Edward - Bis(s) der Tag anbrach von Ricchan ================================================================================ Kapitel 4: Stimmengewirr ------------------------ Kapitel 4 Stimmengewirr Dass ich in die Nähe einer Stadt kam, merkte ich sofort, als in meinen Ohren plötzlich das Gerede tausender Personen auf einmal widerhallte. Die Laute trafen mich völlig unvorbereitet und der Schreck der mir durch die Glieder ging, ließ mich einige Schritte zurück taumeln, bis meine Gedanken wieder klar waren und nur die Stille des Waldes mich umhüllte. Wie merkwürdig, dachte ich mir, als ich ein paar Meter weiter vorne, wieder die Stimmen vernahm. Ich wusste schon seit meiner ersten Sekunde als Vampir, von meiner besonderen Begabung, die Gedanken der Menschen und Monster hören zu können. Doch noch nie hatte ich dabei mehr als eine vernommen. Bisher war ich immer nur mit Carlisle zusammen gewesen! Mir war nicht bewusst, dass es ja noch mehr Lebewesen auf diesem Planeten gab, als uns zwei. Durch die letzten Monate des Trainings war mir das völlig entfallen. Doch jetzt traf mich die Erkenntnis mit voller Wucht, als Stimmengewirr in meinem Kopf. Ich würde bestimmt noch lange brauchen, dachte ich, bis ich das alles ausblenden kann. Denn irgendwann wollte ich ja wieder normal leben können. Ich ging nun wieder weiter, Richtung Stadt, doch diesmal im menschlichen Tempo. Dabei fiel mir auf, wie langsam ich doch einst mal war. So langsam, das ich mir wie eine Schnecke vorkam. Ich müsste mich wieder daran gewöhnen, sagte ich zu mir selbst. Dann trat ich noch einen Schritt vor und wieder fielen die Stimmen mich an. Ich blieb stehen und versuchte sie zu ignorieren. Nach zehn Minuten gab ich auf und ging einige Meter zurück. Es kostete mich meine gesamte Kraft, nicht wie wild gegen einen Baum zu rennen, nur weil die Gedanken der Menschen mich fast wahnsinnig machten. Vor einer etwas größeren Wurzel, die fast einen Meter aus dem Boden rankte, ließ ich mich nieder und atmete tief durch. Ich hätte nie gedacht, dass es so schwer werden könnte. Als meine Gedanken etwas klarer waren, probierte ich es wieder. Diesmal hielt ich es sogar über eine Stunde aus, doch dann ließen meine Kräfte nach. Dank meines guten Geruchsinnes spürte ich innerhalb weniger Sekunden einen Eber, ganz in der Nähe meines kleinen Versteckes auf. Und in noch geringerer Zeit, hatten ich ihm auch schon meine Zähne in die Kehle gerammt und trank gierig von seinem Blut. Ich war so durstig, das ich nicht einen tropfen in dem toten Tier zurück ließ. Gut schmeckte er ja nicht gerade, musste ich mir eingestehen, aber mehr gab es hier gerade nicht zu finden. Also beließ ich es dabei. Dennoch merkte ich, wie in mir etwas schrie und mir zu flüsterte, die Stadt sei doch nicht weit und dort gäbe es viel schmackhaftere Beute als hier im dunklen Wald. Ich wieder stand der Bestie und setzte mich wieder vor die Wurzel. Dort blieb ich, bis die ersten Sonnenstrahlen durch die Baumkronen fielen. Ich brauchte mir keine Sorgen wegen Carlisle machen, der würde vor zwei Wochen nicht wieder da sein. Also warum nicht noch ein wenig hier verweilen und seine Kräfte testen? Es machte wesentlich mehr Spaß in der Gegend des Drei-Seen-Ecks rum zu rennen, als immer nur in dieser kleinen Hütte zu sitzen und eine Philosophie über dieses neue Leben auszuarbeiten, wie er es immer tat. Ich wusste dank meiner Fähigkeit genau was mein Vater dachte und welche Einstellungen er zu diesem Leben hatte. Und ich konnte ihn auch wirklich gut verstehen, doch manchmal, da teilte ich seine Meinung einfach nicht. Es fiel mir dann aber schwer, ihm das auch zu sagen. Ich konnte längst nicht so ehrlich sein, wie er es war, ob beabsichtigt oder nicht. Als ich mir sicher war, das ich den Gedanken Kampf gewonnen hatte, sowohl gegen das Monster, was immer noch versuchte, mich von einer anderen Ernährung zu überzeugen, als auch gegen Carlisle, der mit befohl wieder zurück zu gehen, stand ich auf und ging an die Schwelle der Gedankenübertragung. Mir war inzwischen Zeit aufgefallen, dass ich die Gedanken einer Person nur bis auf eine bestimmte Entfernung hören konnte. Und weil meine Sinne viel stärker ausgeprägt waren, als die der Menschen, konnte ich ungefähr erahnen, dass ich mich in einem Radius von zwei Kilometern um die Stadt Marquette bewegte. Jetzt trat ich einen Schritt nach vorne und die Stimmen prallten auf mir nieder. Ich ging noch ein paar Schritte weiter, blieb stehen und ließ mich nieder. Bewegungslos verharrte ich an diesem Fleck und konzentrierte ich mich auf das Stimmengewirr in meinem Kopf. … Hach, was für ein schöner Tag, da könnte man doch… … Warum sieht sie mich nur immer so an, das ertrag… … Wenn ich doch noch mal zehn Jahre jünger wäre… … Dumme Schlampe, das hast du nun davon… … Es war schon sehr erstaunlich, was in den Köpfen der Menschen vor sich ging. Von Rachsucht über Liebe und wieder zurück, waren so ziemlich alle Emotionen dabei. Und nach mehreren Stunden, die ich so verstreichen ließ ohne mich zu rühren, schaffte ich es sogar einige Stimmen gezielt heraus zu picken, um dann nur dieser einen zuzuhören. Alle anderen blendete ich so halbwegs aus. Ich achtete nicht auf die Zeit, sondern allein darauf, das Gerde in den griff zubekommen. Gegen Abend musste ich jedoch aufgeben. Der Durst war stark, besonders nachdem ich mich so lange ununterbrochen konzentriert hatte. Also verließ ich die den Platz unter den Baumkronen und suchte mir was zu essen. In einer Gegend wie dieser, sollte das ja eigentlich nicht sehr schwer sein, dachte ich zumindest. Doch wegen der späten Stunde, war kaum mehr ein Tier zu finden. Die meisten hatten sich bereits in ihre Bauten verzogen und die kleinen Lebewesen, die erst jetzt aufstanden konnten noch nicht einmal Ansatzweise meinen Durst löschen. Ich streifte weiter, bis der Mond schon hoch am Himmelstand. Und dann, als ich an den Seenklippen unterwegs war, Richtung Sault Ste. Marie hoch, stieg plötzlich ein unbeschreiblich guter Geruch in meine sowieso schon geblähten Nasenlöscher. Einen solchen Geruch bin ich bisher noch nicht begegnet, da war ich mir sicher. Er war stark und ließ den giftigen Speichel in über Mengen produzieren, sodass jedes schlucken in meiner Kehle brannte, wie als hätte ich Feuer geschluckt. Ich rannte wie vom Teufel getrieben, immer schneller und schneller, meiner Beute entgegen. Doch etwa zweihundert Meter bevor ich sie erreicht hätte, fing das Monster in mir mich anzufeuern und ich wurde langsamer. Bis ich nur wenige Meter davor ganz stehen blieb. Vor mir öffnete sich der Wald und machte einer breiten Wiese und dem See dahinter platz. Ich stieß meine Kiffer zusammen und hörte auf zu atmen, was ziemlich unangenehm war, besonders in der jetzigen Situation. Ich wusste von Carlisle, dass wir keinen Sauerstoff brauchten um zu überleben, doch war es nun das erste mal das ich davon gebrauch machte. Meine Augen weiteten sich und ich presste die Zähne noch fester aufeinander, als sich plötzlich einer der Menschen aus ihren Zelten am Strand entfernten und gen Wald schritt. Jäh wich ich zurück, bis meine Gestalt ganz im Schatten der Nacht und der Bäume verschwand. Nicht weit von meinem Versteck blieb der Mann stehen und machte sein Geschäft. Früher hätte ich das wahrscheinlich als unangenehm empfunden. Heute jedoch, ließ der Geruch der Person mir das Wasser im Munde zusammen laufen. In mir schrie die Bestie »Greif an! Mach schon! Es ist keiner hier! Er ist allein! Und sein Blut ist jung!« Heftig schüttelte ich meinen Kopf um ihn etwas klarer zu bekommen, doch nützte das nicht sehr viel, denn in diesem hörte ich die Gedanken meines potentiellen Opfers. Ob sie mich heute endlich ranlassen wird? Oh man, bin ich aufgeregt! Es ist das erste Mal seit den zwei Jahren die ich mit ihr zusammen bin, das wir allein seien können. Naja…wenn man das… Und er drehte sich leicht zu den Zelten um, die mit Leben gefüllt waren. …als allein bezeichnen kann… Aber wenigstens sind es ja nur unsere Freunde und die sind auch alle zusammen. Oh hoffentlich wird es gut gehen! Wegen seiner kindischen Redensart schätzte ich ihn auf etwa 15 Jahre. Also nicht sehr viel jünger als ich es war. Und die anderen da unten waren seine Freunde und seine feste Freundin. Ich zog mich gegen den Willen der Kreatur und meiner selbst zurück, tiefer in den Wald hinein. Erst als ich soweit entfernt war, dass ihr Geruch mich nicht mehr zu sehr traf, fing ich wieder an zu atmen. Und erst jetzt bemerkte ich auch, dass der Durst verhindert hat, dass ich ihre Gedanken hören konnte. Sonst wäre es mir schon sehr viel früher aufgefallen, dass ich nicht dem Geruch eines Tieres nachging, sondern dem meiner eigenen Rasse, der ich einst selbst angehörte. Da es mir nun wieder leichter fiel durch zuatmen und dem Durst zu wieder stehen, der noch immer in meiner trockenen Kehle brannte, konnte ich auch den anderen Stimmen zuhören, die da ebenfalls am Zeltplatz waren. Ich versuchte die Gedanken des Mädchens zu finden, das dieser Junge so deutlich in den seinen gesehen hatte. Und als ich sie endlich ausfindig gemacht hatte, konnte ich mir ein Grinsen nicht unterstehen. Sie dachte an genau dasselbe und hoffte, dass er sie darauf ansprechen würde, weil sie viel zu schüchtern war es von sich aus zu tun. So war es besser zu ertragen. Ich war nicht meinem Durst gefolgt und hatte dafür nicht das Leben dieser beiden Menschen zerstört, die doch alles Glück dieser Welt anscheinend gepachtet hatten. Noch einmal musste ich lächeln. Ich war nicht zum Monster geworden! Und das machte mich persönlich sehr glücklich, und Carlisle bestimmt sehr stolz. Plötzlich kam mir ein Einfall und ich rannte los. Zurück nach Marquette. Ich wusste genau was ich wollte: Wieder genauso leben wie vor meinem Tod! Und ich wusste auch genau wie ich das anstellen konnte. Und als ich meine persönlich gesetzten Stadtgrenzen erreichte, stand der Mond noch nicht einmal im Zenit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)