<, hörte er wieder Leyas Einwurf. >Er wird sich
höchstens freuen, dass du ihm gehorchst!<
>Egal, selbst wenn, dann habe ich wenigstens meine Ruhe!<
>Wie du meinst...<
Der Prinz beendete wortlos seine Musterung und verließ missmutig das Zimmer.
"Ich hole selbst einen Diener!", rief er noch. "Du würdest dich eh nur
verirren! TERVO!! DER KAMIN!!"
Kurz darauf war ein prasselndes Feuer entzündet und der Diener, der wohl Tervo
hieß, verschwand schnell wieder. Schnell war untertrieben. Eher fluchtartig.
"Was hat er denn?", fragte Daron gekränkt.
"Du solltest nicht immer so schreien...", grinste Rayo, räusperte sich dann
jedoch, als er den gereizten Blick des Prinzen bemerkte. "Ich meinte, ich
verstehe auch nicht, warum der so schnell gegangen ist! Du warst doch total
freundlich!"
"Mensch, Rayo!"
"Was denn?" Der Angesprochene lächelte unerschütterlich.
"Hör auf!"
"Womit denn?" Er musste sich Mühe geben, dass sein Lächeln nicht zu einem
Grinsen mutierte.
"Waah! Rayo!!" Daron rang mit den Händen und blickte ihn empört an. Dann
schien er sich jedoch zu beruhigen und wandte sich ab, dem Kleiderschrank zu.
Die Katze bedachte er nur mit einem genervten Blick, bevor er die Türen des
Möbelstückes aufschwang.
"Nun gut...", begann er und drehte sich wieder zu dem Schwarzhaarigen um. "Da
wir morgen auf den Ball gehen werden..." Ein Grinsen schlich sich auf sein
Gesicht. "...habe ich wohl die Pflicht, dich einzukleiden!"
>Ich sagte es doch, Rayo: Alles rächt sich! Das macht er mit Absicht, er lässt
sich nicht aufs Kreuz legen, das müsstest du inzwischen wissen!< Die Katze
legte sich auf dem Schrank bequemer hin und beobachtete die Szene neugierig.
"Aa-also, Daron...", stotterte Rayo, wollte einerseits dem gewohnten Drang
nachgeben, sich gegen den Prinzen zur Wehr zu setzen, andererseits wollte er
seine Idee, den Prinzen durch die Widersprüchlichkeit seines Verhaltens zu
verwirren, indem er ihm gehorchte, nicht einfach so aufgeben. Leya hatte schon
recht. Das machte er mit voller Absicht, um ihn aus der Reserve zu locken!
"Nun gut, Prinz!", lächelte er höflich. "Ich möchte ja morgen schließlich in
vernünftigen Klamotten auftauchen!"
"Okay, dann komm mal her!" Das Grinsen des Prinzen nahm um keinen Deut ab.
Rayo leistete seiner Geste mit der Hand folge und warf einen neugierigen Blick
in den Schrank. Er sah nur Schwärze. Jedes einzelne Kleidungsstück war
schwarz.
Fast hätte er laut gefragt, ob es auch etwas Bunteres gäbe, doch das hätte
schon wieder wie eine spöttische Erwiderung geklungen und das wollte er
unbedingt vermeiden. Ganz den braven Gast mimend, nickte er deshalb anerkennend.
"Schön, schön!", lächelte er versonnen. Daron grinste darauf nur. Er hatte
sein Spiel also durchschaut! Und genau das sollte er auch.
>Rayo!< Lileyas Stimme klang jetzt eindeutig warnend. >Er wird den Spieß
umdrehen!<
Doch es war schon zu spät für einen Rückzieher! Entweder er gab alles, oder
er verlor. Und Leya wusste das ebenfalls, weshalb sie nun schwieg. Aber
vielleicht lamentierte sie auch, weil sie wusste, dass sie ihn eh nicht von
seiner dummen Idee abbringen konnte.
Mit einem vielsagenden Blick zog Daron einen schwarzen Anzug mit Rüschen an
Kragen und Ärmeln heraus. Rayo unterdrückte einen entsetzten Ausruf, doch er
ahnte, dass seine Augen Bände von dem sprachen, was er nicht sagen konnte. Und
Daron sah es.
>Mist! Was habe ich da nur wieder gemacht?<
"Und jetzt...", murmelte der Prinz. "...zieh dich aus!"
Das war zu viel, das war eindeutig zu viel! Rayo sah rot. Wie konnte dieser
Idiot...?!
"Das kannst du vergessen! Ich ziehe diesen Müll nicht an! Ich lasse mich doch
nicht von dir so vollkommen demütigen! Das ist doch das Letzte! Das
Allerletzte! Dreh diesen Scheiß jemand anderen an! Bevor ich mich vor dir
ausziehe, muss schon viel mehr passieren, als... als..."
Daron hielt sich den Bauch vor Lachen. Logischerweise machte das Rayo noch
wütender. "Was fällt dir überhaupt ein, dass du denkst, du könntest sowas
mit mir machen, du elender Mistkerl!? Ich bin doch keine Schwuchtel, die sich
Rüschen an den Kragen nähen lässt! Und hör' gefälligst auf zu lachen!!!"
Der Prinz hörte natürlich nicht auf zu lachen. Der Anzug lag schon längst auf
dem Boden und dort fand auch jetzt Daron seinen Platz, da Rayo den sowieso nicht
mehr sicher Stehenden einfach umgeschubst hatte. Jetzt kullerte Daron sich
lachend auf dem Teppich.
"Idiot! Idiot! Idiot!!!" Rayo hatte nicht übel Lust, ihm jetzt eine
reinzuhauen, irgendwann war halt auch bei ihm das Maß voll und der Moment war
ziemlich nahe.
Japsend schnappte der Prinz nach Luft und schien sich langsam wieder
einzukriegen. Er richtete sich halb auf und wischte sich die Lachtränen aus den
Augenwinkeln. Doch kaum hatte er Rayos hochrotes Gesicht erblickt, prustete er
erneut los und fiel zurück auf den Boden.
"Du... du... lässt dich... einfach viel zu leicht... reinlegen...", lachte er
atemlos. "Da ist dein kleines Spielchen wohl nach hinten losgegangen! Ich sagte
doch bereits, ich bin dir in allen Punkten überlegen!"
"Du arroganter Sack!", fluchte Rayo, entgegen seiner guten Erziehung.
"Sack?", fragte Daron ratlos und das Lachen erstarb. "Wieso bin ich bitte ein
,Sack'?"
Das brachte ihn allerdings wieder zum Kichern. Langsam fragte Rayo sich, was er
wohl geschluckt hatte. Er schien im Moment nicht ganz normal zu sein.
"Ja, ein arroganter Sack bist du!!", schimpfte Rayo, dessen Wut langsam in
Verwirrung umschlug. "Du machst dir keine Gedanken darüber, was andere wollen
und..."
Er kam nicht mehr dazu, weiterzusprechen. Der Prinz hatte sich ruckartig in
Sitzposition aufgerichtet und Rayo mit der Handkante in die Kniekehlen
geschlagen, was ihm seine Worte im Hals steckenbleiben ließ, denn unerwartet
gaben seine Beine unter ihm nach und er plumpste neben Daron auf die Knie. Daron
fing ihn mit den Armen ab und musterte ihn nun grinsend.
"Dann sag mir doch, was du willst...", murmelte er mit Schalk in den Augen, der
Rayo verriet, dass er ihn wieder nur ärgern wollte.
>Diesmal nicht, ,Prinz'!<
Rayo beugte sich zornig zu ihm vor, so dass ihre Nasenspitzen sich fast
berührten, fixierte ihn dabei eindringlich und nahm mit Genugtuung das
überraschte Aufblitzen in dem Grau der fesselnden Augen wahr.
"Weißt du was, Daron...", sagte er ernst, griff nach den Händen, die ihn noch
immer umarmt hielten und löste sie von seiner Kleidung. "...du solltest mir
wirklich etwas Vernünftiges zum Anziehen für morgen raussuchen!"
Er ließ Darons Handgelenke los, bedachte ihn mit einem letzten tiefen Blick und
stand auf. Diesmal hatte er es geschafft, ihn vollkommen zu verwirren! Das nahm
er als Entschädigung für die erlittene Schmach an. Endlich hatte er es
vollbracht, ihn richtig aus der Fassung zu bringen!
Der überrumpelte Prinz saß währenddessen noch immer auf dem Boden und starrte
ins Leere.
Special 1 - Owari
So, das war's! Es hat Spaß gemacht, dieses Special zu schreiben! Besonders
schön fand ich's, die beiden mal ganz anders zu erleben (auch als Autorin),
denn wann hat man Daron schon mal richtig lachen sehen oder Rayo so wütend? Ein
kleiner Rollentausch ohne OOC! Eher OutOfControl als OutOfCharacter... *gg* Ich
hoffe, euch hat's auch gefallen, ich habe mir wie immer sehr Mühe gegeben!
Ansonsten hätte ich da noch eine Frage: Traut sich irgend jemand zu, die Story
als Doji zu zeichnen? Wer Lust dazu hat (mein Zeichenstil genügt mir einfach
noch nicht für sowas ^^), der kann es gerne versuchen!
Die Fragen, die ihr mir zur Story gestellt habt, beantworte ich in einem Anhang
zum sechsten Part!
Über eure Meinung zu dem Special würde ich mich freuen!
Nya, schließlich und endlich bleibt mir nur noch eines zu sagen:
Rayos Reise muss weitergehen!!
Tara
Kapitel 7: Das Problem des Prinzen
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Konnichi wa!
So, hier Tara! Ich hab' den sechsten Part dabei *gg*
In diesem Teil geht es hauptsächlich um Rayo und Daron! Ich möchte, dass sich
bei ihnen mal so langsam eine Freundschaftsbasis bildet! Muss ja mal sein!
*murmelmurmel* Ich muss Rayos Widerstand brechen *murmelmurmel* Er ist immer so
widerspenstig *murmelmurmel*
Ach, Daron macht das schon!
Diesen Part widme ich allen, die meine Story gelesen haben und ich danke
besonders meinen lieben Kommentarschreibern! Ähm... es wurden mir viele Fragen
gestellt und die beantworte ich im Nachwort! Also, wen es nicht interessiert,
der muss es nicht lesen! (Man muss es auch nicht gelesen haben, um den weiteren
Verlauf der Story zu verstehen ^^)
So, jetzt aber zur Story:
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Etwas war seltsam an ihrem Blick, als wüsste sie etwas, das er nicht wusste
aber lieber wissen sollte, denn es schien ihn direkt zu betreffen. Doch schon
hatte sie sich umgedreht und lief auf die Terrasse zu.
"Und was machen wir beide jetzt?"
"Tja, weiß nicht!"
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Rayos Reise Part 6
Rayo sah sich in dem Saal um, der Abend hatte jetzt wohl seinen Höhepunkt
erreicht und jede Menge Menschen standen sich gegenseitig im Weg, aber auch in
lockeren Gruppen beisammen, die jedoch trotzdem in ihre Interessensbereiche
eingeteilt waren. Wie die Physiker unter sich blieben, taten dies auch die
älteren Herren, die jungen Damen und alle anderen, die sich mit Gleichgesinnten
unterhalten wollten.
"Rayo! Was machen wir denn nun?", hörte er erneut den Prinzen neben sich
fragen.
"Du könntest ja wieder Tanzen gehen!", schlug der Schwarzhaarige leicht
lächelnd vor.
>Geh! Na, los! Geh!! Lass einem geplagten Jungen mal seine Ruhe!<
"Och, nö!", gähnte Daron. "Mir ist nicht nach Tanzen! Außerdem will ich dich
ja nicht alleine hier herumstehen lassen!"
"Das macht nichts! Wirklich!"
"Sag mal, täusche ich mich, oder..." Ein prüfender Blick streifte Rayo.
"...willst du mich loswerden?"
"Nein, wie kommst du darauf?" Rayo grinste ertappt. "Ich dachte nur, da du ja
der Prinz bist, hast du sicher noch Pflichten zu erledigen!"
"Ha, ha!", gab der Prinz beleidigt zurück. "Als ob du darauf jemals Rücksicht
nehmen würdest! Da kenne ich dich besser!"
"Wieso denkst du, dass du mich gut kennst?!", fauchte Rayo.
"Ist halt so!", gab Daron selbstsicher zur Antwort. "Dieses verlegene Grinsen,
diese für dich so typischen Gesten mit den Händen, deine Haltung! Das verrät
dich!"
War er wirklich so einfach durchschaubar? Oder sah Daron genauer hin als andere
Menschen? Aber wieso sollte er besonders auf ihn achten? Er war doch bloß einer
seiner Gäste...
"Wer ist es?", fragte der Prinz plötzlich und Rayo schrak aus seiner
Überlegung hoch. "Sie? Oder sie?" Er ließ seinen Blick durch den Raum
schweifen.
"Hä?" Rayo verstand gar nichts mehr. "Wie jetzt...?"
"Mit welchem Mädchen du tanzen willst!", grummelte Daron. "Ich werde sie
eigenhändig vor die Tür setzen!"
"Ich kann... äh... will doch gar nicht tanzen!!", krächzte Rayo erschrocken.
"Wie kommst du denn auf die Idee?"
"Ich dachte nur, weil du wolltest, dass ich gehe..."
Erkannte Rayo da Erleichterung in den Augen des Prinzen?
"Ich wollte nur etwas Ruhe.", murmelte er vorsichtshalber ehrlich. "Sonst
nichts..."
"Aber wo wir gerade schon beim Thema sind... Du hast noch nicht einmal
getanzt!"
"Woher willst du das denn so genau wissen?", rief der Kleinere trotzig aus.
"Hast du mich etwa beobachtet?"
"Ja!", beantwortete Daron knapp die eigentlich mehr rhetorisch gemeinte Frage.
"Ehehe..." Rayo wusste nicht recht, was er mit dieser Erwiderung anfangen
sollte. "Jetzt aber mal was anderes: Warum solltest du ein Mädchen, mit dem ich
tanzen möchte, vor die Tür setzen wollen?"
Das war eine einfache Frage. Und eine ebenso spontane Antwort erwartete Rayo
jetzt. Doch statt dessen schwieg der Prinz einen Moment lang, wobei er ihn
kritisch musterte.
"Na, ja...", setzte er nachdenklich an. "Ich möchte doch jemand Vernünftiges
in meiner Verwandtschaft haben! Immerhin heirate ich deine Schwester und da..."
"Du wirst meine Schwester nicht heiraten!!", unterbrach Rayo ihn forsch. "Ich
habe dir schon mehr als einmal gesagt, dass sie bereits verlobt ist!"
"Tja, aber ich bin der Prinz und Rayas Verlobter ein gewöhnlicher Trottel, der
sich sogar beim Reiten den Knöchel verstaucht! Das ist doch jämmerlich!"
"Also, Daron...", knurrte Rayo mit unterdrückter Wut. "Selbst wenn Rayas
Verlobter ein dummer Knecht wäre, so hättest du nicht mal ein Zehntel des
Rechtes auf eine Heirat mit meiner Schwester! Vergiss sie endlich!"
"Nein!"
"Warum nicht, verdammt noch mal?!", brauste Rayo noch weiter auf. "Was an Raya
ist bitte so toll, dass du sie unbedingt heiraten willst?"
"Ihr eindringlicher Blick, als ich ihr das erste Mal begegnet bin, ihr
Temperament, vielleicht auch ihre Respektlosigkeit..."
>Ich hasse ihn! Ich hasse ihn!!!<
"Und wieso bist du dann jetzt nicht bei ihr, wo sie doch schon mal da ist?",
fragte Rayo mit finsterer Miene.
"Sie ist heute so seltsam..." Der Blick des Prinzen wandte sich von ihm ab und
wanderte durch den Raum. Rayo folgte mit den Augen. Beide sahen nun zu Raya
herüber, die gerade mit einem großen, gutaussehenden jungen Mann tanzte.
"Inwiefern seltsam?", nahm Rayo den Gesprächsfaden wieder auf.
"Ihr Verhalten ist anders, kontrollierter und weniger spontan.", sagte der Prinz
leise, weiter das Paar beobachtend. "Sieh dir doch nur an, wie sie mit Devon
tanzt! Sie wirkt auf mich wie jedes andere der Mädchen hier! Gekünstelt
aufgesetztes Lächeln, zierliche Schritte... ich hab' das Gefühl, das da ist
nicht Raya, auch, wenn das jetzt blöd klingt..."
>Mist!<
"Ja, das klingt wirklich blöd!", lachte Rayo und konnte seine Nervosität nicht
völlig aus seiner Stimme vertreiben. "Aber du hast recht, sie ist anders! Sie
vermisst sicher ihren Verlobten!"
"Von wegen!" Darons Blick löste sich wieder von dem Tanzpaar und heftete sich
auf Rayo. "Würde sie sonst so mit Devon tanzen?"
"Wieso nicht?", fragte Rayo. "Mit dir hat sie doch auch schon getanzt! Das ist
ein Ball!"
Dies hingegen erschien für Daron einleuchtend genug, so dass er es akzeptieren
konnte. Rayo sah ihm geradezu an, wie seine Gedanken sich von dem Thema
abwendeten und einem neuen zu. Und leider hatte es wohl wieder mit ihm zu tun,
denn ein neugieriges Funkeln trat in seine grauen Augen, als er ihn
betrachtete.
"Du warst allerdings wirklich noch nicht ein einziges Mal auf der Tanzfläche!",
gab er zu bedenken. "Wieso tanzt du nicht?"
"Keine Lust..."
"Lüg' mich nicht an, sonst werde ich böse!", drohte der Prinz.
"Ach, und dann?!" Rayo verschränkte die Arme vor der Brust und sah Daron von
oben herab an.
"Willst du das wirklich wissen?" Das überlegene Grinsen und einige schlechte
Erfahrungen ließen Rayo zurückschrecken. Bis jetzt hatte er noch jede
Herausforderung verloren und das haushoch! Und auch diesmal würde er keine
Chance haben! Das ließ nur einen Schluss zu: Es wäre das Beste, sich
zurückzuziehen und nachzugeben!
"Na, dann lass mal hören!"
>Blöder Stolz!<
"Ich könnte zum Beispiel auf die Idee kommen, dich heute Abend auf dem Boden
schlafen zu lassen! Das wäre für mich ja kein Problem! Oder ich könnte dich
in einen Teppich wickeln lassen und an einem Seil hinter Palo her zerren, bis du
genug vom Lügen hast! Oder..."
"Von wegen!", lachte Rayo geschockt auf. "Das würde dein Vater schon zu
verhindern wissen!"
"Meinst du?", griente Daron.
"Meine ich!"
"Mein alter Herr würde davon natürlich nicht das Geringste erfahren! Dafür
kann ich schon sorgen! Also, raus mit der Sprache!"
Rayo schwieg. Was sollte er auch sagen? Etwa die Wahrheit?! Nein, das würde ihn
sicherlich wieder in Schwierigkeiten bringen...
"Sag schon!", stichelte Daron. "Oder kannst du etwa gar nicht tanzen?"
Wieder schwieg Rayo und wandte den Blick zu Boden.
"Ey, wirklich?!", keuchte Daron auf.
Noch immer sagte Rayo kein Wort dazu. Was würde ihm das auch bringen? Daron
wusste es jetzt ja eh...
"Du kannst also nicht...?!"
"Ja, Daron!", fauchte er plötzlich. "Hast du's nicht langsam begriffen?"
"Tatsächlich!", lachte der Prinz. "Das gibt's doch nicht! Warum hast du mir das
nicht gleich gesagt?"
"Weil ich eben diese Situation vermeiden wollte!", grummelte Rayo verstimmt.
"Gehörst du zu Bauern?", fragte Daron neugierig. "Das ist ja wohl naheliegend,
schließlich kannst du ja reiten! Und jeder aus einer höheren
Gesellschaftsschicht könnte tanzen! Na, ja... selbst einem Bauern würde ich es
zutrauen, tanzen zu können! Es gibt doch auch Volksfeste!"
"Halt die Klappe!", maulte Rayo, der mit dem Nerven inzwischen am Ende war. Ein
Gespräch mit dem Prinzen war anstrengender als ein ganzer Tag mit Kira.
"Also habe ich recht?", freute sich Daron.
"Nein, ich gehöre zu keiner hiesigen Bauernfamilie!" Rayo seufzte.
"Nein?", drängte der Prinz zu weiteren Erklärungen. "Wozu gehörst du dann?"
"Sag ich nicht! Ätsch!"
"Waah!! Du machst mich wütend!!!"
Mit Mühe hatte Rayo sich von Daron loseisen können. Das war auch bitter
nötig, denn an diesem Abend war er aufdringlicher denn je! Selbst für die
Verhältnisse des ewig aufgedrehten Prinzen war das heftig und Rayo verstand
noch nicht so ganz, woran das lag. Vielleicht stachelte die ausgelassene
Stimmung ihn an?
"Hey, Rayo!" Ein Schwall Parfum getränkter Luft kündigte Kiras Auftauchen an.
Sie war vom Tanzen ganz atemlos und tupfte sich mit einem Taschentuch vorsichtig
den Schweiß von der Stirn. "Endlich treffe ich dich mal ohne dein Anhängsel
oder irgend jemand anderen! Ich muss unbedingt mit dir reden!"
"Anhängsel?", fragte Rayo, noch immer in Gedanken versunken.
"Dummerchen!" Kira zog lächelnd einen Fächer hervor, mit dem sie belehrend auf
seine Schulter klopfte, bevor sie ihn öffnete, um sich wedelnd erleichternde
Kühle zu verschaffen. "Ich meine natürlich den Prinzen! Unmöglich, dieser
Kerl! Wäre er kein Junge, würde ich fast meinen, er macht dir den Hof! So, wie
er dich ansieht!"
Der Schwarzhaarige keuchte erschrocken auf, zwang sich dann jedoch innerlich zur
Ruhe. Eine verräterische Röte im Gesicht durfte er sich jetzt einfach nicht
erlauben. Seine Situation war ohnehin schon schlimm genug!
"Meinst du?", lachte er also, wobei seine Stimme trotzdem leicht zittrig zu
klingen schien. Er hoffte, dass dies nicht zutraf. "Aber sag mal: Worüber
wolltest du denn mit mir sprechen?"
"Ach, ja!" Kira klappte den Fächer zusammen und deutete damit wie mit einem
Zeigestock auf ihn. "Ich wollte vorhin nicht in Anwesenheit all der anderen
fragen, aber... wie kommt es eigentlich, dass du plötzlich doch eine Schwester
hast? Hast du mich angelogen?"
"Nein, nein!" Rayo wich vor ihrem stechenden Blick zurück. "Ich habe keine
Schwester! Eine Bekannte hilft mir aus der Patsche, indem sie ihre Rolle
spielt!"
"Ach..." Skeptisch trat Kira wieder zurück. "Das glaube ich dir nicht! So
ähnlich wie diese ,Raya' dir sieht, kann das nur ein Zwilling sein! Ich dachte
eigentlich, du wärst ein ehrlicher Mensch..."
>So oft, wie ich in den letzten Tagen gelogen habe, kann ich wohl nicht
behaupten, ich wäre einer...<
"Ich habe wirklich keine Schwester!", setzte Rayo zögerlich noch einmal an,
wusste zugleich jedoch, dass sie ihm nicht glaubte.
"Rayo, wenn du mir nicht die Wahrheit sagst, könnte..."
"Miss Kira?" Ein charmant lächelnder junger Mann, den Rayo auf den ersten Blick
nicht älter als siebzehn einschätzte, war zu ihnen getreten. "Ihr hattet mir
den nächsten Tanz versprochen, wenn ich mich nicht irre."
Grummelnd wandte das blonde Mädchen sich ihm zu und nickte verdrossen. Sie
schenkte Rayo noch einen letzten enttäuschten Blick, der aber gleichzeitig
aussagte, dass sie ihr Gespräch fortsetzen würden. Dann verschwand sie mit
ihrem Tanzpartner.
Kurz darauf sah man sie lebhaft und fröhlich wie eh und je über die
Tanzfläche rauschen.
Die große Tafel wurde eröffnet, Rayo sah den König und die Königin am einen
Ende des langen Tisches Platz nehmen. Er hatte bisher gedacht, König und
Königin säßen immer an den verschiedenen Tafelenden, doch scheinbar war das
hier anders.
Die Menschen strömten auf den Tisch zu und nahmen die Plätze ein, an denen
Kärtchen mit ihren Namen lagen. So war sichergestellt, dass jeder bei seiner
Familie oder seinen Bekannten sitzen konnte und es keine Probleme gab. Rayo
streifte mit den Augen über die Namensschilder, auf der Suche nach seinem
eigenen. Das würde ja nicht allzu schwierig zu finden sein, denn seines war das
einzige, das keinen Nachnamen dabeistehen hatte.
"Rayo, du sitzt hier vorne!", hörte er eine allzu bekannte Stimme rufen und
blickte sich sofort nach dem Urheber um. Daron natürlich!
Der stand bei seinen Eltern und deutete auf den Platz neben sich. An seiner
anderen Seite saß bereits Raya und lächelte ihm schelmisch entgegen, als er
sich durch die Menschenmassen zu ihnen vorarbeitete.
>Tja, dachtest du, du könntest ihm entkommen?<, vernahm er ihre
Gedankenbotschaft und zuckte zur Antwort nur kaum merklich mit den Schultern,
während er sich erschöpft niederließ.
"Da bist du ja endlich!" Der Prinz schien ernsthaft auf ihn gewartet zu haben,
was den Schwarzhaarigen sehr verwunderte. Warum bitte wartete Daron auf ihn?
Raya... also, Lileya, war doch schon da...
Dennoch schenkte er ihm noch auffallend viel Aufmerksamkeit. Von schwerer
Verliebtheit hatte Rayo etwas völlig anderes erwartet! Eigentlich hätte er
jetzt Raya umschwärmen und alles andere dabei ganz vergessen müssen. Doch das
war nicht so!
Leugnen konnte er allerdings nicht, dass es ihn erleichterte... irgendwie... Na,
es konnte aber auch sein, dass dies daher rührte, dass er jetzt sicher seine
Ruhe haben würde! Wenn Darons Verliebtheit abklingen würde, könnte er
sicherlich bald ohne weiter aufgehalten zu werden, nach Hause zurückkehren.
Nur... wieso machte ihn das plötzlich eher traurig als glücklich?
"Also, Rayo!" Der Prinz stand auf und beugte sich nach vorn, um einige
Schüsseln zu sich heranzuziehen. "Was möchtest du essen?"
"Öh..." Rayo schrak aus seinen Gedanken hoch und musterte den Prinzen
verwirrt.
"Kohlrouladen haben wir leider keine!", lächelte Daron kopfschüttelnd. "Die
Köche wussten nicht, wie sie die machen sollten! Aber wie wär's, wenn du mal
eine Spezialität unserer Küche probierst? Dyas Fleischauflauf, von dem ich dir
schon mal erzählt habe?"
Rayo sah prüfend in eine der Schüsseln, aus der Daron schon eifrig etwas auf
seinen Teller schöpfte und ihm den dann vor die Nase setzte.
"Nun, okay...", nickte Rayo perplex ob des Verhaltens des sonst so sturen
Prinzen. "Danke!"
Der Prinz stellte gerade, nachdem er sich selbst versorgt hatte, die Schüssel
wieder zurück, als er den Kopf ruckartig zu ihm herumdrehte. "Hab' ich mich
gerade verhört? Du hast dich bei mir bedankt?"
"Äh... ja..." Rayo richtete seinen Blick auf sein Essen.
"Wow!"
Bevor Daron jedoch weitersprechen konnte, ertönte ein klimperndes Geräusch.
Die Königin schlug leicht mit einem kleinen Löffel gegen ihr Glas und zog
somit die Aufmerksamkeit der Gäste auf sich, ehe sie die Stimme erhob.
"Da wir jetzt vollzählig zu unserem Schmaus versammelt sind, möchte ich noch
eines bekanntgeben! Einem besonderen Gast haben wir es zu verdanken, dass eine
Neuheit zu uns vorgedrungen ist! Er erzählte uns von einer Sitte, die
beinhaltet, dass man sich vor dem Beginn des Mahls einen - Guten Appetit -
wünscht.
Und hiermit verkünden wir, dass diese Sitte bei uns mit Freude aufgenommen und
auch zukünftig Gebrauch finden wird. Wir wünschen in diesem Sinne noch einen
Guten Appetit!"
Aufgeregtes Gemurmel ging durch die Tischreihen, doch vereinzelt hörte man
bereits Resonanz, ältere und auch jüngere Leute nickten, wenige andere
wiederum warfen sich nachdenkliche und skeptische Blicke zu. Allgemein schien
sie jedoch gut anzukommen, grinsend rief man sich einen Guten Appetit zu und
begann schließlich zu speisen. Nur einem passte das Ganze überhaupt nicht.
>Ich verändere den ganzen Lauf der Geschichte! Das kann doch nicht gut sein!<
"Was ist denn, Rayo?" Daron stupste seinen Tischnachbar mit dem Ellbogen an.
"Guten Appetit!"
>Jaaah, Daron! Bohr in meinen Wunden!!!<
"Guten Appetit!", erwiderte Rayo mürrisch und stopfte sich den ersten Happen in
den Mund. Was er schmeckte, hob seine Laune jedoch gleich um ein Stück an. Die
würzige Soße war genau nach seinem Geschmack. Erst jetzt bemerkte er Darons
erwartungsvollen Blick, den er fragend erwiderte.
"Und? Schmeckt's?", lächelte Daron. Er selbst hatte sein Essen noch nicht
angerührt.
"J-Ja...lecker..." Wieder vollkommen aus der Fassung gebracht von dem Lächeln
des Prinzen, wandte Rayo sich schnell ab und dem Fleischauflauf zu.
>Hoffentlich bin ich jetzt nicht schon wieder rot geworden, sonst flippe ich
aus! Wieso ist Daron heute so komisch?<
"Rayo, sag schon! Was ist los?" Daron hatte sich noch immer nicht von ihm
abgewandt, obwohl er nebenbei zu essen begann. "Du starrst die ganze Zeit vor
dich hin!"
"Schon gut!" Rayo schüttelte kurz abwehrend den Kopf. "Ich war bloß in
Gedanken!"
"Ja, ja! Kannst du mal konkret sagen, was dich so ablenkt, oder muss ich es erst
aus dir herausquetschen?", meckerte der Prinz kauend und rückte ein kleines
Stück mit dem Stuhl näher.
"Ich frage mich bloß gerade, wieso du dich nicht um meine Schwester kümmerst,
wenn du sie schon neben dich setzt!"
"Oh!" Daron schien das wirklich noch nicht aufgefallen zu sein, er wirkte mehr
als überrascht Allerdings fing er sich schnell wieder. "Die redet gerade mit
Miss Kira! Tja und dich habe ich schließlich auch neben mich gesetzt, deshalb
ist es ja wohl egal! Außerdem solltest du darüber eigentlich froh sein! Du
willst doch eh, dass ich sie in Ruhe lasse!"
"Ja, das will ich!", murrte Rayo. "Ich ärgere mich ja auch schon darüber, dass
sie neben dir sitzt!"
Daron lachte über die Widersprüchlichkeit in Rayos Worten.
"Du bist manchmal echt verwirrend!", gab er zu und griff nach einem Glas Wein.
Rayo hatte schon die ganze Zeit den Eindruck gehabt, dass Daron anders war, als
sonst. Und gerade jetzt kam ihm eine Ahnung, woran diese Veränderung liegen
konnte.
"Sag mal, Daron: Wie viel von dem Zeug da hast du heute abend eigentlich schon
getrunken?" Er deutete auf den Wein, den Daron austrank und sich sofort
nachfüllte.
"Weiß nicht!" Daron stand auf und holte sich einen Nachschlag an
Fleischauflauf. "So eins, zwei, drei, oder vier Gläschen! Ich verkrafte das!"
Die lässigen Worte schienen nicht nur Rayo zu erreichen, denn plötzlich traf
den Prinzen ein strafender Blick seitens seiner Eltern.
"Daron, du weißt doch, dass du keinen Alkohol verträgst!", schimpfte seine
Mutter ohne die übliche Milde in der Stimme. "Der Arzt hat doch gesagt, du
solltest auf keinen Fall mehr als drei Gläser an einem Abend trinken!"
"Jaah, Mutter!", seufzte Daron genervt und trank noch ein Schluck von dem Wein.
Dann wandte er sich an Rayo. "Sie tut immer so, als wäre ich ein kleines
Kind!"
"Sohnemann!!" Der König warf ihm einen strafenden Blick zu. Rayo beobachtete
verlegen die ganze Szene. "Deine Mutter hat mit dir geredet und du wagst es, ihr
so frech zu antworten?!" Seine Stimme schwang um in Sorge. "Du solltest wirklich
auf keinen Fall noch mehr trinken!"
"Pah!" Daron leerte den Rest des Glases in einem Zug und starrte trotzig zu
seinen Eltern herüber. "Ich bin kein Baby!"
"Daron!" Resignation und Wut spiegelten sich in den Augen des Königs und seiner
Gemahlin wider. Die Königin wandte sich schließlich Rayo zu.
"Könntest du ihn auf euer Zimmer bringen?", fragte sie leise. "Ich glaube, es
ist schon zu spät, um noch normal mit ihm zu diskutieren!"
Rayo warf einen unsicheren Blick zu Daron, nickte dann jedoch. Immerhin war es
die Königin, die ihn um einen Gefallen bat und Daron benahm sich mehr als
schlecht. Vertrug er wirklich keinen Alkohol? Und wenn ja, wieso trank er dann
welchen?
Der Schwarzhaarige stand auf und griff nach Darons Arm. Der Prinz sah ihn
fragend an.
"Lass uns aufs Zimmer gehen!", murmelte er nur für ihn hörbar.
Er sah, wie es hinter der Stirn seines Gegenübers zu arbeiten begann, als er
den Vorschlag abwog - übrigens wieder etwas, das Rayo dem Alkohol zuschrieb,
denn sonst blieb der Blick des sturen Jungen immer undurchschaubar.
"Wieso eigentlich nicht!", grinste Daron daraufhin. "Ist sowieso zu laut hier!"
Er stand auf und lief in einem relativ sicheren Gang neben Rayo her zur Tür des
Saales. Dieser hatte sich noch mit einem letzten Blick bei Lileya versichert,
dass sie wusste, was Sache war und verließ den Raum dann endgültig.
Rayo schloss die Zimmertür und drehte sich zu Daron um, der bis jetzt nichts
mehr gesagt hatte. Sein Zustand schien sich inzwischen noch verschlimmert zu
haben, denn ein überhebliches Grinsen schlich sich auf sein Gesicht.
"Du schaust ziemlich ängstlich drein..."
"Ich hab' es halt noch nie mit einem angetrunkenen Prinzen zu tun gehabt!",
versuchte Rayo in einem möglichst neutralen Ton zu erwidern.
"Tja, es ist auch schon ne Weile her, dass ich das letzte mal ernsthaft zu viel
getrunken hab'." Daron hatte seine Stimme noch erstaunlich gut unter Kontrolle.
Umso weniger jedoch seine Beine. Als er einen Schritt Richtung Sessel machen
wollte, kippte er seitlich weg und drohte zu fallen. Rayo trat schnell vor und
fing ihn ab. Der Prinz seufzte gequält und lehnte sich an seine Stütze.
"Mir is' so schwindelig...", murmelte er, sein Gesicht in Rayos Anzug
vergrabend. Der Schwarzhaarige wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte.
Langsam, Daron halbwegs mit sich schleifend, ging er nach nebenan und auf das
Bett zu. Er legte seine Last vorsichtig darauf ab und schob Darons Beine auch
mit auf die Polster.
"Ey, Rayo...", hielt die Stimme des Prinzen ihn zurück, als er sich gerade
abwenden und gehen wollte. "Du hast gefälligst hierzubleiben, Kleiner..."
"So eine Unverschämtheit!", brauste Rayo bei dieser Anrede auf. "Nenn mich
nicht ,Kleiner'! Und gehen kann ich, wenn ich Lust habe!"
"Nein, du wirst schön hierbleiben..." Ein Arm schnellte vor und griff nach
Rayos Handgelenk, an dem er zurück zum Bett gezogen wurde. "...und wenn ich
dich die ganze Zeit festhalten muss!"
"Nichts da!", Rayo riss vergeblich an seinem Arm. "Du bist betrunken, du weißt
ja gar nicht mehr, was du tust!"
"Oh, doch, Kleiner!" Daron grinste unverschämt. "Ich weiß, dass ich möchte,
dass du hierbleibst!"
Erbost über die erneute unerwünschte Anrede, riss Rayo noch fester an seinem
Arm, doch er wusste, dass seine Kraft ohnehin unterlag. Mit einem Ruck hatte
Daron seinen Widerstand gebrochen und ihn an das Bett heran gezogen.
Ergeben seufzend ließ Rayo sich also vor dem Prinzen nieder und starrte in die
grauen Augen, die durch den Alkohol seltsam fiebrig glänzten.
"Und jetzt?", knurrte er entnervt.
"Ja... was jetzt?..." Der Prinz schien zu überlegen. "Krieg ich nen Kuss?"
Rayo keuchte erschrocken auf und lachte dann nervös.
"Du bist ja wirklich betrunken!", schimpfte er errötend. "Nein, du kriegst
keinen! Denk dir was anderes aus!"
"Ich will aber jetzt nen Kuss!"
"Nein!" Rayo wollte die Arme vor der Brust verschränken, doch da Daron ihn noch
immer am Handgelenk festhielt, funktionierte das nicht so recht.
"Immer muss man alles selber machen!" Mit diesen patzigen Worten nutze der Prinz
den Griff um Rayos Arm, um ihn noch näher an sich heran zu ziehen. Das
allerdings ließ der andere Junge sich nicht so einfach gefallen. Bald darauf
war eine heftige Rangelei im Gange.
"Nein, Daron!", erklärte Rayo resolut. "Ich küsse keine Betrunkenen!"
"Ich bin doch nicht betrunken!", behauptete der Prinz mit einem wenig
überzeugenden Blick.
"Bist du also nicht?"
"Nein!"
"Und das soll ich dir glauben?"
"Ja!"
Daron stützte sich plötzlich auf seinen Ellbogen, verlor jedoch dabei das
Gleichgewicht und kippte nach vorne. Polternd landete er auf dem Kleineren.
"Du Trottel!", keuchte der japsend. "Musst du immer auf mich drauf fallen?"
"Du bist halt so bequem...", kicherte der Betrunkene und kuschelte sich an sein
erwähltes Opfer. Rayo versuchte, sich zu erheben, doch der Prinz war einfach zu
schwer, besonders, weil er sein Gewicht in keiner Weise abstützte.
"Könntest du bitte mal von mir runter gehen?", fragte er betont freundlich.
"Erst, wenn ich meinen Kuss gekriegt hab'!"
Mit Daron zu diskutieren würde keinen Sinn haben, das wusste Rayo. Aber er
wollte ihn nicht küssen, das war eine Sache, die er niemals freiwillig tun
würde. Was verlangte dieser Perverse da überhaupt von ihm?
"Einen Gutenachtkuss... Bitte!" Daron lächelte und funkelte ihn mit seinen
grauen Augen verschmitzt an.
Rayo, du hast keine Wahl! - Ja, genau das sagte der Blick des Prinzen aus. Und
Rayo hatte eigentlich nicht vor, noch länger auf dem Boden liegen zu bleiben.
Außerdem war es bei Darons Zustand mehr als wahrscheinlich, dass er am
nächsten Tag alles vergessen haben würde. Wieso also nicht?
>Nein, ich tue das nicht, ich tue das nicht!<
Ein wenig widerwillig beugte Rayo sich vor und streifte kurz Darons Lippen mit
seinen. Diese kurze Berührung durchzuckte ihn wie ein Blitz und ließ ihn
unwillkürlich erschauern. Einen kleinen Moment verweilte er so, erschrocken
über die Intensität eines einzigen Kontaktes, starrte mit weit aufgerissenen
Augen in Darons Gesicht, der entspannt die Augen halb geschlossen hatte und
keine Anstalten machte, sich zurückzuziehen.
Dann war der unwirkliche Augenblick vorüber und Rayo zwang seinen Geist aus der
Erstarrung.
"Jetzt runter!", befahl er unwirsch, um der Nähe des aufwühlenden Jungen zu
entkommen.
"War das so schlimm?", fragte der Prinz feixend.
"Ja!", gab Rayo barsch zur Antwort.
Dafür erntete er nur ein Kopfschütteln. "Na, dann... Gute Nacht..."
>Das meint der doch nicht etwa ernst, oder?!<
Er meinte er ernst.
Schnurrend rollte Daron neben seinen Zimmergenossen und kuschelte sich an dessen
Seite.
"Ganz schön kalt hier...", murmelte er müde und schloss die Augen. Der Kamin
war schon ausgegangen und Rayo musste dem Prinzen recht geben. Es war wirklich
kalt!
Dennoch berechtigte das nicht diese Kuschelaktion! Gerade als Rayo von dem
Betrunkenen abrücken wollte, krallte dieser sich jedoch in seinem Anzug fest
und vereitelte somit jegliche Maßnahmen, die er ergreifen wollte, um
wegzukommen.
"Ich kann deine Gedanken lesen...", murrte Daron leise.
"Hey! Ich bin halt keine lebende Wärmflasche!", fauchte Rayo verärgert.
"Wärmflasche?", fragte der Prinz und öffnete träge ein Auge. "Was'n'das?"
"Eine Flasche aus weichem Gummi, in die man heißes Wasser einfüllt!",
erklärte Rayo genervt. "Man legt sie unter die Decke und hat es dann warm, bis
das Wasser abgekühlt ist!"
"Wie unpraktisch!", seufzte Daron schläfrig. "Du kühlst mir so schnell nicht
ab!"
"Nein, nein, nein, verdammt!", rief Rayo wütend aus. "Leg' dich gefälligst ins
Bett und deck' dich zu!"
"Wenn du mitkommst!"
"Nein, Daron! Im Bett wird dir schon so warm und zwar ohne lebende
Wärmflasche!" Rayo riss langsam der Geduldsfaden. Warum musste er auch einen
völlig betrunkenen Prinzen bei sich liegen haben?! Der wusste doch wirklich
nicht mehr, was er tat oder sagte! Wahrscheinlich wusste er nicht einmal mehr,
mit wem er sprach!
"Rayo...", kam ihm plötzlich die Jammerstimme eines gewissen Betrunkenen zu
Ohr. "Mir is' auf einmal so schlecht... Mein Bauch tut weh..."
>Soviel dazu... er weiß, mit wem er spricht...<
"Dann steh auf und leg dich ins Bett, ich hab's dir schon einmal gesagt!" Rayo
richtete sich auf und riss den Prinzen, der sich an ihn geklammert hatte, mit
sich. Allerdings schaffte er es nicht, ihn auf die Füße zu bekommen, dazu war
er zu schwach.
"Komm schon, Daron!", knurrte er angestrengt. "Lass dich nicht so hängen!"
"Rayo... mein Bauch..."
"Musst du kotzen?", fragte der Kleinere unverblümt.
"Ich will nicht sterben...", jammerte der Prinz.
"Du wirst nicht sterben!", versicherte Rayo seufzend und fügte gedanklich ein
kleines >leider< hinzu.
"Aber mir geht's so schlecht!"
"Du verträgst Alkohol wie's aussieht wirklich nicht!" Rayo brachte es fertig,
dass Daron sich hinstellte. "Wieso hast du das gemacht?"
"Waah!", heulte Daron auf. "Schimpf nicht mit mir! Ich wollte doch nur...
nur..."
Der Prinz machte momentan eine jämmerliche Figur, Rayo verstand die Welt nicht
mehr. Mit so einem Daron wusste er einfach nicht umzugehen. Ging es ihm wirklich
so schlecht?
"Schon gut...", murmelte er durcheinander. "Leg' dich da hin, ich hol dir was
gegen die Übelkeit..."
"Sowas gibt's?" Träge torkelte der Prinz auf das Bett zu, seine Bewegungen
waren ziemlich unkoordiniert und er drohte mehrmals, den Fuß falsch
aufzusetzen. Rayo war jetzt eigentlich froh, dass er so weggetreten war, denn
dann musste er ihm das mit der Medizin nicht genauer erklären. Hier gab es
natürlich noch keine Medizin, wie immer hatte er schneller geredet als gedacht.
Also ersparte er es sich, auf die Frage zu antworten und ging ins Bad, um einen
Kübel zu holen, den er dem Prinzen ans Bett stellen konnte, falls es doch
einmal nötig war. Er fand recht schnell etwas Brauchbares.
"Na, endlich hast du dich hingelegt!", sagte er erleichtert, als er aus dem Bad
zurückkam. "Wenn du kotzen musst, dann bitte in den Eimer hier!"
Daron wandte ihm sein blasses Gesicht zu, das er halb unter der Decke verborgen
hatte und warf ihm einen wehleidigen Blick zu.
"Mir geht's so schlecht!"
"Das weiß ich inzwischen!" Rayo zupfte die Decke zurecht, überprüfte, ob auch
alles in Ordnung war und stapfte dann zum Sessel, in dem er sich niederließ.
"Du bist ein richtiger Jammerlappen!"
"Bin ich nicht!", maulte der Prinz. "Aber wenn mir nun mal so schlecht ist? Wenn
du das nachfühlen könntest, dann wüsstest du, dass es um mich schlimm
bestellt ist! Oh, Rayo! Hilf mir! Ich sterbe!"
"Wie gesagt: Jammerlappen!" Rayos Blick wanderte über das Bücherregal neben
dem Sessel und studierte die Buchtitel. "Hast du die Bücher hier echt alle
gelesen?"
"Hä?" Daron wurde aus seinem Selbstmitleid gerissen. "Nein, die gehören meinem
Vater! Aber Rayo, kannst du nicht irgendwas machen, mein Bauch tut so weh..."
Rayo hatte sich für ein Buch entschieden, das den Titel trug und schlug es auf. Die Worte seines Zimmergenossen
überhörte er.
"Rayooo!", kam flehentlich aus Darons Ecke. "Du bist so herzlos!"
"Ich dachte, du wolltest schlafen?" Rayo sah von dem Buch auf. "Ich musste dir
sogar einen Gutenachtkuss geben!"
"Ich kann aber nicht schlafen, wenn mir schlecht ist!", heulte Daron. "Und als
ich gerade wollte, war mir noch nicht schlecht!"
"Tja, das nächste Mal nimm dir an mir ein Beispiel und trink keinen Alkohol!",
versetzte Rayo.
"Was?" Die Stimme des Prinzen klang verwirrt. "Du hast keinen Alkohol
getrunken?"
"Nein!"
"Aber..." Die Verwirrung wechselte zu Ungläubigkeit. "...was hast du dann
getrunken?"
"Orangensaft..."
Nach einem Moment des fassungslosen Schweigens, brach Daron in schallendes
Gelächter aus. "Orangensaft?!", japste er ungläubig. "Welcher Mann trinkt denn
auf einem Ball Orangensaft?!"
"Ich darf zufällig keinen Alkohol trinken!", verteidigte Rayo sich laut. "Ich
bin schließlich noch nicht einundzwanzig! Ausserdem ist das ganz allein meine
Sache!"
"Du darfst keinen Alkohol? Einundzwanzig?", fragte Daron, doch plötzlich
weiteten sich seine Augen und er wurde noch blasser. "Mann, is' mir
schlecht..."
Rayo wandte sich verbissen wieder dem Buch zu.
>>Das Schwert Riotrondichons blitzte auf, etliche seiner Gegner fielen in
Sekundenbruchteilen, ohne, dass sie auch nur den Hauch einer Chance gehabt
hätten. Die restlichen Männer starrten in Entsetzen und Ehrfurcht zu dem
großen Krieger auf.
"Ich und mein Schwert sind eins, gemeinsam bekämpfen wir das Unrecht! Dies ist
ein Kampf für die Gerechtigkeit..."
Seine Worte verhallten, keiner hatte es gewagt, sich zu bewegen.
"Und wenn ich dir dein geliebtes Schwert entreisse?!" Ein Schatten...<<
"...Rayo, Rayo, Rayo..."
Langsam konnte der Schwarzhaarige es nicht mehr hören. Vergeblich versuchte er,
sich auf den Inhalt dieses Buches zu konzentrieren, aber scheinbar war in Darons
Nähe keinerlei Ruhe möglich! In seiner eigenen Welt war es nun mal nicht
üblich, den ganzen Tag irgend etwas zu unternehmen! Er hatte es eigentlich auch
mal ganz gern, nichts zu tun! Rein gar nichts! Nur sitzen, vielleicht etwas
lesen, Musik hören... Aber nein! Bei Daron ging das nicht!
"Daron, wenn du nicht sofort deine Klappe hältst, werde ich sauer!!!"
Erschrocken über Rayos unerwarteten Ausbruch, schwieg der Prinz einen
Augenblick. Doch nicht lange...
"Aber Rayo, mir ist so schlecht..."
"Daron...", knurrte Rayo gefährlich. "Siehst du nicht, dass ich etwas lesen
möchte! Könntest du bitte mal ruhig sein?"
"Mir ist total übel und du liest ein Buch! Das finde ich einfach unfair! Du
bist so gemein! Wäre ich du, würde ich mich mal richtig um meinen Kameraden
kümmern! Aber nein, Rayo liest ja gerade ein Buch! Rayo hat ja keine Zeit für
mich! Ich sollte seine Privatsphäre akzeptieren, auch, wenn ich gerade
krepiere! Das wäre sicherlich besser, schließlich will der Herr seine Ruhe
und..."
"Klappe!!!"
Das Buch schnappte mit einem dumpfen Geräusch zu, das Daron mitunter zum
Schweigen brachte.
"Kapierst du denn nicht, dass ich langsam wirklich etwas überfordert bin?" Rayo
seufzte schwer auf. "Nein, du verstehst das natürlich nicht! Wie könnte ich
das auch von dir erwarten? Aber ist es echt zu viel verlangt, mich einfach mal
in Frieden zu lassen?!"
"Jaah..."
Diese Antwort konnte bei einem betrunkenen Daron natürlich nicht anders
ausfallen. Hatte Rayo sich etwa Hoffnungen gemacht?
Er schob das Buch zurück an seinen Platz im Regal und erhob sich langsam. Es
wäre keine so schlechte Idee, sich jetzt zum Schlafen zurückzuziehen. Ein
neuer Versuch, etwas Ruhe zu bekommen.
"Ich gehe nur eben drüben die Kerzen ausmachen, dann komme ich zurück, okay?"
Die Resignation in seiner Stimme schien den Prinzen zu beruhigen, denn er nickte
schnell.
"Aber beeil' dich!", jammerte er leise vor sich hin.
Der Schwarzhaarige ging nach nebenan und blies eine Kerze nach der anderen aus.
Der bekannte Geruch, den gelöschte Kerzen verbreiteten, stieg in seine Nase.
Wieder ein Stück Vertrautheit, etwas, das er mit seiner Welt verband. Mit jeder
erloschenen Flamme wurde es dunkler in dem Zimmer, bis schließlich kein Licht
mehr den Raum erhellte, außer eines kleinen Streifens Helligkeit von der Tür
zum Schlafzimmer.
Diesen nahm Rayo jetzt auch als Orientierung. Er tastete sich an die Lichtquelle
heran und fand sich schon in der Gesellschaft Darons wieder.
"Mir is' schlecht!"
"Weiß ich!" Rayo machte sich daran, auch hier die Kerzen auszupusten. "Durch
Gejammer wird's bestimmt nicht besser!"
"Und mir is' kalt!"
"Du liegst doch unter der Decke!" Wieso ließ Rayo sich überhaupt auf eine
Diskussion ein? Das brachte ihm doch gar nichts!
"Rayo, ich werde dich nicht in Ruhe lassen, ehe du was gegen die Bauchschmerzen
und Kälte gemacht hast!"
"Aber..." Rayo gab innerlich auf. "...ich weiß doch gar nicht, was ich dagegen
machen kann!"
"Och, irgendwas!", heulte Daron auf. "Du weißt doch sonst immer alles!"
"Woher bitte soll ich was gegen Übelkeit haben?", argumentierte Rayo müde.
"Gerade hast du noch gesagt, du würdest was dagegen haben!" Daron kannte
anscheinend keine Gnade. "Also?!"
>Das einzige, das ich gegen Magenschmerzen kenne, ist, den Bauch zu massieren!
Aber ich würde mich eher umbringen, als dass ich....<
"Dann mach' das doch!"
Er hatte nicht etwa laut gedacht, oder?
"Auf keinen Fall!" Rayo schüttelte panisch den Kopf und löschte die vorletzte
Kerze. Nur noch schwaches Licht flackerte gegen die dunklen Schatten.
"Aber... Rayo..."
Der Schwarzhaarige begann wortlos, seinen Anzug aufzuknöpfen. Das schwarze
Jackett landete am Kopfteil seines Bettes und das Hemd flog gleich hinterher.
"Ich werde das ganz bestimmt nicht machen, Daron!"
Der Prinz antwortete nicht, sondern starrte ihn nur an. Verwirrt strich Rayo
sich eine ins Gesicht gefallene Haarsträhne hinters Ohr. Gab der Prinz etwa
auf? Das glaubte er nicht, eher wäre der Himmel grün und das Gras blau, als
dass Daron irgend etwas nur im Ansatz einsehen oder aufgeben würde.
Vollkommen durcheinander drehte Rayo sich um und schnappte sich sein eigenes
Shirt vom Boden, um sich wieder anzuziehen. Dann jedoch fiel der Groschen und er
erstarrte in der Bewegung...
Er stand hier halbnackt mitten im Zimmer!
Nach dem Schockmoment riss er das Oberteil rasend schnell über seinen Kopf und
wagte es erst anschließend, den Prinzen vorsichtig anzusehen, bereit, seinen
Spott abzuwehren. Daron schien aber eher erschöpft und blass als alles andere.
Und dass er die Situation nicht mit einem breiten Grinsen quittierte, ließ
Rayos Sorge um einen großen Teil wachsen. Ging es ihm etwa doch schlechter, als
er gedacht hatte?
"Rayo... Bitte... Mach' was gegen die Bauchschmerzen, wenn du wirklich kannst...
Bitte..."
Schweigend senkte Rayo den Kopf, rang innerlich mit einer Entscheidung. Daron
hatte ihn um Hilfe gebeten. Und seine Stimme hatte ernst geklungen, gequält
sogar.
Und was war schon dabei, wenn er ihm half? Immerhin war er doch auch nur ein
gleichaltriger Junge, wenn auch ein Prinz. Und diese Tatsache machte ihn nicht
älter oder stärker als andere Menschen! Überhaupt nicht!
"Na... na, gut...." Rayo nahm die letzte brennende Kerze aus dem Halter und trat
zu Daron ans Bett. "Ich kann allerdings für nichts garantieren!"
Der Blick des Prinzen folgte ihm, als er sich an der Bettkante niederließ und
sich die Schuhe von den Füßen streifte. Die Kerze wurde an die Seite gestellt
und ausgemacht. Dunkelheit senkte sich über sie herab. Angenehme Dunkelheit.
Sie war Rayo nur recht, denn sie verschleierte die Situation, in die er sich
wieder hatte begeben müssen.
"Dreh' dich mal um!", murmelte er und hörte daraufhin die Decken rascheln, als
Daron sich auf die andere Seite legte.
"Was wird das?", drang seine von dem Magenkrampf gedämpfte Stimme zu Rayo vor.
"Wart's einfach ab!", flüsterte er verlegen und legte sich langsam neben den
Prinzen. Schüchtern rückte er näher und legte seine Hände von hinten um ihn,
so dass sie auf seinem Bauch zu liegen kamen. Unsicher begann er, die
verkrampften Muskeln zu massieren, spürte nur zu deutlich die Wärme Darons
durch seine Fingerkuppen über seine ganzen Hände rieseln.
"Meine Mutter hat das früher immer mit mir gemacht, als ich klein war...",
erklärte er, um sich und den Kranken abzulenken. "Wenn ich Bauchschmerzen
hatte, half das immer..."
Er merkte, wie sich Daron etwas lockerte und lehnte sich erleichtert gegen ihn.
Schon im nächsten Moment wäre er am liebsten zurückgewichen, denn der
unerwartete Kontakt ihrer Körper durchzuckte ihn wie ein Blitzschlag. Dennoch
ließ er es letztendlich bleiben, auch, wenn er sich selbst nicht sicher war,
warum.
"Rayo...?" Die abgespannte Stimme seines Patienten meldete sich wieder einmal zu
Wort. "Wie waren denn deine Eltern so? Habt ihr euch gut verstanden?"
"Meine Eltern?"
Rayo überlegte, dachte an seine Familie zurück, an die vielen Augenblicke, die
er nie zu schätzen gewusst hatte, bevor er so unvermittelt aus seinem Alltag
herausgerissen worden war.
"Ich habe mich eigentlich immer gut mit meiner Mutter und meinem Vater
verstanden..." Eine Art Ruhe war zwischen ihnen eingetreten, Rayo setzte die
sanfte Massage fort, spürte die Entkrampfung der Bauchmuskeln unter seinen
Fingern. Daron lag völlig still, etwas, das dem an ihm Lehnenden eigentlich wie
ein Ding der Unmöglichkeit vorkam, denn was hatte der Power des Prinzen jemals
einen Abbruch getan?
"Na, jedenfalls...", fuhr er fort. "...würde ich gerne wieder zu Hause sein...
ich meine, meine Eltern wissen doch gar nicht, wo ich bin und denken sicherlich,
mir wäre etwas passiert... Ich bin zwar schon sechzehn, aber..."
"Meine Eltern behandeln mich, als wäre ich ein Kleinkind!", fauchte Daron
dazwischen. Rayo konnte die Wut aus den Worten des Prinzen heraushören, als
läge sie wie etwas Greifbares in der Luft. Doch so schnell sie sich in die Luft
entladen hatte, verschwand sie auch wieder und Rayo ersparte sich seine übliche
bissige Erwiderung.
"Sie sind bloß besorgt um dich!", erklärte er statt dessen sanft. "Dadurch,
dass du Alkohol getrunken hast, hast du dir nur selbst weh getan und das wollten
sie verhindern! Es hätte auch viel schlimmer kommen können, weißt du das?"
Den leichten Tadel am Ende konnte er nicht aus seinen Worten verbannen.
"Sag bloß, du machst dir Sorgen um mich...", hörte Rayo Daron spöttisch
belustigt vor sich hin murmeln.
"Allerdings!" Erschrocken hielt er in seinen Bewegungen inne, doch es war die
Wahrheit, dass er Angst bekommen hatte, es könnte wirklich etwas Schlimmeres
sein, als vorher erahnt. Sonst würde er aber auch nicht hier liegen und dem
Prinzen den Bauch massieren. Alles, nur das nicht!
"Also... ich danke dir, Rayo..."
Ebenso überrascht wie eben noch geschockt, erstarrte Rayo erneut. In einem
selbst für ihn unerwarteten Impuls von Freude, schlossen sich seine Arme enger
um Daron und fuhren dann mit den helfenden Bewegungen an seinem Bauch fort.
Er fühlte sich müde, wenn auch glücklich. Die Wärme von Daron lullte ihn
langsam aber sicher ein. Seine Augen hatte er wegen der Dunkelheit ohnehin schon
geschlossen und je weiter seine Gedanken abdrifteten, desto tiefer versank er in
der Traumwelt. Eigentlich wollte er ja noch aufstehen und in sein eigenes Bett
gehen, aber nichts auf der Welt vermochte ihn noch aus dem warmen Nest zu holen,
denn er wusste ganz genau, dort draußen lauerte Kälte und Einsamkeit. Und
obwohl er so heftig beteuert hatte, er bräuchte Zeit für sich allein, so
wusste er doch, dass das alles nicht stimmte, denn dann könnte niemand ihn vor
seinen Gedanken an sein Zuhause und seine Familie bewahren. Und Daron war ja nur
ein anderer Junge. Da machte das ja nichts aus. Überhaupt nichts... Das würde
er ein anderes Mal mit seinem Gewissen vereinbaren. Nur nicht an diesem
Abend...
Rayo merkte schon längst nicht mehr, wie er mit der Massage aufhörte und
einschlief...
Das Morgenlicht, das durch das Fenster drang, warf sein Licht auf Rayos vierten
Tag in dieser fremden Welt. Blinzelnd öffnete er ein Auge, sein schläfriger
Geist trieb langsam an die Oberfläche seines Bewusstseins und zeigte ihm die
verschleierte Sicht einer weißen Decke, die über ihm thronte. Die Augen gegen
das unangenehme Licht zusammenkneifend, wälzte Rayo sich herum und kuschelte
sich zurück in die Wärme, wollte auf keinen Fall aufwachen und die gleiche
hoffnungslose Aussicht vor sich haben wie all die letzten Tage zuvor auch
schon.
Sofort wurde er erfasst und umschlossen, wieder tiefer gezogen in die angenehme,
einzigartige Aura, die nur eine Person umgab, in diesen vertrauten Geruch, den
nur eine Person umgab... nämlich...
Rayo riss die Augen auf.
>...Daron...<
Und bei eben diesem hatte er sich gerade in eine innige Umarmung geschmiegt.
Er wagte es nicht, sich zu bewegen, hätte es auch gar nicht gekonnt, wollte es
auch gar nicht. Die Müdigkeit war schlagartig von ihm abgefallen, nur die warme
Atmosphäre blieb, gaukelte ihm eine innere Bindung zwischen dem Jungen und ihm
selbst vor, die gar nicht bestehen konnte, es gar nicht durfte.
Er drehte seinen Kopf, der an Darons Brust lag, leicht zur Seite, erhaschte
einen Blick auf die Haut des gebräunten Armes des Prinzen, der ihn umschlungen
hatte und an den warmen Körper drückte. Erst jetzt bemerkte er so richtig, wie
zierlich er selbst gegenüber Daron war. Auch, wenn er es oft genug zu hören
bekommen hatte, so war es doch etwas anderes, als diese Tatsache durch solch
einen Kontrast zu sehen zu bekommen.
Erneut bewegte Rayo sich, wandte sich leicht in Darons Arm um, damit er ihm ins
Gesicht schauen konnte. Leicht strich seine Nase über die des schlafenden
Jungen, verdeutlichte ihm, wie nah er ihm jetzt wirklich war. Doch er zog sich
nicht zurück. Diesmal nicht.
Der sture Prinz würde nichts hiervon erfahren.
Im Schlaf wirkte Daron unschuldig, als könnte er kein Wässerchen trüben.
Seine Gesichtszüge waren völlig entspannt, viel weicher, viel zarter.
Seine dunklen Wimpern legten sich wie Schwingen auf die samtene Haut... diese
Haut... etwas in Rayo schrie danach, sie zu berühren, zu testen, ob sie sich
auch so samten war, wie sie schien. Unschlüssig zog er eine Hand unter der
Decke hervor, die bisher an Darons Taille gelegen hatte, und strich unendlich
vorsichtig über eine der Wangen.
Tatsächlich... wie Samt...
Die Worte hallten in seinem Kopf leise nach, während seine Finger die Konturen
von Darons Gesicht entlangfuhren, schließlich an seinem Kinn innehielten. Rayos
Augen hefteten sich auf die leicht geöffneten Lippen des Jungen, die so oft zu
einem überlegenen Grinsen, aber auch zu einem zärtlichen Lächeln verzogen
gewesen waren. Im Moment jedoch waren sie entspannt. Er konnte nicht anders, als
die Form mit dem Daumen sanft nachzufahren, sie waren nachgiebig, weich, luden
noch zu einer ganz anderen Berührung ein.
Und Rayo folgte dieser Einladung, gab dem Drang nach, den Nektar dieser Lippen
noch einmal zu kosten. Es benötigte nur ein kleines Vorbeugen, nur ein
minimaler Abstand war zu überwinden und er fand, wonach sein Inneres sich
übermächtig stark sehnte.
Doch gleichzeitig erschrak er, erwachte mit einem Schlag aus der Trance, die ihn
erfasst hatte. Was tat er da? Wozu hatte er sich da hinreißen lassen? Und
warum?
Rayo unterbrach ihren kurzen Lippenkontakt, starrte mit weit aufgerissenen Augen
in das wunderschöne Gesicht vor ihm. Selbst im Schlaf hatte es seinen stolzen
Zug nicht verloren.
Und unter den Lidern verbargen sich die wohl schönsten Augen, in die Rayo je
hatte schauen dürfen. Grau, stahlgrau und wohl ebenso unnachgiebig wie der
Stahl selbst. Manchmal, wenn das Licht günstig fiel, konnte man sogar einen
Schimmer Blau in ihnen erkennen. Dass ihm so etwas aufgefallen war, verwunderte
ihn selbst mehr als alles andere. Diese Augenfarbe war so einzigartig, nirgendwo
auf der Welt würde man solche Augen ein zweites Mal finden, dessen war er sich
sicher.
Und eben diese Augen öffneten sich mit einem Mal schlagartig.
Rayo wollte zurückweichen, fühlte sich aber zu elektrisiert vom Schreck, um
auch nur zu blinzeln.
"Wird man hier schon aus dem Schlaf geküsst?"
Entsetzen lähmte Rayo. Der Prinz lächelte verschlafen, als hätte nicht gerade
ein Junge ihn geküsst. Die Aufforderung am letzten Abend war etwas ganz
anderes, da war Daron betrunken gewesen. Doch jetzt?
"Was guckst du so verschreckt?", grinste Daron. Er ging noch immer nicht auf
Abstand. "Du bist vielleicht schüchtern!"
"Also... also, ich... ähm... das... das..." Rayo schämte sich für das, was er
getan hatte. Was musste der Prinz jetzt denken? Er war doch nicht schwul! Es
mochte ja stimmen, dass der andere Junge sehr attraktiv war und wäre er ein
Mädchen, würde er sicherlich nicht zögern, ihn... Was dachte er da nur
wieder??
"Daron, ich kann das alles erklären!", begann Rayo erneut. "Ich..."
Seine hastige Erklärung wurde ihm von den Lippen gerissen, als Daron sie mit
einem Kuss versiegelte. Er war bestimmter als der, den Rayo ihm gerade gegeben
hatte, stürmischer und fordernder. Aber er dauerte nicht länger. Daron ließ
von ihm ab und sah mit fröhlich funkelnden Augen auf ihn herab.
"Du bist so prüde! Irgendwie süß!", lachte er und kuschelte sich unter der
Decke noch etwas näher an ihn heran. "Außerdem bist du warm und ich noch
müde! Du hast mich mit deiner Zappelei geweckt!"
>Süß?! Pah! Wieso bezeichnen mich alle als süß? Ich will nicht süß sein!<
Doch Rayo war im Augenblick viel zu perplex vom Benehmen des anderen Jungen, als
dass er sich traute, groß Einspruch zu erheben. Daron schien nämlich ernsthaft
vorzuhaben weiterzuschlafen. Und er selbst wäre jetzt ganz sicher nicht mehr in
der Lage dazu! Was heißen würde, er müsste so lange hier liegen bleiben, bis
Daron aufstehen wollte.
>Nein! Auf keinen Fall!<
Das musste er verhindern und zwar bevor Daron wieder eingeschlafen war! Und er
schien schon wieder auf dem besten Wege ins Reich der Träume zu sein!
"Du kannst ja noch schlafen!", beeilte er sich deshalb in einer unbeeindruckten
Tonlage klarzustellen. "Ich bin hellwach und werde mal nach meiner Schwester
suchen gehen!"
"Och, meinst du wirklich?" Träge öffnete der Prinz ein Auge. "Dabei ist's
gerade so gemütlich!"
"Mag ja sein!", lächelte Rayo, amüsiert von seiner kindlichen Enttäuschung.
"Du kannst aber ruhig noch liegen bleiben! Ich finde sie schon!"
Rayo löste sich von dem Prinzen und krabbelte aus dem Bett. Er musste zugeben,
dass er selbst die Wärme ebenfalls vermisste, die er und Daron sich gegenseitig
gegeben hatten. Doch nein, nein! Er mochte vielleicht die Wärme vermissen, aber
nicht Daron! Sicherlich, ganz bestimmt nicht Daron! Er hasste es, so verwirrt zu
sein!
Aber das war nur einer der Gründe, aus denen er froh war, dass der Prinz im
Bett blieb. Ihm war es gestern ja wirklich schlecht ergangen und etwas mehr
Schlaf konnte da bestimmt nur gut tun!
"Ruh dich ruhig noch aus!", murmelte er deshalb mit ehrlicher Besorgnis. Dem
Prinzen schien es zwar wieder besser zu gehen, aber sicher war immer noch
sicher. "Ich bringe dir auch gleich was zu essen!"
"Wirklich?", strahlte Daron und sein Kopf schnellte vom Kissen hoch. "Toll!"
Rayo lächelte leicht und ging zur Tür. Kurz bevor er den Raum verließ, drehte
er sich jedoch noch einmal um.
"Ich bin froh, dass es dir besser geht, Daron!"
Leise schloss er die Tür hinter sich. Seine Verwirrung hatte sich nicht gelegt,
ebensowenig wie seine Besorgnis. Daron neigte dazu, viel zu übermütig zu
handeln und er musste verhindern, dass er sich nicht allzu sehr anstrengte. Am
Besten, er würde persönlich etwas für den Prinzen zum Essen aussuchen, dann
konnte der seinen noch empfindlichen Magen nicht mehr belasten als nötig.
Eigentlich konnte man meinen, er handelte übertrieben, aber er wusste sehr wohl
um die schlechte medizinische Versorgung. Da die Wissenschaft noch nicht sehr
weit fortgeschritten war, folgerte er daraus auch für die Medizin einen
schlechten Entwicklungsstand. Würde Daron also einen Rückfall erleiden,
könnte das eventuell schlimmere Folgen haben, als er es gewohnt war. Hier gab
es kein Penizillin, das man einfach mal so schluckte, wenn man krank war.
Rayo trat hinaus auf den Flur. Sollte er zuerst Raya suchen, oder Darons Eltern?
Na, es wäre sicherlich besser, dem König und der Königin vorher Bescheid zu
geben, dass dem Prinzen besser ging. Danach konnte er seine Schwester suchen.
Ein Blick aus dem Fenster verriet ihm, dass es bereits später Morgen war. Auch
daran erkannte man, dass es Daron schlechter ging als sonst. Er war heute nicht
einmal für sein Schwerttraining aufgestanden.
"Entschuldigung..." Rayo hatte den Kammerdiener des Prinzen, Tervo, entdeckt.
"Wo finde ich Seine Majestät den König?"
"Oh, Rayo?" Der ältere Mann lächelte ihm freundlich zu. "Wartet, ich bringe
Euch zu ihm! Darf ich fragen, wie es unserem Prinzen geht?"
"Er sieht schon wieder besser aus!", grinste Rayo und folgte dem Diener.
Sie liefen nicht lange durch das verstrickte System an Gängen, in dem Rayo sich
noch immer nicht zurechtfand und standen schließlich vor einer großen
Doppeltür.
"Ich kündige Euch kurz an!" Der sympathische Mann verbeugte sich kurz und
verschwand dann hinter der Tür.
Kaum, dass er verschwunden war, öffnete sie sich jedoch schon wieder und Rayo,
der sich darauf eingestellt hatte, zu warten, schaute überrascht auf.
"Man erwartet Euch bereits!", erklärte der Diener und deutete in das Zimmer.
Mit einer letzten höflichen Verbeugung verschwand er danach, um seinen
Pflichten nachzukommen.
Rayo atmete tief durch und trat ein.
Der König und seine Gemahlin saßen an einem Tisch in der Mitte des Raumes. Die
Throne standen unbesetzt im Hintergrund, doch das Paar schien gerade beim
Frühstück gewesen zu sein, als der Diener ihn angekündigt hatte, denn
Eßutensilien und Platten mit Brot, Fleisch und Früchten standen noch vor den
beiden.
"Da bist du ja, Rayo!" Der König lächelte väterlich, aber er schien
gedanklich schon bei seiner nächsten Frage zu sein. "Wie geht es Daron?"
"Euer Sohn fühlt sich viel besser, aber ich glaube, er sollte sich noch
ausruhen!", antwortete Rayo nervös. Er konnte sich einfach nicht an die
Tatsache gewöhnen, dass er dem König gegenüberstand, dass er mit einem König
redete und vor allem, dass ein König mit ihm redete...
"Da bin ich aber erleichtert!", seufzte die Frau und legte ihrem Mann eine Hand
auf den Arm, was der mit einem Lächeln quittierte. "Ich hoffe, er hat dir keine
Unannehmlichkeiten bereitet! Wir wissen wohl, dass Daron ein sehr hitziges
Temperament hat!"
"Es ging so..." Verlegen trat Rayo von einem Bein auf das andere.
"Möchtest du dich nicht zu uns setzen?", fragte der König und deutete auf
einen Platz ihnen gegenüber. Rayo schüttelte daraufhin schnell den Kopf.
"Danke, nein...", murmelte er abwehrend. "Aber ich muss noch nach meiner
Schwester gucken, sie reist sicher bald ab!"
"Oh, nun denn... Wirst du denn mit deiner Schwester nach Hause zurückkehren?"
"Ich... weiß noch nicht..." Darüber hatte Rayo sich gar keine Gedanken mehr
gemacht. Er konnte ja jetzt gehen...
"Dann such du mal deine Schwester!", nickte die Königin. "Wir wollen dich nicht
länger aufhalten!"
"Ahm... ich wollte auch noch mal... ich wollte mich bedanken!", stotterte Rayo.
"Für die Unterkunft und so..."
"Das ist doch selbstverständlich!", lachte die ältere Frau. "Du bist doch ein
Freund unseres Sohnes!"
"Nun... trotzdem... Danke!" Rayo lief zur Tür, schwang sie auf und winkte ihnen
schnell noch einmal zu, ehe er verschwand.
"Ein seltsamer Junge!" Leicht verwundert sah die Königin ihren Gemahl an. "Er
benimmt sich gar nicht unseren Sitten entsprechend."
Der König nickte. "Er ist wohl nicht von hier!"
"Hm... Aber Daron scheint ihn sehr zu mögen! Er ist ja geradezu handzahm in
seiner Gegenwart!" Das glockenhelle Lachen der Frau erscholl kurz.
"Tja, Schatz, da muss ich dir zustimmen!" Der König trank einen Schluck Tee aus
einer kleinen Porzellantasse. "Er scheint sehr an ihm zu hängen! Ich hoffe mal,
der Junge lässt ihn nicht einfach so zurück! Unser Daron ist doch so
verletzlich!"
"Lass ihn das nicht hören!" Wieder lachte die Königin hell auf und führte
sich dann ein kleines Häppchen von einem der Tablette zu Gemüte. "Aber du hast
recht, es würde ihm das Herz brechen, den Jungen zu verlieren!"
"Ja, das ist eine seltsame Freundschaft zwischen den beiden!" Der König störte
sich nicht daran, dass seine Gemahlin mit vollem Mund gesprochen hatte. Das war
eben ihre Privatsphäre. Ohnehin waren sie keine gewöhnliche Familie, denn sie
gingen alle völlig vertraut miteinander um, was aus dem Umstand resultierte,
dass die Heirat des Königs und der Königin aus wahrer Liebe vollzogen worden
war.
"Mäuschen, würdest du mir mal das Salz reichen?"
Die Königin lächelte ihren Mann an und gab ihm den Salzstreuer. "Bitte sehr!"
Einträchtige Stille sank über den Raum herab, nur unterbrochen von klimperndem
Besteck und Porzellan.
"Schatz...", brach die ältere Frau dann das Schweigen. "Dieser Rayo wird doch
sicher morgen gehen!"
"Wenn nicht sogar heute!", ergänzte der König besorgt. "Soweit ich ihn
kennengelernt habe, wird er nicht vorhaben, Daron zu sagen, wo er ihn finden
kann, wenn er fort ist..."
"Das ist traurig!", erwiderte die Königin bedrückt. "Warum denn nicht?"
"Er scheint seine Gründe zu haben... seine Schwester vielleicht?" Dann
lächelte der König. "Er ist ja eigentlich nett! Er hat etwas ganz besonderes
an sich! Etwas... Fremdes und Neues!"
"Also, ich finde ihn irgendwie knuffig!", quietschte die Frau vergnügt.
"Richtig süß!"
Rayo war erleichtert, als er aus dem Zimmer des Königs und der Königin
verschwinden konnte. Sie machten ihn mehr als nervös. Anfangs war es leichter
für ihn gewesen, in der Gegenwart des Königs zu sprechen. Doch seitdem er
gemerkt hatte, dass der Mann ein wirklicher, ein richtiger König war, der ein
ganzes Land mit fester Hand regierte, hatte er großen Respekt und Ehrfurcht vor
ihm.
"Bruderherz!" Seine Schwester kam ihm entgegen, ein breites Lächeln auf den
Lippen. "Ich hab' dich gesucht! Bei eurem Zimmer hat keiner aufgemacht, als ich
geklopft habe und da hat Tervo mir gesagt, du wärst beim König!"
"Aha!" Rayo erwiderte das Lächeln und ging neben ihr her den Gang herab. "Na,
ja, ich musste doch erzählen, was mit Daron los war! Sag mal: Kannst du mich
zur Küche bringen?"
"Klar!", nickte sie. "Möchtest du deinem Schatz was zu Essen machen?"
"Wie bitte?!", keuchte Rayo. "Welchem Schatz bitte?! Der Typ ist doch total
verrückt! Trinkt Alkohol, obwohl ihn das Zeug krank macht! Irre ist er! Und
ganz bestimmt nicht mein Schatz!!!"
"Ja, ja..." Es klang nicht gerade überzeugt.
"Wie kommst du denn da überhaupt drauf?", versuchte er es also erneut. "Das ist
ein Kerl, falls es dir schon einmal aufgefallen sein sollte und ich würde
nie..."
>Du solltest nicht so laut reden, die Wände haben Ohren...<
Augenblicklich war Rayo still. Und rot im Gesicht wie eine Tomate.
"Jedenfalls...", setzte er noch einmal an, diesmal aber im Flüsterton.
"...verstehe ich nicht, wie du darauf kommst, ich und der Prinz könnten...
wäh!"
"Was ist da gestern eigentlich noch so gewesen?", fragte Lileya plötzlich. Rayo
wusste, sie wollte vom Thema ablenken und das war ihm auch mehr als recht. "Ich
habe ja in dem anderen Zimmer geschlafen, deshalb würde mich wirklich mal
interessieren, was der Prinz in seinem Trunkenheitszustand so verzapft hat!"
"Gejammert hat er, nichts weiter!" Ganz bestimmte Details ließ er aus. "Er
hatte Magenkrämpfe! Dieser Idiot!"
"Ach und jetzt braucht er was feines zum Futtern?" Leya grinste gespielt fies.
"Und der kleine Rayo spielt Onkel Doktor und passt auf ihn auf!"
"Ganz genau!", knurrte der Schwarzhaarige. "Sonst springt der gleich wieder hier
draußen rum und fängt sich womöglich was ein!"
"Hier sind wir auch schon an der Treppe zur Küche!", lachte Lileya. "Na, dann
wünsche ich dir noch viel Spaß, ich will dich und den Prinzen ja nicht
stören!"
Und damit verschwand sie auch schon.
Rayo sah ihr noch kurz nach. Sie benahm sich an diesem Morgen auch recht
seltsam. Zwischen ihm und Daron war nichts, diese ständigen Anspielungen gingen
ihm ziemlich auf die Nerven!
Seufzend lief er die Treppen hinab und in die Küche. Wie schon bei seinem
letzten Besuch herrschte hier ziemlicher Aufruhr, immer flitzte irgend jemand
durch die Gegend mit irgendwelchen Tabletts, Töpfen oder Lebensmitteln.
"Hey, seht doch!", rief plötzlich eine ältere Frau aus. "Wenn das nicht unser
kleiner Koch ist!"
Rayo erkannte sie, sie war eine der drei Frauen, die ihm bei den Kohlrouladen
geholfen hatten. Und nachdem die Frau seine Anwesenheit laut bekannt gegeben
hatte, entdeckte er auch die beiden anderen Köchinnen und den Koch, die ihm
ebenfalls behilflich gewesen waren.
"Oh, äh... hallo!" Etwas Klügeres wusste er nicht zu sagen.
"Schön, dass du uns mal wieder besuchen kommst!", lächelte Dya. "Hast du ein
neues Rezept, das du ausprobieren möchtest?"
"Nein, leider nicht!" Rayo zuckte entschuldigend mit den Schultern. "Ich wollte
nur etwas leichtes zum Essen besorgen! Für Daron, ihm geht es ja nicht so
gut!"
"Ach, wir haben schon davon gehört!", redete die ältere Frau drauf los. "Der
Ärmste hat es schon wieder getan!"
"Wieso schon wieder?", fragte Rayo misstrauisch. "Macht er das etwa öfter?"
"Ja, leider!" Die ältere Frau lief durch die Küche zu einem Schrank und
öffnete ihn. "Was kann ich dir denn für den armen Jungen anbieten?"
"Mal sehen..." Rayo tastete mit den Augen die Packungen ab. "Warum macht Daron
das eigentlich? Ich meine, das mit dem Alkohol?"
"Er fühlt sich in seinem Stolz gekränkt!", erklärte Dya, die hinzukam. "Ich
kann ihn gut verstehen! Ein Mann, der keinen Alkohol trinken kann! Wie sieht das
denn öffentlich für Menschen aus, die nicht wissen, dass er das Zeug nicht
verträgt? Er hat Angst, sie könnten ihn für eine Memme halten..."
"Ach, so ist das..."
Rayo zog etwas aus dem Regal, das aussah, wie eine Art von Zwieback. "Kann ich
noch etwas Wurst haben?"
"Natürlich!", lächelte die ältere Frau und schloss den Schrank wieder. "Dya,
mein Kind? Holst du etwas von Darons Lieblingswurst aus dem Kühlfach?"
Die Jüngere nickte und verschwand daraufhin.
"Daron wird sich sicher freuen, dass du ihm das bringst!" Fröhlich machte die
ältere Frau sich wieder an die Arbeit. "Und lass dich von seiner Nörgelei
nicht beeindrucken!"
"Nein, ganz sicher nicht!", grinste Rayo.
Dya kam zurück und hielt ihm eine flache Schüssel hin, in der Aufschnitt lag.
Rayo nahm sie ihr ab und zog dann eines der Tabletts aus dem Regal. Das Ganze
stellte er auf eine Arbeitsfläche, wo er begann, den Zwieback mit der Wurst zu
belegen.
"Hier, ich habe dir schnell noch Tee für dich und den Prinzen geholt!" Der
junge Koch, den Rayo auch schon von dem letzten Kocherlebnis kannte, reichte ihm
zwei Tassen.
"Danke sehr!" Der Schwarzhaarige räumte alles zusammen auf das bereitgelegte
Tablett und lief wackelig zur Tür.
"Mach's gut, Kleiner!" Die Köche und Köchinnen winkten ihm allesamt mit
fröhlichen Mienen zu. "Und komm mal wieder mit einem neuen Gericht!"
"Klar doch!" Rayo grinste verschmitzt und schob die hölzerne Schiebetür zur
Seite. "Ach, Dya?"
Die junge Köchin blickte fragend von dem Gemüse auf, das sie gerade schnitt.
"Dein Fleischauflauf ist sehr lecker!"
"Danke!", strahlte sie. "Aber jetzt geh und lass den Prinzen nicht länger
warten!"
"Ist gut!"
To be continued...
So, das war's für diesen Part!
Ich hoffe mal, ich habe das mit der Anrede jetzt nicht wieder falsch gemacht!
Wenn doch, sagt mir einfach Bescheid ^^ *schwitz*
Ich wurde ein weiteres mal gefragt, warum ich den Nick mit Amy teile! ^^ Das war
so: Amys Eltern und meine Eltern haben uns verboten, uns irgendwo anzumelden! Da
wir aber trotzdem Sachen veröffentlichen wollten, hat eine Freundin von uns
einen Nick für uns beide erstellt! Deshalb teilen wir uns den!
Ähm... da war noch was... ach, ja! Danke an Julili und Nekomon für die
Empfehlung meiner Story! Das kam wirklich unerwartet für mich!
Außerdem ein Danke an alle anderen, die dies hier gelesen haben!
Über eure Meinung würde ich mich immer wieder freuen!
Anhang:
Wie versprochen beantworte ich hier einige Fragen! Mein Dank geht an:
Kuroi-Neko, Mistery, gitanija, Pep, Kasan, Van17, Marn, Julili, Nekomon und
Satsuki! Da war noch wer, aber leider habe ich mir den Namen nicht merken
können! Sorry! Aber derjenige wird dann wissen, dass er gemeint wurde! ^^
Ist jetzt nach der Reihenfolge der Kommischreiber gewesen! Ich danke euch sehr
für eure Meinungen und Fragen!
Aaalso:
1) Ist Rayo einfach nur so in der anderen Welt gelandet?
Das kann ich, denke ich, ohne weiteres beantworten: Nein, natürlich nicht!
Wäre auch seltsam, wenn es so wäre! Und langweilig! ^^ Aber eine gute Frage,
gitanija! Nya, da Rayo ja mein Protagonist ist, musste ich die Szene so
schreiben, dass der Leser das denkt, was er denkt! Und Rayo soll denken, er ist
einfach nur so da bei Daron... ^^ *sigh* Klingt das blöd...
2) Wieso sagt Kira nichts zu Raya, obwohl sie doch weiß, dass Rayo keine
Schwester hat?
Nun, das dürfte sich in diesem Part erledigt haben, eh Van17? Nun, ich hatte
überlegt, ob ich Kira nicht schon früher danach fragen lassen wollte, habe es
dann aber gelassen! (Die Szene sollte eigentlich noch später kommen... oh,
je...)
Kira ist recht klug - sie würde Rayo nicht vor allen anderen überrumpeln, sie
weiß doch, dass er eine Maskerade spielt... da Daron ihn aber im Auge behalten
hat und dann ihre Eltern und ihr Bruder dabei waren... Tja, da hab ich's
verschoben... war das zu spät? ^^
3) Wird Daron erfahren, dass es Raya nicht gibt und dass Rayo aus einer anderen
Welt kommt?
Ja, er wird es erfahren! ^^ Irgendwann... Irgendwie... Aber ich glaube, das wird
noch dauern! Ich weiß nicht... vielleicht geht's auch ganz schnell? Das hängt
auch von euch ab! Was meint ihr?
4) Wie ist Lileya als Haflinger zu dem Händler gekommen?
Ja, diese Frage ist mir gestellt worden und damit das ein für allemal von Tisch
kommt, will ich es hier noch einmal klären: Man erinnere sich an einen
schmierigen, geldgierigen Händler... Na, ja... Wenn ihm ein schönes, gut
genährtes Pferd zuläuft, was macht er wohl? Er fragt sicher nicht, wer der
Besitzer ist. ^^ So ist Leya zu dem Händler gekommen! Nun, es war ihr bestimmt
ein leichtes, Rayos Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und auf keines der anderen
Pferde!
5) Wie konnte Lileya immer an Rayos Seite bleiben?
Wem fällt schon eine Fliege oder ein Vogel auf? Sie kann sämtliche Gestalten
annehmen... Nya, nicht alle! Die, die ihr bekannt sind! Je mehr die Körpermasse
von ihrer eigenen abweicht, desto schwieriger wird es für sie, also hat sie
auch ihre Grenzen!
Ich habe jetzt nur die wichtigsten Fragen beantwortet! Es gab noch andere, aber
ich möchte ja nicht alles vorweg verraten oder euch zulabern! ^^ So, ich mache
an dieser Stelle mal Schluss!
Ach... eines noch:
Rayos Reise muss weitergehen!!!
Kapitel 8: Schon wieder eine Reise
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Konnichi wa!!!
Hier ist der siebte Part! Wow, schon der siebte *staun*
Na, ja... was soll ich darüber sagen? Endlich kommt mal ein Plot in die
Geschichte! Das ist meiner Meinung nach auch langsam nötig! Zuvor habe ich
immer frei nach Nase eine Idee nach der anderen umgesetzt, gerade wie es mir
gepasst hat... *gg* ^^
Die Beziehung zwischen Rayo und Daron kommt hoffentlich diesmal etwas deutlicher
heraus, selbst wenn Rayo es bisher noch immer verleugnet! Das erst mal dazu...
Ich möchte ja nicht nerven! ^^"
Ich hatte übrigens mal angefangen, den ersten Teil ins Englische zu
übersetzen. Was ich festgestellt habe, ist, dass die ganze Atmosphäre anders
wirkt. War wirklich interessant... ^^
Wollen wir dann mal loslegen?
Viel Spaß beim Lesen!
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"Ach, Dya?"
Die junge Köchin blickte fragend von dem Gemüse auf, das sie gerade schnitt.
"Dein Fleischauflauf ist sehr lecker!"
"Danke!", strahlte sie. "Aber jetzt geh und lass den Prinzen nicht länger
warten!"
"Ist gut!"
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Rayos Reise Part 7
Von der Küche aus kannte Rayo zum Glück den Weg zu Darons Zimmer. Wenigstens
das! Endlich einmal eine Sache, die sich ihm nicht als Problem in den Weg
stellte! Eine von wenigen.
An der Tür zögerte er kurz und verlagerte das Gewicht des Tablettes, um die
Klinke drücken zu können.
Den Vorraum fand er leer vor. Ohne weitere Umstände durchquerte Rayo ihn und
öffnete die letzte Tür, die ihn von Daron trennte.
Im Zimmer war es warm, die Sonne schien durch das Fenster herein und erhellte
es. Rayos Blick wanderte sofort zum Bett, nur, um dort einen schwarzen
Haarschopf zu entdecken.
Er seufzte innerlich vor Erleichterung auf. Der Prinz war also nicht
weggelaufen, um irgendwelche Dummheiten zu machen und am Ende doch noch krank zu
werden.
Er brachte die Entfernung zwischen Tür und Bett mit wenigen schnellen Schritten
hinter sich und kniete sich dann auf den Boden nieder, wo er das Tablett neben
der Kerze abstellte, die noch immer dort stand, wo er sie letzte Nacht
hingestellt hatte.
"Hey, Schlafmütze!" Es widerstrebte ihm, Daron zu wecken, aber irgendwann
musste der ja mal etwas essen. Er spürte seinen eigenen Hunger stark genug und
beschloss kurzerhand, dass er keine große Lust hatte, hier noch eine Stunde zu
warten.
Etwas regte sich unter der Decke und ein verschlafen blinzelnder Prinz lugte
schließlich aus müden Augen zu ihm herüber.
"Morgen, Rayo..." Daron gähnte herzhaft und kratzte sich am Kopf. Sich räkelnd
setzte er sich auf, streckte sich ausgiebig und rieb sich die noch brennenden
Augen. "Ich bin vielleicht fertig!"
"Na, dann solltest du dich mal etwas stärken!", grinste Rayo und hob das
Tablett auf das Bett.
"Hey!", kam sofort ein freudiger Ausruf. "Ich kriege also tatsächlich
Frühstück von dir ans Bett gebracht!"
"Ja, wenn man es so sagen kann...", murmelte Rayo verlegen. "Ist ja für uns
beide!"
Schon hatte der Prinz sich einen der Zwieback genommen und biss hinein. Er
schaute jedoch sofort ziemlich perplex drein.
"Was ist denn das?", fragte er ärgerlich und sah skeptisch von dem Essen zu
seinem Zimmergenossen. "Gab es kein vernünftiges Brot?"
"Doch, sicher!" Rayo hatte sich schon auf Darons Kritik vorbereitet, deshalb
überraschte sie ihn auch nicht sonderlich. "Aber heute gibt es Schonkost! Du
musst mit deinem Magen aufpassen!"
"Von wegen!" Daron legte den Zwieback zurück. "Ich bin doch kein Weichei! Ich
weiß schon, was ich essen kann und was nicht!"
"Dann eben nicht!" Rayo nahm das Tablett, wandte sich um und legte es auf seine
Knie, während er sich an das Bett lehnte. "Ich habe eh einen Riesenhunger! Die
schaffe ich sicher auch allein!"
"Also, halt mal!" Daron befreite sich von den Decken und hopste zu Boden. "Du
kannst doch nicht einfach..."
"Ich kann!" Genüsslich biss Rayo von einem der Zwieback ab. Knuspern erfüllte
den Raum. "Deinen Tee willst du doch aber selber trinken, oder?"
Grummelnd griff der Prinz nach der Tasse und trank einen Schluck. Das schien ihm
allerdings gegen den Hunger nicht zu helfen.
"Ist noch was?", fragte Rayo in einer süffisant liebreizenden Tonlage, von der
er wusste, sie würde Daron auf die Palme bringen. "Schmeckt dir der Tee etwa
nicht? Ich nehme ihn gern!"
"Vergiss es!", blaffte der andere ihn wie erwartet an. Eine Weile schwieg er und
starrte nur nachdenklich auf das Tablett. Da wusste Rayo, dass er gewonnen
hatte.
"Hach, dann gib halt eins von diesen blöden Dingern her!"
Triumphierend lächelte der Kleinere und reichte ihm seinen Zwieback, den er
vorhin zurückgelegt hatte.
"Du bist unmöglich, Rayo!", beschwerte Daron sich säuerlich. "Wenn du es nicht
wärst, würde ich das hier nicht essen!"
>Ach, würde er nicht?<
Verwirrt blickte Rayo den Jungen neben sich an. Die trotzige Haltung, die
verknitterte Kleidung, das zerwühlte Haar. Mehr als jemals zuvor kam er ihm wie
ein kleines Kind vor, das erwachsen wirken wollte.
"Warum machst du dir eigentlich so viel aus der Meinung der anderen?", fragte
er, auch für sich selbst unerwartet. Diese Frage hatte sich einfach in seinem
Kopf gebildet und er bereute es nicht, sie gestellt zu haben.
"Wie meinst du das?" Darons missmutiger Blick traf auf Rayos entschlossenen.
"Ich habe gehört, die Sache mit dem Alkohol ist dir schon öfters passiert und
ich habe auch den Grund für dieses dumme Verhalten erfahren. Warum ist es dir
so wichtig, dass die anderen Leute dich als erwachsen ansehen?"
"Würde es dir etwa gefallen, mit siebzehn Jahren wie ein kleiner Junge
behandelt zu werden?", brauste der Prinz auf. "Ich kann doch nicht wie du
Orangensaft trinken! Damit würde ich mich absolut blamieren!"
"Das ist doch lächerlich!", hielt Rayo wütend dagegen. "Ich habe mich nicht
blamiert und weißt du auch warum? Weil es nämlich kein Schwein interessiert,
was ich trinke! Kein Schwein interessiert sich dafür, was du trinkst, oder was
deine Mutter trinkt, oder was der Pfiffi von Tante Emma in seinen Napf gekippt
kriegt! Du hast doch auch nicht gemerkt, dass ich bloß Orangensaft getrunken
habe, obwohl du mich die ganze Zeit beobachtet hast! Es ist egal, verstehst du
mich? Vollkommen egal! Du versaust dir deine Gesundheit und irgendwann krepierst
du dran! Meinst du, das hilft irgendwem? Und alles nur dafür, um deine Würde
zu bewahren! Weißt du was, das nenne ich lächerlich! Das ist lächerlich!"
Während seiner Schimpftirade war er immer lauter geworden und immer mehr Wut
hatte sich auf Daron entladen, resultierend aus der Besorgnis, die sich in Rayo
aufgestaut hatte, je mehr er über die selbstmörderische Eigenart des Prinzen
erfahren hatte. Daron war sprachlos, starrte ihn nur verärgert, aber auch
erschrocken an.
"Ich bin der Prinz!", wagte er schließlich zu erwidern. "Ich darf mir
öffentlich keine Schwächen leisten!"
"Das tust du eh schon!", meinte Rayo spöttisch, wie um die Stimmung zu lockern.
Seine vorherige Rage ließ die Worte jedoch eher bitter klingen. "Denkst du, es
macht mich schwächer, dass ich keinen Alkohol trinke?"
"Also..." Daron wirkte nachdenklich. "...eigentlich nicht direkt... aber witzig
ist der Gedanke schon, dass du zwischen den ganzen Leuten mit einem Glas
Orangensaft gestanden hast!"
Auf einmal prustete der Prinz los. "Mir wäre das ja viel zu peinlich!"
"Ich schlage dir was vor...", lenkte Rayo hastig ab. "Dein Arzt sagte doch, du
sollst nicht mehr als drei Gläser Wein an einem Tag trinken! Wenn also ein Ball
ist, trinkst du einfach langsamer und nur wenig, das muss ja keinem auffallen!
Ich möchte nur nicht, dass du sowas wie gestern noch mal machst, okay?"
"Du machst dir also tatsächlich Sorgen um mich!", meinte Daron wie schon einmal
mit einem quirligen Lachen und schnappte sich noch einen der belegten Zwieback.
Rayo hätte am liebsten widersprochen, doch es stimmte ja. Ärgerlich
registrierte er, wie die Hitze des Errötens in seine Wangen stieg.
"Och, werde doch nicht gleich rot...", kicherte Daron mit vollem Mund.
"Versprich es mir!", blieb Rayo hartnäckig beim Thema. "Versprich mir, dass du
das nicht mehr machst!"
"Jaah, in Ordnung!" Theatralisch fasste Daron sich an den Kopf. "Ich verspreche
dir, dass ich nicht mehr zu viel trinken werde! Hauptsache, ich muss nicht mit
einem Glas Orangensaft dastehen!"
"Schön!" Freudig lachte Rayo auf, schlang dem Prinzen die Arme um den Hals und
riss ihn in eine spontane Umarmung.
"Nicht doch, nicht doch!", grinste Daron, erwiderte jedoch bereitwillig die
Geste des Kleineren. "Wenn du mich auf diese Weise um etwas bittest, kann ich
dir sowieso nicht widerstehen!"
Langsam löste Rayo sich von dem Prinzen, spürte noch immer die Röte im
Gesicht, die sich hartnäckig in seinen Wangen festgesetzt hatte.
"Und jetzt gibt's wieder Bettruhe!", verordnete er leise, aber bestimmt. "Keine
Widerrede!"
"Och, menno!" Daron erhob sich nörgelnd und kroch zurück in die Federn. "Immer
ich!"
"Hättest du den Unsinn gestern nicht gemacht, könntest du tun, was du
wolltest! Das hast du dir selbst zuzuschreiben!"
"Ja, ja..." Daron deckte sich zu und beobachtete Rayo, der sich wieder an das
Bett lehnte, das leere Tablett jedoch diesmal zur Seite stellte. Neugierig hob
er eine Hand und strich durch die weichen Nackenhaare des Anderen.
Rayo erschrak etwas bei der ungewohnten Berührung, entspannte sich jedoch, als
er sie als angenehm einstufte.
"Rayo, sag mal..." hörte er Daron vor sich hin murmeln. "Was hast du eigentlich
gerade mit dem Pfiffi der Tante Emma gemeint?"
"Äh..." Rayo erinnerte sich sehr wohl an sein haltloses Geplapper. "Nun, das
ist nur so eine Redensart... Mit dem Pfiffi ist ein kleiner Hund gemeint und mit
der Emma eine beliebige alte Dame... Nichts besonderes!"
"Dann verstehe ich den Zusammenhang zum Alkohol nicht!" Daron spielte weiter
gelangweilt mit den schwarzen Haarsträhnen herum. "Ist aber auch egal! Liest du
mir was vor?"
"Hä?"
"Ob du mir was aus einem der Bücher vorliest?"
"Oh... Warum denn das?"
"Tust du es, oder nicht?" Daron griff nach Rayos Schultern und drehte ihn leicht
zu sich um, damit er Augenkontakt aufnehmen konnte.
"Wieso eigentlich nicht...", stimmte Rayo leicht überrumpelt zu. Daron kam auch
immer wieder auf Ideen, die er nicht erwartete! Wenigstens war es diesmal keine
so schlimme! Er hoffte nur, er würde nicht stottern. Mit einem Satz war er auf
den Beinen und lief zum Regal.
"Was soll's denn sein?", fragte er über die Schulter.
"Egal!", rief Daron ihm zu. "Von mir aus auch das Zeug, das du gestern gelesen
hast! War ja anscheinend spannender als ich..."
Also griff Rayo nach dem Buch >Für die Gerechtigkeit<, wobei er den kleinen
Vorwurf geflissentlich überhörte und ließ sich damit im Sessel nieder.
"Es beginnt mit einem Prolog!", erklärte er und schlug die erste Seite auf.
"Nur eins noch: Warum liest du es nicht selbst? Kannst du nicht lesen?"
"Natürlich kann ich lesen, Trottel!", ärgerte sich Daron, dann schlich sich
jedoch ein sanftes Lächeln auf sein Gesicht. "Aber ich liebe es viel zu sehr,
deine Stimme zu hören!"
Dazu sagte Rayo nichts mehr, doch er wusste ganz genau, dass der Prinz die
Vertiefung des Rottons auf seinen Wangen nicht übersah. Das Leben war so
ungerecht!
"Na, jedenfalls... lese ich jetzt vor..." Er räusperte sich übertrieben.
>>Einst, auf dem Berg Riotrondichon, auf dem höchsten Gipfel, in den tiefsten
Wäldern, gebar eine Frau einen Jungen, der dazu bestimmt sein sollte, einmal
die Welt zur Gerechtigkeit zurückzuführen. Sie benannte ihn nach dem Berg,
Riotrondichon, damit er irgendwann, in ferner Zukunft, in sein Heim
zurückfinden würde, denn wie prophezeit raubte ein riesiger Raubvogel ihren
Sohn aus seiner Wiege und trug ihn mit sich fort...<<
Völlig vertieft in das Buch, aus dem er vortrug, bemerkte Rayo gar nicht, wie
viel Zeit verging. Ebenso schien es dem Prinzen zu gehen, denn auch er schrak
zusammen, als es unerwartet an der Tür klopfte.
"Prinz Daron? Rayo?"
"Das ist doch deine Schwester, oder?" Der Prinz sprang augenblicklich auf und
richtete sein Haar und seine Kleidung. Rayo beobachtete ihn mit traurigen Augen.
"Kommt nur herein, Miss Raya!", rief Daron schließlich überschwenglich mit
einem letzten Blick in seine Spieglung an der Fensterscheibe.
Die Tür wurde geöffnet und Lileya trat ein. Sofort registrierte sie das
Tablett auf dem Boden und ihren ,Bruder', der mit einem Buch in dem Sessel saß
und den Prinzen jetzt finster betrachtete.
"Ich wollte nicht ungelegen kommen, aber ich möchte mich persönlich bei Euch
verabschieden, Prinz!", lächelte sie mit einem beschämten Augenaufschlag.
"Ihr kommt niemals ungelegen!", schwärmte Daron und verbeugte sich tief. "Aber
Ihr wollt tatsächlich schon abreisen?"
"Ja, ich und mein Bruder werden Zuhause erwartet!", bestätigte sie. "Rayo,
Herzchen? Du hast doch hoffentlich alles eingepackt, oder?"
Erschrocken wanderten die Augen des Angesprochenen zu Lileya. Aber nicht nur
Rayo wirkte erschrocken, dem Prinz entgleisten einen Moment lang ebenfalls seine
Gesichtszüge.
>Das ist die Gelegenheit, hier rauszukommen!<, hörte Rayo die Stimme der
Magierin in seinem Kopf. >Du willst doch nach Hause, oder?<
>Natürlich!<, gab er unwirsch zurück. >Es ist nur... Nun...<
Er zögerte. >Mist! Was überlege ich überhaupt...? Also... okay...<
"Ich bin fertig, Raya..." Er stand von dem Sessel auf und prüfte, ob er alles
bei sich hatte und nicht doch noch irgendeinen ganz bestimmten Anhänger
liegengelassen hatte.
>Warum fällt es mir so verdammt schwer zu gehen?< Rayo fuhr sich nervös und
zittrig durch die Haare. >Bestimmt kann Leya mich jetzt in meine Welt
zurückbringen... aber... warum fällt es mir so schwer zu gehen?<
"Wieso hast du mir nicht gesagt, dass du heute verschwinden willst?", fragte
plötzlich Daron wütend. "Du... du kannst doch nicht einfach so abhauen!"
"Äh... Prinz, ich dachte, Ihr wüsstet, dass wir nach dem Ball abreisen.",
mischte Raya sich mit verwirrter Stimme ein. "Gibt es da irgendein Problem?"
Der Prinz schien unschlüssig, was er sagen sollte. Doch dann blitzte es in
seinen Augen auf, als wäre ihm gerade etwas wichtiges eingefallen.
>Achtung...<, warnte Lileya ihren vermeintlichen Bruder.
Rayo wusste nicht, ob er nun hoffen oder bangen sollte.
"Ein kleines Problem gibt es schon..." Daron verschränkte die Arme vor der
Brust. "Er schuldet mir noch seinen Wetteinsatz..." Der Blick der grauen Augen
traf triumphierend auf sein Opfer. "Du hast verloren und nun... musst du
hierbleiben!"
>Oh, nein!< Leya schien verzweifelt und Rayo beschloss, stumm zu bleiben.
"Warum denn das, Prinz?", fragte Raya. "Eine Wette? Heißt das, Ihr werdet mir
nicht erlauben, meinen Bruder zu seinen Eltern zurückzubringen?"
Der Schlag hatte gesessen, Daron an Rayos Wunsch zu erinnern, nach Hause zu
gehen, erschütterte seine Entschlossenheit. Doch Rayo fragte sich, warum Lileya
sich solche Mühe gab, ihn von dem Prinzen zu trennen... äh... ihn hier
rauszuholen, wo sie doch dauernd irgendwelche Anspielungen machte, er und Daron
wären ein Paar. Tat sie es aus bloßer Freundschaft, weil er wirklich nach
Hause wollte, oder verbarg sich hinter ihren scheinbaren Motiven, ihm zu helfen,
noch etwas anderes? Es klang ihm alles einfach zu simpel. Abenteuerlust! Bloße
Langeweile! Das konnte es nicht sein! Nur deshalb würde sie ihn doch nicht die
ganze Zeit begleiten... oder?
"Also...", stotterte Daron nervös. "Das ist alles schwer zu erklären... Rayo,
sag du doch mal was!!"
"Es stimmt schon, ich habe eine Wette verloren, Raya..."
>Und das weißt du ganz genau!<, fügte er nur für sie hörbar hinzu.
"...aber ich würde sehr gerne zurück zu meinen Eltern, ich vermisse sie
sehr!"
"Dann geh!"
Daron hatte sich abgewandt. Seine versteifte Haltung sagte nur zu sehr, wie
schwierig es für ihn gewesen war, diese zwei Worte zu sagen. Aber Lileya war
sich sicher, Rayo sah es nicht. Er wollte es nicht sehen. Er sah geradezu daran
vorbei, egal wie offensichtlich es jetzt war.
"Komm, Bruder!" Das Mädchen nahm Rayo, der mit gesenktem Blick vor dem Sessel
stand, das Buch aus der Hand, das sie kurzerhand in die Polster der
Sitzgelegenheit warf und lotste ihn am Handgelenk zur Tür. Sie verließen die
Räume des Prinzen.
"Du bist in Gefahr!"
Diese Eröffnung riss Rayo aus seiner Starre. "Wie bitte?"
"Ich sagte, du bist in Gefahr!" Lileyas Augen funkelten ernst. "Es ist besser,
wenn wir von hier wegkommen!"
"Aber..." Perplex stolperte der Dunkelhaarige seiner angeblichen Schwester
hinterher, die zügigen Schrittes den Gang hinab zu laufen begann. "...wieso in
Gefahr?"
"Das ist schwer zu erklären!" Lileya schien unsicher, stockte jedoch nicht in
ihrem Tempo. "Eine sehr lange Geschichte!"
"Ich habe Zeit!" Rayo war kurz davor, einfach trotzig stehenzubleiben.
"Hast du eben nicht!", erwiderte die Magierin in einem von ihr ganz ungewohnt
gewichtigen Ton. "Es geht um dein Leben!"
"A... also..." Verwirrt und ängstlich starrte Rayo sein weibliches Abbild an.
"...warum...?"
"Jemand ist hinter dir her!", erklärte Lileya sachlich. "Es hat mit deiner
Familie zu tun und dem Anhänger..." Ihr Blick nahm etwas Gehetztes an. "Wir
sollten jetzt wirklich gehen! Du musst mir schon vertrauen! Bitte..."
"Na, gut..." Die Panik, die er in ihren Augen lesen konnte, griff auch auf ihn
über, das spürte er. Er konnte sich des Gefühls, das etwas wirklich nicht in
Ordnung war, nicht mehr erwehren. "Ich vertraue dir..."
Erleichterung breitete sich in ihrer Miene aus, als sie die Worte vernahm, und
ließ sie leicht lächeln. "Schön... dann komm!"
Gemeinsam eilten sie dem Ausgang entgegen.
Draussen schien die Sonne, ein strahlend blauer Mittagshimmel empfing sie mit
einer warmen, sommerlichen Brise. Doch der schöne Anblick vermochte die
Anspannung in Rayo nicht zu mindern. Beunruhigt ließ er seinen Blick über die
Ebene schweifen. Er erkannte nichts Ungewöhnliches, nichts Fremdes. Büsche,
Sträucher, Wiesen, Bäume. Alles erschien normal.
"Los!", trieb das Mädchen an seiner Seite ihn an. "Wenn das Schloss außer
Sicht ist, verwandele ich mich in den Haflinger, dann sind wir schneller!"
Rayo ging nicht auf ihre Worte ein, dennoch beschleunigte er sein Tempo. "Aber
wer ist denn nun hinter mir her, Leya? Und was soll das mit meiner Familie zu
tun haben?"
"Ich weiß nicht, wer es ist, aber er ist unglaublich mächtig!", keuchte die
Magierin, erschöpft vom schnellen Laufen. "Er will den Anhänger deiner Mutter
haben! Dich sieht er als Risiko an, weil du die neue Generation deiner Familie
vertrittst! Deshalb sollst du sterben!"
"Was ist denn an dem Anhänger so besonderes?" Verzweiflung mischte sich in
seine Stimme, die Furcht vor der Bedrohung dieses Unbekannten wuchs mit jedem
Meter an, den er lief.
Sie hatten die Hügelkuppe erreicht und blieben völlig außer Atem stehen. Sie
warfen einen Blick zurück auf das Schloss, dessen Türme im hellen Sonnenlicht
erstrahlten. Kein Schatten schien die erhabene Atmosphäre zu stören, die das
Heim der Königsfamilie umgab.
"Dein Anhänger...", murmelte Lileya schließlich sinnierend. "...er trägt eine
Art Magie in sich..."
Reflexartig zog Rayo den schimmernden Gegenstand hervor. Er leuchtete in
verschiedenen Farben auf, als er ihn vor seiner Zwillingsschwester hin und her
pendeln ließ.
"Und was kann er?", fragte Rayo zitternd und versuchte, sich innerlich auf neue
Überraschungen und Unmöglichkeiten einzustellen.
"Das kann ich dir nicht sagen, es hängt von dir ab!" Lileya schien keine
Anstalten zu machen, den Anhänger an sich zu nehmen. "Du bist der einzige hier,
der die Kraft in dem Stein nutzen kann! Ich kann es nicht, Daron könnte es auch
nicht... selbst der König könnte es nicht! Es ist in deiner Familie
verwurzelt! Wie stark der Stein ist und was er hervorbringt, liegt an dir!"
Rayo war sprachlos. Lileya, die Magierin, konnte die Kraft seines Anhängers
nicht hervorrufen, aber er, der schwache, nutzlose Junge sollte dies tun
können? Nein, einfach unmöglich! Das war alles falsch! Bestimmt irrte sie
sich...
"Äh... wir sollten jetzt aber los!" Mit einem schiefen Grinsen verschwand das
Mädchen in einer kleinen Rauchwolke und nur ein Bündel Kleidung blieb zurück,
das zu Boden fiel. Rayo sah, noch immer starr vor Schreck, auf das Kleid herab.
"Leya...?", fragte er leise. Sie war verschwunden... Der Schwarzhaarige beugte
sich erschrocken herunter. "Hey, Leya?!"
Plötzlich regte sich etwas in dem Haufen Kleidung und ein kleiner Mausekopf
schob den lästigen weißen Stoff beiseite. Rayo sah sich Augen in Auge mit
seinem ärgsten Feind.
Aufschreiend stolperte er zurück und landete im Dreck.
"Aaah! Verdammt, Lileya!", brüllte er das Tier an, das sich aus dem Berg
weißen Gewebes befreite. "Warum hast du das gemacht?!"
Er war sich sicher, dass sein Schockzustand nicht noch wachsen konnte, denn die
Angst um sein Leben, gepaart mit seiner Phobie vor Mäusen und Ratten war
einfach mehr, als sein labiler Geist je hatte ertragen müssen.
>Du bist vielleicht empfindlich!<, seufzte Leya in seinen Gedanken. >Ich wollte
doch bloß nicht das schöne Kleid ruinieren, indem ich mich direkt in ein Pferd
verwandle! Ich glaube, das solltest selbst du kapieren!<
"Aber es hätte doch keine Maus sein müssen!", ächzte Rayo und kroch noch ein
Stück weiter zurück. "Jetzt mach endlich, ich hab' wirklich Angst!!"
>Weichei!<
Wieder verdichtete sich der weiße Nebel um das kleine Tier und die Gestalt vor
ihm wuchs an, bis die bekannte Haflingerstute vor ihm stand.
>So besser?<
Rayo nickte stockend und rappelte sich auf. Mit unsteten Bewegungen wischte er
sich den Staub von der Hose.
"Das war wirklich gemein von dir!", schimpfte er vor sich hin. "Du weißt doch
inzwischen, dass ich Mäuse oder Ratten hasse!"
>Ja... ja... ja... Jetzt steig auf!<
Rayo tat, wie ihm geheißen und schwang sich auf den Rücken des Pferdes.
>Wehe, du trittst mir in die Seiten!<, warnte die Magierin und die Stute
schnaubte beinahe spöttisch. >Meine Hufe sind härter, als deine Füße! Du
möchtest dir bestimmt keinen Tritt einhandeln! Ich mache das schon!<
Rayo unterdrückte also die Gewohnheit, das Pferd, auf dem er saß, anzutreiben.
Mit einem Wiehern trabte seine Gefährtin los, ging dann in einen leichten
Galopp über. Rayo konnte sich nur an der Mähne festhalten und abwarten, wohin
sie ihn bringen würde.
Es war ein Ruf, der ihre Reise keine halbe Stunde später wieder unterbrechen
sollte. Überrascht wandte Rayo sich auf dem Rücken des Pferdes halb um und
blickte angestrengt in die Richtung, aus der sein Name erneut ausgerufen wurde.
>Ich ahne etwas...<
Lileyas Kommentar brachte ihn erst etwas durcheinander, doch eine Frage brauchte
er ihr gar nicht erst zu stellen, denn der Auslöser des Ganzen hatte sie schon
eingeholt.
"Daron!", rief Rayo mit mildem Entsetzen aus. "Was machst du hier?"
Der schwarze Hengst Palo blieb schnaubend neben dem Haflinger stehen und der
Prinz, der auf dem Rücken des wesentlich größeren Tieres saß, schaute nun
etwas verlegen drein. Rayo fiel auf, dass er sein Schwert bei sich trug. Das tat
er wohl immer, wenn er sich außerhalb des Schlosses aufhielt.
"Also, ich dachte nur...", stotterte Daron mit etwas Unsicherheit, die er dann
jedoch hinter einem breiten Grinsen verbarg, als er die Hand ausstreckte und
Rayo durch die Haare wuschelte. "...du und deine liebreizende Schwester könnten
sicher etwas Begleitschutz gebrauchen!"
"Von wegen!", murrte Rayo und strich sich trotzig die wirren Haare wieder glatt,
was leider nicht so recht gelingen wollte, da sie schon länger keine Bürste
mehr gesehen hatten.
>Och, nö... meine Haare sehen bald noch so aus wie Darons...<
>Hehe... so spielt das Leben!<
>Klappe!<
"Natürlich braucht ihr Begleitschutz!", regte Daron sich auf. "Ihr habt
schließlich keinen der Diener mitgenommen und du wirst deine Schwester ja wohl
nicht beschützen können... öh... wo ist sie überhaupt?"
"Sie reist mit einer Freundin per Kutsche!", plapperte Rayo spontan drauf los.
"Das ist viel bequemer für sie!"
Er hatte das Lügen, ohne mit der Wimper zu zucken, wahrlich perfektioniert. Das
sollte ihm mal so schnell jemand nachmachen!
"Ach, so!" Der Prinz verschränkte die Arme hinter dem Kopf. "Gut, dann lass uns
mal weiterreiten!"
"Wie?", keuchte Rayo bestürzt. "Du kommst also mit? Aber musst du nicht nach
Hause zurück?"
Er war zwar erleichtert, dass Daron die Abwesenheit seiner Schwester nicht so
sehr enttäuschte, aber warum sollte er denn nun bei ihm bleiben wollen?
"Ich hab' meinen Eltern gesagt, dass ich so zwei, drei Wochen weg sein werde!",
lachte der Prinz. "Es gibt also keine Probleme, wie du siehst!"
>Nein, nein, nein!!! Habe ich schon mal erwähnt, dass ich ihn hasse?<
>Keine Sorge, das hast du! Und jetzt halt dich fest! Wir haben es eilig!<
Ruckartig preschte die Stute los und Rayo klammerte sich mühselig an der Mähne
fest, um nicht hinten herunterzufallen. Daron setzte Palo ebenfalls in Gang und
ließ ihn auf gleicher Höhe mit dem Haflinger laufen.
"Sag mal, hast du eigentlich kein Zaumzeug oder so?", fragte er verwundert. "Und
wie lenkst du das Pferd? Ist das nicht gefährlich?"
"Nein, Daron!", lächelte Rayo. "Ist schon gut!"
"Willst du nicht lieber mit mir auf Palo reiten?", schlug der Prinz nachdenklich
vor. "Nicht, dass deine Stute noch ausflippt..."
"Nein, nein..." Rayo wollte abwehrend die Hände heben, hätte dabei jedoch fast
wieder den Halt verloren. "Alles in Ordnung! Ich schaffe das!"
"Tust du nicht!" Skeptisch musterte Daron das Pferd. "Na, los! Komm rüber!"
"Nein!", fauchte Rayo. "Ich kann selber reiten! Und außerdem weißt du doch gar
nicht, wohin wir reiten!"
"Dann sagst du es mir halt!", regte der Prinz sich auf. "Wo wohnt ihr?"
"Wie oft soll ich noch sagen, dass dich das überhaupt nichts angeht?!", hielt
Rayo stur dagegen.
"Ich komme doch eh mit!"
"Vergiss es!"
"Rayo!! Ich hol' dich gleich von dem Pferd runter!"
"Toll! Versuch's doch!"
"Das mache ich auch!!"
"Nein!!"
Nach dem Schlagabtausch der feurigen Bemerkungen entflammte ein hitziges
Blickduell. Daron war der Erste, der handelte. Er erhöhte das Tempo seines
Hengstes, um näher an den Haflinger heranzukommen.
"Los, Leya! Lauf!", forderte Rayo panisch und krallte sich in der weißen Mähne
fest, als die Stute beschleunigte. Palo holte trotzdem auf.
>Schneller, Lileya!< Rayo warf einen entsetzten Blick zurück.
>Ich kann nicht!!<
>Wie ,du kannst nicht'?! Du bist eine Magierin, natürlich kannst du!!<
>Bin ich Superman, oder was?<
>Woher, zum Teufel, kennst du wieder Superman?<
Er kam nicht dazu, sich die Frage beantworten zu lassen. Der Prinz hatte ihn
locker eingeholt. Rayo spürte den warmen Griff um seine Taille, als er
unversehens vom Rücken des Pferdes gezogen wurde. Einen Moment lang schien
alles wie in der Schwebe, er befürchtete, auf den unter ihm wegrasenden Boden
zu fallen, doch dann war er auch schon in Sicherheit und spürte Darons
muskulösen Körper in seinem Rücken.
Allerdings war er nicht da in Sicherheit, wo er sein wollte. Wieder hatte er
gegen Daron verloren.
>Leya, hilf mir!!<, bettelte er. >Hol mich hier weg!<
>Du willst doch in Wirklichkeit gar nicht weg!<, hörte er die Magierin spotten.
>Nimm das zurück, das ist nicht wahr!<
Lileya schwieg sich aus, was Rayo noch mehr frustrierte. Wieder einmal saß er
vor Daron im Sattel und allmählich fragte er sich, ob er das auch mit anderen
Leuten machte, mit denen er reiste. Er hoffte jedenfalls, dass dem nicht so
war...
"Wo müssen wir jetzt lang?", fragte Daron in einer ihm typischen überlegenen
Stimmlage.
Rayo seufzte nur unterdrückt.
"Hättest du mich nicht vom Pferd geholt, wäre das gar kein Problem!", murmelte
er säuerlich. "Lileya weiß schon, wo's lang geht! Folge einfach der Stute!"
Wie auf Kommando wandte der Pferdekopf sich ihm zu und Leya wieherte zustimmend,
bevor sie ihren vorher eingeschlagenen Weg wieder aufnahm.
"Wow!" Der Prinz kuschelte sich näher an Rayo heran und trieb Palo an, der
Stute zu folgen. "Man könnte fast meinen, das Pferd versteht, was du sagst!"
"Ja, nicht wahr!", grinste Rayo leicht gequält und fügte sich in sein
Schicksal. Es schien wohl vorherbestimmt zu sein, dass er Daron immerwährend
nahe war. Da konnte er sich wehren, wie er wollte, es kam immer zu dem gleichen
Ergebnis.
Es war ja auch nicht so, dass es ihn sonderlich störte, bei dem störrischen
Jungen zu sein, doch irgendwie hatte er auch das Gefühl, es wäre falsch.
Er mochte ihn. Ja, er mochte ihn wirklich sehr. Viel zu sehr. Und eben das
konnte keine Zukunft haben. Er gehörte nicht hierher, er wusste Dinge, die hier
niemand sonst wusste. Daron würde das niemals verstehen können.
Denn irgendwann würde der Tag gekommen sein, an dem er diese Welt und Daron
für immer würde verlassen müssen. Es ging gar nicht anders. Es gab keine
andere Lösung.
Deshalb musste er einfach nur verhindern, dass der Prinz ihm zu nahe kam. Wenn
er dann gehen musste, würde ihn das innerlich nicht zerreissen.
Aber gleichzeitig ahnte er schon, dass es längst zu spät war. Inzwischen
brauchte er Darons Nähe viel zu sehr.
Rayo schmiegte sich resigniert in Darons Arme und ließ die Gegend an sich
vorüberziehen. Es gab einfach kein Zurück mehr.
"Hey, Rayo?", hörte er den Prinzen ausrufen. "Jetzt sag mir wenigstens, wo wir
hinreiten!"
"Äh..."
>Gute Frage!<
>Wir reiten am Fluss Filgris entlang nach Stukk!<, informierte ihn Leya. >Das
ist ein Dorf im Westen!<
"Mensch, Rayo! Du kannst mir schon sagen, wohin wir jetzt reiten!", regte Daron
sich zu Recht auf. "Zufällig lasse ich mich nicht irgendwo abhängen!"
"Schade!", erwiderte der Kleinere grinsend.
"Rayo!!"
"Ist ja gut... Wir reiten nach Stukk!", gab Rayo schließlich leicht nervös das
wider, was die Magierin ihm vermittelt hatte. "Am Filgris entlang!"
"Oh!" Überrascht verstummte der Prinz. "Na, warum nicht gleich so? Und da wohnt
ihr? In dem Kuhdorf?"
"Nein!"
"Also in Kamos? Wenn wir in Stukk nur einen Zwischenstop einlegen, müsste es
Kamos sein! Die Stadt liegt genau in der Richtung!"
"Nein!"
"Waah! Du machst mich verrückt!" Daron raufte sich die Haare, wobei er die
Zügel losließ. Palo scherte verwirrt aus. Seine Ohren zuckten unruhig.
"Daron!", schrie Rayo erschrocken und nahm die Zügel rasch in die Hände.
Schnell brachte er Palo dazu, wieder Leya zu folgen, was dem Hengst ganz und gar
nicht missfiel.
>Ich werde nie wieder eine Stute!<, jammerte die Magierin. >Dieses perverse
Pferd starrt wie blöde auf meinen Hintern und das schon die ganze Zeit!<
>Ätsch!<, lästerte Rayo grinsend und trieb Palo zu noch größerem Tempo an.
"Rayo, gib mir die Zügel wieder!", befahl Daron hinter ihm. "Du kannst das
Pferd nicht lenken!"
"Sag mal, traust du mir eigentlich gar nichts zu?", ärgerte der Kleinere sich.
"Ich bin kein Kind! Ich kann reiten, seit ich drei Jahre alt bin! Hast du dich
nicht selber darüber beschwert, dass du wie ein Erwachsener behandelt werden
möchtest?"
"Das ist etwas ganz anderes!" Daron griff über seine Schulter, bekam aber die
Lederbänder nicht zu fassen. "Keiner außer mir darf Palo reiten, hörst du!
Keiner!"
"Auch ich nicht?"
"Auch du nicht!" Endlich erwischte der Prinz die Zügel und entriss sie ihm. "Du
hast Palo schon einmal ohne meine Erlaubnis aus dem Stall genommen und wärst
nicht du es gewesen, hätte ich denjenigen mit dem Schwert dafür bezahlen
lassen! Und das ist mein voller Ernst!"
Erschüttert hatte Rayo sich halb im Sattel ungewandt und starrte Daron
fassungslos an.
"Und wieso hast du mich nicht mit dem Schwert dafür bezahlen lassen?" Er kam
immer noch nicht mit dem Gedanken klar, dass dies eine andere Welt war, in der
Kämpfe und Todesstrafen an der Tagesordnung lagen. Er hatte ja schon einmal
mitbekommen, wie Daron einen Menschen getötet hatte, wenn er auch nicht direkt
dabei anwesend gewesen war. Bisher hatte er sich vor dieser Realität verstecken
können, oder hatte ihn jemand beschützt?
"Wieso, Daron?"
Der Prinz brachte den schwarzen Hengst zum Stehen und wandte ihm seine volle
Aufmerksamkeit zu.
"Weil..." Er schloss nachdenklich die Augen. "Weil ich es nie könnte!"
"Hä?" Beklommen sah Rayo zu dem Prinzen auf. "Das musst du mir genauer
erklären!"
"Ich kann doch nicht auf einen wehrlosen Jungen mit dem Schwert einschlagen!",
knurrte Daron hitzig. "Wie kommst du nur auf so einen Gedanken?!"
"Wehrloser Junge?!" Zornig richtete Rayo sich auf und boxte seinem gegenüber
gegen die Brust. "Ich zeig dir den wehrlosen Jungen!!"
"Erbärmlich!" Unbeeindruckt sah Daron auf ihn nieder. "Damit könntest du nicht
einmal Kira weh tun!"
"Ich will ja auch niemandem weh tun!!", meckerte Rayo mit geballten Fäusten.
"Aber in deinem Fall könnte ich es mir noch mal überlegen!!"
"Ach?" Mit einem schiefen Grinsen verschränkte Daron die Arme und musterte ihn
spöttisch. "Das könnte schwierig werden!"
>Ihr seid so kindisch!<, seufzte Lileya ungeduldig. >Ich sage es noch einmal: Es
geht um dein Leben! Wir haben es eilig! In Stukk erwarten uns ein paar Leute,
die uns helfen können!<
>Okay... Du hast recht...<
"Ist ja auch egal, Daron!" Rayo wandte sich wieder nach vorne um. "Lass uns
weiterreiten!"
Wie auf Befehl lief die Stute vor ihnen weiter und verblüfft trieb auch Daron
Palo wieder an.
"Irgendwann sagst du mir mal, wie du das mit dem Pferd machst!"
Zwei Stunden darauf hatten sie den Fluss Filgris erreicht und beschlossen, eine
Pause einzulegen. Palo und den Haflinger ließen sie auf einer Wiese nahe des
Wassers grasen. Komischer Weise schien Lileya bei dem Anblick des saftigen
grünen Grases nicht hungrig zu sein und trank statt dessen nur von dem Wasser.
Hätte er etwas zu Essen gehabt, hätte Rayo ihr etwas abgegeben, aber er selbst
sollte wohl auch nichts in den Magen bekommen.
"Oh, Mann!", hörte er Daron ausrufen, als der sich über den Fluss beugte und
die Hand durch die klare Flüssigkeit gleiten ließ. "Lange her, dass ich so
viel Wasser auf einmal gesehen habe!"
Er wirkte ziemlich begeistert, was Rayo, der im hohen Gras saß und die warme
Sonne genoss, mit einem verträumten Lächeln wahrnahm. Als er merkte, dass er
den Prinzen anstarrte, wandte er jedoch schnell den Blick ab und konzentrierte
sich lieber auf die Pferde. Leya schnappte gerade nach Palo, der ihr anscheinend
ein schönes Bündel Gras anbot. Rayo grinste vergnügt. Der Hengst schien nicht
minder begeistert, als Daron.
Ein Aufschrei ließ seinen Kopf ruckartig herumfahren. Der Prinz war fort.
>Aber...<
>Im Wasser, Rayo!!<, rief die Magierin aus, während sie mit einem entsetzten
Wiehern näherkam. Palo folgte ihr mit einem besorgtem Schnauben, als ahnte auch
er, dass seinem Herren etwas zugestoßen war.
Der Schwarzhaarige sprang auf die Füße, rannte zum Fluss und sah seine
schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Daron schwamm ein Stück entfernt im
Wasser, ruderte hilflos mit den Armen. Immer wieder ging er unter und hatte
Mühe, nach Luft zu schnappen.
"Kann er nicht schwimmen?" Ohne weiter nachzudenken, rannte Rayo los und war mit
einem Hechtsprung im Wasser. Der Fluss war an dieser Stelle ziemlich tief, er
konnte den Grund gar nicht ausmachen. Konnte der Prinz tatsächlich nicht
schwimmen?
Ächzend kämpfte sich Rayo gegen die Strömung zu Daron vor und versuchte, ihn
zu erreichen. Seine ruckartigen Bewegungen der Arme wurden immer hektischer und
das Japsen abgehackter.
>Halt aus, Daron!<
Doch kurz, bevor er angekommen war, verschwand der Prinz unter der
Wasseroberfläche und das Platschen des Wassers hörte auf.
"Verdammt, Daron!" Von einer unheimlichen Angst gepackt, tauchte Rayo unter. Er
sah die Gestalt des Jungen im Dunkel des Wassers verschwinden. Mit fast
übermenschlicher Anstrengung schlug er das Wasser zur Seite, stieß in die
Tiefe des Flusses. Daron schien so weit entfernt zu sein. Und ihm selbst wurde
die Luft immer knapper. Das mulmige Gefühl in seinem Bauch nahm zu, doch er
drängte es zurück. Er musste Daron retten!
Endlich! Er griff nach dem Arm des Prinzen und versuchte, ihn nach oben zu
zerren. Sein lebloses Gesicht versetzte ihn schier in Panik. Verzweifelt
wirbelte er das Wasser mit seiner freien Hand und seinen Füßen auf, seine
Beine schmerzten schon, die schwere Kleidung drohte ihn und seine Last herab zu
ziehen.
>Nein, das darf ich nicht zulassen!!<
Seine Lungen brannten. Farbflecken flimmerten vor seinen Augen und er musste
sich zurückhalten, nicht einfach den Mund zu öffnen und nach Luft zu
schnappen, die nicht vorhanden war.
Mit letzter Kraft bahnte er sich seinen Weg durch die Fluten, die
Wasseroberfläche war schon nah, er sah die Sonne und den blauen Himmel durch
das Wasser schimmern. Nein, er würde jetzt nicht aufgeben...
Noch einmal nahm er all seine Reserven zusammen und strampelte mit den Beinen,
seine Lungen schienen zu bersten. Dann durchbrach er die Wasseroberfläche.
Gierig sog er die rettende Luft in sich auf, sein Blick richtete sich sofort auf
Daron, doch der regte sich nicht. Fast hätte er aufgeschrien. Er konnte nicht
tot sein, durfte nicht tot sein!!
>Rayo!!< Die Stute stand etwas abseits am Ufer und trabte nun in seine Richtung,
in die er durch die Strömung getrieben worden war. >Da bist du ja! Komm da
raus! Schnell!<
Seine Beine und Arme waren müde, doch die Angst um Daron verlieh ihm noch
einmal etwas Kraft. Er zwang seine Gliedmaßen, sich noch einmal zu bewegen, er
musste den sturen Prinzen ans Ufer bringen. Leya wusste sicher, was zu tun war!
Sie würde ihn retten!
Er schleppte sich keuchend aus dem Wasser, ihm schwindelte. Daron lag leblos
neben ihm im Gras. Schnell war seine eigene Schwäche wieder vergessen und Rayo
beugte sich über ihn, um seinen Atem zu testen.
Nichts...
"Leya, tu doch was!", flehte er die Magierin an. "Bitte!!"
>Ich kann nicht!<
"Bitte! Bitte, rette ihn!!"
>Meine Magie kann ihm nicht helfen!<
>Jetzt überleg, Rayo!<, zwang er sich selbst zur Ruhe. >Was hast du gelernt?
Wofür war der Erste-Hilfe-Kurs gut? Denk nach, was jetzt?<
"Mund-zu-Mund-Beatmung!", rief er aus und beugte sich über Daron. Er durfte
jetzt keine Zeit verschwenden. Lileya stand ratlos daneben, man sah ihr die
Unruhe an.
Rayo atmete tief ein und legte seine Lippen auf die des Prinzen, wobei er ihm
die Nase zudrückte. So versuchte er, ihm die Luft in die Lungen zu drücken.
Seine Hände rissen das Hemd über der Brust auf und begannen mit der
Herzmassage, so, wie er es gelernt hatte.
Massieren und beatmen.
>Rayo, was tust du?<, hörte er Leya erschrocken fragen.
>Ihn retten, was sonst?!<
Massieren und beatmen, nur nicht aufhören!
Entschlossen fuhr er fort, doch je länger er es versuchte, desto weiter sank
seine Hoffnung. Das durfte einfach nicht sein. Daron war doch so stark und
unbeugsam! Er durfte jetzt nicht so einfach...
Massieren und beatmen. Massieren und beatmen.
Ärgerlich wischte er sich mit dem Ärmel die Tränen von den Wangen, die
unaufhaltsam flossen.
"Daron, du Blödmann!!", beschimpfte er ihn und brach verzweifelt über dem
Jungen zusammen. Seine eigenen Kräfte waren zuneige gegangen, er konnte einfach
nicht mehr. Es war zu spät! Zu spät...
Wütend schlug er mit der Faust auf Darons Brust ein.
"Idiot!", schrie er unter Tränen. "Idiot! Idiot! Wenn man nicht schwimmen kann,
geht man nicht ans Wasser!! Du Idiot!"
Plötzlich zuckte der Körper unter ihm zusammen. Rayo wich zurück, wieder
keimte Hoffnung in ihm auf, doch er wagte es nicht, sie zu seinem Herzen
vorzulassen.
Daron fuhr hoch, hustend und spuckend. Er rang nach Luft, die Augen weit
aufgerissen und klammerte sich zitternd an Rayo. Immer mehr Wasser spie er auf
den ohnehin schon nassen Boden.
"R-Rayo...", bibberte er. "Was... wie...? Das Wasser..."
"Shh...", beruhigte Rayo den völlig aufgelösten Prinzen. Er selbst hatte ein
Gefühl der völligen Taubheit in seinem Kopf. "Shh, alles ist in Ordnung...
Komm, ich bring dich auf die trockene Wiese..."
In Wahrheit brachten sie sich wohl gegenseitig dorthin, denn nicht nur Daron
lief auf wackeligen Beinen. Und einzig und allein Lileyas Hilfe war es wohl zu
verdanken, dass sie überhaupt dort angekommen waren, denn sie stützte die
beiden, soweit ihr Pferdekörper das zuließ.
Aneinander geklammert ließen die beiden Jungen sich in das Gras fallen, gaben
sich gegenseitig Wärme. Erst jetzt war Rayo wieder in der Lage zu sprechen.
"Ich hatte Angst um dich...", flüsterte er mit heiserer Stimme. "Du Trottel!"
"Wie Trottel?" Daron hatte seinen Kopf auf Rayos Schulter gelegt und ihm schien
die Kraft, sowie die Ambition zu fehlen, sich zurückzulehnen, um dem Kleineren
in die Augen zu sehen. Seiner Stimme mangelte es zudem an der Entrüstung, die
er eigentlich hatte herüberbringen wollen. "Ich habe mein Gleichgewicht
verloren... wie bin ich eigentlich an Land gekommen...? Warte... du bist mir
doch nicht etwa hinterher gesprungen?!"
"Natürlich, Idiot!"
"Du bist hier der Idiot!" Jetzt klang der Prinz entrüstet. "Du hättest sterben
können!!"
Rayo schluchzte auf. "Ich kann schwimmen, du nicht!" Er wusste, seine Stimme
klang jetzt tränenerstickt, doch er konnte die salzige Flüssigkeit einfach
nicht zurückhalten. "Ich hatte solche Angst..."
Nun bewegte Daron sich doch, lehnte sich leicht zurück, um in sein feuchtes
Gesicht schauen zu können.
"Rayo..."
Der Kleinere schluchzte erneut auf und krallte sich in das nasse, zerrissene
Hemd des Prinzen, der gegenüber den Tränen seines Retters völlig hilflos war.
Mit jeder Situation vermochte er umzugehen, aber nicht mit einer Person, die
weinte. Das war das einzige, womit er absolut keine Erfahrung hatte. Wie sollte
er ihn trösten? Welche Worte waren die richtigen?
Und prompt wählte er natürlich die falschen.
"Hör... hör auf zu flennen, du Heulboje!"
Unsensibler hätte seine Reaktion auf die Tränen nicht sein können. Verletzte
goldene Augen, die diesmal jedoch trüb schimmerten, funkelten ihn an. Rayo
sprang auf und lief davon, stolperte ein paar Meter weiter ins Gras, wo er
schluchzend sein Gesicht in den Händen verbarg.
Daron hatte doch keinerlei Ahnung, was er hatte durchstehen müssen. Er konnte
natürlich nicht begreifen, wie tief die Furcht um sein Leben und der Schmerz
der Verzweiflung gegangen waren. Natürlich nicht...
Gefühle ließen sich verleugnen, doch nicht einfach beiseite schieben. Er hatte
Angst um Daron gehabt, sein Tod wäre für ihn nicht zu verwinden gewesen...
Zwei starke Arme, die sich von hinten um ihn legten, ließen ihn erschrocken
zusammenfahren. Daron stützte sein Kinn leicht auf seine Schulter. Rayo spürte
seinen Atem, der über die Haut an seinem Hals strich und ein angenehmer Schauer
lief durch seinen Körper.
"Tut mir leid...", hauchte der Prinz tonlos. "Wirklich!"
Ein paar Augenblicke vergingen in absoluter Stille, selbst der Sturm in Rayo
hatte sich bei Darons Worten gelegt und seine Tränen versiegten.
"Ich... ich..."
Bei der Unsicherheit in der Stimme des Prinzen, verspürte Rayo mit einem Mal
den Drang, sich umzudrehen, damit er ihn ansehen konnte. Doch irgend etwas
lähmte ihn, zwang ihn, zu verharren. "Ich möchte nicht, dass du weinst..."
"Daron..." Die Mattheit in seiner eigenen Stimme erschreckte Rayo selbst ein
wenig. "Du bedeutest mir wirklich sehr viel... Ich hätte es nicht ausgehalten,
wenn du... das nicht überlebt hättest..."
"Rayo... ich..."
Lileya wieherte plötzlich schrill auf. Ein Schatten zog über sie hinweg und
ein unheimlich starker Wind kam auf.
>Rayo!!< Lileyas Stimme war schrill vor Grauen. >Sie haben uns gefunden!<
Zugleich wirbelten Rayo und Daron herum. Der Schatten war von einem riesigen
Raubvogel gekommen, der nun lauernd seine Kreise über ihnen zog. Er war ganz
und gar schwarz, bis auf seine Augen, die leuchteten in einem loderndem Rot.
"Was ist das?", fragte Daron geschockt und zog reflexartig sein Schwert. "So
einen großen Vogel habe ich ja noch nie gesehen!"
Ohne Vorwarnung schoss das Tier auf Rayo hinab. Daron handelte sofort. Er sprang
vor, rempelte den anderen Jungen zur Seite und schwang gekonnt seine Klinge, die
todbringend durch die Luft sirrte. Der Raubvogel jedoch schien schneller zu
sein. Er fing sich in der Luft ab und wich aus. Nur ein paar gespaltene Federn
segelten zu Boden.
>Leya?!< Rayo sah sich verängstigt um. >Wo bist du?<
>Hier!!<
Ein zweiter Vogel, größer noch als der schwarze, flog über ihnen eine weite
Runde. Doch er war nicht schwarz, sondern braun, wie ein normaler Raubvogel es
war.
"Da ist ja noch einer!", schrie Daron. "Weißt du, was hier los ist?"
"Nein, nicht wirklich!" Rayo beobachtete die beiden Vögel, die sich in der Luft
umkreisten. Unerwartet für alle, drehte der schwarze Vogel jedoch ab und
verschwand am Horizont.
Verblüffte Blicke folgten ihm.
Es war dunkel. Geschützt vor den Blicken irgend eines Lebewesens hockte ein
kleines Kind auf dem bloßen Erdboden und starrte die ihm gegenüberliegende
Steinwand mit leerem Blick an. Silbergraues Haar umrahmte das junge Gesicht, in
dem zwei rubinrote Augen nun wissend zum einzigen Eingang der kleinen Höhle
schweiften. Und tatsächlich tat sich etwas. Ein großer schwarzer Vogel
schlüpfte durch ein Loch im Fels und hockte sich vor das Kind hin, das
daraufhin ohne Angst aufstand und eine der kleinen Hände auf den Kopf des
Tieres legte.
"Du hast deine Sache gut gemacht.", sagte es mit einer Stimme, der jegliches
Gefühl zu fehlen schien. "Also ist ein Magier bei ihm. Wer hat veranlasst, dass
das Erbe der Tamonos beschützt wird?"
"Verflixt, was war das?!", murmelte Daron. "Wo kamen diese Viecher her und warum
haben sie uns angegriffen?"
"Vielleicht sollten wir ihr Mittagessen werden?", spekulierte Rayo, obwohl er
wusste, dass etwas anderes passiert war. Und Leya schien schon wieder
verschwunden zu sein.
"Rayo!" Noch immer unter Schock stehend, schrie der Angesprochene auf, als eine
Hand sich auf seine Schulter legte.
"Wer bist du?!", fauchte Daron aufgebracht und hob erneut sein Schwert.
Ein Mädchen stand hinter Rayo, rotes wildes Haar, blitzende grüne Augen. Sie
trug dasselbe Kleid, wie Raya vorhin und augenblicklich wurde Rayo klar, wer sie
war.
"Lileya?", fragte er verwirrt.
"Wer ist sie?" Daron senkte zwar das Schwert wieder, doch seine Stimme triefte
vor Wut und Misstrauen. "Noch ein Mädchen, das an dir hängt, wie eine
Klette?!"
"Nein, Daron... also... das ist Lileya, sie ist eine gute Freundin und..."
"Von wegen ,gute Freundin'!" Abfällig musterte er das Mädchen. "Sie sieht doch
wahnsinnig bezaubernd aus, nicht wahr, Rayo?"
>Wieso ist der denn so sauer? Er kennt sie doch gar nicht...<
>Er ist eifersüchtig!< Jetzt hatte sich, neben dem des Prinzen, der zornige
Blick einer zweiten Person auf die Magierin geheftet, was sie nur mit einem
betretenen Grinsen abtun konnte.
"Was macht sie hier ganz allein?", fragte Daron skeptisch. Seine Rage hatte sich
ein wenig gelegt, als er Rayos erzürnte Miene, die sich wohl gegen dieses
Mädchen richtete, bemerkt hatte.
"Frag sie doch!" Mit einem Ruck wandte Rayo sich von Lileya ab.
>Pah! Eifersüchtig! Wegen mir! Ich bin ein Junge!<
"Also?" Daron wandte sich an das Mädchen. "Du tauchst hier auf, ganz zufällig
natürlich, nachdem uns zwei riesige Raubvögel angegriffen haben! Hast du die
Tiere auf uns gehetzt?"
"Nein..." Die Rothaarige seufzte. "Na, dann werden wir mal Nägel mit Köpfen
machen!"
"Nägel mit was...", fragte der Prinz dümmlich.
>Lileya! Du kannst ihm das nicht erzählen!<
>Keine Sorge... Ich erzähle ja nicht gleich alles!<
"Jemand will Rayo umbringen!", begann sie, mit den Schultern zuckend. "Und der
schwarze Raubvogel war ein Versuch, diesen Plan in die Tat umzusetzen! Ich bin
hier, um Rayo zu beschützen und nicht, um ihn anzugreifen! Und das kann er dir
auch bestätigen!"
"Wie redest du mit mir?!", fauchte Daron. "Weißt du überhaupt, vor wem du
stehst, Mädchen?"
"Vor einem triefend nassen Prinzen, der gerade fast abgesoffen wäre!" Sie
grinste überlegen. "Aber du solltest dir besser mal um deinen Freund Gedanken
machen! Er ist in Gefahr!"
"Du hast mir gar nichts zu sagen, du Gör... Äh... Rayo, stimmt das etwa?"
Daron schob sein Schwert zurück in die Scheide.
"Ich glaube schon... ich habe da nicht so wirklich viel Ahnung!" Rayo lächelte
müde. "Aber ich vertraue Lileya und sie kann mich wirklich beschützen..."
"Wie soll die dich denn beschützen können?" Klang das jetzt eifersüchtig,
oder irrte er sich? Bei Darons barschem Ton konnte Rayo nur den Kopf
schütteln.
Der Prinz schnaubte abfällig. "Ein Mädchen! Sag schon, Rayo! Wie soll ein
Mädchen dich besser beschützen können, als ich?!"
"Na, ja..." Rayo überlegte hastig, doch ihm fiel nichts ein, das Daron als
passable Antwort akzeptieren würde. Gut, dann musste eben ein Themawechsel her.
"Ich glaube... es wäre besser, wenn du zurück ins Schloss reiten würdest!"
"Was?!"
"Ich meine es ernst!" Er senkte den Blick. "Ich glaube nicht, dass du mir helfen
kannst, du wärst nur in Gefahr!"
"Bist du verrückt geworden?!", brüllte Daron und Rayo zuckte zusammen. "Man
trachtet dir nach dem Leben und ich soll einfach so drüber hinwegsehen?! Junge,
wo lebst du?! Wenn ich den erwische, der vorhat, dir etwas anzutun, wird er sich
wünschen, nie geboren worden zu sein! Ich bin der Prinz, ich habe mein Leben
lang mit dem Schwert trainiert! Natürlich kann ich dir helfen!! Und ich werde
dich beschützen, koste es, was es wolle!! Selbst, wenn ich dabei draufgehe!"
>Das nenne ich Liebe!< Rayo zuckte bei Lileyas gedanklicher Botschaft erneut
zusammen. >Rayo, hast du jemals gedacht, er würde auf dich hören und dich hier
in der Gefahr alleine lassen?<
Der Angesprochene seufzte tief und ließ die Schultern hängen. >Natürlich
nicht...<
>Sag ich doch!< Lileya verschränkte die Arme vor der Brust. >Oder würdest du
ihm in so einer Situation einfach den Rücken kehren?<
>Nein...<
"Daron?" Rayo trat vor den Prinzen und sah resignierend zu ihm hoch. "Dann komm
halt mit!"
"Echt?" Aufjauchzend griff Daron nach den Schultern seines Schützlings und zog
ihn an sich heran. "Ich hätte nicht gedacht, dass du mir das erlauben
würdest..."
"Du hättest dich ja ohnehin nicht abwimmeln lassen!" Rayo wehrte sich nicht
gegen die Arme, die sich jetzt leicht um ihn schlossen und lehnte sich müde
gegen Darons Brust, was der mir einem Lächeln quittierte.
"Ich werde auf dich aufpassen!", versicherte er leise. Seine Hand, die in Rayos
Nacken zu liegen gekommen war, kraulte sanft durch die schwarzen Haare, die
mangels einer Bürste ziemlich unordentlich waren.
Diese Bewegung und Darons Worte ließen einen warmen Schauer durch Rayos Körper
laufen. Er fühlte sich im Moment wohl, so komisch das für ihn selbst auch
klingen mochte. Bei Daron zu sein war einfach etwas ganz besonderes. Von ihm
beschützt zu werden...
Er kuschelte sich näher an ihn heran und schloss glücklich die Augen, spürte
die angenehme Wärme, die durch ihrer beider Kleidung drang und sich zu einer
einzigen vereinte, die sie beide zu durchströmen schien.
"So zutraulich heute, hm?"
Rayo schrak aus seinen Gedanken und öffnete langsam die Augen. Ohne sich von
Daron zu lösen, schielte er an der Kleidung entlang herauf, um in das
ebenmäßige Gesicht des Prinzen sehen zu können. Daron lächelte.
"Ich bin froh, dass du bei mir bist...", murmelte Rayo abwesend. Er spürte, wie
die Arme sich enger um ihn schlossen und er noch näher an den Prinzen gedrückt
wurde. Es machte ihm nichts aus. Dann war es halt ein Junge, der ihn im Arm
hielt und der ihn zuvor schon mehr als einmal geküsst hatte. Die
Befremdlichkeit eines solchen Gedankens hatte sich schon längst gelegt, auch,
wenn er bisher immer mit aller Kraft versucht hatte, sie aufrecht zu erhalten,
damit er Daron nicht zu nahe kam. Sein Verstand sagte ihm noch immer, er solle
ihm besser fernbleiben, da diese Zuneigung zu Daron nicht zu weit gehen durfte.
Er war eben ein Prinz. Und ein Prinz würde irgendwann einmal Nachfolger haben
müssen. Er würde heiraten müssen, eine Familie gründen... Seine Finger
verhakten sich in Darons Kleidung als er den Kopf senkte, um nicht mehr in die
fesselnden sturmgrauen Augen sehen zu müssen, von denen er an eben diesem
Morgen noch gedacht hatte, sie wären die schönsten Augen der Welt. Er hatte
falsch gelegen. Sie waren noch schöner, noch einzigartiger. Überirdisch
schön.
"Rayo?"
Etwas hastig hob der Kleinere den Kopf, sah einen Augenblick mit leichter
Verzweiflung zurück in die grauen Augen. Seine Finger schlossen sich noch
fester um den Stoff, an den sie sich klammerten, als er sich kurz streckte und
einen kleinen Kuss auf die Wange seines Beschützers hauchte. Dann löste er
sich hektisch von ihm und sah sich nach Leya um, damit er einen Vorwand hatte,
Darons Nähe zu entkommen.
Doch sie war fort. Statt ihrer stand dort eine Haflingerstute, die ihr bestes
Pferdegrinsen aufgelegt hatte und deren Augen triumphierend funkelten.
>Wir sollten besser weiterreiten!<
Rayo war überrascht, dass sie nicht auf die Situation von eben einging.
Gleichzeitig erleichterte ihn das. Spöttische Kommentare würde er jetzt
wirklich nicht ertragen können.
>Du hast recht!<, antwortete er ihr also lächelnd und strich über die Nüstern
des Pferdes. >Ich wünschte nur, du würdest mir endlich sagen, was los ist!<
>Alles zu seiner Zeit! Wenn wir in Stukk sind, sind wir erst einmal sicher! Dort
treffen wir jemanden, der uns helfen kann! Dann erfährst du alles!<
>Nun... okay...< Enttäuscht war Rayo schon, dass sie ihm nicht einfach sagte,
was sie wusste, aber es musste schon seine Gründe haben. Deshalb würde er
warten, auch, wenn er vor Neugierde und Furcht fast verrückt wurde. Immerhin
trachtete ihm jemand nach dem Leben. Na, die Sache mit der Furcht hatte sich
zumindest größtenteils erledigt, seit der störrische Prinz da war. Apropos
Prinz...
Rayo drehte sich verwundert um und sah Daron bei seinem schwarzen Hengst stehen.
Er richtete mit fast schon liebevoll wirkendem Gesichtsausdruck den Sattel und
das Zaumzeug. Insgesamt wirkte er so, als wäre er gedanklich in seiner eigenen
Welt. Er schien für nichts um sich herum Augen zu haben, nicht einmal für das,
was er da gerade tat.
"Warum löst du das Zaumzeug?", fragte Rayo, als er neben ihn trat.
"Äh..." Daron sah auf seine Finger, die das sorgfältig eingestellte Band
auseinander gerupft hatten. "Ach, hehe... ich stelle es neu ein!"
Ein verträumter Seufzer folgte und er zupfte wieder an dem Verschluss herum.
"Lass mich das machen!" Rayo schob den Prinzen zur Seite und befestigte gekonnt
das Zaumzeug so, wie es sich gehörte. "Was ist bloß mit dir los, Daron?"
"Ach, nichts...", nuschelte der Junge neben ihm und griff dann nach Rayos Hand.
"Wir sollten weiterreiten!"
Plötzlich grinste er wie ein kleines Kind, schwang sich in den Sattel und zog
seinen Schützling mit sich hoch. Ihn vor sich plazierend, griff er nach den
Zügeln und wollte Palo schon antreiben, als er innehielt.
"Wo ist eigentlich deine lästige Freundin?", fragte Daron und die Hoffnung, sie
nicht mehr hier anzutreffen, war deutlich auf seiner Miene abzulesen.
"Lileya ist schon mal vorgegangen!", erklärte Rayo mit leichtem Ärger, weil
Daron unverhohlen auf einer seiner Freunde herumhackte. "Sie wartet in Stukk auf
uns! Sie war wohl der Meinung, du kannst gut genug auf mich aufpassen!"
"Gut, das ist mir nur recht!" Das Grinsen kehrte auf Darons Gesicht zurück und
er zog Rayo nah an sich heran. "Dann sind wir endlich mal alleine!"
"Du hast doch nicht etwa irgend welche Hintergedanken?", fragte Rayo und
verspürte plötzlich den Wunsch, zu lachen. Darons seltsame gute Laune war
scheinbar ansteckend.
"Nöö! Ich doch nicht!", war die wenig überzeugende Antwort des Prinzen. "Aber
du scheinst ja welche zu haben, wenn du schon so fragst!"
Rayos Gesicht lief mal wieder tomatenrot an und er keuchte wie ertappt auf.
"Nein!", versicherte er lauter als nötig und wandte seinen Blick krampfhaft
nach vorn.
"Das ist aber schade...", wisperte Daron nahe seinem Ohr und setzte einen
kleinen Kuss auf die empfindliche Haut seines Halses. Rayo wurde - wenn möglich
- noch röter und legte sanft die Hände auf die Arme, die um seinen Körper
lagen, um ihn sicher im Sattel und nah bei Daron zu halten.
"Vielleicht hab' ich ja doch Hintergedanken...", flüsterte Rayo kaum vernehmbar
und schämte sich sogleich für die unbedachten Worte. Doch Daron schienen sie
zu gefallen. Rayo spürte, wie sich die Lippen, die noch immer an seiner Haut
lagen, zu einem Grinsen verzogen und senkte seine Augenlider mit einem
angenehmen Seufzen, als ein weiterer Kuss auf seinen Hals gehaucht wurde.
Er konnte nicht anders, er musste dem schwarzhaarigen Prinzen ins Gesicht sehen.
Er wandte sich halb im Sattel um und klammerte sich dabei ohne es zu merken an
Darons Schultern.
Da sah er sich ihnen wieder gegenüber: Den sturmgrauen Augen. So stolz, so
schön und ihm so unendlich nah. Er fühlte sich nicht mehr dazu in der Lage,
sich zu rühren, versank einfach in diesen grauen Tiefen, die jeden Millimeter
seines Körpers zu verschlingen schienen, den sie erhaschen konnten. Er hätte
hier jetzt vermutlich eine Ewigkeit so gesessen und den Prinzen nur angestarrt,
hätte der nicht die letzten Zentimeter zwischen ihnen mit einem Seufzer
überbrückt und seine Lippen in seiner ihm typischen stürmischen Art in Besitz
genommen.
Seine Zunge strich verspielt über Rayos wartende Lippen, die sich sofort für
ihn teilten und streifte erst noch zögernd, fast fragend über seine vorderen
Zahnreihen, als bitte er um Erlaubnis, den Kuss vertiefen zu dürfen.
Verzückt von dieser liebevollen Geste, antwortete Rayo, indem er seine eigene
Zunge auf Erkundungsreise schickte, sie gegen Darons stupsen ließ und ihm somit
zu einem Duell herausforderte, das der stolze Prinz sofort annahm.
Sie verwöhnten einander in ihrem Lippenspiel, baten um mehr und gaben alles.
Ihre Zungen wickelten sich ineinander, wie in einem spielerischem Kampf, lösten
sich darauf wieder, nur, um dann wieder zueinander zu finden.
"Daron..." Letztendlich riss sich Rayo von dem anderen Jungen los, um nach
unbedingt notwendiger Luft zu schnappen. "Daron... ich... ich..."
Schüchtern strich er über die Ärmel des Hemdes, das Daron trug. Die Kleidung
des Prinzen schien ohnehin auf einmal sehr interessant zu sein, musste Rayo bei
ihrer Musterung nämlich Daron nicht ins Gesicht sehen. Sein Atem ging immer
noch in schnelleren, unregelmäßigen Stößen. Beruhigend war einzig und allein
der Fakt, dass es nicht nur ihm so zu gehen schien.
Da er nicht wusste, was er sagen sollte, lehnte er sich schließlich an Darons
Schulter. Seine Augen blieben auf die Kleidung geheftet, über die er noch immer
langsam eine Hand streichen ließ.
>Ich glaube, ich habe mich verliebt...<
Ihr Ritt dauerte noch bis zum späten Nachmittag an, bis sie ihr Ziel
erreichten. Stukk war ein fröhliches kleines Dorf, das einen großen Markplatz
in seinem Zentrum hatte. Die Häuser lagen fast kreisförmig um den riesigen
Platz angeordnet und jeder Einwohner würde es leicht haben, den Markttag zu
besuchen, der heute anstand.
Daron lenkte Palo durch die Menge an Menschen die sich versammelt hatten, um die
feilgebotenen Waren zu betrachten und zu kaufen. Die Haflingerstute schritt noch
immer voran, wenn ihr die jetzige Nähe des Hengstes auch unangenehm zu sein
schien, was Rayo, der müde an Darons Brust lehnte, durchaus verstehen konnte.
"Warum musstet ihr unbedingt an einem Markttag hierher kommen?!", murrte der
Prinz ungehalten.
"Das ist unauffälliger!", erklärte Rayo, als er sich von seiner Stütze
aufrichtete und zu Daron hinauf sah. "Man geht hier leicht in der Menge unter!
Das ist doch praktisch, oder?"
Auch, wenn er eigentlich nichts von diesem speziellen Tag gewusst hatte, war
Rayo doch erleichtert, dass sie nicht so einfach mit dem Prinzen dieses Landes
hier für jeden sichtbar aufgetaucht waren. Das hätte einen großen Aufruhr
gegeben und wenn es stimmte, dass er in Gefahr war, dann wollte er das Risiko
doch schon möglichst klein halten.
>Wir müssen dort nach links!< Die Stute schob ein paar Menschen beiseite, die
im Weg standen. >Da ist eine Taverne, die sich Zum schwarzen Hirsch nennt.<
>Seltsamer Name!<, sagte Rayo nur für sie hörbar.
>Der schwarze Hirsch ist ein legendäres Tier, das in einem nahen Wald leben
soll. Deshalb heißt der Schuppen so!< Vor dem Eingang blieb Lileya stehen und
wandte sich erwartungsvoll zu ihren Begleitern um.
"Da müssen wir rein, Daron!" Rayo deutete auf die Tür. "Da sollen wir jemanden
treffen, der uns helfen kann!"
Der Prinz schnaubte verächtlich ob des verwitterten Zustandes des Lokals und
sprang mit einem geschickten Satz vom Rücken seines Pferdes.
"Von mir aus...", murmelte er und hielt Rayo die Hand hin. "Lass dir helfen!"
Diesmal griff der Kleinere dankbar nach der dargebotenen Stütze und kletterte
ebenfalls von Palo. Einen kurzen Moment standen sie sich gegenüber und sahen
sich einfach nur in die Augen, bis Leya eine Art Räuspern zustande brachte.
Daraufhin begann Rayo zu kichern.
"Was war das denn, Leya?!", lachte er, riss sich jedoch rasch wieder zusammen,
als er die Hufe seiner Gefährtin wütend auf den Boden stampfen sah.
"Ähm... schon gut..." Auf Darons verwirrten Blick errötete er heftig. "Lass
uns reingehen!"
Die Taverne war kühl und nur wenige Leute hielten sich hier auf. Drei Männer
saßen beisammen an einem Tisch und spielten Karten. Ansonsten saßen am Tresen
noch eine junge Frau mit einem kleinen Kind und ein Pärchen, das sich scheinbar
vom Stadtbummel ausruhen und erfrischen wollte.
Daron hielt sich erst gar nicht lange mit der Musterung der Gäste auf, sondern
trat sofort an die Theke und setzte sich auf einen Hocker.
"Worauf wartest du?", fragte er mit einem kleinen Blick zurück, der Rayo sagte,
dass er sich sehr auffällig benahm, indem er nur dämlich im Eingang stand.
Nickend begab er sich also zu seinem momentanen Beschützer und schob sich neben
ihn auf einen der hohen Stühle.
"Wir möchten bitte zwei Bitterbier!", bestellte Daron und Rayos Augen weiteten
sich erschrocken.
"Nein, nein!", hielt er den Barkeeper zurück, der verwirrt seine beiden neuen
Gäste musterte. "Bringen Sie uns einfach zwei Glas Wasser gegen den Durst!"
Kaum war der Mann verschwunden, beugte sich Daron ärgerlich zu ihm vor.
"Was sollte das?!", fragte er. "Ich hab' Geld!"
"Aber du verträgst den Alkohol nicht!", grummelte Rayo mit entschlossenem und
sorgendem Tonfall. "Also, lass es bleiben! Du hast es versprochen!"
Verstimmt wandte der Prinz sich wieder nach vorne und starrte ungläubig auf das
Glas vor seiner Nase. Nie hatte er in einer Spelunke Wasser getrunken.
"Das Wasser geht aufs Haus!", gähnte der Barkeeper gleichgültig und machte
sich daran, die Gläser zu spülen, die andere Gäste benutzt hatten.
Schweigen legte sich über sie, während sie hin und wieder an dem Wasser
nippten und unauffällig die Umgebung beobachteten.
"Sei nicht eingeschnappt!", bat Rayo den Prinzen aufseufzend. "Ich wollte dich
nicht blamieren oder so..."
"Schon gut!" Das klang beleidigt.
"Daron!"
"Ich sagte, schon okay!" Jetzt wurde er auch noch laut.
"Ich mache mir bloß Sorgen um dich und du dankst es mir mit diesem ätzenden
Verhalten!" Jetzt selbst wütend, drehte Rayo Daron den Rücken zu. "Sturer
Bock!"
"Rayo!"
"Ich finde es unfair von dir, dass du sauer auf mich bis, weil du dein eigenes
Versprechen nicht einhalten willst!" Rayo blieb noch immer dem Prinzen abgewandt
sitzen und stützte sein Kinn in seine Hand.
"Ich will mein Versprechen ja einhalten!" Darons Stimme klang flehentlich, was
Rayo fast dazu brachte, sich umzudrehen und ihn beruhigend anzulächeln.
Trotzdem wartete er erst auf das gefürchtete >Aber<, das die vorangegangenen
Worte ankündigten. "Aber es ist halt sehr schwierig und ich war nicht auf dich
so wütend, sondern auf mich selbst!"
Jetzt drehte Rayo sich um und schenkte ihm das verzeihende Lächeln, das dem
Prinzen zeigen sollte, dass er ihm nicht mehr böse war. "Okay..."
"Hey, ihr Streithähne!" Lileya war in die Taverne getreten und schob nun einen
Hocker zwischen die beiden, auf dem sie sich niederließ. "Wie ich sehe, wartet
ihr schon!"
Grinsend winkte sie den Barkeeper zu sich heran, der sie auch prompt
wiederzuerkennen schien und die Arbeit bei der Spüle stehen und liegen ließ,
um sie zu begrüßen.
"Leya, mein Mädchen!", lachte er väterlich und umarmte sie leicht. Rayo
beobachtete, wie seine Freundin sich zu seinem Ohr vorbeugte und ihm etwas
zuflüsterte, ehe sie sich lächelnd wieder zurücklehnte.
"Geht den Gang zu den Schlafräumen hinab. Dritte Tür, rechts!" Mit einem
kleinen Abschiedsgruß richtete der Mann seine Aufmerksamkeit wieder seiner
Arbeit zu.
"Na, los!" Lileya warf ihr rotes Haar zurück und bedeutete ihren Kameraden,
voranzugehen. "Ihr habt gehört, wo's lang geht!"
To be continued...
Na, wie war's?
Mir persönlich hat dieser Part ganz gut gefallen! Obwohl... er was ziemlich
leicht durchschaubar und berechenbar! War ja eigentlich klar, dass Daron Rayo
folgen würde und dass er so kurz darauf nicht einfach den Löffel abgeben
würde *g*
Außerdem war die Szene, in der Daron fast ertrunken wäre, etwas zu kurz...
weiß nicht...
Zu den Rettungsmaßnahmen: Ich weiß, dass sich heute eher die
Mund-zu-Nase-Beatmung durchgesetzt hat, aber ich spekuliere einfach mal darauf,
dass Rayos Erste-Hilfe-Kurs etwas länger zurückliegt! Mir hat es so besser
gefallen ^^
Die Chance, jemanden mit den Maßnahmen der Erste-Hilfe wiederzubeleben soll ja
ziemlich gering sein... aber Wunder geschehen bekanntlich immer wieder! Daron
ist ja auch stark und die Liebe zu Rayo hält ihn am Leben!
Ja, so langsam glaube ich, er gesteht sich ein, dass es Rayo ist, den er liebt
und nicht seine Schwester! Hmm... Was heißt hier ,so langsam'? Ich weiß noch
nicht, wie ich das weiterführen werde! Da gehe ich frei aus dem Bauch heraus
und hoffe, ich enttäusche euch nicht!
Für Ideen und Inspirationen eurerseits bin ich immer offen und sehr dankbar!
Ich habe schon ein paar gute Vorschläge bekommen, die ich umgesetzt habe und
das Resultat gefällt mir!
Was lässt sich sonst noch sagen? Ach, ja: Rayo hat sich nun eingestanden, dass
er Daron liebt! Ich hoffe, ihr ungeduldigen Leutchens seid jetzt zufrieden!
*angespannte Stille*
Was denn? Noch nicht? *seufz*
Anhang:
Ja, ein weiterer Anhang! Und wieder ein Dank an meine fleißigen
Kommi-Schreiber, die eifrig dafür sorgen, dass die Autorin auch an der Arbeit
bleibt *schwitz*
Da wären: geist alias Nekomon, Kuroi-Neko, Julili, gitanija, Kirusuchino,
Van17, Cibi, Satsuki666, Kasan, Say-chan, Marn, Pep, RedMaya, Minimaus und
Tasuki81!
Wenn ich irgendwen vergessen haben sollte, tut mir das ehrlich leid. Ich habe
leider von hier aus keinen Internetzugang und muss mir die Namen immer
rausschreiben... sorry, also! ^^
Ich würde eure schönen Kommentare gerne mal beantworten, aber das ist einfach
zu viel, allein wegen dem Problem mit dem Internetzugang... -.- aber ich bin
total gerührt und ich liebe es, eure Meinungen zu hören *snif*
Großen Dank an Mistery, die mir im früheren Verlauf der Geschichte die Idee
mit dem Anhänger gegeben hat, die ich jetzt sogar noch ausbauen kann! ^-^
Und außerdem ein großes Danke an geist, dafür, dass meine Story auf der
Homepage stehen darf! Ich bin so gerührt! ^^
Und die Antworten zu den Fragen:
1) Wie soll das mit Rayos und Darons Welt ausgehen? Wird Rayo im Schloss bleiben
oder zurück nach Hause reisen? Ohne Daron?
Na, das ist eine sehr schwierige Sache, über die ich mir selbst schon oft
Gedanken gemacht habe! Ich habe von Cibi gehört, sie will, dass Rayo einfach im
Schloss bleibt... aber das geht auch nicht! Was ist mit seiner Familie? Die kann
er nicht einfach so verlassen!
Ich weiß, ich kann hier keine klare Antwort geben, aber ich versichere, ich
werde es schon irgendwie richten, dass es nicht wie bei Escaflowne endet! Wer
das Ende kennt, weiß sicherlich wovon ich spreche! -.- Oder?
2) Kann sich Daron an das erinnern, was in der Nacht mit dem Alkohol passiert
ist?
Tja, da Daron da nicht so offen drüber sprechen wird, muss ich das wohl für
ihn tun *gg*
Daron (aus dem Hintergrund): Wehe du erzählst das, wenn Rayo dabei ist!
Rayo (betritt den Raum): Redet ihr über mich?
Daron (heult auf): Nein!!
Tara: Ähm, ja, es ging um die Nacht, als...
Daron (panisch): Ach, Rayo... hehe... ich wollte dir noch was zeigen! Kommst du
mal ganz schnell mit? Ich glaube, Palo geht es nicht so gut!
Rayo (blinzelt): Hm?
Daron (nervös): Was ist? Kommst du nun?
Rayo (misstrauisch): Was hast du wirklich vor?!
Daron (zerrt Rayo aus dem Zimmer): Jetzt komm schon...
Rayo (von draußen): Wenn du mich küssen willst, kannst du das auch drinnen
machen! Oder ist dir das peinlich?
(Stille)
Ähm... nun gut, zurück zur Frage...
Ja, er kann sich an die Nacht mit dem Alkohol erinnern. Er war ja nicht wirklich
schlimm betrunken, der Alkohol wirkt sich bei ihm bloß viel stärker aus als
bei anderen Leuten und sein Körper verträgt ihn nicht (deshalb die
Bauchschmerzen)... Nüchtern war er noch einigermaßen, aber über seine Motive,
Rayo einen Kuss zu stehlen, muss ich mich jetzt nicht auslassen *gg*
Rayo (kommt wieder rein): Was hat er denn?! Palo ist doch gesund! Und geküsst
hat er mich auch nicht... (verzieht sich enttäuscht in eine Ecke)
3) Ist Daron jetzt eigentlich wirklich in Rayo verliebt?
Ähm, ich kann mir nicht vorstellen, dass Daron immer wildfremde Menschen ohne
Grund küsst oder so... Tja, er liebt ihn, die Frage ist nur, hat er es sich
auch eingestanden? Ich kann Daron nicht in den Kopf gucken... (Ja, ja... ich bin
die Autorin, ich weiß... erschlagt mich, aber so ist es einfacher, ihn
undurchschaubar wirken zu lassen ^^)
Bei Daron kann ich mir einerseits vorstellen, dass er es nicht merkt,
andererseits aber auch, dass er es längst so akzeptiert hat... hehe, Daron ist
schon seltsam. Stellt es euch einfach so vor, wie ihr es am liebsten habt! Das
passt schon!
4) Was wissen Darons Eltern überhaupt von Rayos und Darons Beziehung?
Sie wissen das eine: Daron mag Rayo seeehr. Sie wissen nicht, dass er ihn liebt.
Oder zumindest nicht konkret, vielleicht ahnen sie es etwas, mehr aber auch
nicht!
Ihr wisst doch, dass Daron morgens immer zum Schwerttraining geht, eh? Vorher
frühstückt er mit seinen Eltern, wenn Rayo noch schläft. Und dann geht's
los:
"Mutter, Vater, ich bin gleich mit Rayo weg.", "Rayo hat mir dies erzählt.",
"Rayo findet ja, dass...", "Rayo hat mir erzählt, dass...", "Ich hoffe, Rayo
wacht bald mal auf...", "Rayo trägt tolle Klamotten!", "Ich finde es schade,
dass wir das Rezept für Rayos Lieblingsessen nicht haben."
Und, und, und...
So, diesmal waren es vier Fragen, die ich beantworte! Meine Nachworte werden
immer so lang! Stört euch das? Ich weiß ja nicht, ob ihr das lesen wollt! Nya,
don't like - don't read! Deshalb hab ich's ja ans Ende der FF gestellt! Wer's
nicht lesen will, braucht es nicht zu tun. Das nächste Mal fasse ich mich aber
kürzer... *räusper* wenn ihr es wollt...
Dann bis hoffentlich zum nächsten Part!
Bye
Tara
(verschwindet in einer Rauchwolke)
Daron (betritt den Raum und sieht sich verwirrt um): Rayo?
Rayo (aus seiner Ecke): Geh weg!
Daron (noch verwirrter): Warum bist du denn jetzt schon wieder beleidigt?
(verbissenes Schweigen)
Daron: Wenn du jetzt nicht sofort sagst, was los ist, verschleppe ich dich in
mein Schloss und sperre uns für zwei Wochen in meinem Zimmer ein!
(glückliches, vielsagendes Schweigen)
Daron: Du hast es so gewollt! (pfeift, woraufhin Palo ins Zimmer kommt und den
Teppich versaut)
Daron (betrachtet das Missgeschick): Sie wird wütend sein... (zuckt mit den
Achseln, zieht Rayo aufs Pferd und zischt ab)
Tara (taucht in einer Rauchwolke wieder auf): Was ich noch sagen wollte...
äh... Wer war das?! Wer hat meinen guten alten Teppich so zugerichtet?! Der ist
antik! Der hat schon meinen Großeltern gehört!! Rayo?! Daron?!
(Pause)
Na, warte! Wenn ich euch erwische!!
(räusper)
Was ich noch sagen wollte...
Rayos Reise muss weitergehen!!!
(verpufft wieder in grauem Dunst)
Kapitel 9: Endlich zu Hause
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Rayos Reise Part 8
Konnichi wa, minna-chan!
Ja, dies ist der achte Teil von ich weiß nicht wie vielen, die noch kommen
mögen!
Ähm, jemand sagte in einem Kommentar zum letzten Part, es bestände die Sorge,
zwischen den beiden Turteltauben könnte sich mit Rayos Eingeständnis zu sich
selbst etwas drastisch ändern. Aber ich mag keinen so krassen Kitsch. Das
erinnert mich immer zu sehr an Wedding Peach, wo Momoko und Yosuke während
ihres ersten Kusses unter einem Springbrunnen standen, der dann plötzlich zu
leuchten anfing. Überall funkelte und glitzerte es... *schauder* Die Serie war
ja wirklich nicht soo schlecht, aber sie war einfach kitschig!
Jedenfalls hörte ich erst heute den Satz >Wenn du das Leuchten lesen kannst,
ist es kitschig!< Im Zusammenhang mit Wedding Peach als Beispiel: Wenn der
leuchtende Springbrunnen im Hintergrund beim Lesen allzu deutlich spürbar ist,
dann ist es kitschig...
Ich versuche, den Kitsch zu umgehen... Liebesgeständnisse können warten!
Soviel zu meiner Meinung! Viel Spaß beim Lesen!
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"Geht den Gang zu den Schlafräumen hinab. Dritte Tür, rechts!" Mit einem
kleinen Abschiedsgruß richtete der Mann seine Aufmerksamkeit wieder seiner
Arbeit zu.
"Na, los!" Lileya warf ihr rotes Haar zurück und bedeutete ihren Kameraden,
voranzugehen. "Ihr habt gehört, wo's lang geht!"
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Nervös trat Rayo in den Gang, der sie zu ihrem noch immer namenlosen Helfer
bringen sollte. Obgleich er sich in Darons Nähe sicher fühlte, war er
aufgeregter als selten zuvor in seinem Leben.
"Wieso tust du eigentlich so geheimnisvoll, Mädchen?", fragte der Prinz, wobei
er an Rayo vorbei die Magierin kritisch musterte. Innerlich musste der ihm
zustimmen. Er war selbst verwirrt von dem Verhalten seiner Freundin.
"Tja..." Leya schwieg einen Moment und zählte die Türen ab, die sie
passierten. "Das werdet ihr gleich feststellen. Ah, hier ist es auch schon!"
Ohne zu zögern schwang sie die dritte Tür auf der rechten Seite auf und
deutete ins Innere des Raumes. Rayo seufzte ob ihrer theatralischen Gesten und
ging in das Zimmer, in dem das Licht durch Jalousien leicht gedämmt war. Eine
Person erhob sich jetzt rasch aus dem Sessel, der am Fenster stand und trat
einen Schritt vor. Schwarze Augen trafen auf goldene.
>Seltsam...<
Mit großen Augen musterte Rayo den Jungen vor sich. Einfache Kleidung, wie die
eines Bauern, ebenso einfaches Schuhwerk... nur war nicht das der Grund seiner
Verwunderung...
>Diese blasse Haut, die schwarzen Haare, die schwarzen Augen, das Gesicht... er
sieht aus wie... wie er... diese Ähnlichkeit kann kein Zufall sein...<
"Was ist, Rayo?" Dem Angesprochenen entging nicht der leicht scharfe Hauch in
Darons Worten. "Kennst du den?"
Er schwieg, konnte es nicht aussprechen.
>Es muss ein Zufall sein, wie sonst soll er hier auftauchen, in dieser fremden
Welt...? Aber ein Zwilling?<
Leichte Hoffnung mischte sich in seine Gedanken. Was, wenn er es doch war...?
Was, wenn er ihn nach Hause bringen konnte...?
"Hi, Rayo..."
Unverwechselbar, diese Stimme. Die erkannte er aus hunderten.
"To-... Tomoya?", sprach er leise aus.
"Ja, ich bin's!", lächelte er. Doch es wirkte ein wenig gequält.
"Überrascht?"
Es war ein merkwürdiges Gefühl, ein vertrautes Gesicht wiederzusehen. Es
schien ihm nämlich mit einem Male so fremd zu sein. Irgendwie fehl am Platz.
Zwar war nur wenig Zeit vergangen, doch es war so viel passiert, er hatte so
viel neues gesehen und gelernt. So viel erlebt. Seine ganze Sicht auf die Welt
hatte sich verändert und jetzt sah er auch Tomoya aus einem vollkommen anderen
Licht.
Aber all das war jetzt egal...
Hauptsache, er war jetzt da...
"Tomoya...!" Rayo hastete auf den anderen Jungen zu und umarmte den Größeren
brüderlich. Tomoya klopfte ihm auf die Schulter.
"Sag, mal, was soll das?!" Daron zog Rayo von dem für ihn Fremden weg und legte
bestimmt einen Arm um seine Mitte. "Wer ist das?!"
"Er ist ein Freund aus Kindertagen!", erklärte Rayo an Daron gewandt, blickte
dann aber wieder lächelnd zu Tomoya, dessen Augen einen Moment lang auf dem
besitzergreifenden Arm ruhten, der an seiner Hüfte lag, bevor er sich artig vor
dem Prinzen verbeugte.
"Wenn ich mich vorstellen darf: Tomoya Suzumi." Sein offener Blick traf den
Darons, der ihn noch immer finster betrachtete, als wäre er sein Feind.
"Du bist fast genauso seltsam wie Rayo...", kommentierte der Prinz die
Begrüßung. "Ihr kennt alle die Sitten unseres Landes nicht! Ihr senkt ja nicht
einmal die Augen, wenn ein Mitglied der königlichen Familie vor euch steht."
"Tut mir leid." Tomoya machte keine Anstalten, sein Benehmen zu ändern. Er nahm
eine lässigere Haltung ein und wandte sich zu Lileya, die das kurze Gespräch
aufmerksam mitverfolgt hatte.
"Was macht der Prinz hier?", fragte er in müdem Tonfall. "Ich dachte, du und
Rayo, ihr kommt allein?"
"Tja, Daron ist uns nachgeritten!" Leya seufzte schwer. "Wir haben ihm
allerdings noch nichts erzählt, also..."
"Was erzählt?" Daron sah missmutig von einem zu anderen.
"Das ist jetzt nicht wichtig!", warf Rayo ein und trat verzweifelt einen Schritt
auf Tomoya zu, der jetzt wieder diese leichte Traurigkeit in seinen dunklen
Augen trug. "Wie kommst du hierher, Tomoya? Was machst du hier?"
"Ich will dir helfen!", erwiderte der andere leise. "Ich weiß, ich hätte dir
von Anfang an davon erzählen sollen... noch bevor du hier reingeraten bist...
aber es ging nicht! Ich wurde vorher aufgehalten und als ich endlich bei euch zu
Hause ankam, warst du schon längst weg... Ich habe mir ziemliche Sorgen
gemacht, weil ich erst gar nicht wusste, wo du warst, bis Leya bei mir
aufgetaucht ist... den Rest kannst du dir sicherlich denken..."
"Nein..." Rayo schüttelte verwirrt den Kopf. "Ich verstehe das nicht! Warum das
Ganze? Du sagtest mir, ich sollte in diese blöde Scheune kommen und was
passiert? Irgendein Sog reisst mich in eine andere Welt! Warum?"
"Erst einmal ging es darum, dich einzuweihen... in die Magie und so. Ich hatte
eigentlich vor, zusammen mit dir hierher zu kommen und dir alles zu zeigen. Nie
im Leben hätte ich gewollt, dass du so etwas durchleidest! Ich habe nach dir
die ganze Stadt und den ganzen Wald abgesucht! Wie konnte ich ahnen, dass du im
Schloss beim Prinzen bist? Schließlich bat Leya mich, die Sache in die Hand
nehmen zu dürfen und es war besser so, glaube mir. Du hättest ganz anders
gehandelt, wenn wir es dir leichter gemacht hätten. Dafür ist unser Ziel
einfach zu wichtig! Hättest du Bescheid gewusst, dass du der fremden Welt hier
jederzeit den Rücken kehren konntest, hättest du keine der Gefahren hier ernst
genommen. Nur so konntest du diese Welt verstehen lernen!"
Rayo starrte Tomoya während seines Wortschwalls nur an. Er erschien ihm wie ein
Fremder, wenn er ihn auch besser kannte, als jeden anderen Menschen auf der
Welt. Was redete er da? Waren die ganzen Jahre, die sie sich kannten, etwa mit
einem Geheimnis überschattet gewesen? Nie hatte er etwas vor Tomoya versteckt,
er hatte ihm alles erzählt. Und Tomoya...?
"Wie lange wusstest du schon davon?", fragte er zitternd. Er spürte, wie Daron
ihn näher an sich heranzog, wenn er auch nicht verstand, worum es ging.
"Nicht sehr lange...", antwortete Tomoya und Rayo stieß erleichtert die Luft
aus, die er, ohne es zu merken, angehalten hatte. "Mit meinem siebzehnten
Lebensjahr machten sich meine magischen Fähigkeiten bemerkbar und... meine
Familie hat mich eingeführt... ich war entsetzt und gleichzeitig...
elektrisierte mich der Gedanke an Magie vor Spannung. Ich wollte es unbedingt
lernen."
Rayo erstarrte bei den gehaspelten Worten seines sonst immer so verschlossenen
Freundes.
"Magie?", keuchte er. "Du bist Magier?"
"Tja..." Ein schiefes Grinsen legte sich auf die Lippen des Schwarzhaarigen.
"Mein Gesicht muss ungefähr so ausgesehen haben, wie deines jetzt, als ich es
erfahren habe!"
"Ich verstehe aber noch immer nicht, warum ihr das mit mir gemacht habt!" Etwas
verletzt schaute Rayo zur Seite. "Ich bin doch kein Magier und nur, weil mein
Anhänger irgendwas können soll, hätte das doch nicht sein müssen."
Sein Blick schweifte über die kargen Möbel und landete schließlich auf Darons
Gesicht. Er war aschfahl.
"Oh, Gott!" Er wandte sich Daron ganz zu und Besorgnis machte sich sofort in ihm
breit. "Was ist los mit dir?"
"Magie? Andere Welten? Und du... du kommst..." Der Prinz erzitterte leicht. Rayo
legte vorsichtig die Arme um seinen Hals und sah ihm tief in die Augen.
"Ja, es stimmt!" Es schmerzte ihn, die grauen Tiefen, die er so lieb gewonnen
hatte, so trüb und ängstlich zu sehen, doch gleichzeitig löste sich eine Art
Schlinge in ihm, als er spürte, dass es jetzt keine Lügen mehr geben würde.
"Ich komme aus einer anderen Welt! Und... ja, es gibt Magie. Lileya ist eine
Magierin und... Tomoya ist, wie es scheint, ein Magier..."
"Du hast mich also belogen? Die ganze Zeit?"
Verletzt zuckte Rayo zurück. Daron hatte ganz recht. Er war ein elender
Lügner. Und er schämte sich in diesem Augenblick seiner selbst so sehr, als
würde sein Gewissen die gesamte Abneigung gegen solche Lügner, wie er nun
einer war, auf ihm abladen.
Mit Selbstekel sah er auf seine Hände hinunter und trat noch einen Schritt
zurück. Warme Tränen tropften in seine Handflächen, die er noch immer voller
Hass anstarrte.
"Ja, das habe ich... Ich habe dich angelogen..."
Er wäre am liebsten davongelaufen. Die Welle an Schmerz, die sein Innerstes
aufwühlte und in einem völligen Chaos zurückließ, zwang ihn beinahe in die
Knie. Vielleicht sollte er ja auch wirklich zusammenbrechen. Dann brauchte er
sich erst einmal dieser ätzenden Wirklichkeit nicht zu stellen.
All diese Lügen...
"Es tut mir so leid...!", schluchzte er auf, wollte herumwirbeln und zur Tür
rennen. Bevor er jedoch nur eine Bewegung machen konnte, fingen zwei starke Arme
ihn ein und hielten ihn fest. Er kämpfte gegen den warmen, vertrauten Griff an,
zappelte und schluchzte, doch es nutzte nichts.
"Bitte, weine nicht!"
Darons leise Stimme ließ ihn innehalten. Seine Gegenwehr erstarb abrupt.
"Warum bist du nicht wütend?", flüsterte Rayo kaum hörbar, ein weiterer
Schluchzer ließ seinen Körper sich verkrampfen.
"Natürlich bin ich wütend!", knurrte Daron. "Aber deswegen musst du doch nicht
gleich rumflennen! Ich hab' eh schon geahnt, dass du nicht ganz die Wahrheit
sagst!"
"Ich wollte nicht lügen!", schluchzte Rayo und vergrub sein Gesicht in der
Kleidung des Prinzen. "Ich hasse es, zu lügen! Aber es ging einfach nicht
anders! Was hätte ich denn sagen sollen?"
"Schon gut." Beruhigend strich Daron über den Rücken seines Schützlings. "Es
fällt mir ja auch echt schwer, das zu glauben. Ich bin mir sicher, ich habe die
ganze Tragweite deiner Geschichte noch gar nicht begriffen."
Solche klugen Worte von Daron. Rayos Tränen verebbten langsam, als die
Information, dass ihm verziehen worden war, endlich in sein vom Stress
zermürbtes Gehirn vordrang. Sein Griff um den Körper des Prinzen lockerte sich
wieder, doch er mied noch immer seinen Blick.
"Rayo, ich kapiere das wirklich alles noch nicht so ganz...", drang Darons
Stimme plötzlich leise an sein Ohr. "Es gibt also Magie... nun, okay... und es
gibt eine andere Welt als diese hier... aus der kommst du... das erklärt
zumindest, warum ich deinen Namen in keinem Register gefunden habe... aber...
was ist mit deiner Schwester? Ist sie aus dem selben Grund hier wie du?"
"Nein... also...", stotterte Rayo zögerlich und umklammerte den Größeren
etwas fester. "Ich habe eigentlich gar keine Schwester..."
"Was?"
"Im Kloster, als du meine angebliche Schwester das erste Mal gesehen hast... das
war ich!" Rayo spürte, wie sein Gesicht rot anlief. "Danach auf dem Ball, das
war Lileya, sie hat doch magische Kräfte und da hat sie sich in ein weibliches
Abbild von mir verwandelt!"
Daron schwieg. Rayo fragte sich, wie er diese Information aufgenommen hatte.
Immerhin liebte er Raya doch und es musste für ihn ein Schlag sein, dass seine
Liebe nicht existierte und statt dessen er dieses ominöse Mädchen gewesen sein
sollte.
Ein mattes Geräusch aus Darons Kehle ließ ihn aufhorchen. Ein Schluchzer?
Widerwillig lehnte er sich zurück, um ihn ansehen zu können. Ihm ging es jetzt
sicher schlecht und wer war mal wieder schuld daran?
Er natürlich, der Trottel Rayo Tamono.
Darons Gesicht kam in sein Blickfeld und Verwirrung machte sich in ihm breit.
Der Prinz grinste. Ein weites offenes Grinsen.
"Bitte wiederhol' das!", lachte er plötzlich laut heraus. "Du warst also diese
Raya im Kloster? Du hast dich als Mädchen verkleidet und allen was
vorgegaukelt? Wofür denn das? Und... Nein, wie musst du dich gefühlt haben,
als ich dich mit aufs Schloss nehmen wollte! Kein Wunder, dass du Reißaus
genommen hast!"
"Ach, halt die Klappe!" Grummelig verschränkte Rayo die Arme vor der Brust.
"Irgendwo musste ich unterkommen, deshalb war ich im Kloster bei Schwester
Thera! Ich konnte doch nicht wissen, dass ein total durchgeknallter Prinz
auftauchen würde! So etwas passiert nicht im normalen Leben!"
"Du warst also...?", meldete Tomoya sich unerwartet zu Wort und zwei
überraschte Augenpaare wandten sich ihm zu. Rayo und Daron hatten tatsächlich
ganz vergessen, dass sie nicht alleine waren. "Du warst im Kloster?! Als
Mädchen?! Und ich habe mich die ganze Zeit gefragt, warum ich dich nicht finden
konnte! Na, toll! Wie sollte ich das auch ahnen?"
"Ich dachte, Leya hätte dir längst alles erzählt?" Rayo sah die Magierin an.
"Scheinbar nicht alles!", lächelte Tomoya und strich sich eine dunkle
Haarsträhne aus den Augen. "Mann, Rayo, dass du, gerade du, dich jemals als
Mädchen ausgeben würdest, hätte ich nie gedacht! Dabei hasst du deine
mädchenhafte Erscheinung doch so! Na, ich bin jedenfalls froh, dass die
Probleme zwischen euch Turteltauben jetzt gelöst sind! Ihr werdet nämlich eine
ganze Weile voneinander getrennt sein und da könnt ihr Ungereimtheiten nicht
gebrauchen!"
"Turteltauben?!", ächzte Rayo errötend.
"Voneinander getrennt?!", fauchte Daron und verengte seine Augen zu
gefährlichen Schlitzen. "Wie meinst du das?"
"Rayo ist hier in Gefahr, deshalb werden wir ihn mit zurück in seine und meine
Welt nehmen!", erklärte Tomoya in nüchternem Tonfall. "Es geht nicht anders,
es sei denn, Ihr wollt sein Leben riskieren, Prinz!"
"Aber..." Daron sprang vor Rayo, als wollte er ihn vor einer drohenden Gefahr
schützen. "...nein, das lasse ich nicht zu! Ich passe auf ihn auf! Ihm wird
nichts passieren!"
"Prinz!", warnte Leya mit erhobener Stimme. "Ihr habt doch gesehen, was vorhin
geschehen ist!"
"Na und?!", beharrte Daron.
"Von wegen >Na und
"Ja!" Vor Freude fast aufspringend strahlte er den Prinzen an. "Das ist es!"
"Nein!" Tomoya schüttelte traurig den Kopf. "Das geht nicht!"
"Aber... warum denn nicht?" Ängstlich blinzelte Rayo seinen Sandkastenfreund
an.
"Er ist der Prinz, er hat Pflichten und Aufgaben zu erledigen. Außerdem hat er
auch noch Eltern, die sich Sorgen machen, wenn er weg ist!"
Rayo sah Daron einen Seufzer der Erleichterung ausstoßen.
"Wenn es nur das ist!" Sein typisches Grinsen war auf seine Lippen
zurückgekehrt. "Ich habe meinen Eltern schon gesagt, dass ich ein paar Wochen
weg sein werde! Und zwar bei Rayos Familie! Und das möchte ich doch einhalten,
oder? Ich werde mitkommen!"
"Wenn es nur das wäre!" Tomoya schien noch immer dagegen zu sein. "Mir
persönlich macht es nichts aus, dass Ihr mitkommt. Aber was erzählen wir Rayos
Eltern? Sie wissen zwar über den Anhänger Bescheid..."
"Sie wissen?!"
"...aber..." Tomoya überging Rayos Einwurf. "... sie würden sicher nicht
erlauben, dass ein Prinz aus einer anderen Welt bei ihnen wohnt."
"Was wissen meine Eltern?", rief Rayo aus.
"Sie wissen, dass es Magie und andere Welten gibt.", erklärte Tomoya. "Aber ich
denke, sie haben noch niemals eine Person aus einer anderen Welt gesehen,
geschweige denn sind sie jemals in einer anderen Welt gewesen und wirklich ernst
nehmen sie die ganze Sache auch nicht! Du kennst deine Eltern doch, Rayo!
Deshalb hatte ich ja auch von vornherein vor, dich hierher mitzunehmen, damit du
nicht so denkst wie sie."
"Sie haben mir nichts davon erzählt?", keuchte Rayo entsetzt.
"Sie hätten dir zu deinem siebzehnten Geburtstag alles erklärt, so wie mir.
Wäre es nicht wirklich, ganz ernsthaft, wichtig, hätte ich selbst auch
gewartet, aber die Situation ließ es nicht zu."
"Inwiefern?", fragte Rayo neugierig und lehnte sich, ohne es zu merken, leicht
an Darons Schulter.
"Tja, für diese Welt besteht eine große Gefahr, die nur du beseitigen kannst."
Eine kurze, drückende Stille trat ein, die Tomoya jedoch sofort wieder
durchbrach. "Du, oder jemand anderes deiner Familie. Und deshalb will man dich
töten."
"Aber wer steckt denn dahinter?", murmelte Rayo. "Und warum ich? Wieso nicht
meine Eltern oder meine Tanten und Onkels? Oder deren Kinder?"
"Weil sie anders sind als du.", sagte Tomoya schlicht, fuhr dann jedoch fort.
"Ich kenne dich eben am besten und ich vertraue dir. Deshalb habe ich dich
ausgesucht und nicht irgendwen anders. Ich weiß einfach, dass du der Richtige
dafür bist!"
"Aber...", begann Rayo einen weiteren Widerspruch, wurde aber von Daron
unterbrochen.
"Was ist denn nun mit mir?" Der Prinz sah unbehaglich in die Runde und wechselte
von einem Fuß auf den anderen. "Ich komme mit, egal was ihr sagt. Entweder, ihr
regelt das, oder lasst mich das selbst in die Hand nehmen!"
"Nun gut, Prinz...", seufzte Tomoya ergeben. "Wir werden Euch mitnehmen und
Rayos Eltern als den Vorstellen, der Ihr seid. Erwartet jedoch nicht zu viel
Respekt! Bei uns wird die Gesellschaft etwas lockerer gehalten."
"Hä?" Daron schaute erst etwas verständnislos. Doch da die Tatsache feststand,
dass er bei Rayo bleiben durfte, nickte er hastig und grinste den Kleineren
neben sich schließlich an.
"Dann ist ja erst einmal alles geklärt.", lachte Lileya. "Diskutieren können
wir auch noch später. Wichtiger ist, dass wir so schnell wie möglich von hier
wegkommen."
Einstimmiges Nicken begleitete ihre Worte.
"Gut, dann werde ich jetzt das Tor öffnen." Sie wandte sich an Rayo und Daron.
"Nicht umsonst haben wir euch hierher gebracht. Für nichtmagische Menschen ist
es zwar nicht zu spüren, aber das Tor befindet sich hier in diesem Raum. Eines
von den vielen, die es auf der Welt gibt, wohlgemerkt."
Nach dieser kleinen Erklärung drehte sie sich zur Wand und hob die Handflächen
dem Holz entgegen. Konzentriert schlossen sich ihre Augen und sie murmelte
etwas, das Rayo nicht verstand. War das eine andere Sprache, oder nur zu leise
gesprochen? Er konnte es nicht heraushören.
Plötzlich spürte er etwas das ihn zu packen schien. Erschrocken klammerte er
sich an Daron und fühlte, wie sich die Hände des Prinzen ebenfalls in seiner
Kleidung vergruben.
Das war der Sog, der ihn schon einmal erfasst hatte und ihn jetzt immer stärker
Richtung Leya zog.
"Oh, Mann!", hörte er Daron entsetzt ausrufen. "Es stimmt tatsächlich! Es gibt
Magie!"
"Was dachtest du denn?", antwortete Rayo gereizt, wurde dann aber vom Sog
ruckartig nach vorn gerissen, als sich die Intensität schlagartig erhöhte. Ihm
wurde schwarz vor Augen und er drückte sie reflexartig zu.
Als Rayo die Augen wieder öffnete, fand er sich an einem ihm wohlbekannten Ort
wieder. Die Scheune - die gute alte, verfluchte Scheune.
"W-was...?"
Rayo wandte Daron sein Gesicht zu und beobachtete seine Reaktion auf das, was er
sah.
"Das sieht ja alles ganz normal aus..."
Diese Bemerkung brachte den Kleineren unwillkürlich zum Lachen.
"Was hast du denn gedacht, was du hier antreffen würdest?!", kicherte er. "Aber
keine Sorge, du wirst schon noch so einige Überraschungen erleben!"
"Äh..." Daron sah sich in der Scheune um. "Wenn du das sagst..."
"Ja, sage ich!", feixte Rayo und erhob sich vom staubigen Boden. Nachdem er
seine Kleidung abgeklopft hatte, hielt er dem noch immer fassungslosen Prinzen
eine Hand hin, um ihm auszuhelfen.
"Was ist denn?", fragte er, als Daron zögerlich seine dargebotene Hilfe ergriff
und sich hochziehen ließ. Noch immer schweifte sein Blick durch den Raum, als
erwartete er ein Feuer speiendes Ungeheuer in einer der dunklen Ecken lauern.
"Wo sind die grünen Zwerge und die ganzen Riesenkröten?", fragte Daron
ängstlich, sich halb hinter dem Kleineren verkriechend.
"Bitte?!", keuchte Rayo und musste sein Lachen unterdrücken, da er Daron nicht
kränken wollte. Schließlich meinte er es ernst, so seltsam es erscheinen
mochte.
"Na, es heißt doch in allen möglichen Geschichten, dass in fremden Welten
grüne bösartige Zwerge hausen und die diebischen Riesenkröten..."
Rayo konnte einfach nicht anders. Er lachte.
"W-wo... hast... hast du denn das... das gehört?!", schaffte er es
schließlich, Daron zu fragen. Er registrierte, dass er nicht der Einzige war,
der sich das Lachen nicht hatte verkneifen können. Der Prinz sah verzweifelt
aus.
"Prinz...", kicherte Lileya. "Also, diese Märchen sind doch nur erfunden!
Simere Grinter hat das Kinderbuch vor ziemlich langer Zeit geschrieben. Er hat
den ganzen Kram mit den Kröten und Zwergen bloß erfunden!"
"Grinter?" Daron schien vor Scham im Erdboden zu versinken und Rayo, der das
nicht mit ansehen konnte, warf seinem alten Freund und der Magierin finstere
Blicke zu. Das Gelächter verstummte sofort und Tomoya räusperte sich laut.
"Tut uns leid..." Stille trat ein.
"Natürlich weiß ich, dass das alles eine erfundene Geschichte war!", fauchte
Daron schließlich. "Aber meine erste Vorstellung bei der Erwähnung einer
fremden Welt war eben die des Buches."
"Schon gut, Daron!" Rayo lächelte ihm verständnisvoll zu. "Ich weiß, was du
meinst. Bei uns gibt es auch immer irgendwelche Dinge, die man sofort mit dem
Begriff Parallelwelt in Zusammenhang bringt!"
"Echt?" Erleichterung zeigte sich auf dem Gesicht des Prinzen.
"Ja!" Rayo nickte bekräftigend und lächelte noch breiter. "So etwas wie Elfen
und... Magie eben..."
"Das mit der Magie hat sich ja sogar bestätigt!", grinste Leya. Tomoya kratzte
sich ebenfalls grinsend am Hinterkopf und deutete dann zur Tür. "Gehen wir?"
"Okay!", stimmte Rayo zu und folgte den beiden Magiern zur Scheunentür, den
aufgewühlten Daron hinter sich herziehend.
"Also, da sind wir!" Lileya stand etwas abseits neben Tomoya und zwinkerte ihnen
zu. "Wir beiden verabschieden uns hier mal! Ich glaube, ihr braucht jetzt ein
bisschen Zeit, euch häuslich einzurichten!"
"Ähm..." Rayo sah vom Prinzen zu seinen Freunden. "Aber wohin gehst du denn,
Leya?"
"Zu Tomo-chan!" Sie grinste den bei dem Kosenamen errötenden Jungen frech an.
"In deinem Haus könnte es etwas eng für eine zusätzliche Personen werden!"
"Nun, du hast wohl recht." Lächelnd winkte Rayo den beiden zu, als sie sich mit
einer letzten Verbeugung vor dem Prinzen zum Gehen wandten.
"Und hier wohnst du?", fragte der Prinz nach ihrem Verschwinden ungläubig und
musterte das kleine Haus, das Rayo mit seiner Familie bewohnte. "Sehr... hm...
winzig!"
Der Kleinere neben ihm schnaubte ungehalten.
"Für drei Personen ist es ja wohl genug, oder?", fauchte er wütend.
"Drei?" Daron wirkte immer ungläubiger.
"Meine Eltern und ich!" Jetzt war Rayo verwirrt. "Erwartest du noch wen? Ich
sagte doch schon, dass ich keine Schwester habe!"
"Das meine ich ja auch nicht!" Daron verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich
rede von der Dienerschaft!"
"Hä?!" Rayo sah an der alten Fassade des Hauses hoch. "Welche Dienerschaft?"
Dann begriff er plötzlich. Für Daron war es ganz natürlich, dass ein normaler
Haushalt auch Bedienstete hatte.
"Habt ihr keinen Koch?", fragte der Prinz. "Keine Hausmädchen und keinen
Gärtner?"
"Nein!", war Rayos schlichte Antwort.
"Wie arm!"
Dafür bekam Daron eine sicher nicht gerade angenehme Kopfnuss verpasst und
zuckte überrascht zurück.
"Wir haben hier keine Dienerschaft!", sagte Rayo fest. "Das ist in meiner Welt
nicht üblich! Es gibt höchstens bezahlte Angestellte, für die Leute, die es
sich leisten wollen und keine Zeit oder Lust haben, selbst zu putzen!"
"Und wer macht bei euch sauber?" Daron sah zu den Fenstern hoch, an denen, neben
weißen Gardinen, kleine Blumentöpfe durch die Scheiben zu sehen waren.
"Meine Mutter macht den Haushalt!" Seufzend trat Rayo an die Tür und drückte
den Klingelknopf. Der Prinz quietschte erschrocken und zuckte zurück.
"Was war das?" Er kam wieder näher.
"Die Klingel!", lachte Rayo. "Das ersetzt sozusagen den Türsteher. Wenn es
klingelt, wissen meine Eltern, dass wer an der Tür ist und können öffnen
gehen!"
"Oh..." Der Prinz beugte sich über den kleinen Knopf. "... Krass!"
Seine Hand schnellte vor und drückte wiederholt auf den Schalter. Die Schelle
ertönte erneut.
"Daron, lass das!" Rayo versuchte, den begeisterten Prinzen von der Klingel
wegzuziehen, doch Daron war um einiges stärker als er und seine Bemühungen
blieben erfolglos. Der durchdringende Klingelton brach jedoch abrupt ab, als die
Tür aufgerissen wurde.
Erschrocken wandte Rayo seinen Kopf der Person zu, die etwas erzürnt nach
draußen schaute. Er errötete sofort, als er merkte, in welch peinlicher
Position er sich befand. Er hatte die Arme von hinten um Daron geschlungen, um
ihn von der Klingel wegzuziehen und das musste für einem Außenstehenden
ziemlich eindeutig aussehen.
"Rayo?" Ein kleines Mädchen mit brünetten Locken grinste ihn fies an. "Auch
mal wieder da?"
>Nein, nicht sie!<
"Yoko?" Er ließ Daron los und musterte seine Kusine mit begrenzter
Begeisterung. Hinter dem fünfjährigen Mädchen tauchte eine weitere Person
auf, eine weit größere.
Seine Mutter. Es war wirklich seine Mutter...
"Mama!" Kaum hatte er sie erblickt, stürzte er auf sie zu und umarmte sie
stürmisch. "Ich hab' dich so vermisst!"
Er vergrub den Kopf in ihrer Halsbeuge, um seine aufkommenden Tränen zu
verstecken.
"Rayo...?" Die Stimme seiner Mutter tat gut, ebenso wie ihre Wärme und die
vertrauten Arme, die sich mit ihrer üblichen Sanftheit um ihn legten. Der
vertraute Geruch und die ganze Atmosphäre, die sie umgaben, ließen ihn
innerlich zur Ruhe kommen, wie es seit jeher gewesen war. Allein ihre Nähe
heilte die Wunden in seinem Inneren, die er mit sich herumgetragen hatte. Jetzt
war er zu Hause.
"Rayo, du bist wirklich wieder da?" Ihre Stimme klang etwas unsicher, doch
scheinbar wusste sie schon von seiner Reise, denn es war nur Überraschung und
Erleichterung, die er heraushören konnte. Und Sorge.
Es tat gut, wenn jemand sich um einen sorgte...
Die Liebe einer Mutter war durch nichts zu ersetzen. Ohne sie wäre sein Leben
nur zur Hälfte erfüllt. Und er wusste, dass seine Mutter ihn liebte und das
machte ihn glücklich.
"Tomoya hat mir über den Unfall erzählt.", murmelte seine Mutter an seinem
Ohr. "Und er sagte, er würde dich zurückbringen. Ich hatte solche Angst um
dich!"
"Mama..." Die Tränen ließen sich nicht länger zurückhalten und wie
verzweifelt klammerte er sich an seine Mutter, während die warme salzige
Flüssigkeit ihren Weg über seine Wangen suchte und schließlich in der
häuslichen Kleidung der Person verschwand, die ihn in diese Welt gesetzt hatte,
die sein Leben mit ihrer Liebe aufgebaut hatte. Die sich trotz einiger
Streitereien immer um ihn gesorgt und gekümmert hatte. Die ihn vor allem
beschützt hatte und nie etwas von ihm verlangt hatte, das er ihr nicht hatte
geben können.
Nach einiger Zeit lehnte er sich etwas zurück und sah in das lächelnde Gesicht
seiner Mutter.
Eine Hand hob sich an sein tränenfeuchtes Gesicht und strich zärtlich über
seine Wange. Rayo schaute in die liebevollen Augen hinauf, als hätte er sie
nach etlichen Jahren das erste Mal wieder gesehen. Und doch kannte er jeden
Millimeter ihrer Haut, ihrer lockigen schwarzen Haare, ihrer warmen braunen
Augen. Er kannte jedes Muttermal, jede Sommersprosse, die sie hatte, obwohl sie
dunkelhaarig war.
"Du siehst zerzaust aus!" Seine Mutter legte den Kopf leicht schief, das
Lächeln noch immer auf den Lippen.
"Ich hatte keine Bürste.", sagte er lahm, noch immer benommen vom Weinen.
"Na, dann komm mal endlich rein, Raya!" Seine Mutter grinste.
"Nenn mich nicht so!", erwiderte Rayo bockig, ließ sich jedoch von seiner
Mutter durch das Haar strubbeln. Diese Veränderung seines Namens hatte er
seinem ziemlich femininen Aussehen zu verdanken. Als Kleinkind hatten einige
Passanten ihn auf Spaziergängen für ein Mädchen gehalten. So war der Name
zustande gekommen. Und als er dann vor Thera gestanden hatte, war ihm nichts
besseres eingefallen und er hatte rasch >Raya< gesagt.
Er drehte sich zu Daron um, der etwas verlegen noch immer im Freien stand und
wohl gerade versuchte, seine Kusine Yoko loszuwerden, die ihn ausfragte.
"Aber ich dachte, ein Prinz hat eine Krone!" Skepsis triefte aus ihrer Stimme.
"Ich glaube dir nicht! Gib's zu, es gibt gar keine Prinzen! Die gibt's nur in
Märchen!"
"Ich bin ein Prinz!", beharrte Daron und funkelte das Mädchen stolz an. "Du
musst mir ja nicht glauben!"
"Du bist gemein!!" Yoko bückte sich, schöpfte Dreck aus dem Blumenbeet in ihre
Hände und bewarf Daron damit. "Da hast du's!!"
Der Prinz schrie auf und stolperte zurück.
"Du Monster!", schrie er und begann, es ihr in gleicher Weise heimzuzahlen.
"Friss Dreck!"
Das Mädchen blinzelte verdutzt, grinste dann hinterhältig und hob die Hände
ans Gesicht. Weinend rannte sie zu Rayo.
"Rayo!!", heulte sie. "Der Junge ist ganz gemein zu mir!"
Rayo verdrehte bei der schlechten schauspielerischen Leistung die Augen,
tätschelte aber dennoch den Lockenkopf des Mädchens.
"Das zieht bei mir nicht, Yoko!", sagte er und warf Daron einen beruhigenden
Blick zu, denn der schien ziemlich beschämt, ein Kind zum Weinen gebracht zu
haben.
"Wer ist denn das, Rayo?", fragte seine Mutter hinter ihm. Daron schien das als
Gelegenheit zu sehen, sich vorzustellen und trat vor.
"Prinz Daron Troya!" Er verbeugte sich.
"Er ist mit mir aus der anderen Welt gekommen!", fügte Rayo zögerlich hinzu.
"Er passt auf mich auf und hat mich schon mehr als einmal gerettet. Kann er...
kann er erst einmal hierbleiben?"
"Hier?" Seine Mutter hatte es wohl einfach akzeptiert, dass Daron aus der
anderen Welt kam.
"Ja, er weiß ja sonst nicht, wohin er soll. Er wollte unbedingt mitkommen!"
"Nun, von mir aus!" Sie lächelte wieder. "Aber er muss in deinem Zimmer
schlafen, woanders ist kein Platz."
"Klar!" Rayo tauschte mit Daron einen freudestrahlenden Blick aus.
"Kaori?" Eine weitere Person erschien in der Tür, die eben Rayos Mutter gerufen
hatte. "Wer ist denn da? Und wo ist Yoko?"
"Ich bin hier, Ma!" Das Mädchen ließ Rayos Hand los, die sie bei ihrer
Heultirade ergriffen hatte und rannte zur Tür, an der jetzt Rayos Tante
erschien.
"Wir haben Besuch!", erklärte Kaori Tamono und deutete auf Rayo und Daron.
"Oh, dir geht es also gut..." Wirklich überschwenglich begeistert klang das
nicht. Rayo wusste schon, warum er seine Tante nicht leiden konnte.
"Ja, mir geht es gut..."
"Also, Kaori, wir gehen dann.", sagte seine Tante mit arroganter Stimme an seine
Mutter gewandt. "Mein Mann erwartet mich am Bahnhof!"
"Ja, viel Spaß in Kyoto!", lächelte Frau Tamono höflich.
"Komm, Yoko!" Die beiden verschwanden um die Ecke und kurz darauf fuhr ein
großes schwarzes Auto vorbei.
"Dumme Kuh!", grollte Rayo und niemand, nicht einmal seine Mutter, widersprach
ihm.
"Nun, denn... Kommt rein, ihr beiden!" Kaori deutete ins Innere des Hauses.
Darons Blick verfinsterte sich, ob der Anrede, die ihn vom Prinzen zum einfachen
Menschen degradierte.
"Na, los, Daron!" Rayo ergriff seine Hand und zog ihn hinter sich her. "Warum
guckst du jetzt wieder so wütend?"
"Alle tun hier so, als wäre ich... na, ja... ein Nichts."
"Das kommt dir nur so vor, weil du es gewöhnt bist, verehrt zu werden!", sagte
Rayo mit Schalk in den Augen und entledigte sich seiner Schuhe. "Dabei solltest
du es mal genießen lernen, ein ganz normaler Mensch zu sein!"
"Genießen?!" Damit schien Daron sehr unzufrieden.
"Ja, da darf man sich viel mehr erlauben, als wenn aller Augen auf einen
gerichtet sind!" Diesmal war er ernst und ließ den Prinzen einen Moment
darüber nachdenken.
"Was meinst du mit >mehr erlauben", fragte er.
"Na, so was wie... Fluchen, ohne, dass jemand daran Anstoß nimmt... du kannst
vieles tun, ohne, dass es die ganze Welt am nächsten Tag weiß... du
kannst..."
"... ich könnte dich küssen, ohne, dass jemand was dagegen hat?"
"Was?" Perplex starrte Rayo den Prinzen an, der ihm auf einmal näher war, als
vorher, so dass er sogar seinen Atem im Gesicht spüren konnte. "Nun... das
theoretisch auch, aber..."
"Aber?"
"Äh... das ist übrigens unser Wohnzimmer!" Er zeigte in das Zimmer und
augenblicklich war Daron abgelenkt.
"Was ist das denn für ein Raum?" Sein Blick wanderte über die modernen Möbel
und die technischen Geräte. "Und was ist das hier?"
Er stand vor dem Fernseher und starrte das Glas an, hinter dem nur Dunkelheit
herrschte.
"Und das?" Er hüpfte zur Stereoanlage und sah sich die vielen Schalter und
Anzeigen an. Besonders interessant erschien ihm wohl die blinkende Digitaluhr
auf dem Display.
"Wie funktioniert das?" Er tippte gegen das Plastik, hinter dem die Uhr
leuchtete.
Rayo hingegen befand sich in Erklärungsnot. Wie sollte er das alles dem Prinzen
jemals beibringen?
"Hey, auf dem blinkenden Ding hat sich was verändert!", kommentierte Daron, als
die Uhr eine Minute weitersprang. Das schien ihn irgendwie zu erschrecken und er
wandte sich lieber dem Regal zu, auf dem Blumen und Bilder von Rayos Familie
standen. Er griff nach einem der eingerahmten Fotos, auf dem ein Kleinkind-Rayo
sein bestes Zahnlücken-Grinsen zur Schau trug.
"Was sind denn das für Portraits?", fragte er aufgeregt. "Bist das etwa du?"
"Äh..." Errötend stürzte Rayo vor und versuchte, nach dem Bild zu greifen,
doch Daron wich ihm geschickt aus.
"Ich hatte also recht!", grinste er verschmitzt und betrachtete den kleinen
Jungen auf dem Foto eingehender. "Wer hat das gemalt? Das ist wirklich gut!"
"Also... also..." Rayo öffnete eine kleine Schranktür und holte einen
Fotoapparat hervor. "Na, ja, wir brauchen die Bilder nicht malen zu lassen, wir
haben das hier!"
Er hielt dem Prinzen das Gerät unter die Nase.
"Ach..." Er nahm den Apparat entgegen. "Mit dem kleinen Teil wollt ihr Portraits
erschaffen?"
"Ja, das geht ganz einfach!", meinte Rayo fröhlich. "Stell dich mal da hin!"
Er hob das Gerät an und schaltete es ein.
"So und jetzt schön lächeln!", verlangte Rayo. Daron gehorchte und lächelte
leicht irritiert.
Der Auslöser wurde gedrückt und es blitzte einmal auf. Daron schrie
erschrocken auf und machte einen Satz nach hinten, wobei seine Hand automatisch
zum Schwert wanderte.
"Was...", knurrte er. "Was war das?!"
"Ich habe ein Bild von dir gemacht!", sagte Rayo schlicht und zog das Bild aus
der Sofortbildkamera, aber es war noch nichts zu erkennen. "Wir haben zwei
solcher Apparate. Bei dem hier geht es ganz schnell, schau mal!"
Daron trat wieder näher und starrte das Bild an, dessen Konturen langsam
erschienen. Gemeinsam sahen sie dabei zu, wie das Foto sich entwickelte und
schließlich den Prinzen zeigte.
"Toll...", sagte Daron staunend. "Sowas will ich auch!"
"Ich glaube nicht, dass du den Fotoapparat mitnehmen kannst!", grinste Rayo und
stellte ihn wieder zurück in den Schrank. Das Foto ließ er in seiner
Hosentasche verschwinden.
"Habt ihr noch mehr solcher tollen Sachen?!", fragte Daron neugierig und bezog
das Wohnzimmer einer noch eingehenderen Untersuchung.
"Tja... einige..." Rayo wusste gar nicht, wo er anfangen sollte und ihm
schwirrte so langsam der Kopf. So ein Prinz war schon anstrengend!
"Kommt ihr zum Essen?", befreite ihn da die Stimme seiner Mutter, die aus der
Küche rief.
"Essen?" Daron war sofort wieder im Flur verschwunden und Rayo musste ihm
hinterher hetzen, damit er sich nicht irgendwo im Haus verirrte.
"Hier geht's lang!", sagte er, zog den ungeduldigen Prinzen aus dem Schlafzimmer
seiner Eltern und führte ihn zur Küche, in der seine Mutter gerade die Teller
mit Reis, leckerem Fleisch und Soße füllte.
"Yammi!" Daron ließ sich auf einen Sitz plumpsen und suchte nach dem Besteck.
Rayo setzte sich neben ihn und bekam ebenfalls einen Teller vor die Nase
gesetzt.
"Gut, dass ich schon so gut wie fertig mit dem Kochen war!", lächelte seine
Mutter und nahm sich selbst auch einen Teller.
"Wie soll ich denn...?" Daron stupste Rayo mit dem Ellbogen an. "Wie soll ich
denn ohne Besteck essen?!"
"Hm?" Rayo sah auf die Stäbchen in seinen eigenen Händen hinab. "Hier ist doch
Besteck!"
"Das da?" Der Prinz nahm die kleinen Holzstäbe, die neben seinem eigenen Teller
lagen und betrachtete sie misstrauisch. "Wie das denn?"
Rayo seufzte und demonstrierte ihm das Essen mit Stäbchen, indem er den Reis
aufpickte und in seinen Mund schob.
"Ganz einfach!"
"Das kann ich nicht!" Darons Versuche scheiterten kläglich.
"Ich kann dir auch Gabel und Messer geben.", bot Kaori Tamono helfend an.
"Ja, gerne!" Dass ihn eine normale Frau duzte, gefiel Daron scheinbar wirklich
nicht, aber er riss sich sichtlich zusammen und Rayos Mutter nahm seinen Ärger
gar nicht wahr. Ganz zu Rayos Erleichterung. Während sie aufstand um das
irgendwo in ihrem Haushalt vergrabene westliche Essbesteck zu suchen, lehnte
Daron sich ungeduldig näher zu Rayo herüber und sah ihn flehentlich an.
"Gib mir was ab!" Abwartend öffnete er den Mund. Rayo seufzte zögerlich, hob
dann ein Stück Fleisch von seinem Teller und schob es dem Prinzen langsam in
den Mund. Kauend und mit einem glücklichen Funkeln in den grauen Augen, legte
Daron seinen Kopf leicht auf Rayos Schulter.
"Das schmeckt gut.", murmelte er mit vollem Mund. "Seltsam, aber gut."
"Das ist schön...", antwortete Rayo und hielt ihm noch einmal die Stäbchen
hin. Zu dem Angebot sagte Daron nicht Nein und ließ sich bereitwillig mit dem
Essen füttern.
"Euer Haus ist wirklich merkwürdig.", murmelte der Prinz schmatzend und
betrachtete dabei von seinem Platz an Rayos Seite aus das Mobiliar der Küche.
"Es ist eben meine Welt, da ist alles anders!", grinste Rayo. "Wir benutzen zum
Beispiel kein Feuer zum Kochen oder Heizen!"
"Wie bitte?!" Daron sprang auf und lief zum Kochtopf. "Aber das Essen dampft
doch!"
"Siehst du die schwarze Platte da?" Auf ein Nicken des Prinzen erklärte er
weiter. "Das ist eine Kochplatte und pass auf, die ist..."
"HEIß!!!" Daron machte einen großen Satz rückwärts und flüchtete sich
schnell zu Rayo, an den er sich kläglich klammerte. "Verdammt, das ist ja
grausig!"
Rayo hingegen war überrumpelt von dem plötzlichen Ansturm und hielt sich
ebenfalls an Daron fest, um nicht vom Stuhl zu fallen.
"Also, du bist manchmal echt jämmerlich!", stichelte er, als er sein
Gleichgewicht wieder zurückgewonnen hatte.
"Woher sollte ich denn wissen, dass dieses Ding heiß wie Feuer ist?!" Der Prinz
lehnte sich auf seinem Schoß zurück und ihre Blicke trafen sich.
>Schon wieder diese sturmgrauen Augen... Hat ihm eigentlich jemals jemand
gesagt, wie schön die sind?<
"So, Kinder!" Als er seine Mutter im Flur trällern hörte, riss er sich schnell
von dem anderen Jungen los und setzte sich richtig an seinen Platz, als sei
nichts gewesen. "Ich habe das Besteck!"
Die Frau hielt Daron die silberne Gabel und das dazugehörige Messer unter die
Nase. Er griff erfreut danach, warf Rayo danach jedoch einen fragenden Blick
zu.
"Was sollte das eben?"
"Was denn?" Rayo beugte sich über seinen Teller und aß. Er wusste natürlich,
was gemeint war, aber es war ihm einfach zu peinlich seiner Mutter zu zeigen,
dass er Daron in mehr als freundschaftlicher Weise mochte. Erst seitdem er vor
ihr saß, fiel ihm so richtig auf, wie nah er und Daron sich eigentlich schon
die ganze Zeit über gewesen waren. Er hatte es nicht bemerkt, weil einfach
niemand dabei gewesen war, den er gut kannte. Niemand, vor dem er sich hatte
zurückhalten müssen. Und nun saß er seiner Mutter gegenüber. Was würde sie
dazu sagen, wenn sie erführe, dass er sich in einen Jungen verliebt hatte?
Nein, er mochte sich das nicht vorstellen...
"Wieso bist du vor mir zurückgeschreckt, als..." Rayo trat Daron auf den Fuß
und brachte ihn somit zum Verstummen.
"Guten Appetit, Daron!!", knurrte er.
Seine Mutter schaute perplex, schien sich aber nicht weiter an dem seltsamen
Verhalten ihres Sohnes und vor allem dem des Gastes zu stören. Andere Welten,
andere Sitten... Sie seufzte innerlich.
Es wurde wieder still um sie herum, als alle das Essen vertilgten. Besonders
Daron legte einen gesunden Appetit an den Tag. Kurz darauf schon waren die
Teller leer und die Mägen voll.
"Hat's geschmeckt?", fragte Kaori Tamono, als sie abzuräumen begann.
"Sehr!", sagten Rayo und Daron wie aus einem Munde und schauten sich dann
kichernd an.
"Wir gehen mal auf mein Zimmer!", verabschiedete Rayo sich und war froh, als
seine Mutter ihn ohne Hausarbeit ziehen ließ. Sonst hatte er immer geholfen,
doch es war wohl auch für sie verständlich, dass er heute etwas Ruhe haben
wollte.
Er zog Daron hinter sich her, in Richtung seines Zimmers und schloss die Tür,
nachdem sie den Raum betreten hatten.
"So, da wären wir!" Rayo machte eine Geste zu seinen Habseligkeiten und ließ
sich dann erschöpft rücklings auf das Bett fallen.
>Zu Hause!<
Der Prinz stand immer noch am Eingang und sah sich um.
"Und das ist wirklich dein einziges Zimmer?", wagte er vorsichtig zu fragen und
versuchte, nicht allzu ungläubig zu klingen, da er inzwischen aus Erfahrung
gelernt hatte, dass nicht alle es so groß hatten, wie er daheim.
"Ja.", bekam er simpel zur Antwort. "Das genügt mir."
Sich umsehend machte Daron eins zwei Schritte, blieb dann wieder zögerlich
stehen, als traute er sich nicht, irgend etwas anzufassen.
"Was ist?", fragte Rayo gähnend und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf,
während er seinen Gast musterte.
"Na, ja...", räusperte Daron sich. "In deinem Haus scheint es ja allerlei
gefährliche Dinge zu geben... und..."
Rayo lachte leise und rollte sich auf die Seite, ohne den Prinzen aus den Augen
zu lassen.
"Hier gibt es nichts Gefährliches!" Er gähnte ein weiteres Mal und lächelte
Daron matt an. "Sieh dich ruhig um, ich ruh' mich eine Weile aus."
Damit drehte er sich auf die andere Seite und schloss die Augen. Schlafen wollte
er nicht. Nur etwas dösen und die vertraute Umgebung genießen. Einfach hier
liegen und nichts tun...
Ein surrendes Geräusch war das nächste, was er wahrnahm. Er grummelte und
verscheuchte die lästige Fliege, die ihm um die Ohren schwirrte.
>Was für eine grässliche Art, geweckt zu werden...<
Er blinzelte müde und starrte für einen Moment die Wand an, innerlich mit sich
ringend, ob er einfach weiterschlafen sollte, oder nicht, bis die Erinnerung an
die Zeit vor seinem Schläfchen ihn aufschrecken ließ. Er hatte gar nicht
schlafen wollen! Und was, wenn Daron inzwischen sein Zimmer verwüstet
hatte...?!
Dann aber entspannte er sich wieder. Was sollte Daron schon gemacht haben? Es
war einfach viel zu angenehm unter der Decke, als dass er jetzt aufstehen
können würde. So warm.
Er griff nach dem Stoff, um ihn weiter über sich zu ziehen, doch irgend etwas
stimmte damit nicht - er fühlte sich verdächtig lebendig an. Und wenn er sich
recht erinnerte, hatte er sich vor seinem Einschlafen gar nicht zugedeckt...
>Daron! So ein anhänglicher Prinz, ich glaub's nicht!<
Der andere Junge musste sich irgendwann hinter ihm aufs Bett gelegt haben und
sich - er vermutete im Schlaf - an ihn gekuschelt haben. Ein Arm hatte sich um
Rayos Hüfte gelegt und die Hand ruhte an seinem Bauch. Errötend stellte der
nun Hellwache fest, dass diese Hand unter und keinesfalls über seinem Hemd lag.
Nicht, dass er etwas dagegen hatte... aber allein die Vorstellung ließ das Blut
in seinen Adern schneller rauschen.
Der Rotton vertiefte sich noch, als Daron sich plötzlich zu bewegen begann und
die Hand sich noch weiter nach oben verschob. Einer berauschenden Tortur gleich
streiften die Finger zart seinen Bauch entlang, nur um dann wieder zur Ruhe zu
kommen und die berührte Haut fast brennend zurückzulassen. Langsam wurde ihm
das echt zuviel, doch er wagte es nicht, auch nur mit der Wimper zu zucken.
Als der Prinz einmal tief seufzte, wusste Rayo, dass sein Mund direkt an seinem
Nacken liegen musste, so dass die Luft, die er ausatmete, über seine nun
seltsam empfindliche Haut strich.
Er musste wie zur Salzsäule erstarrt sein, spürte die Spannung geradezu seinen
ganzen Körper verkrampfen. Er musste sich ernsthaft bemühen, seinen Atem ruhig
zu halten.
"Daron?" Er hielt das nicht mehr aus, er musste hier weg. Er musste Daron
wecken, sonst würde er etwas tun, das er hinterher bitter bereuen würde. "Los,
steh' schon auf!"
Seine Worte schienen jedoch nicht die Wirkung zu erzielen, die er sich erhoffte.
Statt aufzuwachen und ihn loszulassen, murmelte der Prinz bloß etwas
unverständliches und drückte sich, kurz von der Kälte erzitternd, näher an
ihn heran.
Mehr Wärme, mehr Körperkontakt... das war genau das Gegenteil von dem, was er
im Augenblick vertrug.
"Daron, verdammt!!" Er kämpfte sich in dem Griff des Größeren auf die andere
Seite, um ihm ansehen zu können, doch auch das schien ihm verwehrt zu werden,
denn der Prinz zog ihn sofort in eine noch engere Umarmung und vergrub sein
Gesicht in Rayos Halsbeuge.
Grummelnd beugte Rayo sich schließlich zu Darons Ohr hinunter.
"Daron, wenn du mich nicht sofort loslässt...", wisperte er gefährlich leise.
"...dann schicke ich dich wieder nach Hause!"
"Tust du nicht...", hörte er eine gedämpfte Erwiderung und fuhr erschrocken
zusammen. Also war er letztendlich doch aufgewacht. Nur... warum ließ er ihn
dann nicht endlich los?!
"Natürlich schicke ich dich dann zurück...", erklärte Rayo, weiterhin im
Flüsterton sprechend. "Du musst es ja nicht glauben! Lass es doch auf einen
Versuch ankommen!"
"Okay..."
Darons nächste Tat ließ Rayo vor Schreck aufkeuchen. Etwas warmes, feuchtes
setzte an seinem Hals auf, das er sofort als Darons Lippen identifizierte, die
spielerisch seine Haut neckten.
"Also... also...", keuchte er, halb erschrocken und halb verzückt von dem
warmen Gefühl, das sich durch seinen ganzen Körper zog, ausgehend von Darons
Mund, der sich seinen Weg über Rayos Kinn, seinen Kiefer entlang bahnte, bis er
die zarten Lippen und den weichen Atem an seinem Ohr spüren konnte.
"Verloren...", murmelte Daron triumphierend und drehte den schmächtigeren
Jungen unter sich auf den Rücken, so dass er zur Hälfte auf ihm lag.
"Warum?" Rayo wusste nicht, wieso er überhaupt weiter darauf einging...
vielleicht half es ihm ja, sich von seiner jetzigen Position abzulenken und
etwas Ruhe in seine zittrigen Glieder zu bekommen. Er versuchte vergeblich, sich
zu entspannen und einfach nur das angenehme warme Gewicht auf sich zu genießen,
aber bei Daron konnte er nie vorhersagen, wie er in der nächsten Sekunde
reagieren würde.
"Du bist schon wieder schwach geworden...", lachte der Prinz leise. Der unter
ihm Liegende konnte genau die bei dem kurzen Kichern entstandene Vibration auf
sich übergehen und in seinen eigenen Körper eindringen fühlen. Es war schön.
"Ich und schwach?", wehrte er sich, ohne wirkliche Willenskraft in seine Stimme
bringen zu können.
"Ja, ganz genau..."
"Ne, ne..." Rayo grinste schelmisch, als er zu seinem Gegenschlag ausholte. "Du
bist es doch, der die Finger nicht von mir lassen kann!"
"Wer sagt denn, dass ich das überhaupt will?"
Wie zur Verdeutlichung seiner Worte ließ der Prinz eine Hand an Rayos Seite
hinauf wandern, bis sie auf seinem Schulterblatt zu Liegen kam.
"Ähm... Na, ja..." Er schwieg und starrte den Prinzen nur fassungslos an.
"Sprachlos?", fragte Daron mit einem verschmitzten Grinsen.
"So... so ziemlich...", stotterte Rayo und wandte verlegen den Blick von Darons
Gesicht ab. Seine Augen weiteten sich jedoch bei dem Anblick der sich ihm bot
und die Fassungslosigkeit in seinen Zügen vertiefte sich um ein paar Stufen.
"M-mein... Zimmer..." Puzzleteil für Puzzleteil fügte sich ins Bild und ihm
wurde klar, wer das angerichtet hatte.
Sein Zimmer war eine absolute Verwüstung. Während er geschlafen hatte, musste
Daron sich wohl seinen Besitz genaustens angesehen haben.
Rayo sprang auf und Daron purzelte zu Boden, wo er mit einem dumpfen Geräusch
auf seinem Allerwertesten landete.
"Was hast du mit meinem Zimmer gemacht?!", schrie er verärgert. "Meine ganze
CD-Sammlung ist auf dem Boden zerstreut! Nein... meine Spiele!! Die
Schulsachen... öh... na, ja, die sind nicht so wichtig... aber... nein, was
hast du nur gemacht! Nichts liegt mehr an seinem angestammten Platz!!"
"Rayo, du sagtest doch, ich darf mich umsehen...", verteidigte der Prinz sich
lahm und mit einem gleichzeitig viel zu schuldbewussten Gesicht.
"Aber das hieß doch nicht, dass du mein Zimmer umräumen darfst!!"
"Ich war halt neugierig..." Daron schaute zur Seite und hob dann etwas vom Boden
auf. "Übrigens, was ist das hier?"
"Wie?" Rayo blinzelte verwirrt und betrachtete den merkwürdigen Gegenstand, den
der Prinz ihm entgegenhielt. Einige Drähte hingen an den Seiten heraus und
überhaupt schien das Ding aus einem Gewusel an Draht und Plastik zu bestehen.
"Es hat so komisch getickt und da habe ich es aufgemacht, um zu gucken, wer da
drin ist, aber irgendwie... äh... Rayo?" Daron schaute ängstlich. Und das war
auch gar kein Wunder, denn Rayo hatte endlich erkannt, was dieser Gegenstand
einst gewesen war und war - gelinde gesagt - wütend.
"Du hast meine Uhr auseinandergenommen?!", fragte er ungläubig. "Sag, mal, wie
kommst du denn auf so eine Idee? Und warum ist die Hülle kaputt? Die kann ich
wegwerfen!"
"Wegwerfen?" Das schien den Prinz noch schuldbewusster zu machen. "Na, ja, es
tickt nicht mehr, aber... als ich es mit meinem Schwert aufgeschnitten habe..."
"Aufgeschnitten?!" Rayo starrte seine ehemalige Uhr perplex an. "Ich glaub's
nicht! Du hast sie tatsächlich aufgeschnitten!"
"Na, ja..." Der Prinz zögerte. "...ja."
"Bist du verrückt geworden?!"
"Ähm... nein?" Daron wand sich in Unbehagen, sah dann jedoch auf seine Hände
hinab, die das zerfledderte Teil noch immer festhielten. "Ich meine, es tut mir
leid..."
Rayo riss erstaunt die Augen auf. Daron hatte sich entschuldigt? Freiwillig?
Wow...
"Nun..." Er lächelte leicht. "Okay..."
"Aber, Rayo...", sprach Daron weinerlich weiter. "Was ist denn das nun...
gewesen?"
To Be Continued
So, das war's wieder einmal. Wie kam der Teil an?
Das Kapitel ist diesmal ein klein wenig kürzer als die letzten. Sorry... ^^
Aber es ist ja mal wieder einiges passiert. Daron weiß zum Beispiel jetzt über
Rayo Bescheid. Ich fand, das ging etwas schnell in der Szene und ich weiß
nicht, wie lange ich daran herumgebastelt habe... aber einige von euch wissen
sicherlich, wie schwierig es ist, Dinge rauskommen zu lassen, die am Anfang ja
noch für eine Person geheim waren. Sehr schwierig. Sehr, sehr schwierig.
Die Szene, in der Rayo seine Mutter wieder trifft, habe ich in Gedenken an meine
eigene Mutter geschrieben, die Ende letzten Jahres verstorben ist. Ich möchte
jetzt aber keine Beileidsbekundungen dafür, ich wollte es nur erwähnt haben,
weil der Teil der Story mir eben viel bedeutet. Ich hoffe, seine Mutter kam klar
rüber, äh, sie wird wahrscheinlich keine so große Rolle in der Geschichte
spielen, ich weiß noch nicht.
Schwester Thera kommt übrigens bald auch wieder vor, was einige sich ja
gewünscht haben. Ich denke, noch nicht im nächsten Kapitel, aber danach wohl.
Kommt immer darauf an, wie lange sich das hinzieht. Oh, der Part wird lustig
*lol*
Fragt mich jetzt nicht, wie lange Rayo und Daron in der normalen Rayoschen Welt
bleiben werden, das weiß ich selbst noch nicht so genau. Mir fiele da noch so
einiges ein, aber das steht noch nicht fest. Was ist euch also lieber? Im
nächsten Teil bleiben sie auf jeden Fall noch da, aus Gründen, die mit dem
Plot zu tun haben, was danach ist, überlasse ich euch. Möchtet ihr, dass sie
wieder zurück in Darons Welt gehen, oder wollt ihr, dass sie noch eine Weile
bleiben?
A) Gehen
B) Bleiben
C) Anderer Vorschlag
Also, es liegt an euch. Ich habe mich noch nicht festgelegt und werde mich
soweit ich kann an den Wünschen orientieren. Was also kommt, lasse ich euch
dann im Nach- oder Vorwort zum nächsten Kapitel wissen.
Was noch? Ach, ja. Mein Dank geht an meine Kommentare-Schreiber: gitanija,
Jenny-chan, Mistery, Pep, Black-cat, Kasan, julili, Cibi, Marn, Kazuhi-chan,
Peruka, Angel_of_Godess(Reihenfolge der Kommentare.)
Ich liebe euch!! *knuddelt alle durch* Ihr seid wirklich motivierend und ich
verspreche euch, dass ich die Story auf keinen Fall aufgeben werde. Nicht, wenn
es sich verhindern lässt.
Und um es noch einmal zu klären: Das ,Abgeschlossen' bedeutet bei mit nichts
anderes, als dass ich nicht sagen kann, wie lang die Geschichte noch wird. Denkt
euch da einfach ein ,nicht abgeschlossen' rein. Ich finde es wirklich
ärgerlich, dass man da Prozent angeben muss. Ich weiß es nämlich wirklich
nicht. -.- *sigh*
Gut, ich rede wieder viel zu viel. Danke fürs lesen und bis zum neunten Part.
Aber ich glaube, dazwischen kommt noch mein zweites Special, seht euch also um.
Ciao
Tara
Ach, ja...
*räusper und darauf wart, dass alle hinhören*
Rayos Reise muss weitergehen!!!
Kapitel 10: Special 2
---------------------
Rayos Reise Special 2 - Indianer... äh... Prinzen weinen nicht
Hey, hier ist mein zweites Special zu Rayos Reise! Ich habe es für meine beste
Freundin Amy geschrieben, aber die Idee ist auf meinem eigenen Mist gewachsen!
Das Special findet - wie im Titel angedeutet - während des achten Parts statt.
Kein konkreter Punkt in der Geschichte!
Okay, viel Spaß beim Lesen, ein großes Dankeschön an alle, die dies hier
gefunden haben und an die, die es kommentieren und ein großes Dankeschön an
die, die mir so schöne Vorschläge gemacht haben! Danke!! *umarmt alle, die
nicht rechtzeitig fliehen können*
Rayo saß in seinem Zimmer und kramte durch seine Schulsachen. Es war Zeit, dass
er zurück in die Schule kam und den Stoff der letzten Tage nachholte. Sein
Fehlen war sicherlich einfach zu erklären: Grippe.
Im Moment kursierte nämlich eine Grippewelle und da würde er keinerlei
Schwierigkeiten bekommen.
Seufzend packte er den Lernstoff beiseite und sah zur Tür. Daron wollte bloß
eben zur Toilette gehen, hatte er gesagt und jetzt waren inzwischen schon an die
zehn Minuten vergangen. Rayo runzelte leicht besorgt die Stirn.
"Ich hätte mitgehen sollen...", murmelte er für sich und errötete daraufhin
heftig. "Ach, Quatsch..."
Aber es konnte alles mögliche passiert sein, bei Darons Temperament würde ihn
gar nichts verwundern. Vielleicht hatte er an elektrischen Geräten
herumgespielt, oder... schlimmer noch, an einer Steckdose...!
Rayo sprang auf und öffnete schnell die Tür. Der Flur war leer und ruhig. Als
er in den Gang hinaustrat hörte er seine Mutter im Wohnzimmer eines ihrer neuen
Lieblingslieder mitsingen, das wohl gerade im Radio lief. Er betrat den großen
Raum und sah sich kurz um. Seine Mutter wischte Staub, schenkte ihm ansonsten
nur ein Lächeln, als Zeichen, dass sie ihn gesehen hatte.
"Hi, Mama.", grüßte er leise. "Hast du Daron gesehen?"
"Nein, Schatz!", säuselte sie und sang weiter mit. "You took my heart, took my
soul an' now I'm delirious..."
"Okay..." Rayo verließ das Wohnzimmer schnell wieder und seufzte. Er war es ja
gewohnt, dass seine Mutter manchmal sang, aber englische Lieder?
>Nein, das sollte sie definitiv lassen!<
Aber wo war nur Daron? Rayo schüttelte den Gedanken an das englische Lied aus
seinem Kopf und lief in die Küche. Und tatsächlich stand der Gesuchte dort mit
dem Rücken zu ihm und starrte auf etwas, das er von seinem Standpunkt an der
Tür nicht sehen konnte. Darons Haltung schien so verkrampft, seine Fäuste
leicht geballt. Erschrocken trat Rayo einen Schritt näher an ihn heran, blieb
dann aber wieder unschlüssig stehen.
"Daron...?", flüsterte er mit rauher Stimme und beobachtete, wie der Prinz sich
langsam zu ihm umdrehte. Die grauen Augen waren leicht gerötet und Daron
blinzelte rapid. Alles in Rayo verkrampfte sich und er fühlte sich wie fest
gefroren, auch, wenn er dem Größeren am Liebsten um den Hals gefallen wäre
und ihn getröstet hätte.
Ihm entgingen die kleinen Tränen keineswegs, die sich in Darons Augenwinkeln
gebildet hatten und mit größter Sorge registrierte er den verwirrten
Gesichtsausdruck auf dem schönen Gesicht vor ihm.
"Was...", murmelte der Prinz und wischte sich über die Augen. "Was ist nur...
mit mir? Warum...?"
Rayo hielt es nicht mehr länger aus, seinen Prinzen so zu sehen und stürmte
auf ihn zu. Das etwas passiert sein musste, war offensichtlich. Es tat ihm weh,
dass Daron so traurig war und er würde alles tun, damit er wieder glücklich
wurde.
Rayo schlang seine Arme um Darons Hüfte und zog ihn eng an sich heran.
"Was ist denn los?", fragte er leise in den Stoff des Pullovers, den der Prinz
trug.
"Ich... ich weiß nicht..." Darons Stimme klang mehr als verwirrt.
"Du kannst es mir sagen..." Rayo sah hinauf und in die geliebten grauen Augen,
in denen noch immer Tränen brannten.
"Ich...", begann Daron, doch Rayo unterbrach ihn, indem er einen Zeigefinger an
Darons Lippen hob und ihn somit zum Schweigen brachte.
"Du kannst, musst aber nicht..." Die Hand wanderte weiter hinauf an die Augen
des Größeren und wischte dort die salzige Flüssigkeit fort. Daron starrte ihn
irritiert an.
"Shh..." Rayo lächelte mild. "Du weißt doch, Indianer weinen nicht!"
"Ich bin kein Indianer!" Daron lehnte sich gegen ihn und seufzte leicht. Seine
Hände kamen leicht auf Rayos Rücken zu liegen und sie beide standen eine Weile
nur da und genossen den ruhigen Augenblick.
"Das sagt man nur so...", schloss Rayo schließlich an das vorherige Gespräch
an und löste sich ein wenig von Daron, um ihn ansehen zu können. "Magst du mir
denn sagen, warum du geweint hast?"
Daron wirkte wieder verwirrt und drehte sich weg.
"Daron... schon gut... ich..."
"Haben die Dinger da Zauberkräfte?", fragte der Prinz plötzlich und Rayo trat
neben ihn, um sehen zu können, was er sah.
Und plötzlich machte alles Sinn. Die Verwirrung, die Tränen, die verkrampfte
Haltung...
"Das sind Zwiebeln...", keuchte er, erschrocken durch die Erkenntnis und
gleichzeitig auch irgendwie erleichtert.
"Ist das schlecht?", fragte Daron ängstlich. "Sind die giftig? Muss ich
sterben?"
Rayo konnte nicht anders. Er lachte. Er lachte, bis ihm Tränen in die Augen
schossen und er nach Luft schnappen musste, um nicht umzufallen. Lachend hielt
er sich den Bauch, in dem sein Zwerchfell wohl gerade Purzelbäume schlug.
"Rayo? Was ist los?" Der Blick des Prinzen wanderte von dem Tablett mit den
halbwegs kleingeschnittenen Zwiebeln zu Rayo und zurück.
"Der Zwiebelsaft brennt in den Augen und sie tränen...", erklärte Rayo
lachend. "Und ich dachte ernsthaft..."
"Du dachtest, ich würde heulen, wie ein Mädchen?", fauchte der Prinz
plötzlich aufgebracht und schickte Rayo einen finsteren Blick. "Prinzen weinen
nicht!!"
"Du glaubst also, es ist mädchenhaft, zu weinen?", fragte Rayo und wurde wieder
ernst. "Bin ich etwa mädchenhaft... warte, das musst du nicht beantworten!"
"Ich kann aber!", grinste Daron schalkhaft und trat wieder näher an Rayo heran.
"Du BIST mädchenhaft!"
"Gar nicht wahr!", wehrte Rayo sich automatisch.
"Muss ich es dir zum hundertsten Mal beweisen?", seufzte Daron theatralisch und
näherte sich dem Kleineren noch mehr, bis der seinen warmen Atem über die
empfindliche Gesichtshaut streichen fühlen konnte. Augenblicklich hatte Rayo
die ganzen Umstände dieses Geschehens vergessen, sie waren wie weggefegt und
der Gedanke, sich aus Prinzip zu wehren kam erst gar nicht auf.
Er sah aus dem Augenwinkel, dass Daron eine Hand hob und spürte sogleich, wie
sie sanft über seine Wange strich. Mit einem Geräusch, das wohl einem
Schnurren gleichkommen musste, schloss er die Augen und schmiegte sein Gesicht
in die vertraute Wärme. Sogleich hob er seine Lider jedoch wieder leicht, um in
die wunderschönen grauen Augen seines Prinzen sehen zu können, die er so
liebgewonnen hatte. Er fand sie fasziniert auf sich gerichtet vor und legte
fragend den Kopf leicht schief, um nicht sprechen zu müssen. Er traute seiner
Stimme nicht.
Daron sagte allerdings nichts. Keine Antwort war in seine Augen geschrieben, nur
diese undurchschaubare Faszination.
Eine zweite Hand legte sich unerwartet an seine andere Wange und er blinzelte
etwas erschrocken, als sich beide Hände zugleich weiter nach hinten bewegten
und durch sein Haar strichen.
"Du bist so...", wisperte plötzlich Daron in die Stille, die sich über den
Raum gelegt hatte. Seine Stimme klang rauh und heiser, als hätte es ihm die
Sprache verschlagen. "Du bist schön."
Leichter Druck von Darons Händen gegen seinen Hinterkopf und ein Vorlehnen des
Prinzen brachten ihre Gesichter einander noch näher. Bei Darons Worten fühlte
Rayo berauschende Wärme seinen Körper fluten. Er fand ihn schön? Meinte er
das ernst?
Er lächelte schüchtern und endlich war er wieder in der Lage, sich zu rühren.
Er legte seine Arme um Darons Hals und lehnte sich ganz gegen ihn. Ihre
Gesichter waren noch Millimeter voneinander entfernt, er konnte fast die warmen
Lippen auf seinen eigenen fühlen.
"Weißt du...", flüsterte er, als er einen sanften Kuss auf Darons Lippen
hauchte. "...ich finde deine Augen schön..."
"Nur meine Augen?", neckte Daron lächelnd und küsste Rayo vorsichtig, so dass
ihre Lippen sich minimal berührten, als strichen Schmetterlingsflügel
übereinander.
"Deine Haare sind zu struppig...", ärgerte Rayo den Prinzen mit einem
spöttischen Funkeln in den Augen und reichte mit einer Hand hinauf, um sie noch
mehr zu durchwühlen. Die Bewegung endete jedoch damit, dass sie sanft über
seinen Kiefer fuhr, als sie einen weiteren, etwas innigeren Kuss teilten.
"Die gehören so...", sagte Daron lahm und verhinderte jeden möglicherweise
folgenden Wortwechsel, indem er den Kuss weiter vertiefte, nun auch mit seiner
Zunge die warme Mundhöhle seines Opfers erforschte. Ebenso wie Rayo es tat, mit
mindestens genauso viel Enthusiasmus und Verlangen nach mehr Wärme und Nähe.
"Rayo, kannst du dich mal von deinem Zimmer losreißen, in die Küche kommen und
Kartoffeln schälen?", erscholl plötzlich die unerbittliche Stimme seiner
Mutter und ruckartig holte die Realität den Jungen ein. Er stand hier mit Daron
in der Küche und küsste ihn... in der KÜCHE... jeder konnte hier
hereinplatzen, ja, seine Mutter hätte plötzlich hinter ihnen stehen
können...
Schnell löste er sich von dem erstaunten Prinzen und lief in den Flur, wo ihm
seine Mutter auch schon entgegenkam.
"Ach, du warst schon in der Küche? Ich hatte ganz vergessen, dass ich noch
kochen muss!", lächelte sie und legte den Staubwedel beiseite. "Hach, da lief
diese schöne Lied und da hat es mit einfach überkommen. Da war eindeutig Staub
auf den Kommoden!"
Rayo interessierte sich momentan gar nicht dafür, was seine Mutter dazu bewegt
hatte, der Küche fern zu bleiben. Hauptsache, sie war ihr ferngeblieben! Er
seufzte vor lauter Erleichterung laut auf.
"Was denn?", fragte seine Mutter lachend. "Jetzt geht's an die Küchenarbeit!"
"Ja, ja...", murrte Rayo und folgte der Frau aus dem leicht dunklen Flur in die
erhellte Küche.
"So, denk daran, dass du mehr Kartoffeln... was ist denn mit deinem Mund los?"
Die sofort besorgte Mutter sah glücklicherweise nicht den geschockten Blick und
hörte auch nicht das erschrockene Luftschnappen ihres Sohnes. Ihre Augen waren
fixiert auf die leicht geschwollenen Lippen. Daron hinter ihm kicherte und Rayo
hätte ihn dafür verfluchen können.
"Du solltest Lippenbalsam drauf tun...", murmelte Kaori Tamono mit gerunzelter
Stirn. "Die Luft in Darons Welt muss dir schlecht bekommen sein! Fühlst du dich
vielleicht nicht gut?"
"Doch, doch!!", versicherte Rayo rasch und konnte Daron erneut kichern hören.
>Blöder Kerl! Wer ist denn schuld daran... Oh, Gott, ich habe wirklich Daron
geküsst... schon wieder... er hat gesagt, er fände mich schön... ob er das
ernst meint...?<
"Bist du wirklich in Ordnung?", fragte seine Mutter plötzlich und strich
mütterlich über sein Gesicht. "Deine Wangen sind ganz warm... hm... Fieber
hast du nicht..."
"Natürlich nicht!", erwiderte Rayo hitzig. "Mir geht es gut!"
"Wenn du es sagst!" Seine Mutter zuckte die Schultern und machte sich daran,
ihre Arbeit bei den Zwiebeln zu beenden.
Rayo holte rasch die Kartoffeln aus dem Schrank hervor und begann, sie von den
Schalen zu befreien. Daron stand direkt neben ihm, vielleicht etwas zu nah für
einen klaren Gedanken, denn Rayo begann leise das Lied vor sich hin zu summen,
das seine Mutter vorhin gehört hatte. Daron schaute ihn verwirrt von der Seite
an. Er musste wohl denken, Rayo hatte den Verstand verloren, da er kein Wort
Englisch verstand.
"You took my heart, took my soul an' now I'm delirious..."
Rayos Reise Special 2 Ende
Ha, das war's! Wie fandet ihr's?
Das Lied gibt es nicht, bevor irgend jemand fragt... ^^ ich dachte mir, da dies
keine Songfic ist, denke ich mir einfach selbst ne kleine Zeile aus! Hab' noch
nie eine Songfic geschrieben... oder doch, da war mal was über Yu-Gi-Oh!... ^^
mit Seto Kaiba. Kennt irgendwer das Lied >Gib sie her< von PUR?
Aber egal. Was gibt's noch zu sagen? Ah, ja! Die Idee zu dem Special kam mir,
als ich gekocht habe und gerade so sechs, sieben Zwiebeln geschnitten habe.
Unnötig anzumerken, dass meine Augen getränt haben und meine Nase lief... ^^
ich hasse es!
Wäre schön, eure Meinungen zu dem Geschreibsel zu hören. Ich weiß, es war
nicht viel und den Kuss konnte ich mir auch wieder nicht verkneifen (*blushs and
hides somewhere*), aber dies ist nur ein Special. Denkt euch einfach nichts
dabei! In einem Special ist alles erlaubt! Ich könnte die beiden auch in einen
Urlaub fahren lassen (aber da würde Daron wahrscheinlich im Pool ertrinken),
oder ich könnte sie... hm... zusammen duschen lassen... nein... *hides again*
Vielleicht auch nicht...! Nun, trotzdem... Über Ideen ließe sich immer gerne
nachdenken!
Ein großes Dankeschön geht mal wieder an meine Kommi-Schreiber des letzten
Parts! Dake, danke, danke! Ihr macht mich so glücklich!!
Da wären: Kasan, Peruka, claudikai, Mistery, Marn und Tasuki81! Darf ich euch
knuddeln? ^^... ^^''
Also, bis hoffentlich zum neunten Part!
Ciao
Tara
Rayos Reise muss weitergehen!!
Kapitel 11: Die Ruhe vor dem Sturm Part 1
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Rayos Reise Part 9
Konnichi wa, alle zusammen!
Und hier ist er, der neunte Teil meiner FF! Ich weiß, ich habe mal wieder lange
auf mich warten lassen, aber... ähem... jetzt wird es wohl sicher schneller
gehen. Wenn ihr den nächsten Termin für das Update erfahren wollt, schaut
einfach in mein Profil, da steht es! (ich glaube, das habe ich jetzt schon oft
gesagt, oder? >.<)
Eine weitere kleine Meldung vorweg: Ich habe für dieses Kapitel zwei Ideen
verwendet, die eigentlich in Specials sollten. Vielleicht erratet ihr ja vorher
schon, worum es geht?
Hm, was erwartet euch in diesem Kapitel noch so? Ihr erfahrt viel über Daron ^^
Wird doch auch mal Zeit, ne? Sehr viel Romantik(wenn man das noch Romantik
nennen darf ^^''), Eifersucht... ich hoffe, diese FF mutiert nicht zu einer
Soap... -.- ich wollte die Seife eigentlich rauslassen. Na, ja... das ganze
Geknuddle stört euch ja hoffentlich nicht... *pfeif pfeif*
Eines noch: Dieses Kapitel ist so gut wie plotlos. Es heißt ja nicht umsonst
,Die Ruhe vor dem Sturm'... *sweatdrop* Die Situation der beiden lässt momentan
so viele Möglichkeiten und Ideen zu, dass ich einfach nicht anders kann, als
sie umzusetzen! ^^
Mehr habe ich eigentlich gar nicht mehr zu sagen, außer...
Viel Spaß beim Lesen!
Reminder:
---
"Bist du verrückt geworden?!"
"Ähm... nein?" Daron wand sich in Unbehagen, sah dann jedoch auf seine Hände
hinab, die das zerfledderte Teil [den Wecker ^^] noch immer festhielten. "Ich
meine, es tut mir leid..."
Rayo riss erstaunt die Augen auf. Daron hatte sich entschuldigt? Freiwillig?
Wow...
"Nun..." Er lächelte leicht. "Okay..."
"Aber, Rayo...", sprach Daron weinerlich weiter. "Was ist denn das nun...
gewesen?"
---
Während Daron staunend vor dem Wecker seiner Eltern saß - sein eigener war ja
kaputt... zerstört! - und das stetige Fortschreiten des Zeigers beobachtete,
sammelte Rayo den verstreuten Inhalt seines Zimmers wieder ein und legte CDs,
Bücher und anderen Kram zurück an seinen Platz. Hin und wieder warf er dem
Prinzen einen kleinen Seitenblick zu, sich wundernd, wie Daron ihre Beziehung
zueinander wohl verstand. Bei ihm konnte ein Kuss alles mögliche bedeuten. War
es ihm ernst oder spielte er nur ein Spiel mit ihm? Wenn er nur wusste... aber
selbst, wenn... er war einfach nicht die Person, die den ersten Schritt tat.
Dennoch... zu erfahren, wie der sture Prinz zu ihm stand... das war ihm sehr
wichtig. Für ihn selbst... das alles war kein Spiel für ihn, so wenig wie es
das für jemanden anders wäre. Aber Daron war nicht bloß ,jemand anders'. Es
war zum verrückt werden. Für Daron schien die ganze Welt, sein ganzes Leben,
ein einziger Spielplatz zu sein. Oder? Welche Seite von ihm hatte er noch nicht
kennengelernt? Er konnte sehr wohl ernst sein... Er hatte ihn einmal verteidigt,
als er als Miss Raya gemeinsam mit Kira im Wald gewesen war. Und dabei hatte er
sogar jemanden getötet. Und Rayo hatte gemerkt, dass er es nicht einmal
bedauert hatte.
Das erschreckte ihn. Tatsächlich hatte er nicht ein einziges Mal daran gedacht,
dass wegen ihm ein Leben zerstört worden war. Vielleicht hatte der Mann ja eine
Familie gehabt, Frau, Kinder, ein Haus... Wer wusste das schon? Er mochte ein
Mistkerl und Verbrecher gewesen sein, aber rechtfertigte das einen Mord?
"Rayo?"
Er sah auf und sein Blick traf auf Darons, der ihn mit Besorgnis in den grauen
Augen ansah. In ihnen tanzte noch immer ein Funke des Vergnügens, das er
scheinbar beim Erkunden seiner neuen Umgebung empfand. Wie glühende Asche,
dachte Rayo, als er in das Grau der Augen sah. Unzähmbar...
"Was ist los?", fragte Daron und legte leicht den Kopf schief. Innerlich musste
Rayo sich aus der Trance schütteln, die ihn erfasst hatte und seine Gedanken
kehrten zu ihrem ursprünglichem Thema zurück.
"Erinnerst du dich noch, als ich als Raya verkleidet mit Kira im Wald gewesen
bin... und du..." Der kleine Funken in den grauen Augen erlosch und fast bereute
Rayo es, darauf angesprochen zu haben. Der Prinz wirkte mit einem Male ernst.
"...als du den Mann getötet hast?", vollendete er den Satz und wandte den Blick
ab, um sein Gesicht zu verbergen. Er hörte Daron seufzen und Schweigen trat
zwischen ihnen ein. Stille. Dann sprach der Prinz und seine Stimme war das erste
Mal, seit Rayo ihn kannte, wirklich die eines Prinzen, der dazu bestimmt war,
später einmal ein Königreich zu beherrschen und zu führen.
"Dieser Mann...", begann Daron und Rayo fühlte, wie sein Kinn angehoben und
sein Kopf umgewandt wurde, so dass er ihn ansehen musste. "...hat unzählige
Menschen bestohlen, vergewaltigt und umgebracht. Er hat den Tod verdient. Mein
Schwert hat dem Greuel, das er über mein Volk gebracht hat, ein Ende gemacht."
Seine Augen trugen einen harten Ausdruck in sich. Wie Stein. Eine kleine Stimme
in Rayos Hinterkopf wunderte sich, wie er es schaffte, die glühende Asche
innerhalb von Sekunden zu hartem Fels zu machen. Doch sie verstummte sofort, als
Daron weitersprach.
"Er führte eine Hundertschaft von Männern an, die es allesamt auf meinen Vater
abgesehen hatten. Und natürlich auf mich, seinen Thronfolger. Da er uns aber im
Schloss nicht erreichen konnte, musste das Volk darunter leiden. Er schändete
unser Land und folterte seine Bewohner. Wir waren zur Hilflosigkeit verdammt, da
wir ihn nicht finden konnten."
"Was für Gründe hatte er?", fragte Rayo mit leicht rauher Stimme.
"Als mein Vater jünger war, hat er einen Fehler begangen." Daron wirkte
beschämt, wandte sich jedoch nicht ab. "Er hat den Vater dieses Mannes töten
lassen. Fälschlich. Jemand anders hatte diese Strafe gegolten, der jedoch hatte
die Schuld auf ihn abgewälzt. Als mein Vater es merkte, war es bereits zu
spät. Die Hinrichtung war vollzogen gewesen."
Rayo schwieg. Er wusste nicht, was er noch dazu sagen konnte. Er war nur froh,
dass er nicht die Bürde eines Königs tragen musste. Ein König durfte keine
Fehler machen. Es war nur allzu offensichtlich, wie sich eine einzige falsche
Entscheidung rächen konnte, wenn man die Macht eines Herrschers besaß.
Er schloss die Augen und lehnte sich leicht an Daron, der ihn mit den Armen
abfing und leicht über seine Seiten strich. Niemals hatte er gedacht, welch
Bürde auch Daron trug. Sein Frohsinn täuschte darüber nur allzu gut hinweg.
Innen schien er ernster zu sein, als der äußere Anschein glauben machen
wollte.
"Rayo?", hörte er den Prinzen nahe seinem Ohr flüstern. "Glaubst du, ich habe
das Richtige getan?"
Rayo zögerte kurz, nickte dann jedoch entschlossen.
"Es war die Entscheidung eines Prinzen...", sagte er leise. "...der sein Volk
schützen wollte. Du hast mit seinem Tod das Leiden vieler anderer Menschen
beendet und verhindert. Denk nur daran, wie viele Familien sich jetzt wieder
sicher fühlen können. Es war eine gute Entscheidung. Die Vergangenheit muss
irgendwann hinter uns gelassen werden. Und dieser Mann wollte das nicht
verstehen."
"Er konnte meinem Vater nicht verzeihen.", murmelte Daron und zog ihn noch etwas
näher an sich heran, wie um Trost zu suchen. "Das schlimmste ist, dass ich
seine Gefühle verstehen kann. Hätte man mir einen geliebten Menschen grundlos
genommen... ich wüsste nicht, zu was ich imstande wäre, um ihn zu rächen."
"Aber Rache ist falsch!", empörte Rayo sich.
"Und was tätest du, hätte jemand deine Mutter getötet?", fauchte der Prinz
und sein Griff wurde unwillkürlich etwas fester, so dass Rayo die angespannten
Muskeln seines Bauches fühlen konnte. "Was würdest du tun? Schweigen?"
Rayo seufzte. "Nein.", gab er beschämt zu und ließ zu, dass Daron sein Kinn
anhob. Ihre Blicke trafen sich und Daron funkelte ihn aufgebracht an. Die Sache
schien ihm wirklich nahe zu gehen und kurz wunderte Rayo sich, warum. Doch bevor
er den Gedanken weiterspinnen konnte, riss ihn ein stürmischer Kuss davon und
alles, was er noch denken konnte, war, wie wunderbar sich Darons Hände
anfühlten, als sie seinen Rücken hinauf strichen und in seinen Nacken glitten,
um dort durch sein schwarzes Haar zu gleiten, dass ihm warme Schauer durch den
Körper rieselten.
"Daron, du...", murmelte er, als sich ihre Lippen voneinander lösten, nur, um
sich kurz darauf wiederzufinden. "...du bist verrückt..."
"Und du?" Der Prinz grinste, als sich ihre Blicke einen Moment lang trafen.
"Das ist deine Schuld! Du hast mich verrückt gemacht.", seufzte Rayo gespielt
vorwurfsvoll. Dann schnappte er abrupt nach Luft, als Darons Hände plötzlich
seinen Rücken wieder hinabwanderten und sich in seine hinteren Hosentaschen
schlichen. Rayo sah den Prinzen erschrocken an. Das war... unglaublich dreist.
Na, ja... Daron eben. Errötend senkte er den Blick.
"Du bist so schüchtern!", lachte der Prinz und drückte ihn noch näher an sich
heran, obwohl das schon kaum noch möglich sein konnte. "Dabei sollte man
denken, jemand, der sich als Mädchen verkleidet, um sich an den Prinzen
heranzuschmeißen, sollte ziemlich aufdringlich sein!"
"Was?!", keuchte Rayo und blitzte Daron empört an. "Ich wollte nicht...!! Ich
sagte doch bereits, ich habe bloß einen Unterschlupf gesucht!"
"Ach, ja?" Der Prinz hob zweifelnd eine Augenbraue und verzog im plötzlichem
Ernst den Mund. "Wenn du dich das eine Mal verkleidet hast, um Unterschlupf zu
suchen, wieso habe ich dich dann ein zweites Mal als Mädchen gesehen? Im Wald
mit Miss Kira...?"
"Äh..." Bevor Rayo erklären konnte, was der Grund war, unterbrach der Prinz
ihn schon wieder.
"Du bist einfach abgehauen und in die Stadt gegangen!", knurrte der Prinz. "Und
das mit dieser Kira! Als Mädchen!"
"Nein, nein, nein, verdammt!!", begehrte Rayo auf und ballte seine Hände, die
an Darons Hüften lagen, zu Fäusten. "Ich hatte meinen Anhänger verloren und
zwar im Kloster! Und wie sollte ich da als Junge bitte schön reinkommen, wenn
alle nur Raya kannten?!"
"Und Miss Kira?"
"Ich habe sie zufällig getroffen und sie hat mich zur Stadt gebracht!"
"Wieso hast du nicht mich gefragt?"
"Idiot! Du wusstest nichts von Raya!"
"Dann hättest du es mir einfach erzählt!"
"Ja, natürlich! >Oh, Daron! Ich bin ja eigentlich Miss Raya und muss mal kurz
zum Kloster! Zeigst du mir den Weg?< Wie hätte das denn geklungen?"
Sie beide atmeten schwer, als sie sich wütend anblickten. Schließlich
schüttelte Daron den Kopf und sah stur zur Seite.
"Alles wäre besser, als die Vorstellung, dass du allein mit Miss Kira
herumgezogen bist!", grollte er und wieder wurde der Griff seiner Arme fester.
"Was hast du eigentlich gegen sie?!", knurrte Rayo, der nun ebenfalls wütend
war und seine Freundin verteidigen wollte. "Sie ist ein sehr nettes Mädchen und
hat es nicht verdient, dass du so auf ihr herumhackst!"
"Siehst du, du bist ja vollkommen von ihr eingenommen!" Daron löste sich
ruckartig von ihm und trat zornig zurück. "Was habt ihr gemacht, als ihr
alleine weg wart?"
"Was sollen wir denn gemacht haben?!, wetterte Rayo und stemmte die Hände in
die Hüften.
"Was denn wohl?", sprach der Prinz erzürnt. "Ihr hattet ja nicht einmal eine
Anstandsdame bei euch! Das ist doch mehr als auffällig, meinst du nicht auch?"
"Glaubst du etwa, sie und ich hätten...?" Fassungslos ließ Rayo seine Arme
sinken und starrte Daron an. "Sag mal, spinnst du?! Ich dachte, diese Diskussion
hatten wir schon mal?!"
"Denkst du, ich hab' nicht gemerkt, dass du schon vor mir jemanden geküsst
hast?" Die Augen des Prinzen hatten sich zu wütenden Schlitzen verengt.
"Zufällig hast du mich geküsst, >bevor< ich Kira kennengelernt habe!" Rayos
Stimme überschlug sich beinahe vor ungläubiger Rage.
"Ach, ja?", schrie Daron. "Wer war es dann? Wenn ich die Person jemals treffen
sollte, ist sie so gut wie tot!"
"Daron!!"
Der Prinz trat vor und Rayo spürte, wie ein Arm seine Hüfte umschlang und ihn
mit einem Ruck an einen warmen, jedoch verspannten Körper zog.
"Was hat diese Person alles mit dir gemacht, hm?", fragte Daron mit unheilvoll
ruhiger Stimme. "Hat sie dich gehalten? Nur geküsst, oder gar mehr mit dir
getan? Durfte sie dein Haar riechen, deinen Körper so nah spüren, wie ich
jetzt?"
"Es war nur ein dummer Kuss, Daron...", wimmerte Rayo und versuchte
verunsichert, den Prinzen etwas auf Abstand zu bringen. Der jedoch schien nicht
daran zu denken, ihn loszulassen, oder auch nur seinen Griff etwas zu lockern.
"Nur ein Kuss? Nur?", knurrte Daron. "Weißt du, was ein Kuss bedeutet?"
"Ich war jung und dumm, Daron." Rayo wand sich im Arm des Prinzen. "Warum bist
du so eifersüchtig?"
"Weil jeder deiner Küsse mir gehört, hast du verstanden?!" Darons Stimme klang
rauh an seinem Ohr, zugleich aber auch fest und niemand hätte es gewagt, den
Ernst seiner Worte in Frage zu stellen. Rayo erzitterte. "Sie gehören alle mir!
Mir allein!"
Und wie um zu beweisen, dass er recht hatte, senkten seine Lippen sich einen
Augenblick später auf Rayos nieder und teilten sie mit einer fordernden
Liebkosung, damit seine suchende Zunge Einlass in die warme Mundhöhle seines
Opfers erlangte. Rayo gewährte ihm diesen ohne Zögern, auch, wenn er sich
etwas überrannt fühlte von diesem plötzlichen Ansturm. Er spürte, wie Daron
ihn zurückdrängte, langsam, Schritt für Schritt, bis er etwas hartes in
seinem Rücken fühlte, gegen das er gedrückt wurde. Der Prinz lehnte sich
gegen ihn, seine Hände schienen sich selbstständig zu machen und glitten seine
Seiten entlang, hinab zu seinen Hüften und wieder hinauf, über seinen Bauch zu
seinem Oberkörper. Rayo seufzte leise in Darons Mund und drängte jeder seiner
Bewegungen entgegen...
Dann stoppte der Prinz plötzlich. Verwirrt blinzelte Rayo durch den Nebel der
überwältigenden Gefühle hindurch Daron an. Der musterte ihn mit einer
Ernsthaftigkeit, die noch immer nicht so recht zu ihm passen wollte, dann aber
wieder so sehr, dass es dem Betrachter deutlich ins Auge stach, dass der Junge
tatsächlich ein Prinz war.
"Hat es sich für dich so angefühlt, diese andere Person zu küssen?", fragte
Daron mit vor Verlangen heiserer Stimme.
Stumm schüttelte Rayo den Kopf und sah sogleich etwas wie Befriedigung in den
grauen Augen des Prinzen aufblitzen, die sich um ein paar Nuancen verdunkelten,
als er sich noch weiter an Rayo lehnte, den er an der Wand festgenagelt hatte.
"Dann erzähl mir von ihr.", verlangte er mit tiefer, fast hauchender Stimme.
"Ich war dreizehn.", erklärte Rayo beschämt und verfluchte innerlich seine
rauhe Stimme. "Man hat mich mehr oder weniger mit dem Mädchen verkuppelt. Von
allein hätte ich nichts getan, denke ich. Und wir waren auch nur eine Woche
zusammen. Es war wirklich nichts besonderes."
"Eine Affäre?", fragte Daron ungläubig. "Eure Gesellschaft erlaubt solche
Unzüchtigkeit?"
"Es war keine Affäre!!" Rayo spürte die Röte in sein Gesicht schießen. "Ich
war doch erst dreizehn!!"
"Dreizehn ist alt genug.", grummelte der Prinz.
"Jetzt werde nicht wieder eifersüchtig!" Der Kleinere vergrub seine Hände in
Darons Leinenhemd. "Was soll ich denn sagen?! Du hast doch sicher Unzählige vor
mir geküsst!"
"Nein." Daron sah ihn ehrlich an. "Du warst der Erste."
"Was?" Rayos Augen weiteten sich in Ungläubigkeit. "Aber... du wusstest doch,
was du tatest! Du schienst Erfahrung zu haben!"
"Ich bin eben ein Naturtalent!" Endlich schlich sich mal wieder ein für ihn so
typisches Grinsen auf Darons Gesicht und Rayo spürte Erleichterung in sich
aufwallen. Trotzdem war er noch verwirrt.
"Und warum hast du mich geküsst?", fragte er irritiert. "Wenn du kein
Weiberheld warst, muss das doch ein großer Schritt für dich gewesen sein."
"Es schien die richtige Entscheidung zur richtigen Zeit zu sein." Das Grinsen
wurde breiter. "Und ich kann nicht sagen, dass ich einen einzigen Augenblick
davon bereue oder missen will."
Rayo sah Daron schweigend an. Ein Lächeln hatte sich auf seine Lippen gelegt
und er konnte das Glück förmlich durch seine Adern pulsieren spüren. Der
Prinz hatte also wirklich niemanden vor ihm geküsst? Er war der Erste?
"Aber was war mit Miss Raya?", fragte Rayo mit plötzlichem Erschrecken. "Du
warst doch in sie verliebt, wie konntest du da deinen ersten Kuss an mich, ihren
Zwillingsbruder, verschwenden?"
"Ich habe ihn nicht verschwendet!", murmelte der Prinz und sah ihn unter langen
Wimpern hinweg an. Unwillkürlich lehnte sich Rayo weiter zu ihm vor, fasziniert
von dem verführerischen Bild, das Daron bot.
"Nicht?", fragte er mit betäubter Stimme und berührte leicht mit seinen Lippen
die von Daron, als er sprach.
"Nein." Die Hände des Prinzen wanderten seine Arme hinab und griffen nach Rayos
Händen, die er versichernd in seinen hielt. Nach einem leichten Kuss sprach er
weiter. "Ich war verwirrt. War ich mit ihr zusammen, spürte ich dasselbe
Bedürfnis, sie im Arm zu halten, wie in deiner Gesellschaft. Nur das eine Mal,
auf dem Fest... da schien sie jemand anders zu sein. Und... warte..." Graue
Augen blickten fragend in seine. "Du standest doch neben ihr?"
"Lileya ist als Raya gekommen, damit ich nicht aufgeflogen bin, weil du doch
Raya UND mich eingeladen hattest!", erklärte Rayo grinsend. "Ich kann mich
schließlich nicht zweiteilen. Und du hast mich ja nicht einen Moment aus den
Augen gelassen!"
"Es war unerträglich!", grummelte Daron.
"Was denn?", fragte Rayo und legte den Kopf schief.
"All die Blicke, die auf dir lagen." Der Prinz schüttelte den Kopf, als müsste
er die Bilder aus seinem Kopf vertreiben. "Wie die jungen Frauen dich gemustert
haben. Als wollten sie dich auf der Stelle verschlingen. Ich schwöre, wenn du
auch nur eine von ihnen zum Tanz aufgefordert hättest, wäre ich ausgeflippt!"
"Oh..." Rayo hatte gar nicht bemerkt, dass ihn jemand angesehen hatte.
"Ich hätte dich selbst zum Tanzen geschleift, aber das hätte einigen Leuten
sicher missfallen."
"Und das hat dich aufgehalten?", fragte Rayo mit einem verschmitzten Grinsen.
"Leider ja.", seufzte Daron und zuckte die Schultern. "Es geht dabei nämlich
nicht nur um dich und mich, sondern um den Ruf meiner Familie. Ansonsten...
wär's mir egal gewesen!"
"Ich kann kaum glauben, dass du tanzen kannst..." Rayo schaute von unten zu
Daron hinauf.
"Soll ich es dir etwa beweisen?" Der Prinz trat ein paar Schritte zurück und
zog Rayo an den Händen mit sich, bis sie in der Mitte des inzwischen
aufgeräumten Zimmers standen.
"Ehehe, nicht nötig..." Rayo ließ zu, dass Daron ihn wieder ganz zu sich zog,
so dass er seinen Körper nah bei sich spüren konnte.
"Warum nicht?", verlangte der Prinz misstrauisch zu wissen. "Willst du nicht mit
mir tanzen?"
"Das ist es nicht..." Rayo blickte verlegen auf Seite. "Ich... kann gar nicht
tanzen."
"Du kannst nicht?!", platzte Daron heraus. "Aber jeder kann zumindest einen
Tanz! Volkstänze zum Beispiel sind sehr verbreitet in den unteren Schichten."
"Hier gibt es keine Volkstänze." Rayo blickte wieder zu Daron hinauf. "Ich
musste einfach niemals zu Tanzen lernen."
"Warte nur, irgendwann bringe ich dir das noch bei!", lachte der Prinz und
gerade, als Rayo ihn effektiv zum Schweigen bringen wollte, erklangen Schritte
an seiner Tür und er befreite sich schnell aus dem Griff des Prinzen, der ihn
verwirrt und ein wenig verletzt ansah. Dann öffnete die Tür sich und Rayos
Mutter Kaori schaute herein.
"Rayo, da ist jemand für dich am Telefon!", lächelte sie und reichte ihm den
schnurlosen Hörer. "Sie sagte, es sei dringend."
Die Tür schloss sich wieder und Rayo blickte kurz den Prinzen an, der jetzt
nicht nur verletzt, sondern sehr misstrauisch wirkte.
"Sie?", fragte er mit zusammengebissenen Zähnen und Rayo zuckte nur ahnungslos
die Schultern, als er den Hörer an sein Ohr hob.
"Tamono Rayo am Apparat!", grüßte er und Darons Gesicht zeigte mit einem Male
Unverständnis und große Verwirrung.
"Hier ist Lileya!", hörte er die vergnügte Stimme der Magierin. "Tomo-chan und
ich haben vorhin etwas ganz wichtiges vergessen!"
"Und das wäre?", fragte Rayo und warf Daron einen feixenden Blick zu, als der
näher kam und sich neugierig zum Hörer herüberlehnte, ein großes >Was ist
das denn?!< auf seinem Gesicht.
"Ich habe Tomoya ja schon vorher erzählt, dass Daron nicht so einfach
abzuschütteln sein würde und für den Fall, dass er mit zu dir kommen würde,
hat er eine Schulzulassung für ihn besorgt!"
"Er hat was?!", keuchte Rayo erschrocken. "Was soll Daron denn auf meiner
Schule?!"
"Soll er etwa bei dir zu Hause herumsitzen, während du den ganzen Tag weg
bist?", kam direkt die Gegenfrage des Mädchens, jedoch wartete sie nicht auf
seine Antwort, die sie wohl schon zu kennen glaubte. "Er ist als
Austauschstudent einer anderen Schule ausgewiesen, du musst einfach dafür
sorgen, dass nicht zu viele Fragen gestellt werden."
"Aber..."
"Ich darf mit Rayo zur Schule gehen?", fragte der Prinz überglücklich und
schnappte sich das Telefon. Rayo gab einen Laut der Überraschung von sich und
blickte Daron finster an, als der in die falsche Seite des Hörers zu plappern
begann.
"Hey du, du bist doch die, die sich als Miss Raya verkleidet hat, oder?"
"Ja...", kam die etwas zögerliche Antwort und schnell drehte Rayo das Telefon
um, da er sich das nicht mit ansehen wollte.
"Aha, gut." Daron schien gefallen an dem handlichen Gerät gefunden zu haben.
"Du kennst Rayo doch ziemlich gut, oder?"
"Na, ja... geht." Die Stimme, die Rayo von seiner Position an Darons Seite aus
nur schwach hören konnte, klang verwirrt.
"Hat Rayo schon mal über mich gesprochen?" Der Prinz grinste ihn an und Rayo
riss erschrocken die Augen auf.
"Ja, hat er!" Das Grinsen konnte Rayo selbst aus der Entfernung hören. "Willst
du wissen, was?"
Rayo schluckte. Lileya hatte den Großteil der Zeit seine Gedanken gelesen.
Natürlich wusste sie, was er über Daron gedacht hatte.
"Aber natürlich will ich das wissen!" Rayo spürte, wie einer von Darons Armen
an seine Hüfte wanderte und ihn gegen den Prinzen zog. Der Kleinere wunderte
sich, was das für ein Zwang sein musste, dass er das immer wieder tat. Kam er
keinen Augenblick ohne seine Nähe aus?
"Also..." Das Mädchen am anderen Ende der Leitung schien zu überlegen.
"Anfangs sagte, oder soll ich eher sagen, ,dachte' er immer nur, dass er dich
hasste. Und zwar oft!"
Der Arm um seiner Hüfte drückte etwas fester zu und Daron sah ihn finster an.
Rayo grinste nur verlegen und lauschte weiter hoffend und bangend den Worten
seiner Freundin.
>Die kann was erleben...<
"...dann aber änderte sich so einiges.", erzählte die Magierin und der Prinz
zog verwundert die Augenbrauen hoch. "Ich erinnere mich, dass er einmal meinte,
er fände dein Lächeln schön."
Rayo sackte beschämt in sich zusammen und vergrub sein Gesicht in Darons Hemd.
>Ich glaub's nicht! Ich glaub's nicht!<
"Das hat er gesagt?", hörte er die sanfte Stimme des Prinzen.
"Nein, gedacht.", lachte das Mädchen fröhlich. "Und Gedanken lügen nicht!"
"Nein, das tun sie wirklich nicht..."
Rayo konnte fühlen, wie Daron sich gegen ihn lehnte, scheinbar zufrieden mit
sich und der Welt.
"Du, hör mal, ich muss jetzt auflegen!", sprach das Mädchen aufgeregt. "Ich
glaube, es hat gerade geklingelt! Grüß Rayo noch von mir und sag ihm, es tut
mir leid, dass ich seine Gedanken so ausgeplaudert habe. Ich denke, er braucht
manchmal einen kleinen Anstoß, bevor er die Initiative ergreift. Also, bis
morgen in der Schule!"
"Okay..." In der Leitung piepte es und das Gespräch brach ab. Der Prinz warf es
achtlos zur Seite, als aus der Ohrmuschel nichts mehr zu Hören war.
Stille trat ein und legte sich wie ein dicker Vorhang über den Raum. Rayo
ärgerte sich innerlich über seine Freundin und Daron schien es schon zu
reichen, ihn im Arm halten zu können.
"Du findest mein Lächeln schön?", fragte er schließlich und Rayo merkte, wie
er an den Händen zum Bett gezogen wurde, auf dem Daron sich niederließ. Er sah
auf den Prinzen hinab und sein Ärger schwand ein wenig. Er nickte schwach und
spürte wieder die Röte in sein Gesicht steigen.
"Ich finde alles an dir schön.", gab der Prinz mit funkelnden, grauen Augen zu.
"Ich mag es, wenn du so furchtbar verlegen und schüchtern bist. Die kurzen,
warmen Blicke, die du mir zuwirfst, wenn du denkst, ich merke es nicht. Ich mag
es, wenn du mir nah bist, wenn..." Daron zog an den Händen, die noch immer in
seinen lagen und Rayo war dadurch gezwungen, sich auf seinen Schoß zu setzen.
"...wenn deine goldenen Augen sich so verdunkeln wie jetzt, dass sie mich an
warmen Honig erinnern. Wenn dein Haar dir so wirr ins Gesicht fällt, weil ich
es mit meinen Händen zerwühlt habe, wenn du so unglaublich weich und
verführerisch in meinen Armen liegst. Ich finde dich einfach umwerfend
schön."
Rayo wusste nicht, was er sagen sollte. Er war sprachlos. Er konnte Daron nur
anschauen und in dem seltsamen Gefühl schwelgen, das der Prinz in ihm
ausgelöst hatte.
Irgendwann, und das wusste er, würde er die Worte erwidern können. Irgendwann
wäre er dazu in der Lage, Daron zu sagen, wie sehr er es liebte, wenn er ihn
umarmte und wenn er ihn in fordernde Küsse zog. Wie sehr er diese sturmgrauen
Augen liebte, die mit solcher Leidenschaft brennen konnten, dass ihm das Herz
weh tat, wenn er auch nur wenige Schritte von ihm entfernt sein musste. Er
wollte in diesen Augen versinken...
Irgendwann, ja, irgendwann würde er es ihm sagen können... doch bevor dieser
Zeitpunkt gekommen war, musste seine Antwort genügen.
Rayo beugte sich vor und drückte seine Lippen auf Darons, der anfangs etwas
überrascht zu sein schien, dann jedoch nicht zögerte, die Kontrolle über den
Kuss zu erlangen, die Rayo ihm dieses Mal freigiebig überließ. Dieses Mal
ließ er sich haltlos fallen und sich von dem Prinzen führen, der ihn verzückt
tiefer in seine Umarmung zog.
"Und ich mag es, wenn du so furchtbar rot bist...", meinte Daron und grinste in
den Kuss hinein. Dann jedoch zuckte er zusammen, als Rayo ihn als Strafe
spielerisch biss.
>Fiesling. Das hast du davon...<
"So, guten Appetit, ihr beiden!" Kaori Tamono lächelte mütterlich und setzte
ihnen ihr Abendbrot vor. Reisbällchen mit Curry und dazu Miso-Suppe.
"Was ist das denn?", fragte Daron schnippisch. Rayo seufzte. Er war scheinbar
immer noch beleidigt, weil er es nicht akzeptierte, dass der Prinz sich in
Anwesenheit seiner Mutter an ihn klammerte. Er wollte ja auch lieber während
des Essens auf Darons Schoß statt auf einem Stuhl sitzen, aber er wollte auch
nicht, dass seine Mutter wusste, dass er... nun ja... anscheinend homosexuell
war. Andererseits... er fand nur Daron attraktiv. Er konnte nicht behaupten,
dass er zum Beispiel Kiras Bruder besonders toll fand.
Rayo verschluckte sich bei dem Gedanken an seiner Suppe und hustete mit
hochrotem Kopf. Daron sah ihn besorgt an und Rayo lächelte abwinkend.
Nein, der Gedanke, Kiras Bruder zu küssen, war einfach abstoßend. Angeekelt
verzog er das Gesicht. Daron zu küssen erschien ihm hingegen viel schöner.
Verträumt sah er zum Fenster hinaus. Wenn er und Daron jetzt alleine wären...
er würde ihm die Suppe füttern, dachte er innerlich grinsend. Oder einfach nur
in seinen Armen liegen und den Tag vorbei streichen lassen.
"Ihr beide scheint nicht sehr hungrig zu sein, hm?"
Rayo schrak aus seinen Gedanken und sah seine Mutter erschrocken an.
"Natürlich habe ich Hunger!" Er tauchte den Löffel wieder in die Suppe und sah
kurz zu Daron herüber, der es ihm gleich tat. Der Prinz warf ihm ebenfalls
einen Blick zu und sie grinsten sich an. Sie hatten wohl beide den gleichen
Gedanken. Sich gegenseitig die Suppe zu füttern... Rayos Grinsen wurde noch
breiter. Wenn sie nur alleine gewesen wären... dann wäre das alles kein
Problem gewesen.
"Mund auf.", sagte Daron plötzlich und Rayo schoss die Röte ins Gesicht. Er
wollte widersprechen, doch kaum, dass er den Mund geöffnet hatte, um etwas zu
sagen, hatte der Prinz auch schon seinen Löffeln hinein gesteckt und mit dem
Mund nach seinem eigenen geschnappt.
Rayo konnte geradezu den Blick seiner Mutter auf sich liegen spüren, doch der
Anblick von Daron, so verspielt und zugleich so betörend, war einfach
einnehmend und er konnte seine Augen einfach nicht von dem Prinzen nehmen, der
mit verlockend langsamen Bewegungen seiner Zunge die restliche Suppe von Rayos
Löffel holte. Dann entließ er das Besteckteil aus seinem Mund und leckte sich
aufreizend über die Lippen, als wollte er Rayo dazu bringen, zu ihm
herüberzurutschen und die Suppe selbst zu kosten, die noch an ihnen haftete.
Doch so gerne Rayo das getan hätte... er konnte es nicht. Nicht vor seiner
Mutter. Welch bittersüße Folter...
Er seufzte schwer, nahm Darons Löffel aus seinem Mund und wandte sich wieder
seinem Teller zu. An der Stille, die im Raum herrschte, ahnte er, dass ein
mütterliches Gespräch nicht ausbleiben würde. Und tatsächlich.
"Rayo?", fragte seine Mutter mit aufgesetzter Fröhlichkeit. "Kann ich mal kurz
unter vier Augen mit dir reden?"
"Klar.", antwortete er beschämt und stand auf. Daron blickte ihn fragend an und
er zuckte nur mit den Schultern, als er hinter seiner Mutter her trottete und
die Küche verließ.
"Was war das eben?", fragte Kaori Tamono verwirrt und musterte ihren Sohn
aufmerksam.
"Na, ja..." Rayo trat von einem Bein aufs andere und faltete nervös die Hände
vor sich zusammen. Er wusste, er musste ehrlich mit seiner Mutter sein, jedoch
wusste er nicht, wie er sich ausdrücken sollte. Waren er und Daron denn
zusammen?
"Seid ihr..." Die schwarzhaarige Frau zögerte einen Moment, schien sich dann
jedoch zu überwinden und sprach weiter. "...ein Paar?"
"Du hast es also gemerkt?" Er seufzte und sah zu Boden.
"Es war doch schon die ganze Zeit kaum zu übersehen.", lächelte Kaori. "Das
gerade hat mich nur vollkommen überzeugt, dass ich recht hatte..."
"Wie?" Rayo blinzelte erschrocken. Sie wusste es? Schon die ganze Zeit? Und
warum lächelte sie dann? Wieso akzeptierte sie das so einfach?
"Seit du da bist, hockst du nur auf deinem Zimmer herum und du und dieser
Daron... ihr scheint ständig irgendwie miteinander in Kontakt zu stehen. Durch
Blicke, durch Berührungen. Ich wäre nicht deine Mutter, hätte ich es nicht
bemerkt!"
Rayo sah schweigend zu Boden. Sie akzeptierte es wirklich?
"Seid ihr Geliebte?", fragte seine Mutter mit einer Neugier, die man ihr nicht
zugetraut hätte.
"Nein." Rayo wurde puterrot im Gesicht. Er hatte ohnehin das Gefühl, dass er
momentan nichts anderes tat, als rot zu werden.
"Habe ich mir gedacht!" Kaori lachte. "Du bist so schüchtern!"
Rayo grummelte ungehalten und versuchte, die unangenehme Hitze aus seinen Wangen
zu vertreiben. Warum sagten ihm alle das gleiche? Inzwischen wusste er es
selbst!
"Daron und ich..." Er wurde wieder ruhig, als die Zweifel aufkamen und
schüttelte den Kopf. "Ich weiß selbst nicht, was wir sind. Oder ob wir
überhaupt zusammen sind."
"Wieso weißt du das nicht?" Das schien seine Mutter nicht nachvollziehen zu
können. "Hast du nicht den Blick gesehen, mit dem er dich eben angeschaut hat?
Als wollte er dich gleich mit der Suppe verspeisen!"
"Das ist es ja auch nicht!", begehrte Rayo auf und sah seine Mutter verzweifelt
an. "Es ist einfach so, dass er ein Prinz ist und... er muss irgendwann einmal
über ein Königreich herrschen und er muss sicher auch mal heiraten, damit er
einen rechtmäßigen Thronfolger zeugen kann... da bin ich im Weg!"
"Aber er liebt dich doch?", warf Kaori ein. "Dann wird es auch eine Lösung
geben!"
"Ich weiß nicht, ob er mich liebt.", murmelte Rayo verstört und wandte den
Blick ab. "Ich weiß nur, dass ich ihn liebe und dass er mich mag. Aber ob er
mich liebt... es ist alles so verdammt unklar!"
"Oh, Rayo..." Seine Mutter zog ihn in eine mütterliche Umarmung. "Es wird schon
alles gut werden."
"Ich weiß nicht..." Rayo konnte nichts anderes tun, als den Tränen der
Unsicherheit freien Lauf zu lassen. "Ich weiß es nicht..."
"Rayo, wo bleibst du denn?" Daron kam plötzlich um die Ecke gebogen und stoppt
abrupt, als er sie erblickte. "Was ist los?"
"Daron?", fragte Rayo erschrocken und wischte sich schnell die Tränen aus den
Augen.
Der Prinz jedoch hatte sie längst gesehen und deshalb gab er seine Bemühungen
auf, die salzige Flüssigkeit unbemerkt fortzuwischen.
"Was hast du zu ihm gesagt?", fauchte der Prinz in Kaoris Richtung und Rayo
fühlte sich sogleich von seiner Mutter fort- und in Darons Arme gerissen. "Wenn
du ihn verletzt hast, Frau, dann kannst du was erleben!"
Frau Tamono lächelte jedoch nur, als sie Darons Reaktion auf Rayos Tränen sah
und nickte sich selbst bestätigt zu.
"Was gibt's da zu Grinsen?", zeterte Daron weiter und Rayo sah erschrocken von
einem zum anderen.
"Lass meine Mutter in Ruhe!" Er griff nach dem Kragen des Prinzen und riss ihn
zu sich herum. "Sie hat gar nichts gemacht!"
"Und deshalb finde ich dich hier auch in Tränen aufgelöst, kaum, dass ich dich
mal eine Sekunde alleine lasse?", empörte Daron sich und Rayo schrie
erschrocken auf, als er sich ruckartig von den Füßen gezerrt fühlte. "Das
lasse ich garantiert nicht noch einmal zu!"
"Aber Daron..." Hilflos hing Rayo über die Schulter des Prinzen und als er nach
dem Blick seiner Mutter suchte, fand er sie ermunternd lächelnd vor.
>Wieso lächelt sie? Daron benimmt sich absolut daneben! Sie sollte wütend
sein! Ich verstehe sie heute echt nicht mehr...<
"Daron, lass mich runter!", forderte er weinerlich und klopfte dem Prinzen
leicht auf den Rücken. Der jedoch ging stur weiter, bis die Tür zu Rayos
Zimmer hinter ihnen zugefallen war, ehe er etwas erwiderte.
"Was habt ihr da gerade besprochen?", fragte Daron und Rayo plumpste auf das
Bett, als der Prinz ihn dort hinfallen ließ und sich neben ihn setzte.
"Das geht dich nichts an.", murmelte er und richtete sich wieder in eine
Sitzposition auf.
"Ich denke, das geht mich sehr wohl etwas an." Darons stechender Blick nagelte
den Kleineren fest. "Also? Warum hast du geweint? Ich werde dem Schuldigen
persönlich den Hals umdrehen!"
Kurz dachte Rayo an die Ironie der Situation und musste beinahe eine Lachen
unterdrücken. Da musste er sich nämlich schon selbst den Hals umdrehen, denn
es war schließlich er gewesen, der Grund seiner Tränen war.
"Es war nichts wichtiges, Daron." Er grinste schief und stand auf. "Ehrlich."
"Tja, wenn du es mir nicht sagen willst..." Der Prinz wandte den Blick ab und
verschränkte die Arme vor der Brust. Rayo seufzte und öffnete seinen Schrank,
aus dem er sich ein Handtuch holte.
"Jetzt sag schon!"
Rayo sah den Prinzen über die Schulter hinweg überrascht an.
"Ich dachte, das wäre geklärt?", fragte er.
"Nein, natürlich nicht!", knurrte Daron. "Jetzt sag!"
"Nein, vergiss es!", wehrte Rayo sich trotzig und öffnete die Tür, das
Handtuch unter den Arm geklemmt. "Also, ich gehe duschen!"
Rayo verließ den Raum und ging grollend Richtung Badezimmer.
>Was fällt dem überhaupt ein, mich so mit Fragen zu löchern?<
"Was meinst du mit ,du gehst duschen'?"
Schon war Daron wieder an seiner Seite und blickte ihn mit einer Mischung aus
Skepsis und Neugier an.
"Das soll heißen, ich werde mich jetzt waschen!" Rayo konnte nicht anders, als
trotz seiner Wut ein kleines Grinsen zu zeigen. "Und da wirst du nicht dabeisein
können!"
"Nicht?" Daron schien tatsächlich nicht verstanden zu haben, was er meinte.
"Bleib bitte einfach in meinem Zimmer, bis ich wieder da bin, ja?", bat er und
hoffte, der Prinz würde einfach tun, was er ihm sagte, damit er endlich ein
Stück Seife in die Finger bekam und den Dreck aus seinem Haar heraus.
"Ich werde dich jetzt nicht wieder alleine lassen!", rief Daron jedoch
entschlossen aus. "Nicht, dass du dir noch die Augen ausweinst!"
"Bitte?!" Rayo starrte den Prinzen ungläubig an. "Ich will mich waschen, Daron!
Soll heißen, ich steige unbekleidet unter eine Dusche und schrubbe den ganzen
Dreck von mir herunter, den ich mir in den letzten Tagen in deiner Welt
eingefangen habe! Und dabei werde ich ganz bestimmt nicht heulen! Höchstens,
wenn der Schmutz nicht aus meinen Haaren geht!"
Das schien Daron erfolgreich zum Schweigen gebracht zu haben, zumindest waren
seine Augen groß wie Untertassen geworden.
"Unbekleidet?", quäkte der Prinz schließlich und die grauen Augen wanderten
den Körper seines Gegenübers hinab. Jetzt war Rayo an der Reihe, mal wieder
rot anzulaufen und er bekam langsam das Gefühl, dass er das mittlerweile recht
gut konnte.
"Ja, unbekleidet!", bestätigte er deshalb hastig und flüchtete ins Bad. "Und
jetzt lass mich allein!"
Er schloss die Tür hinter sich und drehte den Schlüssel herum.
>Peinlich, peinlich, peinlich!! Wieso passiert immer mir sowas?!<
Resigniert entledigte er sich seiner vor Dreck starrenden Kleidung und drehte
den Warmwasserhahn auf, bis das Wasser dampfte. Dann drehte er den
Kaltwasserhahn ein kleines Stück auf und trat anschließend unter den
Wasserstrahl, als die Temperatur erträglich war. Ein unwillkürlich erfreuter
Seufzer entwich seiner Kehle, als das Wasser seinen Körper hinunter rann und
den Schmutz der vergangenen Tage wegzuwaschen begann.
Rayo wickelte das Handtuch fester um seinen Körper und drehte den Schlüssel
wieder im Schloss herum, so dass er sie öffnen konnte. Vorsichtig warf er einen
Blick in den Flur und hoffte, einer ganz gewissen Person lange genug ausweichen
zu können, bis er sich angezogen hatte.
Fehlschlag. Daron wartete schon vor der Tür auf ihn.
Rayo verzog entsetzt das Gesicht und wäre am Liebsten einfach umgekehrt, doch
schon hatte der Prinz ihn entdeckt und betrachtete ihn eingehend.
"Was machst du hier?", fragte Rayo verlegen und wischte sich seine triefenden
Haare aus dem Gesicht.
"Warten.", gab der Prinz einsilbig zurück und fuhr fort, ihn unverhohlen
anzustarren. Es war untertrieben, zu sagen, dass Rayo sich momentan mehr als
schämte.
"Willst du auch duschen?" Der Kleinere begab sich rasch aus dem Türbereich und
deutete ins Innere des Badezimmers. "Du hattest doch sicher auch eine ganze
Weile keine Gelegenheit dazu, oder?"
"Sicher." Daron trat näher, jedoch ging er nicht ins Bad, sondern auf Rayo zu,
der sich mit dem auf einmal sehr klein wirkenden Handtuch sehr entblößt
vorkam.
"Was?", fragte er nervös und wünschte sich, einfach in sein Zimmer
verschwinden zu können.
"Darf ich dich nicht ansehen?", grinste der Prinz und blieb erst stehen, als
ihre Oberkörper sich gerade berührten. Seine grauen Augen lagen noch immer auf
der nackten Haut des Nackens, wanderten jetzt jedoch hinauf, bis sich ihre
Blicke trafen. Einer nervös, der andere voller Verlangen.
"Also... wenn du duschen willst... dreh das Wasser nicht zu weit auf, sonst
gibt's eine Überschwemmung!", erklärte Rayo und fuchtelte mit den Händen in
der Luft herum, als könnte er Daron damit ablenken. "Und du musst die
Temperatur dosieren! Pass bloß auf damit, sonst verbrennst du dir die Knochen!
Handtücher findest du im Schrank!"
Er wandte sich um und wollte gerade in sein Zimmer verschwinden, als zwei starke
Hände seine bloßen Oberarme ergriffen und ihn an Ort und Stelle festhielten.
Unruhige, goldene Augen wanderten zu den dunklen, grauen des Prinzen hinauf und
warteten mit unstetem Flackern in ihren Tiefen auf Darons nächsten Schritt.
Und der kam auch kurz darauf. Der Prinz zog ihn zu sich hinauf, so dass er sich
auf die Zehenspitzen stellen musste, um nicht den Boden unter den Füßen zu
verlieren und ein weiteres Mal trafen ihre Lippen in ungestümer Leichtigkeit
aufeinander, fügten sich aneinander, als setzte man zwei passende Teile eines
Puzzles zusammen.
"Wieso kommst du nicht einfach mit und zeigst mir alles?", fragte Daron und sah
mit leuchtenden Augen auf ihn herab.
"Lüstling.", schmollte Rayo mit glühenden Wangen und hoffte, sein Handtuch
würde nicht abrutschen, da der Prinz gerade seine Arme im festen Griff hatte
und er es nicht würde festhalten können. War das auch Absicht?
"Ich bevorzuge es, in mein Zimmer zu gehen.", murmelte der Kleinere und blickte
verschüchtert zu Daron auf.
"Du willst mir also nicht zeigen, wie es funktioniert?" Der Prinz nahm eine
seiner Hände und zog ihn in Richtung Badezimmer. Rayo jedoch stemmte jäh die
Füße in den Boden und schüttelte den Kopf.
"Du merkst schon selbst, wie es geht!" Mit seiner jetzt freien Hand rückte er
das Handtuch zurecht und blickte Daron dann entschlossen an.
"Aber alleine geht das nicht...", schnurrte der Prinz und Rayo riss geschockt
die Augen auf. Das hatte verdammt zweideutig geklungen.
"Oh, doch...", erwiderte er mit schwacher Stimme. "Das schaffst du schon."
"Rayo..." Daron schenkte ihm einen weiteren seiner betörenden Blicke.
"Nein." Rayo sah den Prinzen streng an, entwand seine Hand aus dem warmen Griff
und schüttelte resolut den Kopf. Daron senkte enttäuscht die Augen.
"Dann gehe ich eben alleine.", grummelte er, drehte sich um und schloss leise
die Tür hinter sich. Rayo atmete auf.
>Dieser Prinz...<
Halb erleichtert, halb von einem vagen Gefühl der Enttäuschung erfüllt,
wandte er sich um und lief schnell in sein Zimmer, um sich endlich ankleiden zu
können.
Kaum hatte er jedoch die Hose seines Pyjamas richtig angezogen, gellte ein
Ohrenbetäubender Schrei durch das Haus. Eindeutig Darons Stimme.
So schnell ihn seine Beine trugen, hastete Rayo zum Badezimmer zurück und
polterte hinein. Als er Daron erblickte, hätte er dann aber am Liebsten direkt
wieder kehrt gemacht und wäre geflohen. Der Prinz stand nämlich
splitterfasernackt, nur verdeckt durch ein viel zu kleines Handtuch, vor der
Dusche und schaute ihn mit schmerzerfüllten Augen an.
"Das ist ja heiß!", klagte er weinerlich und rieb sich seinen geröteten Arm.
"Ich sagte doch, du musst die Temperatur regulieren!" Besorgt trat Rayo an Daron
heran und betrachtete die wunde Haut. Alle Scham schob er für den Moment
beiseite, obwohl die Situation ihm wirklich nicht behagte. Oder viel zu sehr. Er
musste sich zurückhalten, den Prinzen nicht offen anzustarren.
>Was ist er auch so verdammt gut gebaut?!<
"Du hast hier zwei Regler.", erklärte Rayo leicht abwesend. "Hast du mir etwa
vorhin nicht zugehört, als ich dir gesagt habe, dass du aufpassen musst?"
"Ich war etwas abgelenkt...", gab Daron zu. "Ist ja nicht alle Tage, dass du
unbekleidet im Flur stehst..."
Rayo grollte und verpasste dem dreisten Prinzen eine Kopfnuss, der sich mit
einem breiten Grinsen duckte.
"Im Moment bin nicht ICH es, der hier nichts anhat!", sagte er mit fester Stimme
und hob beiläufig eine Hand, mit der er von Darons entblößter Brust bis hinab
zu seiner Hüfte fuhr. Der Prinz keuchte bei der unerwarteten Berührung
erschrocken auf und stolperte fast rückwärtig in die Duschkabine. Rayo, dem
erst jetzt bewusst wurde, was er getan hatte, riss beschämt die Augen auf und
schob schnell den Größeren ganz unter die Dusche, um direkt hinter ihm die
Tür zu schließen.
"Denk daran, nicht die Hähne aufzudrehen, wenn du drunter stehst, sonst..."
"Iiiieh! Kalt!!"
Rayo verdrehte die Augen zur Decke und ignorierte die Hitze, die noch in seinen
Wangen stand, geflissentlich. Je eher das vorüber war, desto eher konnte seine
Gesichtshaut auch wieder eine normale Farbe annehmen.
"Halt die Brause von dir weg, dreh dann das kalte Wasser auf und anschließend
das warme.", instruierte er ungeduldig. "Und erst wenn es angenehm ist, stellst
du dich drunter!"
"Okay, Darling.", schnurrte Daron.
"Wie nennst du mich?!", platzte Rayo entsetzt heraus.
"Soll ich Spätzchen sagen?"
"Nein, dusch' jetzt einfach!"
Kurzes Schweigen trat ein, dann drang wieder das Rauschen von Wasser zu Rayos
Ohren vor. Seufzend verließ er das Bad und fröstelte, als die kühlere Luft
des Flures an seine Haut drang. Er musste sich endlich fertig ankleiden.
Zitternd rieb er sich die Arme, auf denen sich eine Gänsehaut zu bilden begann.
>Hoffentlich kommt Daron jetzt mit der Dusche klar...<
"Wer hat denn hier vorhin so geschrien?"
Rayo zuckte zusammen, als seine Mutter sein Zimmer betrat. Er war gerade dabei,
für den Prinzen frische Kleidung herauszusuchen, was sich als schwierig
herausstellte, da Daron mehrere Zentimeter größer war als er.
"Daron hat das heiße Wasser aufgedreht und sich verbrannt.", erklärte er
müde.
"Dann ist ja gut!" Kaori lächelte erleichtert. "Ich war gerade dabei, die
Gardine neu zu befestigen, die deine Kusine vorhin heruntergerissen hat. Sonst
wäre ich sofort gekommen."
"Oh..." Rayo winkte mit einem verlegenen Grinsen ab. "Schon okay."
>Wenn sie reingekommen wäre, dann hätte das sicher seltsam ausgesehen. Ich
ohne Oberteil und Daron... völlig unbekleidet, nur mit Handtuch... Waaah!!<
"Ihr solltet jetzt gleich besser schlafen gehen!" Seine Mutter lächelte breit.
"Ihr seid sicher sehr erschöpft von dem anstrengendem Tag! Sollen wir gleich
das Klappbett aufstellen?"
"Nein!" Der Prinz stapfte plötzlich herein, diesmal in ein großes Handtuch
gewickelt und sah Frau Tamono stur entgegen. "Rayo und ich schlafen in einem
Bett!"
Rayo verzog befangen das Gesicht und sah zur Seite. "Tun wir das?!"
"Natürlich!" Daron stemmte die Hände in die Hüften. "Und deine Mutter kann
gar nichts dagegen machen!"
"Was sollte ich denn machen wollen?" Kaori grinste ihren Sohn wissend an. "Ich
habe nichts einzuwenden. Hauptsache, ihr seid brav!"
Sie schenkte ihnen einen heiteren Blick und verließ mit einem letzten Wink den
Raum.
"Deine Mutter ist..." Daron sah ihn mit leichter Fassungslosigkeit an.
"...cool!"
"Findest du?", fragte Rayo nervös und setzte sich auf das Bett.
>Ich hasse solche Situationen, in denen ich nicht weiß, was ich tun soll...
oder was Daron tun wird...<
"Ja, eindeutig!" Der Prinz nickte heftig. "Meine Mutter hätte bestimmt einen
Anfall bekommen!"
"Ich wundere mich auch, warum meine Ma das so einfach akzeptiert." Rayo sah
hinab auf die Bettdecke und unterdrückte ein Gähnen. "Aber sie scheint es
einfach hinzunehmen! Ist schon selt-Uff!!" Der Schwarzhaarige schnappte nach
Luft, als ein großes Gewicht auf ihm landete und ihn in die Kissen drückte.
"Daron...!!", protestierte er, erschrocken ob der unerwarteten Attacke.
"Ich bin müde...", murmelte der Prinz und kuschelte sich eng an ihn.
"Und ich bekomme kaum Luft!" Rayo versuchte, sich etwas Atemraum zu schaffen,
doch das schien nicht möglich, da zwei starke Arme ihn wie einen Teddy an
Darons warmen Körper drückten.
"Rayo?"
Der Angesprochene hörte auf zu zappeln und lauschte. "Ja?"
"Wie soll man eigentlich die Kerzen ausmachen, wenn sie an der Decke hängen?"
Das Gesicht des Prinzen tauchte vor seinem auf, als Daron lockerließ und etwas
auf Abstand ging, um ihn ansehen zu können.
"Das sind keine Kerzen.", erklärte Rayo und schmunzelte. "Das sind
Glühbirnen."
"Glühbirnen?!" Daron legte skeptisch den Kopf schief. "Und wo ist der
Unterschied? Was sind diese Glühbirnen?"
"Man schraubt die an ein Stromkabel an und der Strom bringt sie zum Leuchten!"
Jetzt grinste Rayo offen. "Aber das jetzt zu erklären, ist zu schwierig. Das
musst du nicht verstehen."
"Ich will aber!" Der Prinz zog ein beleidigtes Gesicht.
"Du weißt doch nicht einmal, was Strom ist, wie soll ich denn dann..."
"Ich weiß, was ein Strom ist!", unterbrach Daron unwirsch. "Ein Wasserlauf, der
schnell fließt. Aber das weiß doch jeder!"
"Nicht so ein Strom!" Rayo schüttelte verzweifelt den Kopf. "Der Strom, den ich
meine, fließt zwar auch, aber er ist unsichtbar."
"Hä?", machte Daron verwirrt. "Unsichtbar? Wie... Wind?"
"Ja, so ähnlich!" Rayo nickte nachdenklich. "Aber der Strom fließt durch
Gegenstände oder Stoffe, die ihn leiten. Man nennt das Elektrizität. Und...
Blitze zum Beispiel sind Entladungen von Elektrizität!"
"Blitze? Aber einen Blitz sehe ich doch?", fragte der Prinz neugierig.
"Ja, manchmal zeigt sich die Elektrizität, wenn sie sich entlädt."
"Okay." Daron grinste breit. "Ich habe zwar jetzt nur die Hälfte davon
verstanden, aber... okay."
Rayo seufzte, erleichtert, dass die Sache somit geklärt war. Allerdings mussten
die Lichter tatsächlich noch ausgemacht werden und dazu musste jemand
aufstehen...
"Daron?" Der Schwarzhaarige zupfte an dem Ärmel des Pyjamas, den der Prinz
trug. "Darf ich dann mal eben aufstehen, um das Licht auszumachen?"
"Och, menno..." Daron sah ihn finster an. "Können die Bediensteten das nicht
machen?"
"Wie oft soll ich denn noch sagen, dass wir keine Bediensteten im Haus haben?!",
knurrte Rayo und arbeitete sich aus dem Gewirr aus Armen und Beinen heraus.
Daron murrte unzufrieden, ließ ihn jedoch aufstehen. Müde tapste er durch das
Zimmer und legte mit einer geübten Handbewegung den Schalter um. Sofort wurde
es dunkel.
"Oh, ich kann ja gar nichts mehr sehen!", rief der Prinz aus. Rayo rollte in der
Dunkelheit die Augen und folgte dem Deckenrascheln, das Daron verursachte, bis
sein Fuß an etwas hölzernes stieß. Er tastete mit den Händen die weiche
Matratze ab, stutzte dann jedoch. Das Bett war leer.
"Daron?", fragte er verwirrt und drehte sich halb um.
"Ha, hab ich dich!!"
Etwas großes, schweres legte sich über ihn, eindeutig eine der Decken, und
hüllte ihn vollkommen ein. Er versuchte, die Decke schnell abzuschütteln, fand
sich jedoch in dem dicken Stoff gefangen.
"Daron!!", schimpfte er gedämpft durch den Stoff hindurch. "Das ist nicht
witzig! Hol mich sofort hier raus!"
"Erst, wenn du mir versprichst, dass ich außen schlafen darf!" Der Prinz lachte
triumphierend.
"Vergiss es!" Rayo drückte stur gegen den ärgerlichen Stoff, merkte jedoch,
dass Daron es irgendwie geschafft hatte, ihn komplett darin einzuwickeln. "Ich
schlafe immer außen!"
"Ich auch!", kam im entschlossenen Tonfall zurück. "Und da ich der Prinz bin
und du nur ein armer Junge, dessen Eltern nicht einmal Bedienstete haben, ist
das Recht eindeutig auf meiner Seite!"
"Warum gibt's du dich denn dann überhaupt mit mir ab, wenn ich doch deiner
Meinung nach so weit unter dir stehe?", grollte Rayo, noch immer gegen die Wand
aus Decken ankämpfend.
"Weil du Rayo bist.", erklärte Daron simpel. "Und es heißt doch ganz klar
,Daron und Rayo' und nicht ,Rayo und Daron'!"
"So ein Quatsch!" Der Kleinere wand sich stur, obwohl er die Erschöpfung
deutlich spürte. "Wieso das denn?!"
"Weil...", begann der Prinz, wurde jedoch von Rayo direkt wieder unterbrochen,
der sich jetzt einfach fallenließ und statt dessen mit Worten weiter kämpfte.
"Das hier ist sowieso mein Zimmer und mein Bett! Das Recht liegt also auf meiner
Seite!"
"Und was ist mit dem Recht des Stärkeren?"
"Das gilt hier nicht!"
"Tut es wohl! Ich hab' dich besiegt!"
"Stimmt ja gar nicht!"
"Wohl!"
"Nein!"
"Gib's doch zu!"
"Nein!!"
Kaori Tamono entfernte sich kopfschüttelnd von der Tür. Sie konnte nicht
glauben, dass das ihr Sohn sein sollte, der sich da auf kindischste Weise mit
einem Prinz aus einer anderen Welt stritt. Dabei hatte sie ihn immer für reifer
als andere seines Alters gehalten. Erwachsener und... einfach ruhiger. Aber
das?!
Stiftete dieser Daron ihn etwa dazu an? Ging das alles von dem Prinzen aus? Dann
allerdings... war er auch wieder ein ,Prinz'. Prinzen mussten doch sicher viel
früher erwachsen werden, oder?
Sie hörte noch weiteres Poltern und wandte sich nun endgültig Richtung Küche.
Sie war wirklich gespannt, was Darons Aufenthalt in ihrem Haus alles ausrichten
würde. Aber wenn Rayo ihn tatsächlich liebte - und das war ja so
offensichtlich - würde sie ihn hier akzeptieren. Wenn dieser Prinz ihren Sohn
allerdings verletzen würde... dann würde das für ihn mächtigen Ärger geben.
Dann hatte er nämlich eine zornige Mutter am Hals.
Als es noch einmal polterte, sah sie milde besorgt zur Küchentür, während sie
sich heißes Wasser für Tee aufsetzte. Wenn das mal gutging...
To Be Continued...
So, das war's! Diesmal nur ein halber Cliffy ^^
Ich habe in diesem Kapitel noch viel weniger geschafft, als ich es mir erhofft
hatte. Also wird wohl Darons erster Schultag erst in Part 10 kommen! Könnt euch
ja schon mal drauf freuen, das wird nämlich lustig ^^
Ich muss euch jetzt aber um eure Meinung bitten:
Nach dem Teil mit der Schule soll es nämlich im Plot weitergehen. Wollt ihr,
dass es weiterhin lustig bleibt oder soll ich es mal mit einer ernsten Stimmung
versuchen? Ich bin mir insofern nicht sicher, dass es vielleicht nicht in die
Gesamtstimmung der FF passt.
Heiter oder ernst? Viel Romantik oder eher Action?
Was passieren soll, weiß ich schon, aber wie ich es umsetze noch nicht. Es
liegt bei euch!! ^^
Wie hat euch dieses Kapitel gefallen? Ich habe mir Mühe gegeben, einmal etwas
über Daron zu verraten. Es sind wohl sicherlich einige unerwartete Dinge
herausgekommen *grins*
Nun, nächstes Kapitel wird wohl ebenfalls plotlos bleiben! Ich muss einige
Dinge verarbeiten, die schon seit Beginn der Story in meinem Kopf herumspuken!
Es war nämlich, wenn auch nur undeutlich, von Anfang an geplant gewesen, dass
der Prinz irgendwann in Rayos Welt landen würde ^^ Und Rayo gibt es ja jetzt
schon seit... *überleg* *guckt nach* seit dem 3. September 2002; 17.00 Uhr
und... null Sekunden... *sweatdrop* Aber immerhin ist das jetzt weit über ein
Jahr ^^ Das erstaunt mich selbst!
Ich weiß allerdings nicht, wie lang die Story noch werden wird ^^ Aber ganz
ehrlich gesagt bin ich auch froh, wenn ich mal ein Ende drunter setzten kann!
Wisst ihr was? Ich lasse sie einfach vor einen Bus rennen und sterben *lacht
fies* Nein, Scherz! Ich schreibe sehr gerne an der FF, aber ich habe noch nie
eine längere Story mal wirklich beendet! Das wäre einfach mal schön!
So... und zum Ende meines wieder einmal viel zu lang geratenen Kommentars setze
ich mein Dankeschön an die netten Kommi-Schreiber:
Peruka, Mistery, Tasuki81 und Angel_of_Goddess!!
Ich bin wirklich froh, dass euch die Story gefällt! Ohne die Kommentare hätte
ich sicher schon vor langer Zeit aufgegeben ^^ Und das ist ernst gemeint! Ihr
inspiriert mich zu neuen Ideen und es macht einfach Spaß, zu schreiben, wenn es
anderen gefällt ^^ *cheer* Danke *gerührt*
So, jetzt aber Schluss... ich Labertasche...
Tara
Kapitel 12: Special 3
---------------------
Rayos Reise Part 5 - Special 3: Outtake
Tja, dies ist ein sehr kurzes Special, aber sicher wird es euch gefallen. ^^ Es
ist eine Szene, die ich mal irgendwann rausgeschnitten habe, weil sie mir
irgendwie nicht gepasst hat, weil alles irgendwie in eine ganz falsche Richtung
lief, ohne, dass ich es hätte kontrollieren können. Warum ich sie trotzdem
behalten habe, weiß ich nicht. Einzuordnen ist sie noch vor dem Ball auf dem
Schloss - sogar ganz kurz davor. Ursprünglich war es nicht geplant, dass Rayo
an dem Ball überhaupt teilnimmt, sondern vorher abhaut und nach Hause geht.
Rayo und Daron sind also auf Darons Zimmer und unterhalten sich über Kira und
Rayos Beziehung zu ihr. Ich kopiere die Sätze, die in beiden Versionen der
Geschichte noch gleich waren. Danach irgendwann verläuft alles anders (ich
hatte noch eine Menge geschrieben gehabt, aber das lassen wir mal alles weg -
Schuld ist der Hentai-Anteil *wird rot und versteckt sich*).
---
"Bleib ruhig!", unterbrach Rayo ihn unwirsch. "Was ich mit Kira zu tun habe,
sagte ich bereits, da ist nichts! Ich weiß gar nicht, was dich das
interessieren sollte! Du liebst doch Raya!"
"Ich..."
"Außerdem...", sprach Rayo laut weiter. "...hat meine Schwester dir schon
einmal eine Abfuhr erteilt! Sie möchte einfach nicht, dass du dir Hoffnungen
machst! Du hast nichts falsch gemacht! Nur zügeln solltest du dich vielleicht
mal... du benimmst dich wie ein Kind!"
---
Daron packte seine Handgelenke und drückte ihn erzürnt gegen die Wand, so wie
er es schon einmal getan hatte. Langsam lehnte er sich an Rayos schmaleren
Körper. Dessen goldene Augen blitzten etwas erschrocken auf. Er wusste nicht,
was das jetzt für eine Einschüchterungsaktion war. Nur eines wusste er ganz
genau: Diese Methode verfehlte vollkommen ihre Wirkung. Ihm wurde eher warm, als
dass er Angst hatte.
"Ich bin kein Kind!", murmelte Daron mit tiefer Stimme, die Rayo bis ins
Innerste drang und seine ganze Weltordnung erschütterte. Er legte seine Stirn
auf Rayos und sah ihm dabei unverwandt in die Augen. Von dem Kleineren kam keine
Reaktion auf seine Worte, nur ein verwirrtes Zwinkern der weit aufgerissenen
Augen. Eine von Darons Händen wanderte vom Handgelenk herauf zu seiner Wange,
streichelte über die zarte Haut des Gesichts, das immer noch denselben ratlosen
Ausdruck beibehielt wie zuvor. Rayo war schon ein seltsamer Typ. Wieso schaffte
er es immer, ihn so aus dem Konzept zu bringen? Würde er es nicht besser
wissen, würde er diese Wut als Eifersucht auslegen. Rayo war seiner Schwester
einfach zu ähnlich! Nur... warum hatte dann gerade dieses Kribbeln gefehlt, als
er Rayas Hand geküsst hatte? Und wieso wusste er mit Bestimmtheit, dass diese
Raya, die gerade dort in der Halle gestanden hatte, nicht die Raya war, die er
im Kloster kennengelernt hatte?
Rayo stellte fest, dass Darons Züge sich gelöst hatten. Die Strenge war aus
seinen grauen Augen gewichen. Jetzt erblickte er nur Fragen über Fragen und
eine unbestimmte Sehnsucht nach irgend etwas in ihnen, das er nicht erkennen
konnte. Dabei war er es doch, der Antworten wollte!
"Daron...?", flüsterte er. "Warum machst du das mit mir?"
Der Prinz sah ihn nur an, sein Blick durchdrang jeden Schutzwall, hinter dem er
sich verstecken wollte und zwang ihn, den eigenen Blick starr hinauf zu ihm
gerichtet zu halten. Er nahm das nachdenkliche Zusammenziehen der Augenbrauen
und das leichte Zucken der Hand wahr, die mit einer Haarsträhne spielte, welche
ihm ins Gesicht gefallen war.
"Ich kann nicht dagegen an...", sagte Daron schließlich nur in rauhem Ton. Mehr
nicht. Das war seine Begründung für sein besitzergreifendes Verhalten Er
machte das, weil er nicht anders konnte... Eine komische Vorstellung, fand
Rayo...
Die Hand an seiner Wange wanderte wieder nach unten, diesmal an seine Hüfte und
zog ihn noch enger an den warmen Körper des Prinzen. Rayo legte seinen Kopf auf
Darons Schulter. Er fühlte sich ganz schwach, als hätte er einen anstrengenden
Tag hinter sich und nur das Bedürfnis, sich fallen zu lassen. Darons Hände
strichen über seinen Rücken nach oben, ließen heiße Schauer von da aus über
seine Schultern rieseln. Er hatte das Gefühl, umzufallen, würde der Prinz ihn
nicht festhalten. Diese Umarmung war ganz anders als alles, was er bisher
durchlebt hatte. Sie war viel intensiver als jede andere. Er spürte sogar
Darons muskulöse Brust durch den Anzug hindurch und wunderte sich über sich
selbst, dass ihn das nicht im Geringsten störte. Dass er das sogar als sehr
angenehm empfand. Es genoss, ihm so nah zu sein.
Er suchte wieder Blickkontakt, schaute mit einer gewissen Scheu hinauf in die
grauen Augen, die die stille Frage widerspiegelten, die auch Rayo im Kopf
herumschwirrte.
Warum...?
Doch Daron schien nicht darauf warten zu wollen, bis einer sie aussprach. Eine
seiner Hände streifte durch Rayos Haare, rief ein wohliges Kribbeln bei ihm
hervor, verweilte dann mit ernster Bestimmtheit am Hinterkopf. Die andere legte
sich unter sein Kinn, wie um jeglichen Widerspruch im Keim zu ersticken. Das
letzte, was Rayo in Darons Augen sehen konnte, war eine Mischung aus Sanftmut
und Entschlossenheit, bevor der Prinz sich vorbeugte und ihn mit der Berührung
ihrer Lippen alles um sich herum vergessen ließ. Rayo klammerte sich an Daron
fest, da er das Gefühl hatte, den Halt zu verlieren, täte er es nicht. Daron
legte mit einem leisen Seufzer die Arme um den ihm so zerbrechlich erscheinenden
Körper des Jungen. Fordernd streifte er wieder die Lippen Rayos, der in seinen
Armen dahinschmolz, den Kuss jedoch nur schüchtern erwiderte.
Darons Lippen sprachen wortlose Bitten, sich ihm zu öffnen, dem inneren
Drängen nachzugeben.
Rayo sog lautstark die Luft durch die Nase ein, als er die Hände des Prinzen
unter sein Oberteil schlüpfen und seinen Bauch liebkosen spürte. Er fühlte,
wie etwas in ihm immer weiter bröckelte, eine Art kalter Widerstand, der die
Wärme bisher abgewehrt hatte. Leicht öffnete er den Mund, hörte Daron
daraufhin erfreut aufseufzen. Darons Zunge fuhr hinein, um sich den Preis für
die Umschmeichlungen zu holen, umspielte, erforschte. Alles schien in einen
ewigen Wirbel aus Flammen zu geraten, der immer mehr an ihnen riss. In Rayos
Bauch schien ein Feuer entzündet, er hatte das Gefühl, es verzehrte ihn
innerlich und nur Daron, ja, nur er allein, versprach Linderung. Er presste sich
an ihn, zog ihn mit den Armen noch näher an sich heran, obwohl das eigentlich
schon gar nicht mehr möglich war. Sein Geruch umhüllte ihn, erweckte etwas
wildes, ungezähmtes in ihm, das sein Handeln übernahm, seine sehnlichsten
Wünsche auslebte, die er sich selbst immer verboten hatte.
Schwer atmend lösten sie ihre Lippen voneinander, nur um sich gleich darauf
wieder zu finden und in einem weiteren feurigen Spiel aus Leidenschaft zu
versinken.
"Rayo...", hauchte Daron zwischen zwei Küssen. "Du gehörst mir!"
Was das wirklich bedeutete vermochte Rayo nicht aufzunehmen, er wusste nur, dass
er im Moment ganz ihm gehören wollte, ihn gleichzeitig besitzen wollte, nur
für einen Augenblick und bis in alle Ewigkeit.
"Du bist Mein!", wiederholte Daron noch einmal, küsste Rayo, der sich in all
seiner Unschuld hingab, sich ihm überließ
"Ich bin Dein...", bestätigte Rayo keuchend, merkte, wie Darons Lippen von
seinen abließen und über sein Kinn zu seinem Hals hinabwanderten. Er schob das
störende Kleidungsstück etwas zur Seite und knabberte zärtlich an dem linken
Schlüsselbein darunter, strich mit der Zunge über die empfindliche Haut, bis
das Oberteil kein Weiterkommen mehr zuließ.
Und eben in diesem Moment klopfte es lautstark an der Tür. Darons Kopf fuhr
verärgert hoch, richtete sich auf das gerötete Gesicht des Jungen in seinen
Armen und dann böse auf das Holz der Tür, als könnte sie etwas für die
Unterbrechung.
Der Prinz ließ Rayo los.
"Ja, bitte?!" Seine Stimme verbarg seine Wut nicht. Wie immer.
"Ich bin's nur, Daron..." Es wurde ohne weitere Frage geöffnet und der König
persönlich tappte in das Zimmer. "Ich wollte dich nur fragen, ob du weißt, wo
das Parfum deiner Mutter ist." Der Prinz lief vor Scham und Ärger bis unter die
Haarwurzeln rot an.
"Warum sollte ich Mutters Parfum in meinem Zimmer haben?", schrie er seinen
alten Herren an. "Das ist ja wohl das Letzte!"
"Reg dich ab, Junge!", murrte sein Vater. "Es sind übrigens noch einige Gäste
eingetroffen! Zum Beispiel Mirim von Lilits und.."
"Das interessiert mich aber überhaupt nicht..." Daron ballte wütend die Hände
zu Fäusten.
"Mirim ist deine Tante!", schalt sein Vater. "Geh zu ihr und begrüße sie
wenigstens!"
"Ich hasse sie!", fauchte der Prinz. "Sie taucht immer in den unpassendsten
Augenblicken auf!"
"Du hattest doch eh nichts zu tun!", meinte der König gleichgültig. "Und jetzt
ab mit dir!"
Daron warf Rayo einen sehnsuchtsvollen Blick zu, der eine Fortsetzung dessen
versprach, was sie gerade getan hatten und verließ vor seinem Vater
herschlurfend das Zimmer. Die Tür wurde geschlossen. Es wurde still. Unendlich
still.
Rayos Reise Special 3 - Ende
Das war's. Okay, es kommen danach eigentlich noch viele Seiten mehr, aber ich
will hier auf Animexx den Hentaipart nicht veröffentlichen - oder ihn
überhaupt irgendwem zeigen. Ich schicke ihn auch niemandem als Mail zu. Damit
wäre das schon mal geklärt.
Was mir an der Szene nicht gefallen hat:
Erstens: Darons Gedanken wurden dargestellt. Ein kleines Malheur, das mit nicht
hätte passieren dürfen.
Zweitens: Es ging alles zu schnell mit Rayos und Darons Beziehung. *deutet auf
den ,Du bist Mein'-Part* und es war zu abrupt in der Geschichte.
Was mir persönlich im Nachhinein noch ganz gut gefällt: Die Atmosphäre,
weshalb ich die Szene ausgewählt habe und das Ende mit Darons Papa.
Allgemein finde ich den Gedanken eines Was-Wäre-Wenn Verlaufs sehr interessant.
Was wäre denn gewesen, wenn Rayo an dieser Stelle der Geschichte abgehauen
wäre und nicht am Ball teilgenommen hätte? Ich kann es euch sagen: Er hätte
Leyas Schwester kennengelernt und ein paar Dinge über ihre Familie erfahren und
anschließend wäre er auf einem Drachen über den Wolken zu dem Portal geflogen
(mit Leya und ihrer Schwester), durch das er diese Welt betreten hat und dieses
hätte die Schwester dann geöffnet. Dann wäre Daron auf seinem schwarzen
Hengst angaloppiert gekommen und mit in das Portal gerannt. Es käme also auch
darauf hinaus, dass Daron mit in Rayos Welt geht. Danach käme dann theoretisch
die Hentai-Szene *hust und sich versteck* Und danach habe ich aufgehört, weil
ich darüber nachgedacht habe, was ich da angestellt habe und ich habe es alles
wieder rausgeschnitten. *war damals vollkommen verzweifelt*
Ich hoffe, dass das kurze Stück da euch gefallen hat. Und stellt euch schon
einmal auf das nächste richtige Kapitel ein, das wird nämlich bald kommen.
More RayoDaron-ness! Yay!
Bye
Tara
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