Rayos Reise von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 5: Die Magierin ----------------------- Konnichi wa! Hier Tara(unter Amys Nick) Hier also der fünfte Part von Rayos Reise! Ich weiß, ich habe jetzt lange gebraucht, aber ich war im Stress und musste den größten Teil des Parts noch einmal völlig verändern! Dafür ist er aber auch länger als alle vorherigen und das ist doch schon mal was, oder? Ich bin jetzt eigentlich recht zufrieden damit, aber so wie er vorher war, konnte ich ihn unmöglich lassen... ^^ Eine Widmung geht an alle, die diese FF lesen, ein ganz besonderer Gruß an Mistery und Marn, die mich immer so lieb unterstützt haben! Danke! Jetzt aber viel Spaß beim weiteren Lesen: --- "Lass uns von hier verschwinden!", flüsterte er dem blonden Mädchen zu. "Der Prinz schafft das schon!" Kira schaute nur zweifelnd und trieb ihre Stute an. Im scharfen Galopp verließen sie den Wald und lenkten ihre Pferde in stillem Einverständnis in Richtung des Bauernhofes, den Kira mit ihren Eltern bewohnte. --- Rayos Reise Part 5 Kaum, dass sie zehn Minuten lang geritten waren, hörten sie lautes Hufgetrappel. Und es waren eindeutig nicht die Geräusche ihrer Pferde. Da war jemand hinter ihnen und er war schnell. "Rayo!", rief Kira warnend. Er hatte es auch gesehen. Ein dunkler Schatten war mit unglaublicher Geschwindigkeit an ihnen vorbeigezogen, obwohl sie selbst schon im schärfsten Galopp ritten. Tamira und Darons Hengst wurden von einem schwarzen Koloss von Pferd in den Schatten gestellt, das jetzt vor ihnen einlenkte und sie dazu zwang, scharf abzubremsen. Das schwarze Pferd hatte einen edel gebogenen Hals, stolze dunkle Augen, die sie wissend musterten, eine graue, nach allen Seiten abstehende Mähne und ein peitschenden grauen Schweif, der den Staub auf dem Boden mit einem Ruck aufwühlte. Und die Person auf seinem Rücken war kein anderer als Prinz Daron Troya, dessen Gesicht und Kleidung mit Blut beschmiert waren. Sein stechender Blick suchte sofort den des Jungen und versprach bittere Konsequenzen für den Vertrauensbruch. "Da-Daron...", stotterte Rayo mit plötzlicher Nervosität. "Würdest du mir das alles bitte mal erklären?", knurrte der Prinz, der Rayo wie ein anderer vorkam, nicht wie der verwöhnte Bursche, den er kennengelernt hatte. "Also... also, ich..." "Keine Lügen!", mahnte Daron finster. "Du hast es versprochen!" "Ich war in der Stadt, Daron...", murmelte Rayo. "Mit Kira..." Kira nickte beflissen und mit gesenktem Blick. Der Prinz wandte sich ihr zu. "Und wer bist du, Kira?", fragte er streng, wobei er ihren Namen spöttisch gedehnt aussprach. "Ich bin die Tochter eines reichen Gutsherren, dem hier ein großer Teil des Landes gehört. Sie kennen meinen Vater sicher, er heißt Solomo Berano. Ich wohne auf dem Fronhof in der Galeiasteppe." //Anm. der Autorin: Zur Gutsherrschaft: Früher haben die Gutsherren ihr Land an sogenannte Grundholden für Abgaben in Form von Naturalien und später Geld verliehen (Landleihe). Für die Verwaltung hatten sie einen Angestellten, den Meier, der Geschäftliches regelte. Die Gutsherren beschützten ihre Grundholden, dafür standen die Grundholden ihrem Gutsherren bei einer Fehde, einer kriegerischen Auseinandersetzung zweier Parteien und ihrer Verbündeten, bei. Ausserdem hatte der Gutsherr Gerichtsbarkeit über seine Grundholden und so auch öffentlich-rechtliche Befugnisse über sie. Kiras Vater ist ein Gutsherr. \\ "Aha.", war Darons Kommentar zu Kiras Ausführungen. Dann wandte er sich wieder an den Jungen. "Was hast du hier mit dem Mädchen verloren?" "Kira hat nichts damit zu tun, Daron!", verteidigte Rayo sie sofort. "Ich kenne sie eigentlich gar nicht richtig! Sie bat mich, sie zur Stadt zu begleiten und da ich ebenfalls in diese Richtung wollte, sagte ich zu... mehr nicht..." Rayo brach ab. Der Blick des Prinzen hatte mit jedem Wort der Verteidigung des Mädchens an Schärfe zugenommen, als würde es ihm nicht passen, dass Rayo versuchte, sie vor ihm zu schützen. "Er hat ein Kleid für seine Schwester gekauft!", mischte sich plötzlich Kira ein und warf Rayo einen verschmitzten Blick zu, der besagte, >Du darfst zwar nicht lügen, aber ich schon!<. Daron entging der kurze Blickkontakt keineswegs. Seine Miene wurde immer düsterer. "Zeig es mir!", brummte er unwirsch. Rayo reichte ihm das Bündel. Daron rollte es aus, betrachtete den guten Stoff kurz und warf ihn dann Kira zu. "Behalt es, Mädchen!", murrte er, wendete das Pferd und pfiff kurz und laut. Die Ohren des schwarzen Hengstes von Daron, auf dem noch immer Rayo saß, zuckten daraufhin und er folgte dem Prinzen mit seiner Last auf dem Rücken. Rayo versuchte, ihn zu stoppen, aber das schwarze Pferd gehorchte ihm nicht mehr. Er wäre gerne abgesprungen, doch erstens brachte ihm das sowieso nichts und zweitens traute er sich nicht, weiteren Widerstand zu leisten. "Und was ist mit mir?", rief Kira panisch und machte Anstalten, ihnen zu folgen. "Ein Diener wird dich zu Solomo zurückbringen!", rief Daron der Blonden gelangweilt zu, ohne sich zu ihr umzudrehen. Das Mädchen wagte es nicht, sich dem Prinzen zu widersetzen. Er war für sie eine Person, der man sich nicht zu widersetzen hatte, der Prinz eben! Dennoch wäre sie gerne mit Rayo gegangen, um ihm beizustehen. Was musste er bloß mit diesem Kerl durchmachen?! Der Prinz war ein echtes Ekelpaket! Unvorstellbar, dass sie einmal zu denen gehört hatte, die bei seinem Anblick vor Entzücken fast in Ohnmacht gefallen waren. Seit Rayo da war... Er war zwar nicht stark und heldenmütig, vielleicht auch etwas dumm und verrückt... aber dafür war er einfühlsam und lieb. Nicht viele Männer waren so. Die meisten betrachteten eine Frau als eine Art Gegenstand, als Besitz, als etwas, was man erobern musste. Nicht so Rayo. Rayo hatte sie von Anfang an als Person angesehen. Kein Versuch, ihr zu nahe zu treten, keine übermäßige Distanziertheit. Er betrachtete sie als gleichgesinnt. Und das gefiel ihr so an ihm... Sie wusste, sie würde ihn wiedersehen... Als sie ein Stück geritten waren, stoppte Daron und sprang zu Boden. "Geh runter von meinem Pferd!", befahl er. "Ich habe dir doch gesagt, du darfst ihn nicht reiten! Was fällt dir ein?" "Ich wollte möglichst schnell wieder am Schloss sein!", antwortete Rayo im Absteigen. "Ich dachte nicht, dass es ein schnelleres Pferd als dieses hier gibt!" "Du kennst Bleihs nicht?", staunte Daron. "Jeder kennt ihn, er ist das schnellste Pferd der Welt! Er gehört meinem Vater! Wegen dir musste ich zu ihm gehen und ihn mir leihen! Er hat getobt!" "Das schnellste Pferd der Welt!", rief Rayo aus. "Wow!" "Mein Vater reißt mir den Kopf ab, wenn ich nicht bald mit Bleihs wieder im sicheren Schloss bin, also steig endlich auf!" Ehrfürchtig trat Rayo an das schwarze Pferd mit der grauen Mähne und dem grauen Schweif heran und schwang sich mit einiger Anstrengung auf das riesige Tier. Daron folgte mit Leichtigkeit und machte es sich hinter ihm bequem. Rayo spürte seine Körperwärme durch sein Oberteil dringen und seinen Rücken wärmen. Unerwartet für ihn, drückte Daron ihn an sich. "Wehe du läufst noch einmal weg!", flüsterte er nahe seinem Ohr mit rauher Stimme. "Es macht mich wahnsinnig, die ganze Zeit befürchten zu müssen, du machst dich aus dem Staub, kaum, dass ich dir den Rücken zudrehe!" >Was erwartet er eigentlich? Er hat mich entführt! Und ich soll da einfach gleichgültig daneben stehen? Ich habe auch noch ein Zuhause!< =>Ob du es wohl jemals wiedersiehst?< >Weiß nicht... Ich hoffe es!< Ein lauter Pfiff durchschnitt die Luft, als sie losritten. Der schwarze Hengst wieherte leise und folgte ihnen. Ohne Last auf dem Rücken, ganz im Gegensatz zu Bleihs, der zwei Personen zu tragen hatte, war er zwar schneller als vorher, aber würde Daron das Pferd seines Vaters nicht etwas zügeln, würde er keinen Stich gegen das Prachttier machen und weit zurückfallen. Rayo gab mit einem Seufzer dem Bedürfnis nach, sich erschöpft an den Prinzen zu lehnen, während die Landschaft in rasender Geschwindigkeit an ihnen vorüberzog und der Wind ihnen um die Ohren pfiff. Er wusste nicht, woran es lag, vielleicht hatte er sich schon daran gewöhnt, aber es machte ihm nichts aus, Darons Oberkörper an seinem Rücken und seine linke Hand Halt gebend auf seinem Bauch zu spüren. Ganz im Gegenteil. Es war eine angenehme Wärme, die von ihm ausging, die ihn selbst den Ekel vor den blutgetränkten Sachen verlieren ließ, die Daron trug. Er nahm den Geruch auf, der auch in gewisser Weise Darons Zimmer erfüllte. Darons Geruch. Er empfand ihn als angenehm und wagte es nicht, genauer darüber nachzudenken. Es war so und er war viel zu erledigt, um innerlich jetzt dagegen zu appellieren. Er war einfach müde... war es nicht gewohnt... so viel auf einmal... Rayo schloss kurz die Augen. Er hatte eindeutig zu wenig geschlafen... Es war schwer, die Lider wieder zu heben, deshalb gab Rayo die Bemühungen auf und lauschte statt dessen den Geräuschen der Hufe, die in gleichmäßigen Takt erklangen, in völligem Einklang mit den Bewegungen des Pferdes waren. Und ehe er sich versah, versank er in einem tiefen traumlosen Schlaf. Rayo spürte eine sanfte Hand über seine Stirn streichen, die ihn aus dem Schlaf holte. Langsam öffnete er die Augen und schielte gegen das Licht der Sonne, die jetzt etwas tiefer am Himmel stand, als er es in Erinnerung hatte. Wie lange hatte er geschlafen? "Na, wach?", hörte er die Stimme Darons, an dessen Schulter er noch immer lehnte. Schnell fuhr er hoch und drehte sich halb zu dem Prinzen um. "Hey, ich bin keine Pest!", schimpfte der leicht beleidigt. "Tut mir leid, ich wollte nicht... also es ist nur so, dass..." >...dass du mich verwirrst und deine Nähe mich unsicher macht...< =>Mich auch!< >Klappe, dich fragt keiner!< "Schon gut!", meinte Daron gnädig. "Wir sind übrigens gleich zu Hause!" >Zu Hause...< Gerade in diesem Moment trabte Bleihs auf die Anhöhe und ließ den Blick auf das prachtvolle Schloß zu, mit seinen ganzen Zinnen und Erkern. Diese Szene kam Rayo furchtbar bekannt vor. Nur, dass er gestern vom Sturz und nicht vom Schlaf benommen gewesen war. Plötzlich hielt Daron das Pferd und stieg ab. "Bleib sitzen!", rief Daron ihm zu. "Wir wechseln nur die Plätze! Jetzt, wo du endlich wach bist, können wir einen tollen Endspurt hinlegen! Vorne kann ich das Pferd besser kontrollieren!" Er wartete gar nicht auf Rayos Erwiderung und setzte sich vor ihn hin. "Halt dich gut an mir fest!", ermahnte er ihn und gab Bleihs die Fersen zu spüren. Erschrocken von dem unerwarteten Ruck, als das Pferd lospreschte, schlang Rayo beide Arme um den Jungen vor sich. Hätte er das nicht gemacht, würde er jetzt vermutlich Staub schmecken. Das Pferd wurde immer schneller. Rayo hatte noch nie ein solch schnelles Tier gesehen, nicht Darons schwarzen Hengst und auch keines seiner Pferde Zuhause konnte da mithalten. Die Landschaft zog in ungeheurem Tempo an ihnen vorüber. Rayo konnte nur zu deutlich den pfeifenden Wind an seinen Haaren und seiner Kleidung reissen spüren. Schon waren sie im Tal und ritten auf das Tor zu. Daron hob kurz die Hand und schon wurde das Schloßtor für sie geöffnet. Scharf bremsend hielten sie am Stall. Ein Junge kam aus dem Gebäude und nahm die Zügel entgegen. "Euer Vater hat sich schon Sorgen um Bleihs gemacht!", sprudelte er hervor. "Er befürchtete unbesonnenes Handeln Eurerseits und beschimpfte sämtliche Dienerschaft. Der König erwartet Euch übrigens... beide!" "Gut, gut!" Daron sprang lässig vom Pferd und streckte Rayo die Hand entgegen. "Ich bin kein Mädchen!", meckerte der und ignorierte die Hilfestellung. "Und ein Kleinkind bin ich auch nicht!" Daron zuckte nur die Schultern, packte seinen Arm und riss ihn von Bleihs Rücken. >So was engstirniges! Lässt der sich denn nichts sagen?< =>Nein, siehst du doch!< Er ließ sich vom Prinzen zum Innenhof führen. Hinter sich hörte er noch Darons schwarzen Hengst durch das Tor galoppieren und einige erschrockene Schreie von Dienstmädchen. "Du blamierst mich total!", beschwerte Rayo sich und versuchte dabei, seinen Arm aus Darons Griff zu befreien. "Nein, du blamierst mich!" Daron zog noch etwas fester. "Niemand stellt sich gegen die Wünsche oder Befehle des Prinzen! Du auch nicht!" Rayo gab schließlich auf und betrat die Halle nach Daron, der ihn wie ein Anhängsel mitschleifte. "Wo ist mein Vater?", fragte Daron sofort einen Türsteher. "Er erwartet euch bereits im Salon!", antwortete der bereitwillig. Der Prinz nickte ihm kurz zu und zerrte Rayo weiter durch eine der Türen. "Siehst du!" Er deutete mit der freien Hand über seine Schulter. "So muss das aussehen! Eine präzise Antwort ohne irgendwelche Mucken!" "Soll ich mich etwa so vor dir benehmen?", ächzte Rayo und leistete ein weiteres Mal Widerstand gegen die unfreiwillige Führung, den der Größere dank seiner überlegenen Körperkräfte sofort zunichte machte. "Na, ja... nein!" "Wie jetzt?", fragte Rayo perplex. "Nicht immer!", gestand der Prinz. "Ich finde es eigentlich richtig niedlich, wenn du dich zu Wehren versuchst!" "Waaas?" "Und ich gewinne ja doch immer!", lachte Daron. "Weil ich stärker bin!" "Von wegen! Nur prahlen kannst du!" "Du bist mir nichts gewachsen! Das kann ich dir auch gleich beweisen!" Daron drückte ihn gegen die Wand und Rayo zuckte erschrocken zusammen. Der Prinz ergriff nun auch sein anderes Handgelenk und betrachtete ihn mit einem unergründlichen Blick. "Siehst du?", murmelte er mit rauher Stimme. "Du kommst nicht gegen mich an!" Wütend wand Rayo sich und versuchte, sich loszureißen, was jedoch ebenfalls scheiterte. "Lächerlich!" Daron grinste überlegen. "Du bist einfach viel zu feminin..." Daron beugte sich vor, die Augen halb geschlossen. Rayo blieb der Protest sprichwörtlich im Halse stecken, als die Lippen des Prinzen sanft über seine strichen, die Zunge spielerisch über sie streifte, wie um sie noch einmal zu kosten, den Geschmack noch einmal zu verspüren. Wieder vergaß Rayo die Welt um sich herum, ließ sich einfach fallen. Sein Verstand protestierte gegen die Schwäche, die von ihm Besitz ergriff, aber sein Körper war wie gelähmt, er gehorchte ebensowenig, wie sein Herz, das unter Darons leichten Berührungen einfach dahinschmolz. Als die Umschmeichlungen des Prinzen fordernder wurden, gab Rayo seinem Drängen widerstandslos nach und öffnete leicht seinen Mund, gewährte ihm Einlass und empfing ihn sehnsüchtig. Er umspielte seine Zunge, verwöhnte sie mit Streicheleien, kappte nun endgültig die letzte Verbindung zu seinem Verstand, der eindeutig gegen sein Tun war und ihm sagte, er sollte aufhören, bevor es zu spät war. Wieder war es Daron, der den Kuss löste und sich zu seinem Ohr vorbeugte. "Wie gesagt, du bist mir in keinerlei Hinsicht gewachsen!", flüsterte er, hauchte einen letzten flüchtigen Kuss auf Rayos Lippen und gab ihm mit einem Wink zu verstehen, dass er ihm folgen sollte, während er sich vollends von ihm losmachte und den Gang hinablief. Rayo blieb an der Wand gelehnt stehen und starrte gegenüber auf ein Portrait eines alten Mannes, neben dem zwei Wolfshunde standen und ergeben zu ihm aufschauten. Es war nicht möglich, dass das gerade passiert war. Nein, das hatte er nicht zugelassen, er hatte es doch sicher nicht! Oder? =>Du hast es zugelassen! Belüg' dich nicht erst selbst!< >Ich habe nicht...!!!< Seine rechte Hand wanderte an seine Lippen. Er strich vorsichtig mit den Fingern über sie, als wären sie verletzt, oder als gälte es, etwas auf ihnen zu bewahren, das durch kleinste Berührung zerstört werden konnte. Wieso hatte er es zugelassen? Wieso hatte der Prinz das getan? Er musste hier weg! Das gefiel ihm ganz und gar nicht! Es machte ihm Angst! >Ich muss hier raus! Bloß raus hier! Ich will doch einfach nur nach Hause!< Plötzlich stand der Prinz direkt vor ihm. Er schien verwirrt und seine grauen Augen musterten ihn fragend. "Kommst du?", murmelte er mit seiner üblichen Lässigkeit. Doch Rayo sah, dass sie diesmal nur gespielt war. "Mein Vater erwartet uns!" "Ja, ich komme..." Rayo stieß sich leicht von der Wand ab, warf einen letzten Blick auf den alten Mann mit den Hunden und folgte Daron schließlich, der voranging. >Ich komme hier schon noch raus!< Der König sah ihnen finster entgegen, als sie den Raum betraten. "Daron, du hast aber ganz schön lange gebraucht!", schalt er seinen Sohn. Rayo hatte ihn bis jetzt nur einmal gesehen. Beim Essen nämlich und da war er ihm als gütiger, sogar recht müßiger älterer Herr erschienen. Aber wie so oft trog der Schein. Das faltenreiche Gesicht zeigte väterliche Wut und er beherrschte die Mimik eines erzürnten Gottes perfekt. Sogar Daron senkte beschämt den Blick, was Rayo ja so gar nicht von ihm gewohnt war. Aber schließlich wäre der Mann sonst nicht König, wenn er nicht auch eine gewisse Strenge an den Tag legen konnte, die von seinen Untertanen höchsten Respekt und unbedingten Gehorsam forderte. Als Daron ihm vorhin erzählt hatte, sein Vater hätte getobt, hatte er es für weit übertrieben gehalten. Der schwarzhaarige Prinz schien doch nicht so verwöhnt zu werden, wie er es sich bisher ausgemalt hatte. Er war immerhin auch Kämpfer in der königlichen Garde und wurde bestimmt von seinem Vater bereits in seine Regierungsgeschäfte eingeweiht. Nichts da, Müßiggang. Rayos Respekt wuchs um ein paar Stufen. "Also, Vater...", versuchte der Prinz zu erklären. "Ich musste Rayo doch zurückholen, also ich... also... er hat Palo aus dem Stall genommen und hier gibt es sonst kein schnelleres Pferd als Bleihs! Was hätte ich denn anderes tun sollen?" "Schweig!", befahl der König, dann entspannten sich seine Gesichtszüge jedoch merklich. "Das weiß ich alles schon. Aber warum lässt du den Jungen nicht gehen, wenn er es möchte?" "Es geht doch eigentlich nicht um ihn! Ich will seine Zwillingsschwester finden! Ich habe mich auf den ersten Blick in sie verliebt!" "Aber wer gibt dir die Berechtigung, ihn zu entführen, um seine Schwester hierher zu locken?", fragte sein Vater sanft, aber mit wachsamen Blick. "Ich... ich...", stotterte Daron. "Ich weiß einfach nicht, wo sie ist!" "Wie wäre es, wenn du den Jungen gehen lässt!" Der König hob die Hand, um Daron am Sprechen zu hindern. "Statt dessen will ich versuchen, seine Schwester zu unserem Ball morgen einzuladen!" >Oh, mein Gott!< Rayo wäre am liebsten im Erdboden versunken. Das passierte jetzt alles nicht wirklich, oder?! "Aber ich habe keine Ahnung, wo sie lebt!", jammerte Daron. "Rayo wollte es mir nicht sagen!" "Er scheint ein sehr schüchterner junger Mann zu sein.", überlegte der König und warf an seinem Sohn vorbei einen Blick auf den stummen Gast. "Ich hoffe, du hast ihn nicht allzusehr unter Druck gesetzt?" "Nein!" "Nun... gut." Seine Augen funkelten zweifelnd. "Ich kann es jedenfalls nicht zulassen, dass hier jemand gegen seinen Willen festgehalten wird! Wenn ich das früher gewusst hätte... was sollen denn die Leute über uns denken?" "Tut mir leid, Vater..." "Und du Rayo? Bist du einverstanden, wenn ich deine Schwester frage, ob sie zu einem Ball kommen möchte? Ich werde schon aufpassen, dass mein Sohn ihr nichts tut!" "Es tut mir leid, dass gerade ich es Euch sagen muss, aber Raya, meine Schwester, ist bereits verlobt. Deshalb habe ich nichts gesagt. Ich muss sie vor Eurem, wie Ihr zugeben müsst, sehr aufdringlichen Sohn beschützen!" Der König lachte schallend. "So kenne ich meinen Knaben!", prustete er, fing sich dann aber und wurde wieder ernst. "Ich danke dir, für deine Offenheit! Daron?! Wieso weiß ich davon nichts?!" "Ich glaube ihm nicht, Vater!" Daron zeigte mit grimmiger Miene auf Rayo. "Er belügt mich dauernd! Ich habe Leute ausgesandt, in Städte und überallhin! Keiner konnte sie finden! Und keiner konnte ihren Verlobten finden! Und auch seine und ihre Familie konnte niemand ausfindig machen! Diejenigen, die ich losgeschickt habe, sind keine Laien, Vater, das weißt du! Unsere Gesandten kennen hier jeden, doch seinen Namen, oder den seiner Schwester wussten sie nicht zuzuordnen! Und im Register ist auch niemand unter dem Namen Rayo, oder Raya zu finden! Er soll mir verdammt noch mal endlich die Wahrheit sagen!" Schwer atmend verschränkte Daron die Arme vor der Brust und warf einen empörten Blick in das schmunzelnde Gesicht seines Vaters, dessen Stirn jedoch in nachdenklichen Falten lag. "Diese Sache scheint dir ja doch sehr am Herzen zu liegen, mein Sohn..." Der König wandte sich an Rayo. "Sind das wirklich alles Lügen, die du meinem Sprössling aufgetischt hast, um ihn in die Irre zu führen?" Rayo senkte den Blick, fieberhaft überlegend, was er nun sagen sollte. Lügen... konnte er den König noch weiter anlügen? Nein... Aber die Wahrheit... was wäre, wenn alles auffliegen würde...? Die einzige Möglichkeit war... um den Brei herum reden, oder zumindest nur einen unbedeutenden Teil der Wahrheit enthüllen. Das mit Raya war ja schon gelogen, leider ließ sich das nicht vermeiden! "Nicht alles ist gelogen..." stotterte Rayo schließlich. "Aber einiges, das gebe ich zu. Ich versuche mit allen Mitteln, Raya zu beschützen!" =>Du bist wirklich dreist!< >Hast du eine bessere Idee? Dann raus damit!< =>Lauf weg!< >Das kann ich nicht machen!< =>Ich würde es trotzdem tun! Was gehen die deine Familienverhältnisse an?< >Da magst du ja recht haben, aber das da ist immerhin der König!< =>König hin, König her! Sei nicht immer so ängstlich!< >Du hast leicht reden!< Nachdem der König einige Augenblicke lang nachgedacht hatte, räusperte er sich unterdrückt. "Daron, Rayo, ich denke, diese Sache solltet ihr unter euch regeln!", sagte er dann. "Ich passe auf, dass dir, Rayo, kein Leid geschieht und dass du nicht unter Druck gesetzt wirst! Daron hat hier meiner Meinung nach kein Recht, Miss Raya zu umwerben, wenn sie verlobt ist! Ich befinde Rayo als stark genug, mit dieser Situation allein fertig zu werden, es sei denn er bittet mich offen um Hilfe!" Dankbar stieß Rayo einen leisen Seufzer der Erleichterung aus. Damit wäre dieses Problem ausgestanden. Jetzt nur weg hier! Er musste dem Einfluss des Prinzen entkommen, der manchmal sekundenlang seinen Blick fesselte, ihn die ebenmäßigen Züge des Jungen betrachten ließ und seine Phantasie zu Höchstleistungen anspornte, wenn er es am allerwenigsten gebrauchen konnte. "Danke, Eure Hoheit!", murmelte Rayo, verunsichert durch diese ungewohnte Anrede. "Das werde ich Euch nicht vergessen, seid Euch da sicher!" "Ich habe doch gar nichts gemacht, mein Junge!", lächelte der König väterlich. "Geh schon mal raus!", flüsterte Daron Rayo verärgert zu. "Ich habe was mit meinem alten Herren zu bereden!" Der Kleinere trat wortlos auf den Flur zurück und schloss die Tür hinter sich. Darons laute Stimme konnte er durch das dicke Holz der Tür noch hören. Er musste sehr wütend darüber sein, dass sein Vater ihm nicht nachgab. Seufzend machte Rayo sich auf dem Weg zu Darons und auch zeitweise seinem Zimmer. >Nur ein Problem! Wo ist es?< Innerlich fühlte er sich jedoch völlig resigniert, so dass es ihm momentan egal war, in welche Richtung er ging. Nur weg hier... Wenn er gleich wirklich von hier verschwand, würde er Daron wahrscheinlich nie wieder sehen. Irgendwie versetzte ihm das einen Stich. Einen sehr schmerzhaften Stich. Dabei hatte es dieser aufdringliche Typ gar nicht verdient, dass er wegen ihm traurig war. Überhaupt nicht! Immerhin hatte er ihn... geküsst... und das gleich zweimal... Wenn er so daran zurückdachte, dann verspürte er keinerlei Ekel. Eher Wärme... Verzweifelt seufzte Rayo auf, vertrieb das unerwünschte Bild der nahen, durchdringenden grauen Augen aus seinen Gedanken. Je mehr er es allerdings versuchte, desto verbissener schien sich dieser anhängliche Gedanke in seinem Kopf festzusetzen. >Wo ist bloß dieses verdammte Zimmer!!!< Zwangsablenkung war angesagt. Er musste sich auf die Umgebung konzentrieren, versuchte es angestrengt. Doch in seinem Kopf war nur Daron, immer nur Daron. Was hatte dieser Idiot mit ihm gemacht? Nur weil er mit diesem unmöglichen Mittel seine Dominanz beweisen wollte, verdammt, die Tatsache blieb, dass ihn ein Junge geküsst hatte. Und dann benahm eben dieser sich auch noch so, als wäre nichts außergewöhnliches passiert. >Ich hasse ihn! Ich hasse ihn! Ich hasse ihn!< =>Schön, du läufst aber trotzdem in die falsche Richtung!< >Geht dich nichts an!!!< =>Soll ich dir helfen, nach dem Zimmer zu suchen?< >Sehr witzig!< =>Weißt du was, ich glaube, du könntest meine Hilfe gut gebrauchen!< >Was?!< =>Ich kenne mich hier recht gut aus!< Rayo blieb verwirrt stehen und befühlte seinen Kopf. Was war das? Wurde er jetzt völlig verrückt? Wenn ja, konnte nur eine Person schuld sein! Daron!! >Ich hasse ihn! Ich hasse ihn! Ich...< =>Erde an Rayo, ich rede mit dir!< >Tust du nicht! Das geht gar nicht!< =>Doch!< >Nein!< Diese Stimme... war nicht "seine Stimme". Irgendwie... war soviel auf ihn eingestürzt, dass er wahrhaftig keinen Gedanken an diese Stimme verschwendet hatte. Er hatte ja auch überhaupt keine Zeit dafür gehabt! Aber... was war das für eine Stimme, wenn nicht seine eigene... >Was... bist du...?< =>Tja, das würdest du gerne wissen!< >Hilfe und ich dachte, du bist eine Einbildung!< =>Ich weiß!< Rayo schwindelte. Er hatte hier ja schon viel erlebt, aber eigentlich hatte sich bisher wenigstens alles, ausgenommen dem Sog, der ihn hierher gebracht hatte, auf einigermaßen vertrauten Bahnen bewegt. Das hier war eindeutig Hexerei. Und an sowas glaubte er nicht! >Aber was bist du nun? Und wer?< =>Sieh mal, dort hinten an der Ecke...< Panisch tastete Rayos Blick durch den Flur, doch er sah niemanden. Das erleichterte ihn im gewissen Sinne. >Und du bist doch eine Einbildung! Mist, ich bin schizophren!< =>Hach, meine Güte!< Erschrocken wandte Rayo den Blick zu Boden. Etwas kleines weißes flitzte über den roten Teppich auf ihn zu. Eine Maus! =>Da bin ich!< >Du bist eine Maus?< Rayo hasste Mäuse. Er hasste sie wie die Pest! Fast so sehr wie Daron! Wenn nicht noch mehr! Entsetzt wich er vor dem weißen Ding zurück. >Eine Maus...< =>Nein, ich bin keine Maus... ich habe viele Gesichter, aber eine Maus bin ich nicht! Es war übrigens schwer, dir auf den Fersen zu bleiben...< Als die Maus ruhig stehenblieb, wagte Rayo es, seinen Fluchtkomplex etwas zu lockern. Er fühlte sich vollkommen erstarrt und das nicht nur dank der Tatsache, dass ihm eine sprechende Maus gegenüberstand, die behauptete, keine Maus zu sein. Er hatte doch gar keinen Alkohol getrunken... >Und wie hast du mir folgen können? Im Gepäck?< =>Nein... hast du dir in der Stadt nicht ein Pferd gekauft?< Rayo konnte das Grinsen aus den Worten heraushören. Ja, er hatte sich ein Pferd gekauft... aber was hatte sein Pferd mit... nein...?! >Der Haflinger? DU bist der Haflinger?< =>Genau! Und du hast es nicht gemerkt!< Rayos schwieg. Er brauchte erst einmal eine kleine Weile, um sich den Umstand bewusst zu machen, dass es wirklich sowas wie Hexerei gab. Allerdings fiel es ihm doch nicht so sehr schwer. Allein die Tatsache, dass er hier war, in einer seltsamen mittelalterlichen Welt, trug dazu bei, die Sache zu akzeptieren wie sie war. Dann gab es eben doch Zauberei. Das war eh alles nur ein großer Zauber. =>Jetzt hat es dir aber die Sprach verschlagen! Ich kenne deine dunkelsten Geheimnisse!< Der Spott in der Stimme war nicht zu überhören. Leider funktionierte das Akzeptieren wohl nicht so gut, wie er gedacht hatte. Bestimmt träumte er. Alles war ein großer Traum! So wie Darons Kuss eben und diese elende Schwäche, die ihn gelähmt hatte! >Ich hasse ihn! Ich hasse ihn! Ich hasse ihn! Ich...< =>Rayo!! Hör auf mit dem Scheiß!< Wieder mal schienen seine Gedanken zu dem Schwarzhaarigen gewandert zu sein. Das machte es nicht eben besser. Und wer war schuld? Na, wer wohl?! >Ich hasse ihn! Ich hasse ihn! Ich...< =>Rayo!!!< >Klappe! Du bist immer noch genauso schlimm, wie vorher! Nur... dass du echt bist!< =>Was erwartest du? Das ich mich auf einmal verändere? Ich habe dich nur beobachtet, seit du hierher gekommen bist!< Die kleine weiße Maus, die bisher nur vor ihm gestanden hatte, krabbelte nun weiter auf ihn zu. Rayo wich geschockt zurück und wäre dabei fast über seine eigenen Füße gestolpert. >Komm mir nicht zu nahe! Ich hasse Mäuse!< =>Oh, du scheinst ja vieles zu hassen! Warte mal...< Die Maus verschwand mit einem leisen Geräusch in einer kleinen Rauchwolke. Als der weiße Qualm sich lichtete, stand an der Stelle der Maus eine schwarze Katze mit grünen funkelnden Augen. =>...ist dir das lieber?< Rayo konnte die Katze nur anstarren. Ungläubig. Wie paralysiert. >Dann bist du also wirklich die Stimme in meinem Kopf...< Das war fast das dümmste, was er hatte sagen können. =>Nein! Wieder falsch! Ich bin nicht "die Stimme"! Ich rede nur in deinen Gedanken mit dir... Manchmal konnte ich mir wohl den einen oder anderen Kommentar nicht verkneifen, das ist alles!< >Und ich dachte schon an gespaltene Persönlichkeit, oder eine andere psychische Störung! Na, die habe ich scheinbar sowieso! Jetzt aber mal eine andere Frage: Warum bist du hier? Und was noch viel wichtiger ist: Warum bin ICH hier?< =>Ich habe mir schon gedacht, dass du fragen würdest...< Die Katze streckte sich kurz und sprang mit einem Satz auf seine Schulter. Rayo hätte sie fast vor Schreck abgeschüttelt, doch er konnte diesen Reflex noch rechtzeitig unterdrücken. Das Tier rollte sich um seinen Nacken und ließ es sich dort oben gut gehen. =>Erst mal möchte ich mich vorstellen: Ich bin Lileya, gehöre einer Magierfamilie an und bin auf der Suche nach einem Abenteuer. Mehr nicht. Und zu deiner ersten Frage: Ich bin hier, weil ich es so möchte. Ich war neugierig! Nicht oft betritt jemand diese Welt und dann auch noch, ohne es beabsichtigt zu haben! Zu deiner zweiten Frage: Es gibt keinen mir bekannten Grund, aus dem du hier bist! Wer durch das Tor geht, ist hier! Das ist eine Tatsache und das hast du dir selbst zuzuschreiben!< >Mir selbst? Na, toll! Und wie komme ich wieder zurück?< >Keine Ahnung!<, gab Lileya offen zu. >Das wirst du wohl herausfinden müssen! Mein Angebot gilt übrigens immer noch: Soll ich dir helfen?< >Das sieht dir ähnlich!< Rayo schnaubte verächtlich. >Jetzt, wo Daron mich in Ruhe lassen muss, bietest du mir deine Hilfe an! Sehr nett!< >Na, dann nicht!< Lileyas Stimme troff vor Gleichgültigkeit. Rayo nahm seinen Weg wieder auf und traf kurz darauf auf die Halle. Also war er gerade da, wo er nicht sein wollte. Na, fabelhaft! Er kehrte um und lief zurück in den Gang hinein. >Am Ende des Ganges musst du übrigens links...<, sagte Lileya in derselben gleichgültigen Tonlage. >Ich wollte nicht sagen, ich bräuchte deine Hilfe nicht!< >Aha... Ups! Achtung! Der Pri...< "Rayo!", ertönte die ärgerliche Stimme Darons. "Du musst auch immer weglaufen!" >Der Prinz...<, vervollständigte Lileya den Satz. "Ich hatte keine Lust zu warten, bis du und dein Vater da mal fertig wurdet!", meinte Rayo gedehnt. "Ich musste nur mal klarstellen... Hey, wo kommt denn diese Katze her?" "Ach, die lief hier so rum... Kusch, kusch..." >Geh!<, befahl Rayo. Die Katze gähnte müde und rührte sich ansonsten nicht. >Lileya!< >Ich will nicht!< "Das haben wir gleich!", grinste Daron und streckte die Hand nach dem schwarzen Tier aus. Lileya beobachtete jede seiner Bewegungen genau, fauchte dann warnend und legte die Ohren eng an den Kopf. >Rayo, sag dem, er soll mich nicht angrabschen!<, kreischte sie hysterisch. >Wenn du meinst...< "Lass doch das arme Tier!" Rayo hob abwehrend die Hände. "Wieso?", fragte der Prinz. "Ist es dir plötzlich ans Herz gewachsen?" "Na, ja... stören tut die Katze mich jedenfalls nicht!" >Danke, Kleiner!<, schnurrte Lileya und rieb ihren Katzenkopf an Rayos Haar. >Na, immerhin warst du ja die ganze Zeit schon da. Dann kannst du auch weiterhin bleiben. Wenigstens jemand, vor dem ich keine Geheimnisse zu haben brauche!< "Was ist?", fragte Daron und musterte ihn aufmerksam. "Du scheinst so abwesend..." "Ach, nichts!" >Lileya, ich wette, du bist ein Mädchen!< >Natürlich bin ich ein Mädchen!<, empörte die Katze sich in seinen Gedanken. >Du redest auch wie eins!< "Rayo?" Daron fuchtelte vor seinem Gesicht herum. "Bist du auch ganz wach? Ich fragte, ob wir nicht langsam weitergehen sollten! Wir stehen hier ganz schön blöd im Flur herum!" "J-ja, klar!", antwortete Rayo. "Gehen wir!" Kopfschüttelnd sah Daron ihn noch einige Sekunden lang an und wandte sich dann zum Gehen. Der Schwarzhaarige folgte ihm. >Ich kann mir nicht erklären, was du dir dadurch versprichst, auf meinen Schultern herumzulungern!<, zweifelte Rayo. >Bin ich dir zu schwer?< >Nein, das ist es nicht! Ich rede von...< >Schon klar!<, unterbrach Lileya ihn. >Der Alltag ist langweilig! Ich suche ein neues Ziel, ganz einfach. Genügt dir das nicht?< Dazu wusste Rayo nichts mehr zu sagen und heftete seinen Blick auf Darons Rücken, der jetzt an ihrer Tür hielt und sie öffnete. "Wie lange bleibst du noch hier?", fragte er dann im Umdrehen. "Weiß nicht...", murmelte Rayo. >Sag ihm, du gehst jetzt!<, forderte Lileya. >Das ist deine Chance!< "Bleibst du noch bis nach dem Ball?" Daron schaute bittend. "Und... kannst du deine Schwester einladen? Ich werde ihr sicher nicht zu nahe treten! Mein Vater hat es mir verboten, falls ihr beide kommt..." >Sag nein!< Die Katze auf seiner Schulter fauchte aufgeregt und Rayo spürte die Krallen durch seine Kleidung hindurch. >Mach jetzt bloß nichts falsches!< >Aber... er guckst so traurig...< >Und wie willst du das machen? Du hast keine Schwester!< >Ach ja...< Beflissen kratzte Rayo sich am Hinterkopf. "Tut mir leid, Daron, aber ich weiß momentan wirklich nicht, wo sie ist!" Erleichtert stellte er fest, dass die Lileya ihre Krallen wieder einzog. Daron hingegen stemmte verstimmt die Hände in die Hüften. "Du lügst schon wieder!", meckerte er. "Ich habe sie letztens erst gesehen und du..." er tippte dem Schwarzhaarigen mit dem Zeigefinger auf die Brust. "...warst ganz in der Nähe!" "So ein Zufall aber auch!", rief Rayo verlegen aus. >Das ist ja überhaupt nicht auffällig!<, lästerte Lileya. >Mach's doch besser!< >Wenn das mal so einfach wäre!< "Rayo, jetzt sag mir, wieso du das machst!", ärgerte sich der Prinz. "Du hast jetzt keinen Grund mehr, mich anzulügen! Warum willst du nicht, dass deine Schwester kommt?" Plötzlich breitete ein fieses Lächeln sich auf Darons Lippen aus. "Oder bist du etwa eifersüchtig auf Raya... weil ich sie liebe..." "Von wegen!", schrie Rayo empört. "Perversling! Widerlich!" >Achtung, Kleiner!<, warnte Lileya. >Das ist...< "Gut, wenn du unbedingt willst, bitte ich Raya, zu dem Ball zu gehen!", erklärte Rayo laut. >...ein Trick... Na, toll!< "Okay, einverstanden!" Daron schlug Rayo freundschaftlich auf die Schulter. "Danke!" >Wieso hast du nichts gesagt?<, beschuldigte Rayo die Katze. >Haha!<, gab Lileya sarkastisch zurück. >Ist es mein Problem, dass du dich immer in Schwierigkeiten bringst? Aber du hast ja noch nie auf mich gehört!< >Tut mir leid!< Rayo strich der schwarzen Katze leicht über den Kopf. >Ich werde dir demnächst mehr zuhören!< >Wäre für dich auch sehr zum Vorteil!< Überrascht stellte Rayo fest, dass Daron bereits in dem Zimmer verschwunden war. Schnell folgte er ihm und schloss die Tür. Das würde ja wieder eine tolle Nacht werden. Unruhig warf Rayo sich auf die andere Seite und versuchte erneut, die Augen ruhig zu schließen, sich völlig auf die leisen Geräusche zu konzentrieren, die in diesem Hause allgegenwärtig waren. Er stellte fest, dass ihm die Musik sehr fehlte. Musik war wieder ein Detail seiner Welt, das er nicht zu schätzen gewusst hatte, solange er es besessen hatte. Jetzt, wo er keine Musik mehr hören konnte, vermisste er sie umso mehr. Sicher gab es hier bestimmt auch Orchester und ähnliches, aber die waren etwas ganz anderes, als das, was er gerne hörte. Es war eigentlich allgemein die ganze Technik, die ihm sein Leben bequemer gemacht hatte, die nun, wo sie nicht mehr da war, eine tiefe Lücke in seinem Leben hinterlassen hatte. Zwar war die Luft reiner und angenehmer, die Gegend war weit schöner und keine kranken Bäume standen im Wald, aber dies war nicht sein Zuhause. Er war wohl einfach verweichlicht und verwöhnt. Solche tagelangen Strapazen machten ihn total fertig. Er hatte Sehnsucht nach richtigen Toiletten, ganz normalem Essen, nach Fernsehen, Gemütlichkeit und vor allem nach seiner Familie und seinen Freunden. Rayo unterdrückte einen Schluchzer, spürte aber sein Innerstes Erbeben, als würde es sich zusammenkrampfen, um den aufgestauten Schmerz herauszuspülen. Er fand es normalerweise falsch, zu heulen wie ein Kind, oder ein Mädchen, aber ihm ging es so furchtbar schlecht, er wollte nur nach Hause, dorthin, wo er aufgewachsen war und wo er seit jeher sein Leben verbracht hatte, wo er sich nicht so verstellen musste... Erst jetzt spürte er die heißen Tränen auf seinem Gesicht und wischte sich die Augen schnell am Stoff des Bettzeugs ab. Er konnte nicht sagen, wann er das letzte Mal so geheult hatte. Schluchzer schüttelten ihn, doch er ließ sie nicht heraus, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Könnte er doch wenigstens allein sein! Ganz für sich... Würde er überhaupt jemals nach Hause kommen? Den ersten Tag hatte er versucht, das ganze noch mit etwas mehr Humor zu sehen, er hatte gedacht, dieser Zustand wäre nur kurzzeitig, irgendwie würde er schon das Tor wiederfinden, oder zumindest jemanden, der es ihm zeigen konnte. Rayo vergrub sein Gesicht in den Kissen und spürte, wie in ihm wieder etwas Ruhe einkehrte. Er seufzte einmal tief. Plötzlich stupste etwas seinen Arm an. Er schrak zusammen und wollte sich dem Störenfried stellen. >Hey, du...<, grüßte Lileya, die - immer noch als Katze - an der Bettkante stand und ihn musterte. >Sei nicht traurig... Ich habe doch gesagt, ich helfe dir!< >Ich bin nicht traurig!<, fauchte Rayo sie gedanklich an und ließ sich zurückfallen. Die Katze machte einen Satz über ihn hinweg und kuschelte sich in die Kuhle zwischen ihm und der Wand. >Leugnen hilft nichts!< Das Tier gähnte. Man konnte die kleinen spitzen Zähne im Dämmerlicht sehen. >Ich habe ein Gespür für sowas!< >Nun gut, ich geb's ja zu... ich möchte nach Hause! Und ich habe noch ein Problem! Ich weiß nicht, wie ich das morgen machen soll! Ich habe keine Schwester und niemand sieht mir so ähnlich wie ein Zwilling!< >Überlass das ruhig alles der alten Leya!<, erwiderte das Mädchen und zwinkerte ihm mit einem Katzenauge schelmisch zu. >Ich mach das schon!< >Wehe, das geht schief!<, knurrte Rayo im Scherz. >Ich vertrau dir ausnahmsweise, also mach deine Sache gut! Aber jetzt sag mal, wo warst du eigentlich die ganze Zeit?< >Ich war essen!< Rayos Magen knurrte laut. Daron war kein besonders guter Gastgeber. Immer vergaß er, ihm etwas zu Essen zu geben. Das ging ihm eindeutig gegen den Strich. Die leuchtend grünen Augen der Katze schlossen sich und der Schwarzhaarige vergaß seinen Hunger, denn die Müdigkeit überwog eindeutig. Rayo sah, wie das Tier einmal tief die Luft einsog und dann kraftvoll ausstieß. Dann fielen auch ihm die Augen zu und er schlief zum zweiten Mal an diesem Tag erschöpft ein. Der Morgen brach mit Ach und Krach über Rayo herein. Er wurde nämlich von dem total aufgedrehten Prinzen wachgerüttelt. "Steh auf!", rief der und schüttelte ihn durch. "Es ist schon fast Mittag! Du musst dich langsam fertig machen! Deine Schwester kommt sicher gleich!" >Und ich dachte, von einem Prinzen wird mach wach ,geküsst' und nicht ,gerüttelt'...< "Rayo!!!" Träge öffnete der Angesprochene die Augen, blickte empört in das Gesicht des Prinzen, der neben ihm auf dem Bett saß, sich wie ein hyperaktives Kind benahm und ihn bei den Schultern gepackt hielt, an denen er ununterbrochen zerrte. "Hör auf, verdammt!" Rayo richtete sich auf und stieß mit dem Kopf unter Darons Kinn. "Ah, aua!" "Brich mir ja nicht noch das Kinn, bevor der Ball anfängt!" Der Prinz fluchte unterdrückt und rieb sich den schmerzenden Kiefer. "Dann weck mich nicht so grob, Idiot!", Rayo strich sich über die total zerwühlten Haare und schob sich an Daron vorbei, als er aufstand. "Ich bin kein Idiot!", rief der hinter ihm her. "Ich habe eine dringende Frage an dich: Wann hast du deine Schwester eigentlich eingeladen?" "Äh..." >Gute Frage...< Darons Miene wurde mit einem Mal finster und er ballte sie Fäuste. "Gib's zu, sie wird nicht kommen! Sie weiß doch gar nichts von dem Ball!" "Keine Sorge, sie wird kommen!" Rayo sah sich kurz nach Lileya um. Die Katze war nirgends zu sehen. Erleichtert lächelte er den Prinzen an. "Es ist alles geregelt, das meine ich ehrlich!" Der Prinz schien besänftigt. Jedenfalls sah er nicht mehr wütend aus. Er starrte ihn nur mit seinem undeutbaren Blick an. "Was denn?", fragte Rayo nach einer Weile. "So habe ich dich noch nie lächeln sehen!", sagte Daron mit gedämpfter Stimme. "Woran liegt es, dass du das auf einmal kannst?" "Es könnte an dem Umstand liegen, dass ich nicht mehr dein Gefangener bin!", grinste Rayo. "Hm... Tja, wenn ich gewusst hätte, dass das so viel ausmacht, hätte ich es von Anfang an anders gemacht!" Ein Klopfen an der Tür beendete das Thema erst einmal. "Herein!", rief Daron laut. Die Tür wurde geöffnet und ein Diener verbeugte sich ehrfürchtig. "Die ersten Gäste treffen ein, mein Prinz. Und wie befohlen erstatte ich Bericht von Miss Rayas Ankunft!" Daron sprang mit all seinem Übereifer auf und stürmte zur Tür. Rayo zog sich schnell den Anzug zu Ende an, den Daron ihm am letzten Abend noch gegeben hatte. Natürlich hatte er ihn auch anprobieren müssen. Rayo verdrehte die Augen bei dem Gedanken an die Anprobe. Doch schnell wanderten seine Gedanken wieder zu seiner Schwester. Wie Lileya das wohl angestellt hatte? Wen hatte sie bloß angeschleppt, den man als seine Schwester ausgeben konnte? Rayo betrat die Halle und sah sich um. Sein Blick traf auf Daron, der wahrhaftig gerade vor einem Mädchen kniete und ihr die Hand küsste. Und dieses Mädchen war das genaue Abbild von ihm selbst, nur, dass sie eben die weiblichen Teile hatte, die ihm fehlten. >Wer ist das???< Plötzlich wandte sein Zwilling sich ihm zu und winkte erfreut. Neugierig näherte der Schwarzhaarige sich dem Prinzen und seiner angeblichen Schwester, die ein wunderbares Kleid trug, mit einem Ausschnitt, der keinen Zweifel an ihrem Geschlecht ließ. "Bruderherz!" Das Mädchen fiel ihm in die Arme. Der Form halber erwiderte er die Umarmung, doch er war unsicher. Wo hatte Lileya dieses Mädchen aufgetrieben? "Na, Rayo, sehe ich so aus, wie du dir deine Schwester vorstellst?" Bei den an seinem Ohr geflüsterten Worten fiel es Rayo wie Schuppen von den Augen. "Lileya!", murmelte er mit leicht fragendem Unterton. "Natürlich ich! Wie hätte ich das sonst arrangieren sollen?" Sie lachte leise und löste sich wieder von ihm. "Ich habe dich vermisst, Bruder!" "Wie ich sehe hast du den Prinzen schon kennengelernt!", spielte Rayo mit höflich distanzierter Miene mit. "Meine erste Begegnung mit ihm war ja nicht so toll, ich fand sein Benehmen sehr dreist!" Lileya tat so, als würde sie ein privates Gespräch mit ihm führen und schloss Daron absichtlich aus. Rayo sah an dem Funkeln in ihren Augen, dass es ihr gefiel, ihn zu ärgern. Seiner Mimik nach zu schließen, ging ihre Rechnung auf. Der Prinz räusperte sich jetzt auffällig. "Die meisten Gäste kommen erst später gegen abend, da der Ball noch nicht beginnt!", erzählte er. "Ich bin ja eigentlich nur früher gekommen, um meinen Bruder sehen zu können!", lachte Raya alias Lileya mit glockenheller Stimme und wusste, dass sie damit den Prinzen ein weiteres Mal total überging. "Sie ist irgendwie anders als sonst!", flüsterte Daron Rayo zu. Der grinste ertappt. "Wir haben uns erst einmal getroffen!", empörte Raya sich. "Ihr wisst doch gar nichts über mich!" Daron schwieg verlegen, da er nicht damit gerechnet hatte, sie könnte etwas hören. "Verzeiht, Miss!" Er verbeugte sich tief. "Ihr habt natürlich recht!" >Du bist wirklich gemein zu ihm!<, schalt Rayo Lileya gedanklich. >Ich weiß!< Raya grinste ihn frech an. >Immer doch! Er war ja auch die ganze Zeit fies zu dir!< "Ich vergebe Euch!", murmelte sie dann überlegen an den Prinzen gewandt. Rayo musste zugeben, dass es auch ihm ein bisschen gefiel, wenn der Prinz einmal etwas litt. Aber er fand, dass es genug war. >Leya, du solltest jetzt damit aufhören!< >Tut mir leid, ich tue deinem Liebsten schon nichts!< >Lileya, das nimmst du sofort wieder zurück...!< Eilige Schritte unterbrachen sie. Plötzlich fühlte Rayo sich erneut umarmt. Wieder von einem Mädchen... "Rayo!!!", rief Kira glücklich. "Ich bin extra früher gekommen, nur um dich zu sehen!" Daron knurrte verstimmt. Wieder jemand, der ihn völlig übersah und statt dessen Rayo um den Hals fiel. Hatten sich denn alle gegen ihn verschworen? Raya lachte vergnügt, als sie die Reaktion des Prinzen auf diese unbeabsichtigte Pointe Kiras mitverfolgte. Dieser Abend würde einfach zu komisch werden! Der Prinz, dem sonst alle Mädchen zu Füßen lagen, musste heute wohl mal etwas zurückstehen. Und sie, Raya, würde dafür sorgen, dass der Prinz nicht länger glaubte, er wäre in sie verliebt. Denn sie wusste es besser! Arme Kira. Sie ahnte ja nichts! Dabei mochte sie das temperamentvolle Mädchen! Doch darüber würde sie sich an einem anderen Tag Gedanken machen! Heute war Spaß angesagt! Sie hatte gleich gewusst, sich an Rayos Fersen zu heften, würde sie wieder etwas aus ihrer Lethargie und diesem Alltagswahn herausholen. >Schon aufgeregt?<, fragte sie, nur für ihn hörbar. >Ja, sehr!<, kam die Antwort mit einem kleinen Zwinkern. >Ist ja mein erster Ball! Aber... es wird bestimmt lustig!< "Du hättest nicht extra wegen mir früher kommen müssen!", sagte Rayo nun zu der Blonden, die sich glücklich an seinen Arm klammerte. "Ich wollte aber früher kommen! Guck mal, was ich trage!" Stolz hielt sie ihm ihr Handgelenk unter die Nase. "Das Armband, das du mir geschenkt hast!" "Oh!", staunte Lileya. "Das war sicher sehr teuer!" >Als ob du das nicht mitbekommen hättest!<, meinte Rayo zu Lileya. >Wirklich gut!< >Danke!< "Ja, teuer war es! Hat fünfzig Silberlinge gekostet!" Bereitwillig zeigte Kira das Schmuckstück auch dem Prinzen und jedem anderen, der es sehen wollte. "Rayo, wieso hast du ihr das Ding gekauft?", fragte Daron, sichtlich schlechter gelaunt, als noch vor einer Minute. "Sie hat mich darum gebeten!", grinste Rayo. Er fragte sich, wieso die sich alle so aufregten. "Ich dachte, du hast sie gestern das erste Mal gesehen! Ihr seht nicht so aus, als würdet ihr euch kaum kennen! Und jemanden, von dem man nichts weiß, kauft man nicht so etwas wertvolles!" "Äh... Daron, also ich..." >Wertvoll? Leya!< Er warf dem Mädchen in der Gestalt seiner Schwester einen flehenden Blick zu. >Ich kann mit der Währung hier nicht umgehen!< >Du hast ziemlich viel Geld für Kira ausgegeben!<, erklärte Lileya. >Für mich als Haflinger hast du fünf Goldstücke bezahlt, ein erste Klasse Pferd kostet halt so viel! Aber der Armreif für fünfzig Silberlinge... für ein Schmuckstück sehr teuer!< >Aber Daron hat mir das Geld doch geschenkt... für eine Auskunft!< >Na, ja... er wirft manchmal mit Geld um sich, sagt man...< "Rayo?", fragte der Prinz wütend. "Gib mir eine Antwort! Ich will das auf der Stelle wissen! Was hast du mit diesem Mädchen zu schaffen?" "Schreit ihn nicht so an!", verteidigte Kira den Schwarzhaarigen. "Ich hab ihn überredet, mir das Armband zu schenken! Wir haben uns wirklich nur einmal getroffen!" "Ach, so?!", meinte Daron mit säuerlichem Unterton. "Dich habe ich nicht gefragt! Rayo!!!" "Was willst du überhaupt?", fragte der und blitzte ihn mit seinen goldenen Augen nun ebenfalls wütend an. "Ich darf mich doch anfreunden, mit wem ich will!" "Nein, nein, nein! Das dulde ich nicht!" Daron stampfte mit dem Fuß auf dem Boden auf. "Und wenn ich es doch tue?!", knurrte Rayo. "Dann sperre ich dich wieder weg!", drohte Daron und packte den Kleineren am Kragen, an dem er ihn zu sich heran zog. Raya grinste nur, als sie die Szene beobachtete, doch Kira schien das gar nicht zu gefallen. "Hört auf, ihr Kindsköpfe!", schrie sie und errötete, als sie bemerkte, wen sie da gerade zusammengestaucht hatte. "Oh, verzeiht, Prinz!" "Ungezogenes Gör!", spuckte Daron verächtlich aus und sah wieder zu Rayo, dem er einen langen Blick schenkte und den er daraufhin mit gleichgültiger Miene losließ. Der Junge torkelte ein Stück nach hinten und fing sich in letzter Sekunde, bevor er hinfallen konnte. "Ähm... entschuldigt..." Zwei Dienerinnen standen hinter dem Prinzen und wirkten eindeutig ziemlich nervös. "Ja?", fragte Daron mißlaunig. "Wir wollen die Damen auf ihre Zimmer geleiten...", stotterte die Jüngere der beiden. Der schwarzhaarige Prinz machte eine Geste in Richtung der Mädchen. "Ihr könnt jetzt gehen!" Kira warf Rayo noch einen mitleidigen Blick zu und verschwand dann mit Raya hinter einer der Türen zu den Gästezimmern. >Viel Spaß noch, und bis nachher!<, hörte der Schwarzhaarige Lileya noch sagen, bevor die Tür sich schloss. "Ich mag diese Kira nicht!", knurrte Daron. "Tja, was für ein Pech auch!", lachte Rayo verlegen. "Ich gehe jetzt einfach mal..." "Wohin?" Die grauen Augen funkelten misstrauisch. "Nur aufs Zimmer.", antwortete Rayo verwundert, ob dieses strengen Tons. "Ich komme mit!" Ohne eine Miene zu verziehen, nickte Rayo. Doch innerlich seufzte er resigniert. Hatte er denn nie eine ruhige Minute für sich? Also verließen auch sie die Halle und gingen den Gang hinab zu Darons Tür. Kaum, dass sie diese wieder geschlossen hatten, sprudelte es aus dem Prinzen hervor: "Also, was hast du mit dieser Kira zu schaffen? Und wieso tut deine Schwester so, als wäre ich der letzte Dreck für sie? Ich war doch total höflich! Sag, was habe ich falsch gemacht? Ich habe das Gefühl ihr wollt mich alle veräppeln...!" "Bleib ruhig!", unterbrach Rayo ihn unwirsch. "Was ich mit Kira zu tun habe, sagte ich bereits, da ist nichts! Ich weiß gar nicht, was dich das interessieren sollte! Du liebst doch Raya!" "Ich..." "Außerdem...", sprach Rayo laut weiter. "...hat meine Schwester dir schon einmal eine Abfuhr erteilt! Sie möchte einfach nicht, dass du dir Hoffnungen machst! Du hast nichts falsch gemacht! Nur zügeln solltest du dich vielleicht mal... du benimmst dich wie ein Kind!" Daron schaute erst perplex drein, dann wurde er wütend. "Ich benehme mich wie ein Kind? Ich bin der Prinz, verdammt! Ich bin dazu geboren, eines Tages über das ganze Land zu herrschen!" "Eben!" "Was soll das jetzt wieder heißen?" "Das soll heißen..." Rayo atmete einmal tief durch und schloss kurz die Augen. "...dass du einfach zu offen und zu leicht angreifbar bist!" "Angreifbar?" Unverständnis spiegelte sich in Darons Miene wider. "Das verstehe ich nicht! Wer sollte mich denn angreifen?" Rayo blickte sich kurz in dem Zimmer um und wanderte dann nachdenklich zu einem kleinen Sessel, in dem er sich niederließ. Er strich mit seiner Rechten durch sein pechschwarzes Haar und sah dann endlich wieder den Prinzen direkt an. "Jeder Mensch hat doch Feinde! Besonders ein Prinz oder König!", versuchte Rayo ihm verständlich zu machen, was er dachte. "Du schaffst es einfach nicht, deine Schwächen vor der Außenwelt zu verstecken! Das macht dich verwundbar!" Daron sah ihn einen kurzen Moment lang an, dann verfinsterte sich sein Gesicht und er lief zum Fenster, vor dem herrliches Wetter herrschte. "Und was bitte sind meine Schwächen?", meckerte er. "Erzähl mir mal, welche meiner Schwächen du auf Anhieb ausnützen könntest, ohne mich besser zu kennen?" "Raya!" Der Schwarzhaarige setzte sich auf und strich nebenbei seinen Anzug glatt. "Jeder im Land weiß inzwischen, dass du sie suchst! Schließlich wurden ja alle möglichen Menschen befragt! Es wäre mir ein leichtes, diesen Schwachpunkt auszunutzen!" Daron schwieg wieder, starrte nur hinaus aus dem Fenster. >Sieht er es ein? Ich wünschte, er würde!< "Und weiter?", fragte der Prinz mit ausdrucksloser Stimme. "Ein anderer Schwachpunkt ist immer die Familie, aber das lässt sich so leicht nicht vermeiden!" "Scheinbar doch!" Graue Augen wandten sich ihm nun zu, sie verrieten keine Wut, keinen Ärger, sie zeigten nichts. "Wie meinst du das?" "Deine Familie wurde vergeblich im ganzen Land gesucht, selbst Raya schafft es, in einem Moment da zu sein und im nächsten spurlos zu verschwinden! Ebenso ist es mit dir! Was hat es mit deinen Eltern und deiner Schwester auf sich?" "Ich weiß gar nicht, wovon du sprichst!" Rayo spürte sich deutlich in die Defensive zurückgedrängt. "Ich habe eine ganz normale Familie, wie jeder andere auch! Ich habe eine Mutter und einen Vater, die beide ein geregeltes Leben führen und eine Schwester, die verlobt ist und nur deshalb ohne ihren Verlobten auftaucht, weil der verletzt ist und Bettruhe verordnet bekommen hat! Sie wäre heute eigentlich gar nicht gekommen, hättest du mich nicht dazu gedrängt, sie einzuladen!" Eine lange Pause folgte auf Rayos Worte, der Prinz schien zu überlegen. "Dann sag mir doch, wo du wohnst!", murmelte der Prinz. "Sag mir, wo deine Familie steckt! Was hält dich davon ab? Sind sie Verbrecher?" "Nein!" Ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen, als er sich vorstellte, es würde tatsächlich so sein. "Das Land ist groß, ich möchte dir nicht noch weitere Schwächen preisgeben!" Das war das einzige, was Rayo noch zu sagen vermochte. Etwas besseres fiel ihm einfach nicht ein. Er konnte ja schlecht sagen, dass seine Familie in einer anderen Welt lebte. "Schwächen preisgeben!", rief Daron sarkastisch aus. "Natürlich, alles klar! Warum belügst du mich? Ich verstehe das nicht! Wenn du morgen gehst, weiß ich nicht, wohin du gehst, was du machen wirst, dort, wo du bist... und vor allem nicht, was deine Schwester machen wird!" "Ich kann dir sagen, was sie machen wird, wenn es dich so sehr interessiert!", versuchte Rayo mit leiserer Stimme, die Wut des Prinzen zu dämpfen. "Sie wird ganz normal zur Schule gehen, ihren Verlobten ehelichen, mit ihm zusammenwohnen und Kinder kriegen, die sie dann erziehen wird! Was denkst du, sollte ein Mädchen sonst machen?" >Blöde, konservative Sichtweise! Gut, dass das in meiner Welt ein bisschen anders abläuft!< Rayo wusste wirklich nicht, wie die Mädchen in dieser Welt sich mit so einem Leben zufrieden geben konnten! Das war doch widerlich! "Und du, Rayo?", fragte Daron. "Was wirst du tun?" "Zur Schule gehen, viel lernen, die Welt bereisen, heiraten!", redete er spontan drauf los. "Ich weiß es doch nicht!" >Wieso erwarten die hier eigentlich, dass man mit sechzehn Jahren bereits verheiratet sein sollte??< "Du willst also heiraten?", murmelte Daron. "Vielleicht diese Kira?" "Öhm..." Rayo stellte sich wieder auf die Füße. "Wie kommst du denn darauf?" "Na, ihr hingt ziemlich eng aneinander, gerade in der Halle!", grinste Daron, doch das Grinsen erreichte diesmal seine Augen nicht. "Erzähl mal, wie findest du das Mädchen? Sie ist doch hübsch, nicht wahr?" "Ja, schon... aber... ich will sie doch nicht heiraten!" "Ach, nein?", fragte Daron prüfend. "Einer Affäre wird sie sicherlich nicht zustimmen!" "Ich will nichts von ihr, kapier das endlich!", rief Rayo wutschnaubend. "Also gibt es schon ein anderes Mädchen, das du lieber magst!", nickte Daron. "Das ist natürlich etwas anderes!" "Nein, nein!" Rayo ballte die Fäuste und blitzte Daron aufgebracht an. "Es gibt da keinerlei Affären, über die ich dir erzählen könnte und da ist auch keine Verlobte oder so, also halt die Klappe!" >Ich hasse ihn! Ich hasse ihn! Ich hasse...< "Der kleine Rayo ist also noch niemandem versprochen?" Dieses Mal war Darons Grinsen ein echtes. "Dich haben wohl alle für ein Mädchen gehalten, was?" "Haben sie nicht!", knurrte Rayo. "Hast du jetzt genug erfahren?" "Nein!", erwiderte der Prinz lächelnd. "Wo wohnst du? Wie lautet dein Nachname? Auf welche Schule gehst du? Was isst du gerne... ach, nee, das weiß ich ja schon, das sind die Kohlrouladen...!" "Dann weißt du genug!", sagte Rayo bestimmt und funkelte Daron an. "Musst du nicht noch etwas wichtiges erledigen? Gäste empfangen oder so?" "Hey, du hast recht!" Daron warf einen kurzen Blick nach Draussen. "Lass uns gehen!" "Nein, ich werde sicher nicht gehen!" "Aber das ist ein Ball! Die Tänze fangen gleich schon an!" Daron war schon an der Tür. "Tänze?!" "Hm?" Verwirrt wandte der Prinz sich zu ihm um. >So ein Mist! Ich kann gar nicht tanzen!< "Daron, ich fühle mich auf einmal sehr krank..." "Du willst dich ja bloß drücken! Obwohl... du bist blaß um die Nasenspitze..." >Ja, sehr blaß, sehr blaß! Ich bleibe hier!!!< "Haha! Komm, wir gehen!", rief Daron überschwenglich und verschwand aus der Tür. >Nein!!! Was mache ich jetzt? Ha! Ich weiß! Meines Wissens fordern die Männer die Frauen zum Tanzen auf! Ich fordere einfach keine auf!< Etwas beruhigt folgte er Daron, der ungeduldig auf dem Flur stand. "Da bist du ja! Los, auf ins Getümmel!" Die Ballsäle waren gefüllt mit Leuten in den vornehmsten Abendroben, die man sich vorstellen konnte. Es wurde gerade ein schnelles Lied gespielt und die Tanzpaare rauschten durch die Gegend wie ein aufeinander eingespielter bunter Vogelschwarm. Jede der reichen Frauen schien versucht zu haben, sich ein möglichst auffälliges Kleid nähen zu lassen und sich eine möglichst kunstvolle Frisur von der Zofe aufstecken zu lassen, um ja im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Das hatte dafür gesorgt, dass tatsächlich ein farbenfrohes Durcheinander in den beiden riesigen Sälen herrschte, die für den Ball hergerichtet worden waren. Die Männer trugen geschlossen schwarz. Rayo wusste nicht, warum das so war, sein eigener Anzug war ebenfalls schwarz. Vielleicht Mode? Da war es aber mal an der Zeit, einen neuen Stil einzuführen! Wenige Leute standen in Gruppen an den Rändern der runden Säle. Zumeist waren es ältere Frauen und Herren, die nicht mehr die Kraft hatten, die ganze Zeit zu tanzen, oder jüngere, die sich kurz ausruhten oder zu den alten Jungfern gehörten, die niemand zum Tanzen aufforderte, weil sie entweder zu hässlich, oder nicht reich genug waren. Rayo lehnte sich an eine mit roten Tüchern behängte Wand und folgte neugierig dem regen Treiben. So etwas hatte er noch niemals gesehen, so viele verschiedene Menschen, stolze und schüchterne Gesichter, undurchdringliche Mienen, vor Aufregung gerötete Wangen, arrogante Blicke, lachende, verächtliche, feixende. Alle Arten von Menschen schienen sich hier versammelt zu haben, um zu feiern. "Na, hast du Spaß, Bruder?" Raya tauchte plötzlich neben ihm auf und grinste verschmitzt. Sie trug ein anderes Kleid als bei ihrer Ankunft, eleganter, mit wallenden Röcken, die bauschig um sie herum lagen. Es war weiß gehalten mit Rüschen am Kragen und vielen Schleifen und schönen Mustern. Solch ein Kleid hatte Rayo noch niemals vor Augen gehabt. Das war kein Vergleich mit dem Fernsehen, in dem man alte Filme anschauen konnte. Das war einfach unglaublich. "Was guckst du so?", fragte Raya mit einem allgegenwärtigen Lächeln. "Du solltest deine Schwester nicht so anstarren!" "Ich habe nur das Kleid angesehen... Solche Kleider kenne ich halt nicht!" "Ach, ja!", lachte sie. "Ich vergaß, du kommst ja nicht von hier!" Sie wirkte plötzlich leicht erschrocken und ihr Blick wanderte an ihm vorbei. "...wir kommen ja nicht von hier aus der Gegend!" >Rayo, Achtung! Hinter dir kommt ,er'!< Rayo verstand schlagartig. "Bei uns sind die Kleider weit bunter!", redete er weiter. "Dieses Weiß ist einfach fabelhaft! Es unterstreicht dein dunkles Haar und hebt deine goldenen Augen hervor! Vielleicht hätten wir schon eher hierher reisen sollen!" "Prinz Daron!", rief Leya plötzlich aus, als hätte sie ihn jetzt erst entdeckt. "Dieser Ball ist einfach wunderschön, das muss ich Euch zugestehen! Nie war ich auf einer solch farbenfrohen Veranstaltung!" "Danke, Ihr seht heute Abend aber hinreißend aus, Miss Raya!", schmeichelte der Prinz und verbeugte sich höflich. "Dürfte ich um den nächsten Tanz bitten?" Er hielt ihr seine Hand hin, die sie ergriff. "Gerne, Prinz!" "Und was ist mit dir, Rayo?", fragte Daron dann an ihn gewandt. "Ich habe dich heute Abend noch nicht einmal tanzen sehen!" "Das muss auch nicht sein!", lachte Rayo. "Ich werde mich dann mal nach bekannten Gesichtern umschauen gehen! Viel Spaß noch!" Damit trennte es sich von dem Tanzpaar, das auf den Beginn des nächsten Tanzes wartete und lief durch den Saal. Währenddessen musterte er die fremden Gesichter, die er passierte. Darunter waren Frauen, die sich Luft zufächelten und dabei sehr erschöpft wirkten. Das lag daran, dass sie sich die Kleider zu eng schnüren ließen und dann bei kleinster Aufregung ohnmächtig wurden, weil sie nicht genug Luft bekamen. Dann standen da Männer, die sich lachend miteinander unterhielten und dabei massig Alkohol tranken, manche mit strengen, manche mit offenen Mienen. Kichernde Jungfern, die über die lästerten, die einen Mann abbekamen, weil sie selbst nicht zu den glücklichen zählten. Aber was sollte er bei diesen ganzen Leuten? Er fühlte sich mit einem Male völlig fehl am Platze. "Hey, Rayo!", hörte er plötzlich eine bekannte Stimme. "Hier drüben!" Er sah sich um und erblickte Kira, die mit einem älteren Herrn, einer Dame und einem jungen Mann zusammenstand und ihm zuwinkte. Erleichtert, endlich nicht mehr dumm herumstehen zu müssen, lief er herüber und gesellte sich zu ihnen. "Vater, Mutter!", sagte das blonde Mädchen förmlich zu den beiden älteren Leuten. "Das ist Rayo, der Junge, von dem ich euch erzählt habe!" "Guten Abend!", grüßte er mit einer leichten Verbeugung. "Freut mich!" "Schönen guten Abend, junger Mann!", lächelte der Mann. "Ja, schönen Abend!", sagte auch die Frau neben ihm. "Und das ist mein großer Bruder Kanro!", stellte Kira nun den jungen Kerl vor, der neben ihr stand und etwas genervt wirkte. "Er ist total vernarrt in die physische Beschaffenheit unserer Welt, studiert alle möglichen Bücher!" "Ach, sowas wie Erdanziehungskraft?", fragte Rayo dazwischen, verfluchte sich dann im nächsten Moment für seine Gedankenlosigkeit. "Erdanziehungskraft?", fragte der junge Mann neugierig. "Kennst du dich in Physik aus?" "Also... nicht so wirklich... ich..." "Meine Studien berufen sich auf das Wissen aus Büchern und der Lehrer, die mich bisher unterrichteten! Die große Frage, die ich zu beantworten trachte, ist die, was unsere Erde zusammenhält! Wieso fällt ein Stein zu Boden, wenn man ihn loslässt? Wieso nicht nach oben? Warum fällt ein Blatt langsamer als ein Fels? Du sprachst von Erdanziehung? Was bedeutet das?" "Also... ich weiß nicht..." "Och, langweilige Männergespräche!", seufzte Kira. "Mutter, Vater, ich gehe tanzen!" Damit wandte sie sich zur Tanzfläche und lächelte entzückend, was ihr gleich die Blicke einiger Männer bescherte, die sie wohl gleich zum nächsten Tanz auffordern würden. "Das Wort habe ich bloß mal aufgeschnappt!", lachte Rayo nervös. "Erdanziehung... Du meinst also, es muss etwas unter der Erde sein, das alles anzieht?", fragte Kanro weiter. "Die Erde ist doch rund, ja, ich glaube etwas in der Erde zieht alles an die Erdkugel heran!" "Hm...", überlegte der ältere Bruder Kiras. "So habe ich das noch nie gesehen, sehr interessant! Hast du schon den Resopal gelesen?" "Den Reso-was?" "Pflichtlektüre für jeden Physiker!", erklärte Kanro ernst. "Resopal hat versucht, das Weltall zu erforschen und das Buch enthält seine Studien und Ergebnisse. Er hat wichtige Erkenntnisse gebracht! Laut Resopal ist das All luftleer!" >Ach, nee!< "Ja, davon habe ich schon gehört!" "Wirklich?", lächelte Kanro, der in seinem Element war. "Dann bist du ja wirklich ein angehender Physiker, wenn du dich für so etwas interessierst! Ich muss dich unbedingt meinen Genossen vorstellen!" "Wir gehen dann auch tanzen, Kanro!", murmelte sein Vater und verließ den hilflosen Rayo und den überglücklichen Kanro mit seiner Frau am Arm. "Jares! Permin!", erregte Kiras Bruder die Aufmerksamkeit einer nahe stehenden Gruppe von jüngeren und älteren Männern. "Kommt mal alle rüber, ich habe hier jemand Interessantes kennengelernt!" Ein paar Sekunden später befand Rayo sich inmitten dieser Gruppe und wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. "Das ist Rayo, meine Schwester hat ihn mir eben vorgestellt und wie ich feststellte, hat der Kleine Ahnung von Physik!" "Das stimmt nicht, ich..." "Wirklich?" "Worüber habt ihr euch denn unterhalten!" "Erzähl's deinen Genossen! Du wirst uns doch keine Erkenntnis verheimlichen!" Einstimmiges Lachen folgte. Rayo fühlte sich total zerdrückt von der Aufmerksamkeit so vieler aufdringlicher Menschen. "Wir sprachen gerade über den Umstand, dass etwas zu Boden fällt, sobald man es loslässt! Rayo meinte, da die Erde rund ist, muss etwas in ihr sein, das dafür sorgt, dass überall, an jedem Platz auf der Welt alles in Richtung Boden gezogen wird!" "Erzähl mal mehr, Kleiner!" "Ja, wieso ist es so?" "Woher soll ich das denn wissen?", fragte Rayo aufgeregt. "Ich bin erst sechzehn!" "Na, und?" "Also, gut!", knurrte er säuerlich. "Ich weiß nichts genaues über die Erdanziehungskraft! Nur, dass das alles mit einem Magnetfeld zu tun hat, das im inneren der Erde durch geschmolzenes Metall erzeugt wird... Mehr nicht!" "Mehr nicht?!", keuchte ein energischer Mann. "Woher hast du das denn?" "Was ist ein Magnetfeld?" "Das verstehe ich nicht!" Alle begannen durcheinanderzureden und da Rayo zwischen ihnen stand, konnte er auch nicht im Tumult verschwinden. >Was brocke ich mir da eigentlich immer wieder ein?! Bin ich blöd!< "Ach, hier bist du, Rayo!" Plötzlich tauchte Daron neben ihm auf, der sichtlich erleichtert wirkte. Hinter ihm stand Raya. "Er dachte, du wärst abgehauen!", grinste Leya in der Gestalt seiner Schwester. "Ähm... was machst du überhaupt hier bei den Physikern?", fragte Daron dann und wurde endlich von den aufgeregten Männern wahrgenommen, die über einen flüssigen Erdkern diskutierten. "Prinz Daron!", grüßte Kanro mit seinen Genossen. "Verzeihung, wir haben Euch gar nicht bemerkt!" "Schon gut!", winkte der Prinz ab. "Kommst du, Rayo?" "Ja!" "Aber Prinz... kann er nicht noch unserer Runde beiwohnen?", fragte Kanro. "Wir führten gerade ein anregendes Gespräch über den Erdkern und er..." "Nein, Rayo kommt jetzt mit mir!" "Wir sehen uns, Rayo!", verabschiedete Kiras Bruder sich enttäuscht. "Und dann erzählst du mir alles, was du weißt!" "Hehe, ich weiß echt nichts..." Doch Daron hatte ihn schon aus der Gruppe der Physiker gezogen und drängte ihn nun Richtung Saalende. >Jetzt bin ich vielleicht erleichtert! Ich glaube, diesen Abend überlebe ich nicht!< >Wie bist du da bloß wieder reingeraten?<, fragte Lileya, so dass nur er es hören konnte. >Ich konnte meinen Mund nicht halten!< >Typisch!< "Rayo!!" Kira stürmte ihnen entgegen, zügelte ihre stürmische Art jedoch sofort, als sie den Prinzen erblickte. "Prinz!" "Miss Kira!", grüßte Daron unglücklich. Die Freude schien auf beiden Seiten nicht vorhanden zu sein. Das Mädchen stellte sich an Rayos Seite und ergriff seinen Arm. "Rayo, alles klar? Ich hab' dich gar nicht tanzen sehen!" "Ich habe ja auch noch gar nicht getanzt!" Der Schwarzhaarige kratzte sich verlegen am Hinterkopf. "Dabei ist es inzwischen schon ziemlich spät!", plapperte Kira weiter. "Mir schwirrt schon der Kopf! Ich habe Devon noch einen Tanz versprochen!" "Dann solltest du ihn nicht warten lassen!", murrte Daron missgelaunt. "Bin ja schon weg!", gab Kira mit erzwungen höflicher Stimme zurück. "Devon!!" Und schon war sie wieder in der Masse der Menschen verschwunden. Sie schien ein sehr lebhaftes Mädchen zu sein, jedenfalls konnte sie wohl keinen Augenblick stillstehen. "Daron, Bruder?" Rayo wandte sich seiner ,Schwester' zu, die einen Diener herbeiwinkte, ihr ihren Mantel herbeizubringen. "Ich werde ein wenig auf die Terrasse gehen, ich werde auch jemanden bitten, mich zu begleiten!" "Gut, aber bleib nicht zu lange, sonst erkältest du dich!", erwiderte Rayo besorgt. "Okay!" Etwas war seltsam an ihrem Blick, als wüsste sie etwas, das er nicht wusste aber lieber wissen sollte, denn es schien ihn direkt zu betreffen. Doch schon hatte sie sich umgedreht und lief auf die Terrasse zu. "Und was machen wir beide jetzt? "Tja, weiß nicht!" To be continued... So, das war der fünfte Part! Ich hoffe, dass er euch gefallen hat. Über eure Meinung würde ich mich freuen! Bis zum nächsten Part! Tara Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)