Anime Evolution: Nami von Ace_Kaiser (Vierte Staffel) ================================================================================ Kapitel 12: Scherben -------------------- 1. Die Titanen-Station war wie immer hoch frequentiert. Wie immer kamen die Frachter vom Mond und entluden ihre Erze, Hightech, die nur in Schwerelosigkeit oder der Niedriggravitation auf dem Mond hergestellt werden konnte sowie das mittlerweile legendäre Helium-Isotop, welches der Weltwirtschaft zu einem neuen Boom verholfen hatte. Gut frequentiert war auch der Presseraum, in dem die Anführer der UEMF dem internationalen Pressecorps Rede und Antwort standen. Im Moment diente er Admiral Richards dazu, die Weltlage zu stabilisieren – soweit das einem einzelnen Mann möglich war. „Ich kann Ihnen versichern“, begann Admiral Richards, „dass die Gerüchte über eine ernste Erkrankung von Jarah Arogad vollkommen übertrieben waren. Ja, Jarah Arogad wurde ins UEMF-Militärkrankenhaus eingeliefert. Ja, sie blieb dort eine Nacht. Und ja, wir haben einige der besten KI-Meister dieses Sonnensystems eingeflogen. Aber nein, es bestand keine Gefahr für ihr Leben und ihr Zustand ist stabil. Mit einem Satz: Sie ist gesund wie ein Fisch im Wasser.“ Blitzlichtgewitter. Dutzende Hände von Reportern streckten sich in die Höhe. Aufgeregte Stimmen riefen durcheinander. Zu vielen in diesem Raum war bewusst, dass Jarah Arogad, oder vielmehr Yohko Otomo, ein vitaler Bestandteil des Plans war, der die Naguad als Verbündete band. Nicht wenigen war die Einrichtung einer regionalen Admiralität auf dem Mars suspekt, einige Zeitungen sprachen von offener Annexion, der die Erde bald folgen würde. Für viele waren die Soldaten, die als Kinder im Krieg gekämpft hatten und sich nun als Außerirdische entpuppt hatten, die wichtigste Hoffnung, um die Naguad zu bändigen. Akira Otomo oder Aris Arogad war verschollen, was nur wenigen bekannt war. Für die meisten Menschen ruhte er lediglich in einem Biotank. Solia Kalis, oder vielmehr Megumi Uno gehörte die Erde laut offizieller Rechtssprechung des Imperiums. Als offiziell mit Aris verlobt hatte sie sie Erde als Brautpreis erhalten. Solange sie lebte, das wussten die Menschen, würde diese Welt niemals eine Kolonie der Naguad werden. Und schließlich Jarah Arogad, besser gesagt Yohko Otomo. Legendäre Pilotin, hochrangige Offizierin der Hekatoncheiren und Vertreterin von Aris Arogad, solange er ausgefallen war. Wenn nicht sie, wer sonst sollte das Erbe und die Legende von Blue Lightning fortsetzen? In einer Welt, die sich immer mehr darin auszeichnete, in tausend Scherben zu zerfallen, ja, in einen offenen Bürgerkrieg zu stürzen, wie die Ereignisse in Amerika mutmaßen ließen, war sie das Licht der Hoffnung. Ebenso wie die anderen beiden hatte sie die Menschen immer beschützt, und es sah nicht danach aus, dass sie jemals damit aufhören wollte. „Sie, bitte.“ „London Times, Roger Kleiderman. Sir, ist es richtig, dass Jarah Arogad zeitweise tot war?“ „Das ist definitiv falsch. Ich weiß, es wurde ein entsprechendes Protokoll aus dem UEMF-Krankenhaus geschmuggelt und an den CIA verkauft. Aber ich kann Sie in diesem Punkt beruhigen. Der Umstand, dass das Protokoll mit Jarah Arogads Lebenszeichen keine Aktivitäten mehr anzeigt, liegt daran, dass die Geräte noch liefen, Lady Arogad aber nicht mehr angeschlossen war. Ma´am, Sie, bitte.“ „Wie lange wird die Erholungsphase für Colonel Otomo sein? Wird die AURORA-Mission deshalb aufgeschoben werden?“ „Ich muss Sie enttäuschen. Lady Arogad braucht keine Erholungspause. Der Abflug der AURORA verzögert sich um zwei Wochen, aber das hat technische Gründe. Der Abflug wird nicht weiter hinaus geschoben. Harris, Sie bitte.“ „Danke, Admiral.“ Der Reporter, ein alter Hase im Geschäft und seit dreißig Jahren dabei, grinste burschikos. „Fürs Protokoll. Harris Garcia, L.A. Tribune. Hängt Lady Arogads, nun, nennen wir es Zustand kurzfristiger Erschöpfung, mit dem Ausbruch der Vereinigten Staaten aus der UEMF und den Scharmützeln über den evakuierten UEMF-Stützpunkten zusammen?“ Admiral Richards verkniff sich ein grinsen. Die Tribune galt als liberal. Mit dieser Formulierung hatte Garcia ihm geschickt in die Hände gespielt. Und bei einem Profi wie ihm war nicht zu erwarten, dass er es aus Unkenntnis getan hatte. „Nein, beide Fälle hängen nicht zusammen. Lady Arogad vertraut darauf, dass es dem UEMF-Rat gelingt, die Führung der Vereinigten Staaten von Amerika erneut in unser Bündnis für die Weltsicherheit zu holen. Und als Colonel Otomo weiß sie viel zu gut, dass die eingesetzten Elite-Soldaten der UEMF in keiner Sekunde ernsthaft bedroht waren. Wir haben nicht umsonst unter anderem Major Ataka ausgeschickt, einen unserer besten Piloten.“ Wieder reckten sich die Hände Dutzendfach in die Höhe. „Commander Sikorsky wird nun Ihre weiteren Fragen beantworten. Entschuldigen Sie mich, aber ich muss meinen Flug zum Mars kriegen.“ Aufgeregte Stimmen riefen ihm nach, und Richards war froh, als sich die Tür des Konferenzraums hinter ihm geschlossen hatte. Solche Pressetermine waren absolut nichts für ihn. Er hasste sie, auch wenn er gut darin war, sie abzuhalten. Er war eben eher der Pragmatiker. Er wollte was zu tun haben, arbeiten, etwas leisten. Darum hatte er auch das Angebot angenommen, als Torum Acatis Stellvertreter in der Regionaladmiralität zu fungieren. „Hat es sehr wehgetan?“, fragte Acati den alten Offizier. „Es geht so. Hören Sie, Torum, ich bin doch in meinem neuen Job nicht für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig, oder?“ „Was meinen Sie, warum ich Sie als zweithöchsten Offizier in diesem Sonnensystem haben wollte? Sie nehmen mir selbstverständlich alle unangenehmen Arbeiten ab.“ „Ich habe es befürchtet“, seufzte Richards. *** Die abgeschossenen Resonanztorpedos wurden ersetzt. Alleine das reichte schon aus, um Sakura Ino einen eiskalten Schauer über den Rücken zu treiben. Einige mochten sagen, der Resonanztorpedo sein die humanste Massenvernichtungswaffe dieser Zeit, aber an dieser Formulierung störte der Begriff Massenvernichtung. Andere hingegen sahen diese Waffe als große Chance. Ein über eine bewohnte Welt wanderndes Resonanzfeld würde die Erwachsenen unter schrecklichen Qualen sterben lassen, sobald ihr KI eingefroren war und das Feld sie wieder verließ. Übrig bleiben würden die Kinder, die Halbwüchsigen, ein paar junge Erwachsene und jene, die sich mit KI und seiner Manipulation auskannten. Sakura schloss frustriert die Augen als sie an die Argumente dieser Gruppierung dachte. Natürlich würde ein Konflikt, bei dem die AURORA diese Waffe einsetzte, aufgezwungen sein. Und wer würde den Konflikt aufzwingen? Die Kinder und Halbwüchsigen? Nein, die Erwachsenen. Also wäre es eine Gnade, die Kinder am Leben zu lassen. Das bei dieser Methode allerdings noch ein paar Millionen unschuldiger Menschen, die keinerlei Einfluss auf die Entscheidung ihrer Anführer hatten, starben, interessierte diese Leute nicht wirklich. Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen war ihr Motto. Und dann war da ja immer noch Volladmiral Sakura Ino, die schon dafür sorgen würde, dass das Resonatorfeld nicht für jeden Scheiß benutzt werden würde. Na Klasse. Alle schwarzen Peter lagen also auf ihrer Hand. Sie fragte sich, wie sic die Angehörigen des Manhattan-Projekts gefühlt hatten, als sie die erste kontrollierte, von Menschen erzwungene Atomexplosion herbeigeführt hatten. Waren sie da noch euphorisch gewesen? Was war später, als die Enola Gay Little Man über Hiroshima abgeworfen hatte? Als die Verlustzahlen bekannt wurden? Sicher, es war Krieg gewesen, aber konnte ein einzelner Mensch mit einer solchen Verantwortung leben? Sakura schauderte erneut als ihr bewusst wurde, dass diese Atombombe gegen die Macht, die sie in Händen hielt, Kinderkram war. Nicht nur, dass man die Resonatortorpedos ergänzt hatte. Nein, man hatte ihre Zahl auf sechzehn erhöht. Und soweit sie wusste, waren auch die Plattformen mit je vier Torpedos bestückt worden. Dazu hatte man die Reichweite erhöht. Die kreisförmigen Felder konnten nun ein Maximum von fünfundneunzigtausend Kilometern abdecken, bei einer Feldstärke von dreihundert Kilometern. Wo würde diese Entwicklung enden? Bei einer Waffe, die ein ganzes Sonnensystem abdecken konnte? Und das waren nur die Resonatortorpedos. Ihr Waffenarsenal war noch weit größer. Da waren alleine der Zulu Zulu SUNDER sowie drei Schiffe der Bismarck-Klasse, die man ihr zur Seite gestellt hatte. Die achtzehn Zerstörer der Midway-Klasse, die dreißig Fregatten der Yamato-Klasse und mittlerweile dreißig Foxtrott-Korvetten. Was die Wartung, Reparatur und Versorgung dieser Flotte anging, so näherte sich die AURORA langsam ihrem Kapazitätsmaximum. Deshalb war in letzter Minute entschieden worden, nicht nur die Waffentechnik, sondern auch die Werftkapazität höher zu fahren. Weitere Fabriken waren in den Innenraum installiert worden, eine kleine Flotte halbautomatischer Frachter, durchgängig AURORA I bis X benannt, würde in der Lage sein, Prospektorfunktion zu erfüllen und mitten im All geeignete Rohstoffe zu suchen und zu verarbeiten. Und die Zahl der Menschen, die in der AURORA lebten, war noch einmal erhöht worden. Nachdem viele der jungen Anelph auf den Mars und die Erde gewechselt waren, standen in Fushida City und den umliegenden Ortschaften sowie den Appartements in der Innenwand wieder sechzig Prozent der Kapazitäten frei. Diese wurden nun um fünfzig Prozent gedrückt. Weitere Arbeiter, Soldaten und Dienstleister kamen an Bord. Man war sogar überein gekommen, die Grey Zone zu schließen und ihr stattdessen ein eigenes Viertel in Fushida einzurichten. Der frei gewordene Raum wurde nun für eine Fabrik genutzt, die Lebensmittel verarbeitete. Damit einher gekommen war leider die Tatsache, dass sich die AURORA nicht selbst versorgen konnte. Das hatte sie vorher schon nicht gekonnt, aber wenigstens war sie zu neunzig Prozent autark gewesen. Das Ergebnis dieser nüchternen Erkenntnis war gewesen, dass selbst nach der Kapazitätserhöhung in der Landwirtschaft, der Tierzucht und dem Fischfang im Serenity-Meer eine Lücke von dreißig Prozent blieb, welche die AURORA auf ihrem Weg in das unbekannte All immer wieder aufstocken musste. Aus dem Kampfschiff würde ein fliegender Händler werden. Vielleicht ein Grund dafür, dass viele terranische Firmen Anträge auf Büros gestellt hatten. Sie hofften eventuell, von den heute geschlossenen Kontrakten morgen selbst profitieren zu können. Das war an sich nichts Schlechtes. Aber wenn es ihrem Ziel im Wege stand, Akira wieder zu finden, dann… Dann… „Sie bringen ihn gerade an Bord“, sagte Tetsu Genda ernst. Sakura sah aus ihrer Grübelei auf. „Ich habe nicht aufgepasst. Wen?“ „Konteradmiral Kei Takahara. Wenn du ihn persönlich empfangen willst, dann musst du jetzt los. Immerhin ist es auch eine offizielle Kommandoübergabe.“ Sakura wischte sich kurz über die Augen und nickte. „Du begleitest mich, wenn wir den Kommandeur der SUNDER zum Kommandeur der Begleitflotte befördern.“ „Natürlich.“ Er stellte sich im Türrahmen auf und wartete, bis Sakura die Zentrale verlassen hatte. „Admiral verlässt das Deck!“ Die Besatzungsmitglieder der Zentrale sprangen auf und salutierten. Tetsu grunzte zufrieden und folgte Sakura. „Kapitän verlässt das Deck!“, rief der Leutnant der Wache, erntete dafür einen bösen Blick vom Skipper der AURORA und ein vielstimmiges Grinsen von seinen Kollegen. Selbst Sakura schmunzelte. „Vielleicht sollten wir zur Leichtigkeit der alten Mission zurückkehren und ein paar der Regeln entschärfen, Tetsu.“ „Denkst du wirklich, das ist eine gute Idee, Sakura?“, brummte Tetsu missmutig. „Es sind eine Menge frischer Leute dabei, die gleich wissen sollten, wo ihr Platz ist.“ „Wer dich so reden hört, der könnte niemals glauben, dass du vor vier Jahren noch ein verfetteter Anführer einer Gruppe von Straßenrockern warst“, spottete sie. Für einen Augenblick runzelte Tetsu die Stirn. „Von dieser Zeit habe ich nicht nur das Fett verloren, Sakura. Sie erscheint mir immer mehr wie ein unwirklicher Traum. Und meine Freunde von damals sind…“ „Nicht mehr deine Freunde?“, schloss Sakura. Sie fühlte sich für einen Moment ehrlich frustriert, denn nur weil man plötzlich einer der wichtigsten Flottenoffiziere der Menschheit war, konnte man doch nicht einfach seine Freunde beiseite schieben, auch wenn sie aus der ungeliebten Vergangenheit waren, als er noch ein kleiner Gauner ohne Hoffnung gewesen war. „…haben kaum noch Zeit für mich. Der eine kommandiert einen Zerstörer, der zweite wartet eine Kompanie Hekatoncheiren, eine hat sich vom kleinen Rotzgör zur Managerin der Zweigstelle eines Großkonzerns in der AURORA gemausert, noch einer triezt mich in meiner eigenen Zentrale als Wachoffizier, dann haben wir noch drei, die fest auf OLYMP beordert sind und, und, und… Weißt du wie schwer es mir gefallen ist, ein Treffen von allen zustande zu kriegen? Und dann beschweren sie sich noch, man würde mich kaum wieder erkennen, weil von mir nichts mehr übrig ist.“ Sakura lachte befreit auf, während sie in den Lift trat. Tetsu folgte ihr mit düsterer Miene. „Aber Spaß hat es dennoch gemacht.“ „Und ich dachte, du hast deine alten Freunde fallen gelassen.“ Der große Mann schmunzelte. „Ein kluger Mann hat mal gesagt, du kannst dir deine Familie nicht aussuchen, wohl aber deine Freunde. Und meine Freunde werde ich nie fallen lassen. Aber die Familie ist mir gerade sehr viel näher.“ Sakura schwieg beeindruckt. Ihr war klar, wen Tetsu mit Familie gemeint hatte. Genauso schweigend verließen sie den Lift und gingen zum Haltepunkt der Bahn. Acht Stationen weiter stiegen sie wieder aus und suchten einen großen Backbordhangar auf. Gerade rechtzeitig um dabei zu zu sehen, wie ein Personentransporter im Hangar landete. Danach dauerte es noch fünf Minuten, bis der Hangar mit Luft gefüllt und aufgeheizt genug war, sodass ein Mensch ihn ohne Gefahr für Leib und Leben betreten konnte. Der Rest war wenig spektakulär. Eine Kompanie Soldaten sowie eine Abordnung des Admiralsstabs von Poseidon erwarteten den neuen zweithöchsten Offizier der Expedition. Dann war es soweit und der kleine weißhaarige Mann verließ das Shuttle über eine Rampe. Er wirkte ernst, müde und verschlossen und damit mehr wie Ende zwanzig. Sakura wusste, dass sie eine Menge Arbeit und Verantwortung auf diese schmalen und doch so starken Schultern abgelegt hatte, aber nachdem Admiral Richards im Sonnensystem bleiben musste, war er ihre erste Wahl gewesen. Kei salutierte vor ihr. „Admiral, ich bitte um Erlaubnis an Bord kommen zu dürfen.“ „Erlaubnis erteilt, Konteradmiral.“ Die beiden salutierten einander zu und gaben sich anschließend ungezwungen die Hand. Es hätte nicht viel gefehlt, und Sakura wäre in ihre alte Unart verfallen und hätte versucht, den kleinen Mann an ihrem Busen zu ersticken. Aber Tetsu kam ihr zuvor und schüttelte dem alten Freund ebenfalls die Hand. „Schön, dich zu sehen, Kei-chan. Hast du dich schon entschieden, auf welchem Schiff du deine Admiralsflagge hissen wirst?“ „Was für eine blöde Frage. Wenn ich mit den Schiffen rausgehe, werde ich selbstverständlich immer zuerst an die SUNDER denken.“ „Das wird eine gewisse Anelph sicher sehr freuen“, schmunzelte Tetsu. „Das hoffe ich doch. Oder glaubt ihr wirklich, ich kann dieses große Kind mit der Führung eines Schlachtkreuzers alleine lassen?“ Sakura war sich sicher, dass Kei nicht viel zu lachen hatte, wen Kapitän Ban Shee Ryon davon erfuhr, wie ihr kommandierender Offizier – zugegeben in salopper Runde – über sie sprach. Aber zugleich wusste sie auch, dass die große, erfahrene und routinierte Anelph einen wahren Narren an Kei gefressen hatte und ihn tief verehrte. Für sie würde es eine Freude sein, ihn an Bord seines alten Schiffs zu begrüßen. „Ich habe noch wen mitgebracht“, sagte Kei mit der Andeutung eines Lächelns. Er winkte in Richtung Shuttle und Sakura blieb beinahe das Herz stehen. „Wow. Um nicht zu sagen, Wow. Sagt mal, vermehrt ihr euch, wenn man nicht hinguckt? Ich hatte eigentlich nur sieben in Erinnerung, nicht acht.“ Die kleine Truppe Mädchen, die da gerade die Rampe herab stieg, trug UEMF-Uniformen, der höchste Rang war der eines Division Commanders. Eingeweihten, von denen es aber nur wenige gab, war hingegen bekannt WER da gerade die AURORA betrat. Die Magical Youma Slayer, die ersten aktiven KI-Meister, die gegen die Kronosier gekämpft hatten. Angeführt wurden sie von Hina Yamada, obwohl sie derzeit nur den Rang eines Majors bekleidete und Megumi Uno als Division Commander eine ganze Ecke über ihr war. Aber in Slayer-Belangen griffen halt die alten Strukturen, und da war Hina die unangefochtene Nummer eins. Abgesehen davon sah es nicht so aus, als würden Megumi und der allerneueste Slayer, Yohko Otomo, sehr oft zusammen mit den anderen sechs Slayern kämpfen können. „Sei nicht albern. Wir wissen halt immer noch nicht, in wem ein Slayer steckt. Vielleicht sogar in dir, Sensei. Wir haben noch eine Menge Farben frei“, scherzte Hina, aber Sakura war sich nicht wirklich sicher, ob es tatsächlich ein Scherz war. „Wenn, dann will ich Purpur“, erwiderte sie trocken. Hina kniff lächelnd die Augen zusammen. „Kriegst du. Erbitte Erlaubnis, an Bord kommen zu dürfen.“ „Erlaubnis erteilt. Gehen wir. Im Poseidon-Gebäude erwartet uns ein Willkommensgruß.“ „Moment, Sakura. Da fehlt noch wer“, sagte Kei, und in dem Tonfall, den er verwendete lag genau die kleine Menge Schmerz, die Sakura hellhörig machte. Sie sah zurück und sah tatsächlich was sie im ersten Moment befürchtet hatte. Flankiert von ihrem kleinen Bruder und Michi Torah wurde der Biotank entladen, in dem der leblose Leib von Akira Otomo steckte. Als die beiden mit dem Tank an ihr vorbei fuhren reagierte sie instinktiv und riss die Hand zu einem militärischen Salut hoch. Sie konnte nicht anders. Selbst wenn sein Bewusstsein, sein KI nicht in diesem Leib steckte, so verdankte die Menschheit diesem jungen Soldaten viel, wenn nicht alles. Außerdem hielt sie es für sehr sinnlos, weinend und zu Tode betrübt über dem Biotank zusammen zu brechen. Ihr war auch nicht danach. Sie hatte ein halbes Jahr Zeit gehabt, sich an den Gedanken zu gewöhnen. Dennoch war sie dankbar für Tetsus starke Hand auf ihrer Schulter. „Gehen wir“, hauchte sie erneut und folgte dem Tank. Warum sah das Ding nur einem Sarkophag so verteufelt ähnlich? 2. „Auf auf, meine Herren. Wir haben viel Arbeit vor uns!“ Die Stimme, die sprach, duldete keinen Widerspruch. Schlimmer, sie duldete nicht einmal den Gedanken daran. Und sie war so befehlsgewohnt, dass die beiden Offiziere – immerhin beide Admiräle und gewohnt, das militärische Schicksal von drei Marken und mehr zu lenken – nicht einmal versuchten, daran zu denken. Sie wandten sich um und erkannten in dem großen Saal, in dem sie ihre verzögerte Zeit verbringen sollten, ein Frau. „Admiral Achander, Admiral Ikosu, ich unterstelle Sie hiermit meinem Kommando.“ Die beiden Männer nahmen automatisch Haltung an. „Meister Arogad!“ Eridia Lencis Arogad musterte die beiden Männer für einen Moment, dann brummte sie zufrieden. „Folgen Sie mir. Der Stützpunkt ist wieder voll leistungsfähig. Und Sie können ihn jederzeit verlassen. Ich habe den AO-Effekt des terranischen Resonanztorpedos aufgehoben. Wie gut sind Sie auf dem Laufenden? Sie hatten vor meinem Eingreifen bereits eine Verlangsamung auf ein Drittel der Normalzeit erreicht, also waren Sie in der Lage, Daten aufzunehmen.“ „Meister Arogad, wie ist das möglich? Uns wurde mitgeteilt, dass wir sterben würden, wenn der Resonanztorpedo nicht mindestens noch einen Monat aktiv ist.“ „Nun, Admiral Ikosu, das wäre normalerweise auch der Fall. Aber der Torpedo manipuliert Ihr AO. Und ich bin wahrscheinlich die stärkste AO-Meisterin im Naguad-Reich gleich nach Meister Tevell und Meister Logodoboro.“ Sie sah die beiden spöttisch an. „Es war zwar keine Fingerübung, aber ich habe es geschafft. Zweifeln Sie an mir?“ „Natürlich nicht, Meister Arogad.“ „Gut, Admiral Achander, dann sagen Sie mir jetzt, was Sie wissen, damit ich den Rest in Ihre Daima-Gehirne stopfen kann.“ Eri Arogad trat auf den Gang hinaus und wandte sich in Richtung Gefechtszentrale der Axixo-Basis. „Nun, wir wissen vom Handstreich der Logodoboro. Wir wissen von der offenen Präsenz der Core-Raider in mehreren Marken. Und wir wurden darüber informiert, dass Akira Otomo, unser Hauptgegner, ein Arogad ist. Was übrigens einiges erklärt. Trotzdem würde ich dieses Jüngelchen gerne mal in meine Finger kriegen und…“ „Er ist mein Enkel!“ „…und ihn für seine herausragende Tapferkeit belobigen.“ „Vorsicht, Achander, ich bin weder ein Freund von Schmeicheleien noch von übertriebener Rücksichtnahme. Sie unterstehen jetzt mir und ich will, dass Sie immer ehrlich zu mir sind. Das gilt für alle beide.“ Sie betraten die Zentrale der Axixo-Basis. Hier zeigte sich, dass tatsächlich alles wieder seinen gewohnten Gang ging. Nun, zumindest war sie voll besetzt, wenngleich die Naguad und Anelph, die hier arbeiteten, noch am sortieren waren. „ACHTUNG!“ Als die drei Admiräle eintraten, salutierten die Soldaten und Offiziere für sie. „Weitermachen“, brummte Eridia Arogad und lotste die beiden Männer direkt in den nächsten Besprechungsraum. Dort angekommen erwartete sie eine Kanne mit Zuma, der hierzulande als teure Importware galt. Eridia schenkte jedem eine Tasse ein, bevor sie sich setzte. Dann sah sie mit einem wirklich gemeinen Grinsen in die Runde. „Gut, ich bin jetzt im Bilde, was Sie wissen, meine Herren. Nun verrate ich Ihnen, was ich weiß. Und bitte, halten Sie sich fest.“ So begann ein Monolog, in der zwei Männer begannen an ihrem Verstand zu zweifeln, in ihre Teetassen prusteten oder einfach nur ehrlich und nachhaltig erschrocken waren. Nach einer halben Stunde, in der Eri die beiden Männer nicht geschont hatte, hob Achander eine Hand. „Moment, Meister Arogad, Moment. Ich kann alles verstehen. Und wenn Akira Otomo im Spiel ist, bin ich bereit, fast alles zu glauben. Aber erwarten Sie doch von mir nicht, dass ich diese Sachen über die Erde glaube! Ich bitte Sie! Wie soll das möglich sein? Es ist schon so schwer genug zu glauben, dass der Oberste Gerichtshof nicht nur zugestimmt hat, dass Akira Otomo, oder meinetwegen Aris Arogad, sie erobern und behalten durfte. Und dass er sie als Brautpreis an Solia Kalis verschenkt hat.“ Bei dem Gedanken an Colonel Megumi Uno begann Ikuso sich lauthals zu räuspern. Ihm war das Zwischenspiel mit seiner tapferen AO-Meisterin Jora Kalis noch viel zu frisch im Gedächtnis. „Aber“, nahm Zut Achander den Faden wieder auf, „erwarten Sie bitte nicht von mir, dass ich DAS glaube.“ „Ob Sie es glauben oder nicht ist irrelevant. Es ist die Wahrheit, und ich habe mehrere Jahrhunderte damit verbracht, dieses Wissen zu schützen, meine Herren. Die Frage, die sich uns nun stellt ist: Wann müssen wir eingreifen? Was wird passieren? Wie tief stecken wir bereits in der Scheiße?“ „Ihre Aussprache ist für die direkte Erbin des Hausvorsitz der Arogad etwas vulgär, Meister Arogad“, tadelte Ikuso. „Lieber eine vulgäre Aussprache als ein vulgärer Plan wie Ihrer mit Jora Kalis, Admiral.“ Wieder räusperte sich der Offizier, diesmal verlegen. „Ich bringe es auf den Punkt. Ich habe vor dem Rat um dieses Kommando gebeten. Und ich habe es bekommen. Ich muss dem Rat, nein, dem ganzen Imperium gegenüber Rechenschaft ablegen, aber ich habe weitestgehend freie Hand. Zudem stehen wir mit den Anelph nun enger zusammen als je zuvor. Wir stehen quasi Schulter an Schulter. Es kann also gelingen.“ „Was kann gelingen?“ „Haben Sie mir nicht zugehört, Admiral Achander? Ich gehe in die Dämonenwelt, und Sie beide halten dieses System. Falls der Core angreift will ich nicht in eine Wüste zurückkehren.“ „Sie wollen in die Dämonenwelt? Aber wir haben sie zerstört, als wir Lorania angegriffen haben“, wandte Ikuso ein. „Nun, das ist nicht ganz richtig“, meldete sich Achander zu Wort. „Wir sprechen nicht gerne mit Naguad darüber, aber… Die Dämonenwelt wurde nicht vollständig zerstört, bei weitem nicht. Die Daima, die in ihr leben… Ich weiß nicht, ob ich frei darüber reden sollte.“ „Sie haben bereits mehr als genug gesagt, Admiral Achander. Und glauben Sie mir, ich werde das was ich erfahren habe, nicht gegen die Anelph und das Kanto-System wenden. Missverständnisse gab es wahrlich genug. Und sie haben zu fürchterlichen Auswüchsen geführt. Lassen Sie uns diesmal vorbehaltlos und von vorne herein zusammen arbeiten, meine Herren.“ „Sie können sich auf uns verlassen“, sagte Achander fest und Ikuso nickte ernst dazu. „Dann war es keine Zeitverschwendung, Sie beide und diesen Stützpunkt zu reakivieren“, stellte Eridia fest. Ein knappes Lächeln umspielte ihre Züge. *** Sein Name war Wilson, sein Titel Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Er hatte sich nie um diesen Posten gerissen, nie um die große Verantwortung, und er hatte auch nie gedacht, als einer der besonderen Präsidenten wie Washington, Roosevelt, Lincoln, Kennedy oder Truman in die Geschichte einzugehen. Aber er hatte auch nicht daran gedacht, dass er wie sein Namensvetter Woodrow Wilson ein umstrittener Kriegspräsident werden würde. Der achtundzwanzigste Präsident der USA hatte zwar den Krieg in Europa beendet, aber seine große Vision vom freiheitlich-demokratischen Völkerbund zu Grabe tragen müssen. War es nun bei ihm, UNO und UEMF zu Grabe zu tragen? Oder würde diese Zeit ihn zu Grabe tragen? „Also, was haben Sie für mich, General Bowman?“ „Mr. President, so wie es ausschaut, bricht die Hölle auf uns herein.“ „Erklären Sie sich. Ich dachte bisher, die UEMF belässt es mit einer Evakuierung ihrer Stützpunkte. Gibt es jetzt doch Anzeichen für einen Vergeltungsschlag?“ „Nein, Sir, ich rede von einer anderen Sache.“ Der Air Force-General nickte seinem Adjutanten zu, einem Major. Der Raum wurde abgedunkelt, über dem gut besetzten Konferenztisch entstand ein Hologramm kronosianischer Technik. „Was Sie jetzt sehen werden ist bereits eine kleine Unmöglichkeit und eine unendliche Bedrohung. Aber es wird noch weit schlimmer kommen. Dieser Flecken All befindet sich knapp hinter dem Planetoidengürtel, und wenn ich das hinzufügen darf, an einem Punkt, den die Erde in wenigen Tagen passieren wird, wenn man eine Linie direkt zur Sonne zieht. Das wird später noch wichtig, Mr. President. Die Aufnahmen stammen übrigens von der CINCINATTI, einem neu in Dienst gestellten UEMF-Zerstörer der Midway-Klasse. Sie wurden uns ungefragt von der UEMF zur Verfügung gestellt. Nebenbei, die CINCINATTI wurde kurz nach Beginn dieser Aufnahme vernichtet. Von den zweihundertvierzig Mann der Besatzung, unter ihnen viele Amerikaner, konnte keine Spur gefunden werden.“ „Sie machen mich neugierig und Sie machen mir Angst, Bowman“, tadelte der Präsident. „So? Dann erfüllt es seinen Zweck. Sehen Sie, jetzt.“ Im Hologramm erschien ein Raumschiff. Es wurde begleitet von den charakteristischen Ereignissen eines Wurmlochs, welches für interstellare Reisen künstlich erzeugt wurde. „Die CINCINATTI wurde auf diese Sternenregion aufmerksam, weil sie ein Wurmloch angemessen hatte. Sie kennen ja die Formel, nach der die Größe des Wurmlochs charakteristisch für die Masse des Flugobjekts ist, dass durch das Wurmloch fliegt. Nun, dieses hier war bestenfalls groß genug, um eine Foxtrott-Korvette zu transportieren. Und wir wissen alle, dass die Korvetten der Foxtrott-Klasse gerade groß genug für die Tarnschilde sind, aber viel zu klein für einen Sprungantrieb. Dieses Schiff aber hat die Größe eines Zulu Zulu.“ „Was wollen Sie mir da verkaufen? Das Ding hat sich durch ein besonders enges Wurmloch gezwängt?“ „Nein, ich will damit sagen, dass die CINCINATTI zur falschen Zeit am richtigen Ort war. Sehen Sie, Mr. President, ein Schiff kann nur am Systemrand in ein Sonnensystem eindringen. Das hat etwas mit Massesenken zu tun. Am leichtesten geht das zum Beispiel in unserem Sonnensystem ab der Neptun-Bahn. Aber an Orten, wo die Massesenke der Sonne auf Riesenplaneten trifft, also Saturn und Jupiter, kann man mit einer erstklassigen Navigation ebenfalls in unser Sonnensystem gelangen. Aber Tatsache ist, dass dieses Schiff erstens eine halbe Milliarde Kilometer von der Jupiterbahn entfernt war und zweitens die doppelte Strecke von Jupiter selbst.“ „So, so. Das Riesending ist nicht nur mit einem Miniwurmloch in unser System gesprungen, sondern auch noch viel tiefer als jedes andere uns bekannte sprungfähige Schiff? Ist es das, was Sie sagen wollen, General Bowman?“ „Richtig, Mr. President. Dieses Schiff ist uns sprungtechnisch überlegen. Entweder kommt es wirklich mit diesem unauffälligen Miniwurmloch aus, oder es hat die technologische Möglichkeit, die Emissionen des Wurmlochs zu tarnen und kleiner erscheinen zu lassen als es ist. Und das über mehrere Lichtjahre hinweg. Beide Szenarien sind mehr als bedrohlich, aber das ist noch lange nicht alles. Sehen Sie, das fremde Schiff, ab sofort deklariert als Bandit One, feuert.“ „Das sieht für mich aus wie Gewitter im Weltraum. Was sehe ich da, General?“ „Sie sehen eine mehrfach überschallschnelle hochenergetische Schockwellenfront von nahezu runder Form. Sie hat einen Durchmesser von Siebzehn Kilometern und eine Tiefe von gut drei. Sie bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von achthunderteinundsechzig Kilometern pro Sekunde. Das ist weniger als ein Dreihundertstel der Lichtgeschwindigkeit aber über siebenhundertfache Schallgeschwindigkeit. Mr. President, Sie erleben gleich die letzten Sekunden der CINCINATTI. Sie konnte der Schockwellenfront nicht ausweichen und wurde restlos zerstört. Dies ist auch das Ende der Aufzeichnungen. Uns fehlt eine Tausendstelsekunde, bedingt durch die Zeit, die verloren geht, wenn die Kameraaufnahmen parallel gesendet werden, also die Funkantennen zerstört wurden bevor sie das letzte Bruchteil senden konnten. Aber wir können dankbar dafür sein, dass Kapitän Cho sich dazu entschieden hat, Live zu übertragen. Es ist damit auch das Vermächtnis der CINCINATTI.“ Die Schockwelle raste heran, wurde unüberschaubar groß, erfüllte das gesamte Hologramm und als sie mit der Kamera zu kollidieren schien, verschwand das Bild. „Das Ende der CINCINATTI“, fügte Bowman noch einmal tonlos hinzu. „Eine Schweigeminute für die tapfere Besatzung der CINCINATTI und ihren Entschluss, im Angesicht des eigenen nahen Todes nicht die Nerven zu verlieren und so viele Daten wie möglich zu retten“, sagte der Präsident ergriffen und senkte den Kopf. Die anderen Mitglieder des Krisenstabs folgten seinem Beispiel. „Kommen wir wieder zur Sache. Ich gebe zu, dieses fremde Riesenschiff mit der uns überlegenen Wurmlochtechnologie ist eine Bedrohung, und eine tödliche dazu. Aber Sie haben uns die Aufnahmen sicher nicht gezeigt, weil ein UEMF-Schiff mit dem Namen einer amerikanischen Stadt und einem südkoreanischen Kapitän vernichtet wurde.“ „Nein, Mr. President. Das war nur die Einleitung. Der schreckliche Part kommt erst noch. Nachdem die UEMF uns diese Daten freiwillig überlassen hat, ließ ich unsere eigenen Experten von Air Force und NASA auf das Material und die Schlussfolgerungen der UEMF los. Sie kamen einhellig zu drei Ergebnissen. Erstens: Die Vernichtung der CINCINATTI fand statt. Zweitens: Die Schockwelle existiert immer noch und ist weiterhin in Bewegung. Drittens: In nicht ganz drei Tagen wird sie die Erdbahn kreuzen. Zu diesem Zeitpunkt wird die Erde selbst diesen Punkt erreicht haben. Was ich damit sagen will ist, dass diese Schockwelle nicht auf die CINCINATTI abgeschossen wurde, Mr. President. Sondern auf die Erde, wo sie mit der gleichen vernichtenden Wucht einschlagen wird wie in dem Midway-Zerstörer.“ Wilson wurde bleich. „Wie groß werden die Verwüstungen sein, General?“ „Uns liegen sowohl die Hochrechnungen der UEMF als auch Vergleichsdaten unserer eigenen Experten vor. Rechnen Sie mit der Explosionskraft von eintausend Megatonnen Vergleichs-TNT. Damit Sie eine Dimension von der Größe kriegen: Wenn diese Welle auf die Erde trifft, ist ein Gebiet von der Größe Europas direkt, und ein Gebiet von vierfacher Größe indirekt betroffen. Von Sekundärfolgen wie dem nuklearen Winter durch abertausende Tonnen in die Luft gewirbelten Staub, schweren Erdbeben, weltweiten Vulkanausbrüchen und dem Kollaps der Magmablase unter dem Yellowstone Nationalpark einmal ganz abgesehen. Wir haben natürlich im Pentagon die Daten der UEMF und der NASA gegen gerechnet und kommen eindeutig zu einem Schluss: Die Erde wird von dieser Schockwelle getroffen werden. Somit hat diese fremde Macht, die über dieses Raumschiff befiehlt die Erde direkt angegriffen.“ „Schön und gut, General Bowman. Und nun sagen Sie mir, wo diese Welle einschlagen wird. Das können wir doch mit einiger Bestimmtheit sagen, oder?“ „Mr. President, die Schockwelle rast direkt auf die ARTEMIS-Plattform zu, wenn sie Kurs und Geschwindigkeit beibehält. Und nachdem sie ARTEMIS und APOLLO ausradiert hat, wird sie teilweise vor der Ostküste den Atlantik und teilweise auf die Ostküste der U.S.A. treffen. North Carolina, South Carolina, Pennsylvania und Florida werden direkt betroffen sein, Mr. President.“ „Womit rechnen wir im schlimmsten Fall, General Bowman?“ „Totale Vernichtung der vier Staaten, klimatische Spätfolgen weltweit und Unschiffbarkeit der Atlantikregion auf Jahre. Von der Unterbrechung der Weltwirtschaft wollen wir gar nicht erst reden.“ „Dann müssen wir die Landstriche sofort evakuieren, Sammellager im Inland eröffnen und unsere Flotte in geschützte Regionen zurückziehen. Warnen Sie unsere Alliierten und bitten Sie um internationale Hilfe. Die Nationalgarde soll ausrücken und…“ „Mr. President, das ist noch nicht alles. Uns liegt eine Stellungnahme der UEMF vor. Executive Commander Eikichi Otomo bittet uns darum, Evakuierungsmaßnahmen zu unterlassen. Die UEMF würde sich um die Welle kümmern, sobald sie in Reichweite ist.“ „WAS? Wir reden hier von einem Ding, dass einen Midway-Zerstörer so beiläufig ausgelöscht hat, als wäre diese Schockwelle ein Flammenwerfer und die CINCINATTI nur aus Papier! Und Otomo sagt uns, wir sollen unsere Leute nicht in Sicherheit bringen? Himmel, ist er so arrogant, will er uns dazu verführen, unsere Zivilisten zu opfern oder kann er dieses Monster wirklich aufhalten?“ „Was, wenn er es nicht kann, Mr. President?“ „Wenn die Existenz der Schockwelle bekannt wird, wird es in jedem Fall eine Panik geben. Wir müssen die Nationalgarde ohnehin einsetzen. Die Armee soll ihre Kasernen verlassen. Wir erklären sicherheitshalber alle vier Staaten zu Notstandsgebieten und versuchen jedem Bürger, der wünscht, die Länder zu verlassen, die Flucht zu ermöglichen. Die Nationalgarde soll die Städte und Ortschaften patrouillieren, um Plünderungen zu verhindern. Mein Gott, mit wem hat sich dieser verdammte Japaner angelegt und warum haben wir die Suppe auszulöffeln?“ „Das kann Ihnen niemand beantworten, Mr. President. Aber vielleicht können unsere Verbündeten…“ „Wir werden mehr wissen – in drei Tagen.“ 3. „Hier ist die Aufstellung.“ Freudig winkte Kei Takahara mit dem Papierausdruck in seiner Hand, als er den Besprechungsraum neben der Zentrale der AURORA betrat. „Wir kriegen fünf Bismarck, natürlich die SUNDER, elf Midway, dreiundzwanzig Yamatos und diesmal vierzig Foxtrott. Außerdem werden uns drei Frachter der Moloch-Klasse zugeteilt. Sie werden von Bergbaufirmen betrieben und sollen uns experimentell begleiten, um unseren Rohstoffbedarf an Erzen und Wasser zu decken.“ „Interessanter Gedanke. Ich hätte nie gedacht, dass ich auf meine alten Tage noch Prospektor werden würde und auf atmosphärelosen Brocken im eisigen Weltall meinen Claim abstecken müsste.“ „Nur nicht so spöttisch, Tetsu, nur nicht so spöttisch. Es ist ein Experiment, ja, aber da wir nicht sagen können, wie lang unser Flug dauern wird, werden wir für die drei Kähne wohl noch dankbar sein.“ „Zeig den Wisch mal her. Stehen denn schon Namen fest?“ „Nein, noch nicht. Aber es werden eine Menge grüner Schiffe dabei sein, da man das Gefüge von Erster und Zweiter Flotte nach Möglichkeit nicht aufbrechen will. Die gute Nachricht ist, alle Schiffe der alten Begleitflotte sind wieder mit von der Partie. Die schlechte Nachricht ist, es wurden eine Menge erfahrener Offiziere versetzt, um die Kampferfahrung, die wir gesammelt haben, auf die gesamte UEMF zu verteilen.“ „Damit ist unsere Begleitflotte viel größer als das letzte Mal. Wobei fünf Bismarck natürlich eine nicht zu unterschätzende Macht darstellen. Aber drei Bakesch wären mir ehrlich gesagt lieber.“ „Damit kann ich eventuell dienen“, sagte Sakura Ino, als sie den Raum betrat. Sie sah einmal ins Rund. Die beiden anderen Anwesenden winkten ihr nachlässig zur Begrüßung zu. „Willst du nen Kaffee? Und bringst du gute Neuigkeiten?“ „Ja und ja, Tetsu. Weitermachen, Herrschaften. Drei Stücke Zucker, bitte.“ „Und du kannst mit drei Bakesch dienen? Wo hast du die geklaut, in der Arogad-Hausflotte?“ „Werde hier mal nicht frech, Kei. Du bist auch nur Konteradmiral.“ „Der jüngste Konteradmiral in der gesamten Menschheitsgeschichte, bitte. Da kann ich mir ja wohl, als anerkanntes Genie und so, ein paar Frechheiten gegen meinen ehemaligen Kapitän rausnehmen.“ Sakura lachte prustend und wischte sich eine kleine Träne aus dem Augenwinkel. Kei war damals, bei der zweiten Schlacht um den Mars auf der GRAF SPEE ihr Erster Offizier gewesen. Und er hatte das Schiff bravourös übernommen und geführt, als sie ausgeknockt in den Händen der Sanis lag. „Genehmigt, Konteradmiral. Aber nur eine pro Stunde.“ „Na immerhin“, brummte Kei amüsiert. „Und, wie viele Bakesch hast du nun geklaut?“ „Nur zwei. Aber sie werden von drei Kreuzern und zehn Zerstörern begleitet.“ „Hast du gleich ne ganze Hausflotte geklaut?“, argwöhnte Tetsu. „Fängst du jetzt auch damit an? Nein, ich habe keine Hausflotte geklaut. Haus Fioran und Haus Arogad haben lediglich mit Haus Daness zusammengelegt und uns geschickt, was sie auf die Schnelle herbeischaffen konnten. Ursprünglich waren diese Schiffe dazu gedacht, den terranischen Begleitschutz zu ersetzen, der beinahe weg gebrochen wäre.“ Die drei seufzten simultan, als sie an den ganzen Ärger der letzten Monate dachten, der die Vorbereitung der Operation beinahe auf Jahreslänge ausgedehnt hatte. „Aber nun wird sie die Operation lediglich verstärken. Na, sind das nicht gute Nachrichten?“ „Ich glaube, wir brauchen die verdammten Prospektorenschiffe doch, Kei“, brummte Tetsu ernst. „Und wir sollten anfangen, eigenes Bier zu brauen. Auf die Art reichen unsere Vorräte nicht besonders lange.“ „Hey! Sind das eure einzigen Sorgen?“ „Wie, unsere eigenen Sorgen? Hast du das Doitsu schon erzählt? Der schlägt ja jetzt schon die Hände über dem Kopf zusammen, weil er so schon mit seinen zwanzig Yakuza kaum die neu gegründete Grey Zone in Fushida City in den Griff kriegt. Wenn das so weitergeht, muss er noch den UEMF-Dienst quittieren und die Mädchen selbst managen. Von den Spielhöllen ganz zu schweigen“, erwiderte Kei. „Das macht euch Spaß, was? Doitsu driftet für uns alle und für die Sicherheit der AURORA in der Halbwelt zwischen Legalität und Illegalität herum und Ihr reißt Witze darüber?“ „Ja.“ Tetsus Antwort, begleitet von einem burschikosen Grinsen, war entwaffnend ehrlich. Sakura biss sich auf die Lippe, um nicht laut aufzulachen. „Wie hat Hina eigentlich die Nachricht aufgenommen, dass Doitsu der Pate der AURORA ist? Ich meine, jetzt ist sie ja sowas wie eine Yakuza-Prinzessin. Außer sie versucht wieder, sich von ihm zu trennen oder so.“ Kei sah sich nach etwas Holz um, und klopfte schließlich dreimal auf seinen hölzernen Schlüsselanhänger. „Wovor die Große Spinne uns behüten würde. Einen launischen und verschmähten Doitsu können wir ebenso wenig gebrauchen wie eine Hina mit gebrochenem Herzen.“ „Ach, Quatsch. Soweit ich weiß, hat sie sich mit dem Gedanken angefreundet. Sie ist schon sowas wie eine Anego geworden, eine der höheren Frauen der Yakuza, läuft nur noch im Kimono rum und hat sich tätowieren lassen und…“ Sakura starrte den Kommandeur der AURORA böse an, während sie seine Mundwinkel auf Dehnfähigkeit testete. Auf ihrer Stirn pochte eine Zornesader. „Hat dir schon mal jemand erklärt, wie schnell Gerüchte entstehen? Und hat dir schon mal jemand erklärt, was Hina Yamada mit dir machen wird, wenn sie erfährt, wer diese Gerüchte gestreut hat?“ „Gargl.“ „Gut, gut, das lasse ich als Entschuldigung gelten. Außerdem trägt sie gar nicht immer Kimono. Meistens trägt sie Uniform. Mit auf Hochglanz polierten Majorsabzeichen. Außerdem liegt sie Megumi schon dauernd in den Ohren, ein ganzes Bataillon trainieren zu dürfen, in dem sie herausragende KI-Talente sammelt und trainiert.“ „Wow. Die Frau will ja hoch hinaus.“ „Megumi hat es genehmigt und außerdem zur Chefsache erklärt“, stellte Sakura trocken fest. „WAS?“ „Na, überlegt doch mal, Jungs. Wir haben es bald mit Iovar zu tun, richtig? Und im Gegensatz zu uns Naguad haben die stets an ihrem KI gefeilt. Wir müssen also damit rechnen, wenn es hart auf hart kommt, mit Soldaten konfrontiert zu werden, die eine herausragende KI-Kontrolle besitzen. Noch schlimmer, die unseren KI-Meistern überlegen sind. Deshalb ist eine solche Einheit wahrscheinlich nicht verkehrt. Und wenn wir sie als Red Team einsetzen, wie damals das Sechser-Squad in Banges, an dem die Hekatoncheiren den Kampf gegen Naguad trainieren konnte.“ „Ja, das macht Sinn. Wenn wir schon nicht in jedem seine KI-Fähigkeiten wecken und trainieren können, dann sollten sie wenigstens wissen, wie man gegen sie kämpft. Apropos. Hast du etwas neues von Kitsune und Okame gehört? Sie würden uns speziell in diesem Fall wieder eine große Hilfe sein. Und darüber hinaus.“ „Tut mir Leid, Kei, aber niemand weiß etwas über ihren Verbleib. Und die Große Spinne meldet sich nicht. Es ist, als gäbe es die Dämonenwelt gar nicht. Es ist als… Als…“ „Egal wie es ist, es pisst mich an“, murmelte Kei und versenkte sein Gesicht in der Kaffeetasse. „Ich dachte wir wären Freunde. Aber es ist wohl wahr. Wenn man zweitausend Jahre alt ist, dann hat man wohl kein rechtes Verständnis für uns kurzlebige Menschen.“ „Hey, hey. Gehst du da nicht etwas zu hart mit Kitsune und Okame ins Gericht?“, fragte Tetsu betreten. „Ich glaube wirklich, dass sie unsere Kameraden und Freunde sind. Alleine wegen Akira…“ „Äh, wie beschreibt man es, wenn etwas hartes, spitzes in die Wade eindringt und die Schmerzrezeptoren anregt?“ „Du kannst doch nicht auf meine rhetorische Frage mit einer Gegenfrage antworten, Kei“, tadelte Tetsu. „Aber die Antwort ist wahrscheinlich Biss. Warum redest du so einen Mist?“ „Weil ich gerade gebissen werde!“ „Daff geffieht dir auff ganff frefft! An mir fffu ffweifeln! Böffer Funge, Kei, böffer Funge!“ „Hm, Kitsune ist wieder da. Willst du einen Kaffee, Kitsune-chan?“ Die Füchsin ließ Keis rechte Wade los und verwandelte sich in einen Menschen. „Was? Mehr Reaktion kriege ich nicht? Hey, Sakura, Tetsu, ich bin wieder da!“ „Kitsune-chan!“ Kei fiel der Dämonin um den Hals. „Meinetwegen beiß mich ruhig noch mal, aber bleib diesmal bei uns.“ „Na, das geht als Begrüßung gerade so noch durch“, murmelte sie. „Wenn du mit ihr fertig bist, Kei, gib sie bitte an uns weiter“, sagte Sakura trocken. „Wir wollen sie auch noch drücken.“ Tetsu nickte bestätigend. „Na, der Empfang wird ja besser und besser.“ *** „Es regnet.“ Doitsu Ataka sah zum Himmel. Kleine Tropfen fielen herab und zerstieben auf seiner Sonnenbrille. Regen in Fushida City, was für ein seltenes Ereignis. Meistens entlud sich der Regen über den Feldern der kleinen Ortschaften oder an der Küste des Serenity-Meeres – selten war er in jedem Fall. Aber dass er trotz des Staubes und der Hitze über der Stadt – vierundzwanzig Grad waren seines Erachtens nach heiß – bis hierher reichte, war eine kleine Sensation. Manche würden es vielleicht in der ewig trockenen, aber nicht staubtrockenen Stadt als nervig empfinden, von Regen getroffen zu werden, Doitsu sah es als willkommene Abwechslung. Der Unterschied zwischen einem Leben auf einem Planeten und der AURORA war eben das Wetter, und richtiges, wirkliches Wetter gab es hier nie. Keine Stürme, keine Wolkenbrüche, kein Eis und Schnee, aber auch keine Hitzewellen und keine Trockenheit, denn wo sollte die Feuchtigkeit schon anders hin als auf den Boden und dann wieder ins Serenity-Meer? Ein Teil verschwand natürlich, ebenso wie die Atemluft, nach und nach, und deshalb wurden Luft und Wasser in regelmäßigen Abständen ergänzt, und ein Volumen, dass einem Achtel des Serenity-Meeres entsprach, permanent in Reserve gehalten. Frischen Sauerstoff bekam man entweder von Sauerstoff-Planeten oder aus der Spaltung von Wassereis, dass auf Monden und Asteroiden gewonnen worden war. Eigentlich lebte man ganz gut, so ohne Taifune, ohne Gewitter, ohne Trockenperioden, ohne abrutschende Berghänge, und natürlich ohne Erdbeben und Vulkanausbrüche. Das war der positivste Effekt an der AURORA. Es gab keine tektonischen Bewegungen, deshalb bebte die Erde eher selten. Und selbst wenn sie es mal tat, aufgrund einer Fehlfunktion der Gravitationskontrolle oder bei einem Angriff, dann war das eben Akira-Wetter, benannt nach seinem alten Freund und Kampfgefährten, der es mit Torum Acati geschafft hatte, nur mit seinem KI einen Teil des Innenraums des Gigantschiffs beben zu lassen. Diesen Kampf hätte er nur zu gerne live gesehen. Und hätte er gewusst, dass dies die letzte Möglichkeit für ihn gewesen war, den Freund lebend zu sehen, dann… Doitsu seufzte und umklammerte den Griff des Schwertes fester. Das Katana an seiner Seite war nicht sein eigenes, nicht das Erbstück der Familie, die er verlassen zu haben glaubte. Er, ein Mitglied des Ataca-Clans, war nie für eine Rolle in der Hierarchie vorgesehen gewesen. Im Gegenteil. Er und seine Eltern hatten ein relativ normales Leben geführt, abseits des Clans und abseits der Regeln. Aber nach dem gewaltsamen Tod seiner Eltern hatte er erfahren müssen, dass der gütige Opa, zu dem er am Wochenende immer fuhr, und die vielen Onkel mit den manchmal etwas grimmigen Gesichtern mehr waren als nur Spielkameraden. Opa hatte wenigstens eines seiner Kinder abseits der Yakuza-Welt leben sehen wollen. Er hatte vorgehabt zu beobachten, wie weit es ihr Kind, Doitsu, ohne den Schutz des Clans und nur durch die eigenen Fähigkeiten bringen würde. Aber er hatte den Fehler gemacht, die Brücken zu seiner Tochter und ihrem Mann nicht abzubrechen. Und irgendwann war einer seiner Gegner skrupellos genug gewesen, um eine vollkommen wehrlose Familie auszulöschen, von der er nicht mehr wusste, als dass der Sohn einmal die Woche ins Haupthaus kam. Himmel, war er damals wirklich erst acht gewesen? Was für eine verfluchte Zeit. Er war nicht da gewesen als die Killer gekommen waren. Er war nicht da gewesen, als sie seine Eltern getötet hatten. Und wenn, hätte es keinen Unterschied gemacht, es hätte nur ein weiteres Opfer gegeben. Danach hatte er zu seinem Opa ziehen müssen, und sein ältester leiblicher Onkel war sein Ziehvater geworden. Auch damals hatten sie noch versucht, ihn aus der Welt der Yakuza heraus zu halten, aber es war eben nicht möglich, wenn man zusammen lebte. Irgendwann wusste irgendjemand irgendwo, dass er der Enkel eines Yakuza-Boss war, und irgendwann schlugen Vorurteile, Angst und manchmal Hass über ihm zusammen. Und irgendwann hatte er begonnen, Verantwortung zu übernehmen. Für sich, für die Gruppe, für einzelne Kobun, also Mitglieder der Ataka-Gruppe. Er hatte sich nie tätowieren lassen, Großvater hätte es nie erlaubt, aber das hatte nicht verhindert, vom Ehrenkodex der Yakuza eingenommen zu werden… Er war ein hübscher, aber schweigsamer, regelrecht zurückhaltender junger Bursche geworden, der ab und an mit einigen Kobun einen Auftrag erledigte und danach hoffte, dass dies auf das bisschen normales Leben, das er hatte, keinen Einfluss gehabt hatte. Aber natürlich war die Hoffnung trügerisch. Egal in welche Schule er ging, egal wer seine Freunde sein wollten, egal was er tat oder wohin er ging, der Makel, ein Yakuza zu sein, folgte ihm und verbitterte ihn. Dies machte ihm alles unmöglich. Freundschaften, Liebe, selbst den Spaß in einer Gruppe aus Mitschülern zu lernen gelang nicht. Er war isoliert, abgeschlossen und begann sich mit dem Gedanken anzufreunden, irgendwann einmal ein richtiger Yakuza zu werden. War es zu dieser Zeit gewesen, dass sein Ziehvater die Gruppe übernahm und er auf die Mittelschule kam? Jedenfalls wurde sein Leben dadurch schwerer. Nicht gefährlicher, aber der neue Oyabun forderte wesentlich mehr von ihm als der leibliche Großvater. Doitsu wurde zum Kendo-Training geschickt und aufgefordert, niemals zu verlieren. Und er gehorchte, bis auf jenen Tag im Wettkampf gegen die Fushida Mittelstufe. Sein Gegner war ein Halbblut, mehr ein Dreiviertelblut mit braunen Haaren und heller Haut. Akira Otomo. Dieser Bursche besiegte ihn in einem harten Kampf. Den nächsten Kampf gewann Doitsu, den übernächsten wieder Akira, und so ging es hin und her in der Mittelschule, von Turnier zu Turnier, von Duell zu Duell. An diesem Punkt wurde ihm ein anderer Mensch, der nicht aus der Gruppe stammte, wichtig. Doitsu wollte ihm überlegen sein, ihn besiegen, aber nicht um eine besondere Leistung zu vollbringen. Nein, er wollte ihm nahe sein. Er wollte Akiras Freund sein. Und aus diesem Grund besuchte er die gleichen Lehrer, die auch der junge Otomo hatte, vom Kendo-Meister bis zum KI-Lehrer. Es folgte der Krieg, die Wirrungen und Zerstörungen, die solche Ereignisse mit sich brachten, Akira verschwand und kam erst Monate später zurück, mehr tot als lebendig, aber ungebrochen und aufrecht. Doitsus Verlangen, von ihm Freund genannt zu werden wuchs, und so ging er ebenfalls auf die Fushida Oberstufe, auf die nun auch Akira ging. Sie wurden schnell Freunde, fochten gemeinsam im Kendo-Club, und Doitsu hatte das erste Mal seit langer Zeit das Gefühl, dass etwas in seinem Leben richtig lief. Bis zu dem Tag, an dem einer der Kobun von ihm forderte, Gerechtigkeit walten zu lassen. Dies war der Tag, an dem er sich Akira als Yakuza offenbaren musste. Alles schien verloren, alles schien vorbei. Doch Akira interessierte sich überhaupt nicht dafür, was Doitsu war. Er interessierte sich nur dafür wer Doitsu war. An jenem Tag verließ Doitsu Ataka die Gruppe und seinen Onkel, zog bei seinem besten Freund ein, wurde in den Krieg mit den Kronosiern gezogen, beendete ihn als hoch geachteter, mehrfach ausgezeichneter Offizier der Hekatoncheiren und Veteran des Zweiten Marsfeldzugs, fand die Frau seines Lebens und… Und stand nun doch wieder hier, in den Straßen von Fushida City, weil Eikichi Otomo und sein Onkel und Ziehvater eine geheimnisvolle, fruchtbare Beziehung hatten, durch die sie bestimmt hatten, dass er, Doitsu, der Richtige war, um die AURORA von innen heraus zu beschützen. Gut, gut, beim ersten Mal hatte er es nicht richtig gemacht. Er war eben doch kein Yakuza. Aber er war ein guter Anführer, Menschenkenner und Krieger. Und diese Fähigkeiten konnte er bündeln und die Kobun, die Krieger die ihm zur Verfügung standen, effizient führen. Aus zwanzig waren sechzig geworden, viele hatte er erst in der Grey Zone der AURORA rekrutiert, und er hatte nie wieder vor, sich derart überrumpeln zu lassen. Diese Expedition wurde ausgesandt, um Akiras KI zu suchen, seinen Geist, seinen Verstand, sein Bewusstsein. Und er wollte verdammt sein, wenn er zuließ, dass jemand, irgendjemand verhinderte, dass sie Erfolg hatten! Er hatte eine Aufgabe übernommen, und die würde er durchführen, bis zur bittersten Konsequenz. Für Akira. Für Hina. Für all seine Freunde, die er seit über drei Jahren hatte. Und natürlich für die Menschheit. „Tono.“ „Was gibt es, Chiba?“, fragte Doitsu, ohne sich nach dem Yakuza umzudrehen, der direkt aus der nächsten Wand entstanden zu sein schien. „Die Schockwelle, die auf die Erde zurast…“ „Das ist jetzt nicht relevant, Chiba. Wir haben es hier mit den Triaden zu tun, das ist es was gerade zählt.“ „Aber die Zerstörungen, die von der Welle…“ „Was denn? Zeigst du etwa Nerven?“, spottete Doitsu und sah zu dem glatzköpfigen Mann herüber. Der senkte den Blick. „Entschuldigen Sie vielmals, Tono.“ „Keine Sorge, Chiba. Wir kümmern uns um die Welle, wenn es soweit ist.“ „Können wir das denn, Tono?“ Wieder sah der Mann verlegen zu Boden. „Entschuldigen Sie meine Unverschämtheit.“ „Wir beide können das sicherlich nicht.“ Doitsu deutete nach vorne. „Aber sie können es.“ Ein riesiger, himmelblau glänzender Hawk landete mitten in der Stadt. Eine KI-Aura umschloss ihn und ließ ihn schimmern, als wäre er mit Perlmutt beschichtet, welches von starken Scheinwerfern angestrahlt wurde. „Dies ist eine UEMF-Aktion! Sie sind alle verhaftet!“, klang die Stimme von Major Yamada auf. Vereinzelt wurde gefeuert, aber die Kugeln konnten den Hawk nicht einmal ankratzen. „Habe ich schon erwähnt, dass Widerstand zwecklos ist?“ Doitsu grinste schief. „Was für ein Prachtmädchen. Jetzt sollten unsere Gegner ein wenig abgelenkt sein. Sacken wir sie ein.“ Er drückte auf seinen Ohrstecker. „Team eins, Team drei, Team vier, go, go, go. Lasst sie nach Möglichkeit am Leben. Der UEMF-Geheimdienst hat später noch ein paar Fragen an sie.“ Doitsu sah zurück. „Wir gehen rein, Chiba.“ „Jawohl, Tono. Hina-sama kann es wirklich schaffen, oder, Tono?“ Doitsu lächelte stolz. „Sie kann nicht, sie wird.“ 4. Nervös legte Eikichi Otomo seine Hände vor seinem Kinn zusammen und stützte die Ellenbögen auf seinem Schreibtisch ab. Er wusste, er sah unheimlich dämlich aus, wenn er diese Geste benutzte, aber manchmal war Komfort wichtiger als Präsentation. Und dies war einer der Momente, in denen er etwas Komfort gebrauchen konnte, denn seine beiden Gäste, eigentlich sogar drei, waren nicht gerade das, was man alltäglich nennen konnte, nicht einmal auf der mächtigen OLYMP-Station. Der dritte Gast, der eigentlich gar kein Gast war, das war Aris Taral. Als Hausoffizier der Arogads trug er die hellblaue Uniform mit den goldenen Highlights. Nur ein schwarzer Kragensticker informierte den Eingeweihten darüber, dass dieser Mann ein so genannter Bluthund war. Ein Leibwächter, ein Attentäter, ja ein Mörder, wenn seine Herren es ihm befahlen. Aber auf jeden Fall ein Verbündeter und zudem Mitglied der Familie. Aris stand direkt hinter ihm, hatte die Arme ineinander verschränkt und lehnte an der kahlen Wand. Sein Blick schien die beiden Gäste zerfetzen zu wollen, aber die waren davon unbeeindruckt. Der zweite Gast, und damit der erste richtige war jemand, den Eikichi niemals in diesem Büro erwartet hätte: Henry William Taylor, ehemaliger Legat, Erzverräter an der Menschheit, Träger der kronosischen Gift und zweitjüngstes Mitglied im persönlichen Stabs seines Sohnes, was das Dienstalter betraf. Eigentlich war Henry englischer Geheimagent mit dem Auftrag, die Kronosier zu infiltrieren, aber dieser Mann hatte sich zu sehr auf das neue Leben eingelassen, um wieder zurückkehren zu können. Aber das wollte er auch nicht mehr. Es gab nur noch Henry, der englische Commander war schon vor langer Zeit gestorben. Mittlerweile hatte sich der ehemalige Legat einen eigenen Auftrag gegeben. Anfangs hatte er versucht, das Naguad-Imperium zu erreichen und seine Schwachpunkte zu erkunden, aber im Zuge seines Studiums war er einer großen Sache auf die Spur gekommen. Vielleicht der Größten, die diese Galaxis zu bieten hatte. Der erste, wichtigste und mit Abstand gefährlichste Gast saß in einem schwarzen Geschäftsanzug mit lässig übergeschlagenen Beinen direkt gegenüber von Eikichi. Die legere braune Sonnenbrille mit dem silbernen Gestell verbarg die Augen, aber die gekräuselten Lippen verrieten, wie sehr sich Dai Kuzo-sama im Moment amüsierte. Eikichi hätte sich die Haare raufen können. Die drei zusammen in diesem Raum zu haben war eine üble Kombination. Eine sehr üble Kombination. „Zuerst die gute Nachricht“, begann die große Spinne. „Ich habe mit… Einer alten Freundin auf Naguad Prime gesprochen. Sie wird demnächst zusehen, inwieweit sie deiner Frau helfen kann. Ich weiß, selbst Meister Tevell konnte Helen nicht helfen, geschweige denn ich. Aber Agrial Logodoboro ist… Auf diesem Gebiet erfahrener als ich. Es wäre also nett, wenn du auf den alten Oren einwirkst, damit er Agrial Zugang zu Helen gewährt.“ „Das war die gute Nachricht? Sie war hervorragendend. Aber bedeutet das, dass die schlechte Nachricht übel ausfällt?“ „Es geht um die Schockwelle“, sagte Kuzo vorsichtig. „Du kannst sie nicht aufhalten“, schloss Eikichi. „Darum mach dir mal keine Sorgen, Junge“, sagte Aris und lachte auf. „Das kriegen wir auch ohne diese Daina ganz alleine hin.“ „Ich glaube nicht, dass das unser Problem mit der Schockwelle ist“, warf Henry ein. „Im Gegenteil. Unser Problem ist die Frage, ob wir die Zerstörungen nicht besser zulassen sollten.“ Er hob beschwichtigend die Hände, als er das Entsetzen der beiden Männer sah. „Es ist eher ein theoretischer Gedanke. Dieses Schiff, dass die Schockwelle abgefeuert hat und die CINCINATTI wie beiläufig vernichtet hat, verfolgte mit dem Abschuss sicherlich ein bestimmtes Ziel. Und was ist dieses Ziel?“ „Sie wollten die Erde vernichten?“ „Nicht ganz, Aris Taral. Wir alle hier im Raum wissen, dass die Auswirkungen des Einschlags verheerend sein werden. Im ersten Moment werden drei bis vier Millionen Menschen ihre Leben verlieren, in den darauf folgenden Wochen sicherlich weitere fünfzig, vielleicht sogar hundert Millionen. Das ist ein schwerer Schlag für uns, aber sicher nicht der Untergang der Erde.“ „Den wir aber trotzdem nicht hinnehmen, und wenn ich die Schockwelle alleine aufhalten muss!“, schloss Aris Taral wütend. „Natürlich nicht. Wir halten die Schockwelle ja auf, definitiv. Aber ich glaube, wir spielen jenen, die den Waffenstrahl abgefeuert haben, in die Hände.“ Nachdenklich rieb sich Eikichi das Kinn. „Du meinst also, dass dieses Schiff nicht versucht die Erde zu vernichten, sondern herausfinden will ob wir die Welle aufhalten können.“ Er sah Dai Kuzo-sama an. „Was sagst du dazu?“ Die große Spinne seufzte. „Das ist die schlechte Nachricht. Ich glaube, ich muss jetzt etwas weiter ausholen und einiges erklären. Wusstest du, dass von dieser Welt aus die Daima- und Daina-Zivilisationen aufgebrochen sind? Wusstest du, dass der Kontinent Lemur wirklich existierte und deren Keimzelle war? Und wusstest du, dass die Daima und Daina da draußen in einen fürchterlichen Bürgerkrieg fielen, der von einer unbekannten Macht beendet wurde? Das Ganze geschah vor zwanzigtausend Jahren, lange bevor die aktuelle Geschichtsschreibung von euch Daina überhaupt einsetzte.“ „Moment, Moment, bitte immer nur ein Superlativ pro Sekunde. Die Erde ist Keimzelle von was?“ „Von allen humanoiden Zivilisationen in einem Umkreis von dreihundert Lichtjahren, mittlerweile vielleicht schon tausend.“ Ächzend ließ sich Eikichi in seinen Sessel sinken. „DAS muss ich erst mal verdauen.“ „Harter Tobak. Aber nicht so hart wie der Gedanke an eine unbekannte Macht, die den Bürgerkrieg beendet hat.“ Aris Taral fixierte die Daimon. „Unbekannte Macht bedeutet wer?“ „Unbekannte Macht ist unbekannte Macht. Wir wissen nicht viel über sie. Aber wir wissen, dass es sie gibt und dass sie damals gnadenlos unter uns gewütet hat, bis nicht mehr genügend übrig blieben, um weiterhin Krieg zu führen. Von dieser Erkenntnis getrieben und um zu retten was zu retten war, haben wir Dämonen uns verborgen, unsere eigenen Welten erschaffen, auf denen wir uns fortan versteckt haben. Versteckt vor Dingen wie diesem Schiff und dieser Schockwelle. Versteckt davor, erneut vernichtet zu werden.“ „Wie viele Dämonenwelten gibt es also?“ „Ich weiß es nicht, Eikichi. Ich kenne persönlich fünf, und eine habe ich kennen gelernt, weil die Naguad auf sie gestoßen sind, nämlich auf Lorania. Außerdem weiß ich mit Bestimmtheit, dass sich im Nag-System keine Dämonenwelt befindet.“ „Du willst damit sagen, dass das Hauptsystem der Naguad sicher ist?“, argwöhnte Aris Taral. Die Dämonin schnaubte amüsiert. „Sicher. Was ist schon sicher bei einer Macht, die die Daimon zwingen kann, sich feige vor ihr zu verkriechen? Naguad Prime ist nur nicht oben auf der Prioritätenliste, sondern erheblich weiter unten.“ „Aber irgendwann kommen wir doch an die Reihe.“ Aris schnaubte wütend. „Haben wir dafür diese Welt gerettet? Haben wir sie deshalb vor dem Core beschützt? Ich habe zwei wichtige Menschen auf dieser Welt verloren, dazu Dutzende Kameraden, mit denen ich Jahrzehnte zusammen war. Und meine Enkel kämpfen gerade in diesem Moment für diesen Planeten, und damit auch für die Dämonenwelt. Und jetzt sagst du mir, nicht einmal meine Heimat ist vor dem unbekannten Feind sicher?“ „Soll ich dich vielleicht anlügen, Bluthund?“, blaffte die große Spinne. „Ist es dir lieber wenn der Angriff als große Überraschung kommt?“ „Ruhig, Ihr zwei, ruhig. Wenn man im Gespräch laut wird bedeutet das immer, dass man seine mangelnden Argumente kaschieren will.“ „Wir diskutieren nicht“, sagte die Große Spinne. „Wir legen unser Wissen zusammen.“ „Was prinzipiell positiv ist“, sagte Henry ernst. „Und damit komme ich schon dazu, meine ersten Brocken Wissen ins Gespräch zu werfen. Abgesehen von der alles vernichtenden Schockwelle, die uns direkt bedroht sollten wir unser Augenmerk auch auf die Vergangenheit richten. Vor allem auf die Vergangenheit und vor allem auf die Zeit der Dai-Kriege.“ Erschrocken fuhr Kuzo zu ihm herum. „Was weißt du über die Dai-Kriege?“ Henry William Taylor grinste zynisch. „Bei weitem nicht genug, aber mir wurde gestattet, die Archive von fünf der neun Naguad-Türme zu durchforschen. Teilweise stieß ich auf uralte Papierdokumente, die aus einer Zeit stammen, die noch vor dem Exodus vom Kontinent Naguad auf Iotan lag. Ich hatte nicht besonders viel Zeit, aber ein gutes Team. Die meisten Materialien und Daten sichtete ich auf dem Rückflug der AURORA, und auch hier hatte ich ein gutes Team, dass für mich vorsortiert hat. Es ist mir gelungen, viel zu erfahren. Und das wichtigste kann ich in einem einzigen Wort zusammenfassen.“ „Dieses Wort lautet nicht zufällig Dai?“ Eikichi rieb sich die Nasenwurzel. „Dein erschrockenes Schweigen fasse ich als ja auf. Also, was sind diese Dai?“ „Diese Dai sind unser aller Vorfahren. Nein, das ist so nicht wirklich richtig. Wir und die Dai haben gemeinsame Vorfahren. Und auch das ist falsch und richtig zugleich, denn die wenigsten Dai wurden geboren. Viele stiegen aus den Rängen der Daina, unserer eigentlichen direkten Vorfahren zu Dai auf. Entschuldige wenn ich zu viele Geheimnisse verrate, Dai-Kuzo-sama.“ „Würde es was nützen, wenn ich dich jetzt töten würde?“, brummte sie. „Wahrscheinlich nicht, also rede weiter. Vielleicht lerne ich ja noch was.“ „Falls du das mit dem töten scherzhaft gemeint hast, möchte ich sagen, dass es mir nicht sehr gefallen hat. Und falls du es ernst gemeint hast, erst recht nicht.“ „Henry. Dein Bericht.“ „Also gut. Ursprünglich habe ich in den Archiven der Türme herum gewühlt, um so viel wie möglich über die Naguad zu erfahren. Ein bekannter Feind ist halb besiegt, sagt ein altes Sprichwort. Ich konnte nicht wissen, dass sich mir durch meine Arbeit vier neue Feinde offenbaren würden.“ „Warte, warte. Der eine Feind ist der Core, der zweite sicherlich das Kaiserreich. Der dritte Feind ist dann die große Gefahr im Hintergrund. Aber der vierte?“ „Der vierte, Aris Taral, das ist das Volk der Dai. Jene geheimnisvolle Macht, die… siebenundachtzig bewohnte Welten in die Steinzeit zurückbombte.“ „Nun hör aber auf…“, rief die Große Spinne und sprang empört auf. „Das ist natürlich nur eine Zusammenfassung der tatsächlichen Geschehnisse“, sagte Henry beschwichtigend. „Tatsächlich hatten sie Recht so zu handeln. Die Dai, meine lieben Freunde, sind, was ihre Nachfahren der Daina und Daima angeht, nun, etwas abgehoben. Oder um es anders auszudrücken, sie existieren nicht mehr in dem Sinne. Dais sind nahezu unsterblich, haben die absolute Kontrolle über ihren Körper und sind dementsprechend wenig an Kontakten zu anderen Wesen, die nicht von ihrer Art sind, interessiert. Vergleicht es am Besten mit einem Grundschüler, der einem Physikprofessor mit seinem einfältigen, unfertigen Verstand die Relativitätstheorie erklären will. Nein, noch besser, er zwingt den Professor, seine Sicht der Dinge zu übernehmen.“ „Was für ein fieser kleiner Grundschüler“, bemerkte Eikichi amüsiert. „Es geht noch weiter. Wenn ich die Daten richtig verstanden habe, dann existieren die Dai nicht im körperlichen Sinne. Es gibt sie nur als pseudomaterielle Wesen. Sie bestehen aus ihrem Verstand und ihrem KI, und erschaffen sich einen Körper wann und wie sie brauchen. Sie sind auf einem Level der Existenz, der der unseren Jahrzehntausende voraus ist. Und für alle im Raum, die es noch nicht kapiert haben, ich rede hier von den Dämonen.“ „Dämonen? Du meinst sowas wie Dai-Kuzo-sama?“ „Hey, man zeigt nicht mit nacktem Finger auf angezogene Leute, Aris!“ „Tschuldigung.“ „Ja, das meine ich. Die Dämonen, die Daimon, diese unerforschten Wesen mit ihrer geheimnisvollen Dämonenwelt sind die Dai. Oder zumindest ihre Nachfahren. Sie haben ihre eigene Welt, ihre eigene Sicht der Dinge, und meistens interessieren sie sich für die Welt der Daina einen Dreck.“ „Ich würde es nicht so hart formulieren, aber ja, wir greifen nicht gerne in die Geschehnisse der Menschenwelt ein. Ihr seid so… So kurzlebig. Kaum hat man sich an euch gewöhnt, trägt euch eure Familie schon wieder zu Grabe. Mach das ein paar tausend Mal mit, und du hast auch keine Lust mehr, Menschen kennen zu lernen. Erst die Naguad machten die Welt wieder interessant für uns.“ „Die Naguad mit ihrer Langlebigkeit und natürlich die Bedrohung der Dämonenwelt durch den Core.“ „Ach ja, da war noch was anderes.“ „Das ist übrigens etwas, was ich mich immer gefragt habe, seit ich mit diesem Thema konfrontiert wurde“, sagte Eikichi ernst und faltete wieder die Hände vor dem Gesicht zusammen. „Warum fürchten die Daimon den Core?“ „Es geht weniger darum, dass wir den Core fürchten als dass wir die Entdeckung der Zugangswege zur Dämonenwelt durch den Core fürchten.“ „Aha. Und was passiert, wenn der Core die Zugangswege entdeckt?“ „Er dringt ein und versucht an eine Probe des Liberty-Virus zu kommen. Was gleichbedeutend mit unserer totalen Unterwerfung wäre.“ „Na, wenigstens nicht die totale Vernichtung“, brummte Aris. „Das ist ja wohl fast das gleiche“, schnappte Kuzo wütend. „Ein toter Dai, ein lebender Dai, da fällt es einem wohl nicht schwer zu entscheiden was die bessere Wahl ist, oder?“ „Leute, Leute, keinen Streit in diesem Büro. Was ist der Liberty-Virus? Warum will der Core in die Dämonenwelt? Und warum sind die Dämonenwelten für die geheimnisvolle Bedrohung im Hintergrund so interessant?“ „Ich kann dir nicht sagen, was der Liberty-Virus ist“, sagte die Große Spinne kurz angebunden. „Ach komm. Wir sind Verbündete. Warum willst du es mir nicht sagen?“ „Es ist nicht so dass ich nicht will. Es leider so, dass ich es nicht weiß. Ich kann dir nur sagen, dass der Liberty-Virus in jeder Dämonenwelt existiert. Warum es ihn dort gibt und was er bewirkt ist unbekannt. Aber wir wissen von seiner Existenz. Es ist kein Krankheitskeim und auch kein Mystizismus, keine Legende und gewiss keine Propaganda. Er existiert, und der Core will ihn haben. So sehr haben, dass sie seit über zweitausend Jahren Naguad Prime angreifen, weil sie glauben, auf dieser Welt gibt es eine Dämonenwelt.“ „Wenn ich an dieser Stelle noch schnell was einwerfen dürfte“, meldete sich Henry wieder zu Wort, „und zwar die unbekannte Macht im Hintergrund betreffend. Ich würde sie fortan gerne Population A nennen, weil mir „unbekannte Macht im Hintergrund“ zu lang ist. Also, soweit ich meinen recherchierten Fakten trauen kann, hat nicht die Population A den Krieg zwischen Daima und Daina beendet, sondern es waren die Dai. Dabei gingen sie recht rabiat vor und versetzten mancher Hochtechnologie den Todesstoß. Dabei schonten sie jedoch Menschenleben, so weit sie dies konnten und richteten auf vielen Welten Kolonien ein, um die Daima oder Daina durch ihre Leitung auf einen besseren Weg zu führen, abseits von Krieg und Zerstörung. Erst am Ende dieser Kämpfe der Dai, die großen Befriedungskämpfe, taucht Population A auf. Dies war der Beginn eines zweiten Krieges der Dai, aber diesmal ein Verteidigungskrieg. Erneut wurde diese Region der Galaxis mit Verderben überzogen, und die meisten Dai-Enklaven wurden vernichtet. Andere versteckten ihr Heimatland durch Phasenverschiebung und entwickelten auf diese Weise die Dämonenwelten. Auch die Erde wurde angegriffen, und hier war es ein ganzer Kontinent, der verschwand. Mu, Lemur oder meinetwegen auch Atlantis. Wir finden die Spuren dieses Kontinents noch nach Jahrtausenden in den Legenden und Mythen der Menschen. Besonders die Aborigines, die Ureinwohner von Australien sprechen in ihrer Mystik immer wieder von der Traumwelt, die abseits von dieser Welt existieren würde. Man kann annehmen, dass die Aborigines den damaligen Daina genetisch am nächsten sind. Aber das ist meine persönliche Schlussfolgerung, nicht unbedingt eine These oder gar eine Theorie. Tatsache ist jedenfalls, dass Population A unendlich viel Zeit zu haben scheint. Sie legt sich in der Nähe der zerstörten Welten auf die Lauer und wartet, bis sich erneut eine Spur zu den Dämonenwelten auftut, um dann zu zu schlagen.“ „Und dann schnappen sie sich den Liberty-Virus?“, argwöhnte Aris. „Nicht, ohne vorher die ganze Welt zu vernichten“, betonte Henry. „Ich befürchte, dass wir bereits einiges an Aufmerksamkeit der Population A eingefordert haben. Der Kontakt mit den Naguad, der Kontakt zum Core, all das wurde von ihnen registriert. Und ich nehme an, dass dieser Abschuss der Schockwelle eine Art Test ist. Entweder um zu sehen, wie sehr wir bereits eine Bedrohung für die Ambitionen der Population A sind, oder um die Dai aus ihrem Versteck zu locken. Oder beides.“ „Aha.“ Eikichi rieb sich wieder die Nasenwurzel. „Deshalb also diese Idee, die Welle nicht abzuwehren.“ „Nun, abwehren müssen wir sie in jedem Fall. Aber vielleicht sollten wir so tun, als wäre sie wirklich eingeschlagen und hätte verheerende Verwüstungen angerichtet. Nur für den Fall, dass…“ „Wir werden darüber nachdenken, versprochen. Okay, wir haben also noch einen Feind an der Backe. Nach den Naguad, dem Kaiserreich und dem Core, und glaubt mir, das Kaiserreich wird nicht sehr freundlich zu uns sein, haben wir nun auch noch Population A im Club. Und die scheint mit Abstand die Gefährlichste zu sein. Dai-Kuzo-sama, gibt es nicht einen klitzekleinen Hinweis darauf, was dieser Liberty-Virus ist? Irgendetwas, was uns helfen könnte?“ „Es ist keine Krankheit und keine Waffe. Mehr kann ich dir nicht sagen. Mehr weiß ich einfach nicht.“ „Das ist immerhin etwas. Aber ich wüsste schon gerne mehr darüber als dass eine Zivilisation, die die Hochzivilisation der Dai vernichten konnte, hinter ihm her ist.“ „Ich kann den Daten noch etwas hinzu fügen. Der Core begann seine Zivilisation aufzubauen, nachdem er anscheinend auf ein Fragment der Population A getroffen ist. Ich kann nicht sagen, warum die Core-Zivilisation nun ebenfalls Dai-Welten jagt, aber einen netten Grund wird es nicht haben.“ „Danke, Henry, du machst mir Mut.“ „Es war nicht meine Absicht, Ihnen Mut zu machen, Executive Commander Eikichi Otomo.“ Hery William Taylor erhob sich. „Schon gut, ich habe meine Worte ironisch gemeint. Nicht zu ernst nehmen, okay? Ich für meinen Teil bin hier fertig. Ich habe gesagt, was ich zu sagen hatte und habe gehört, was ich hören musste. Ich gehe wieder auf die AURORA.“ „Du begleitest die Expedition, die Akira finden soll?“ „Natürlich. Eine bessere Gelegenheit, um in noch älteren Archiven zu wühlen wird sich nicht für mich ergeben. Dort finde ich vielleicht die Antworten, die uns noch fehlen. Wenn die Herrschaften mich dann entschuldigen würden… Executive Commander, Aris Taral, Dai-Kuzo-sama.“ Er nickte ihnen einzeln zu und verließ dann das Büro. „Ich weiß nicht wie es euch geht, aber er irritiert mich. Er irritiert mich wirklich.“ „Das ist uns auch schon aufgefallen, Aris“, brummte Eikichi. „Und ich hoffe, das wird noch eine ganze Weile so bleiben. Denn solange er ein Interesse daran hat, mit uns zu kooperieren, ist das nur gut für uns.“ „Sag nicht, du traust diesem Mann.“ Eikichi winkte ab. „Nur so weit wie ich einen Phoenix werfen kann. Aber er war bisher sehr nützlich. Und um der Menschheit willen muss er das auch weiterhin sein.“ „Apropos Menschheit. Wenn Henry Recht hat, machen wir Population A nachhaltig auf uns aufmerksam, wenn wir die Schockwelle aufhalten. Und das auch ohne einen direkten Eingriff durch die Dai.“ „Uns bleibt ja wohl nichts anderes übrig, als sie aufzuhalten. Und wenn wir uns damit für Population A interessant machen, dann werden wir uns mit dem Problem befassen, sobald es akut für uns wird. Ich habe absolut keine Lust in die Geschichtsbücher einzugehen, weil ich einen Fünfhundertmillionenfachen Mord nicht verhindert habe.“ „Und wer soll es tun? Soll ich ein paar meiner Daimon stellen?“ Eikichi sah zu dem Bluthund herüber. „Was meinst du, alter Junge?“ „Ich habe doch schon gesagt, notfalls halte ich sie alleine auf. Vertraust du mir nicht, junger Mann?“ „Würde dieses notfalls alleine bedeuten, dass du dabei stirbst, alter Freund?“ „Hey, ich habe nicht wirklich vor, sie alleine aufzuhalten. Ich könnte schon Hilfe gebrauchen. Sind die Slayer frei?“ „Gut, gut, das gefällt mir schon besser.“ „Mir auch, immerhin habe ich ihnen erst ihre Fähigkeiten bewusst gemacht.“ Dai Kuzo-sama faltete die Hände unter dem Kinn zusammen. „Ich bin sehr daran interessiert, wie es hier weitergehen wird.“ „Wenn du das Endergebnis mitkriegst, bedeutet das, dass wir noch leben“, sagte Eikichi trocken. „Nicht gerade ein verachtenswertes Ziel“, fügte Aris amüsiert hinzu. *** „Da kommen sie“, sagte Kei Takahara und konnte es nicht verhindern, dass seine Stimme vor Ehrfurcht zitterte. Die guten alten Zulu Zulu, bei den Naguad Bakesch genannt, waren Riesenpötte. Zwei von ihnen im Team zu haben war eine Riesenerleichterung für jeden der sich der Leistungen der SUNDER bewusst war. Zwar war das von den Anelph gestohlene und auf der Deimos-Werft umgerüstete Kriegsschiff kampfstärker, da es auf einen Sprungantrieb verzichtete, aber das spielte nicht wirklich eine Rolle. Bei einer Schlacht dieser drei Schiffe würde das Schiff in Unterzahl zweifellos vernichtet werden, zumindest höchstwahrscheinlich, und wenn Ban Shee Ryon nicht ganz tief in die Trickkiste griff. „Die beiden Schiffe sind älteren Baujahrs, aber gut gewartet und mit erfahrenen Besatzungen ausgestattet. Ich habe mir erlaubt, die Kapitäne selbst zu benennen. Sie unterstehen selbstverständlich dem höchstrangigeren Hausoffizier der Arogads, und das sind Sie, Konteradmiral Takahara.“ „Gut zu wissen. Ich dachte schon, ich muss auf meine alten Tage neue Tricks lernen. Kenne ich die Kapitäne, Admiral Acati?“ „Es sind Offiziere aus den Hausflotten der Arogad und der Fioran. Ich denke nicht, dass Sie sie kennen. Auf der GARRET ist dies Meras Yukow für Haus Arogad, und auf der NERIABAN ist dies Kelso Varinest für Haus Fioran. Sie werden von drei Kreuzern begleitet, der IRIDIA, der REPULS und der STERN VON AROGAD. Weiterhin sind zehn Zerstörer die Eskorte. Namentlich sind das die KORAM, die MINEVAN, die GOLTEN, die HERRAT, die MONISUN, die TARAL, die IRVEN, die KEPAN, die ARTIRIATAL, die FOKKEST und die BERRISCHTA.“ „Eine beeindruckende Aufstellung. Und eine bemerkenswerte Kampfkraft, die Haus Arogad und Haus Fioran uns hier zur Verfügung stellen, Admiral.“ „Es geht hier immerhin um eine wichtige Persönlichkeit, und nicht zuletzt um einen direkten Erben des Hausvorsitzes der Arogads. Außerdem ist er immer noch Eigner von Lorania, vielleicht des ganzen Kanto-Systems. Da sind sich die Experten noch nicht wirklich sicher. Solange wir keine Gewissheit über sein Schicksal haben, bedeutet das Unsicherheit für eine ganze Region. Seine Rückkehr könnte all das stabilisieren.“ Kei pfiff anerkennend. „Akira, Akira. Wenn du wüsstest, was wir hier gerade alles für dich los reißen…“ Er zog eine Akte unter seinem linken Arm hervor und gab sie Konteradmiral Acati. „Und Sie wollen nicht auch lieber mitkommen? Es wird lustig, das verspreche ich.“ Stirnrunzelnd las Acati die Aufstellung, während der erste Bakesch zum Landemanöver ansetzte. „Die BISMARCK, wieder unter Kapitän Roger Smith, die PRINZ EUGEN unter Kommodore Elora Gonzales, dazu die GRAF SPEE unter einer Neuen, Kapitän Ella Wagner, die HAMBURG unter Kapitän Dimitri Kuratov und die BERLIN unter Kapitän Perrine Duchambault. Elf Schiffe der Midway-Klasse, namentlich sind das die MIDWAY selbst, die LOS ANGELES, die WESTPOINT, die ENTERPRISE, die HOUSTON, die NEW ORLEANS, die HAWAII, die HIROSHIMA, die NAGASAKI und die NEW YORK. Dazu kommen dreiundzwanzig Yamato und November. Die YAMATO natürlich, dazu die KAZE, die KOBE, die AKAGI, die HARUNA, die SAKURA, die OSAKA, die TOKIO, die OKINAWA, die SEOUL, die BEIJING, die YAMAMOTO, die SHANGHAI, die HONG KONG und die HOKKAIDO. Darüber hinaus teilt die UEMF die sechs November-Fregatten KOWLOON, KIEW, ST. PETERSBURG, IRKUTSK, BREMEN, ROM, MADRID und ISTANBUL zu.“ Acati schloss die Akte und reichte sie zurück. „Bringen Sie möglichst viele dieser Schiffe wieder nach Hause, Konteradmiral.“ „Wie immer gilt, ich gebe mein Bestes.“ „Das weiß ich. Sie waren schon als Kapitän der SUNDER ein Schmerz im Arsch. Als Koordinator dieser schlagkräftigen Flotte wird es noch schlimmer sein. Gnade unseren Gegnern. Sie tun es sicherlich nicht.“ Kei runzelte die Stirn, während die Signale in der Schleusenkammer meldeten, dass sie mit Sauerstoff geflutet wurde und die Offiziere der GARRET bereit waren, um die AURORA zu betreten. „Gibt es bei euch Naguad einen speziellen Flottenkurs für aufbauende Reden?“ Torum Acati lachte. „Wenn, dann habe ich ihn verpasst.“ Acati klopfte dem Kleineren auf die Schulter. „Achtung jetzt, Kei Takahara. Die Arogads, die hier gleich das Schiff verlassen und die AURORA betreten, dürfen nicht eine Sekunde daran zweifeln, wer und was Sie sind, haben Sie das verstanden?“ Kei griff unsicher zu dem Rangband, das von seiner linken Schulter auf die linke Brust reichte und seinen Rang als Hausoffizier im Admiralsrang bezeichnete, stoppte die Bewegung aber. „Verstanden, Torum Acati.“ Das Schott ging auf, und ein Naguad mittleren Alters trat, begleitet von fünf Offizieren beiderlei Geschlechts direkt aus der Schleuse bis vor die beiden wartenden Männer. Die Ehrenformation nahm Haltung an. Der Vordermann blieb direkt vor ihnen stehen und salutierte auf Naguad-Art. Kei erwiderte den Gruß auf die nordamerikanische Art, wie sie in der UEMF-Flotte Tradition war, und hastig imitierte der Arogad-Offizier diesen Salut. „Entschuldigen Sie, Konteradmiral Takahara. Macht der Gewohnheit. Ich bitte um Erlaubnis, mit meinen Offizieren an Bord kommen zu dürfen.“ Acati raunte fast unhörbar: „Die Lektion hat der aber schnell gefressen.“ Kei verkniff sich mit aller Gewalt ein Grinsen. „Rühren Sie, Kapitän Meras Yukow. Erlaubnis, an Bord der AURORA kommen zu dürfen ist erteilt.“ Kei trat einen Schritt vor und schüttelte dem verdutzten Offizier die Hand. „Sie sind uns mehr als willkommen bei der wichtigsten Flottenoperation in diesem Jahrtausend.“ Verblüfft schüttelte der Hausoffizier die Hand des Jüngeren. „Bei jedem anderen würde ich jetzt von Übertreibung sprechen. Aber nicht bei dem Mann, der die AROGAD gerettet hat. Dies wird wohl wirklich die größte Operation der letzten tausend Jahre.“ „Und vielleicht sogar die wichtigste“, fügte Torum Acati hinzu. „Auch das klingt nicht übertrieben“, brummte Yukow ernst. Epilog: Ein Moloch schob sich durch das All. Er gleißte wie ein Regenbogen und strahlte mit einer überirdischen Schönheit. Sein Licht eilte ihm voraus, und die Menschen konnten ihn bereits am Himmel erkennen, als er noch zwei Tage entfernt war. Daten und Fakten wurden über Nacht in die Welt geworfen, Talkshows hatten Dutzende Themen zur energetischen Schockwelle, und die Welt sah sich tausenden Gerüchten und Verschwörungstheorien ausgesetzt. Das Schicksal der CINCINATTI wurde diskutiert und mit anderen tragischen Schiffen der Geschichte verglichen, der HOOD, der SANTISSIMA TRINIDAT, der GRAF SPEE und der SANTA MARIA. Die U.S.A. rief den Katastrophenfall für vier Ostküstenstaaten aus und gestattete den Menschen, sich in Sicherheit zu bringen. Natürlich gab es Panik in den Großstädten in den betroffenen Küstenstaaten; die Nationalgarde griff bei Übergriffen und Plünderungen hart durch. Aber es blieb verhältnismäßig ruhig, wenn man bedachte, dass die Welt in wenigen Tagen ein vollkommen anderes Antlitz kriegen sollte. Endzeitpropheten zitierten berühmte Hollywood-Schinken, Notfallsitzungen der Regierungen aller großen Nationen jagten sich, und tausende Astronomen berechneten den Einschlagpunkt der Schockwelle jeden Tag neu, bis er für die meisten feststand. Die UEMF hatte Recht, sie würde zuerst durch ARTEMIS jagen und dann teils auf dem Festland und teils im Atlantik einschlagen. Die unglaubliche, dabei frei werdende Energie musste die Erde in eine neue Eiszeit schleudern und das Leben, wie es bisher gewesen war, vollkommen unmöglich machen. Vereinzelt wurden Stimmen laut, das Pentagon kurzfristig zu schließen und die Kontrolle der nationalen Atomwaffen komplett an NORAD zu übertragen, um einen versehentlichen Abschuss von Kernwaffen zu verhindern. Die Atlantikflotte der Vereinigten Staaten suchte sichere Häfen in der Karibik und auf der anderen Seite des Atlantiks auf, der zivile Verkehr auf dem gigantischen Gewässer kam fast vollständig zum erliegen. Dafür fanden sich nahe der Sperrzone des APOLLO/ARTEMIS-Aufzugssystems hunderte Charterboote voller Reporter ein; ein paar Dutzend ferngesteuerter und mit Kameras gespickter Drohnenboote wurden an den voraussichtlichen Einschlagpunkt geschickt, um bis zum bitteren Ende einmalige Aufnahmen zu schießen. Für die betreffende Zeit des Aufschlags erging von den Aufsichtsbehörden für Luftfahrt ein Flugverbot für die nördliche Erdhalbkugel, das eine Stunde vor und eine Stunde nach dem Aufschlag in Kraft war; für die Südhalbkugel wurden die gleichen Maßnahmen empfohlen. Die Welt wartete gebannt darauf, dass sich ihr Antlitz für immer veränderte. Und über all den Gerüchten, den Endzeitpropheten, den hitzigen Debatten in den Talkshows und der Angst der Menschen stand ein Mann und versuchte sie alle zu beschwichtigen. Eikichi Otomo wurde nicht müde, immer und immer wieder in ungezählte Interviews für hunderte Fernsehsender, Radiosender und Zeitungen zu erzählen, dass bei den getroffenen Vorsichtsmaßnahmen keine Gefahr für die Erde bestand. Dann konnte man die Schockwelle in Asien und später in Europa in der Nacht des letzten Tages am Himmel mit bloßem Auge sehen. In Amerika war gerade später Nachmittag. Die Wellenfront würde kurz nach der Abenddämmerung einschlagen. In einhundert Kilometern Höhe jedoch hatte man noch einen recht guten Blick auf die Sonne, die sich gerade anschickte, noch weiter hinter der Erde zu verschwinden. Und auch die monströse Bedrohung war bereits in all ihrer Schönheit und entsetzlichen Zerstörungskraft zu sehen. Ein Anblick, der einen Menschen erhöhen, aber auch entsetzlich demütigen konnte. Wie es den Mecha-Piloten erging, die auf der Oberfläche der ARTEMIS-Plattform standen und das Eintreffen der Welle erwarteten wurde nicht festgehalten. Bis zum Einsatzbefehl waren sie alle mit ihren Gedanken alleine. „Okay. Das ist es dann. Alles hört auf mein Kommando. Wir halten die Formation ein, die wir trainiert haben. Sowohl die Abgabe des AO als auch der projizierte Winkel müssen stimmen. Haben mich alle verstanden? Division Commander Uno? Colonel Otomo? Major Yamada?“ Zustimmendes Gemurmel erklang von den drei stärksten KI-Meistern in diesem Verbund. „Wie geht es dir, Futabe-kun? Bist du im Eagle deines Enkels schon seekrank?“ „Mach dir um mich keine Sorgen, Aris. Man wird nicht so alt wie ich, wenn man sich wegen jeder Kleinigkeit gleich in die Hose macht.“ „Nun, eine Kleinigkeit würde ich die Schockwelle nicht gerade nennen“, klang die amüsierte Stimme von Doitsu Ataca auf. „Funkdisziplin“, mahnte der Bluthund. „Wie sieht es bei euch aus, Sakura, Makoto?“ „Ich erwäge, sie auf dem Bordschützensitz zu fesseln, Opa. Sie ist total zappelig.“ „WER IST HIER ZAPPELIG?“ „Autsch, das tut weh, Sakura! Ich steuere hier einen LRAO, das erfordert Präzisionsarbeit. Dabei kannst du mir nicht einfach auf den Helm klopfen!“ „Das war kein Klopfen, das war ein handfester Schlag!“ „Wie konntet Ihr eigentlich all die Schlachten gewinnen, Ihr undisziplinierten Kinder?“, seufzte Aris laut. „Wahrscheinlich genau deswegen“, kam es von Michi Torah. „Ich habe da ein paar Sachen erlebt… Wow.“ „Der Bengel braucht dringend eine militärische Ausbildung“, stellte der Taral gelassen fest. „In einen Phoenix habt Ihr ihn ja schon gelassen, nun macht auch was aus ihm.“ „Ist das eine Drohung?“ „Hast du was gegen mich, Dai-chan?“ „Nun, nun, Jungs, streitet euch nicht. Sonst gebe ich meinen Mädchen soviel zu tun auf, dass Ihr sie eine Woche nicht seht, ist das klar?“, mahnte Hina amüsiert. Seltsamerweise wirkte das. Die beiden widersprachen nicht einmal. „Es scheint als sollte man die Slayer nicht unterschätzen. Torum, bist du bereit?“ „Bereit wenn du es bist, alter Mann.“ „Das sagt der Richtige. Also, Freunde, hört jetzt gut zu. Wir AO-Meister sind alles, was zwischen der Erde und der Schockwelle steht. Von unserer gemeinsamen Leistung hängt es ab, ob da unten ein paar hundert Millionen Menschen sterben oder nicht. Eigentlich hängt sogar nich viel mehr davon ab, aber dazu später vielleicht mehr. Noch Fragen?“ „Major Ataca hier, Sir. Eine Frage. Warum haben Sie betont, dass es sich bei dem Kurs der Schockwelle beinahe um einen Streifschuss handelt?“ „Das wirst du schon noch sehen. ARTEMIS, geben Sie uns eine voraussichtliche Ankunftszeit.“ „AZ der Schockwelle liegt bei elf Minuten. Wir korrigieren ständig nach, denn die Anziehungskraft der Erde beschleunigt die Schockwelle minimal.“ „Also verfügt sie über Eigenmasse. War ja auch nicht anders zu erwarten. Also, wir bilden wie in der Übung einen losen Kreis mit mir, Major Yamada und Colonel Otomo im Mittelpunkt. Die stärkeren und die schwächeren AO-Meister wechseln sich so ab, wie ich es ausgearbeitet habe. Der LRAO und der Eagle müssen unbedingt das Ende der Westflanke bilden. Makoto, Sakura, Yoshi, Futabe-kun, nach uns hier in der Mitte habt Ihr die wichtigste und gefährlichste Aufgabe.“ „Verstanden.“ „AZ liegt bei acht Minuten.“ „Wir starten.“ Die UEMF-Maschinen erhoben sich von der Oberfläche der ARTEMIS und gewannen schnell einen halben Kilometer Höhe. Dann verteilten sie sich wie in einer der zahllosen Übungen unter Aris Taral, und zwar auf einer Front, die in etwa die Größe der Schockwelle erreichte. „AZ liegt bei vier Minuten.“ „Entspannt euch und überlasst die Navigation den Künstlichen Intelligenzen. Öffnet nun eure Bewusstseine meinem Geist. Ich steuere das zur Verfügung stehende AO, um das absorbierende Feld aufzubauen.“ „AZ liegt bei zwei Minuten. Sir, wir messen wieder das starke elektromagnetische Feld an. Wir müssen einen Teil der elektronischen Geräte an der Oberfläche herunterfahren, bevor sie Schaden nehmen.“ „Verstanden. Viel Glück da unten.“ „Viel Glück da oben. ARTEMIS Ende.“ „AZ liegt bei zwanzig Sekunden. Wünschen Sie einen Countdown, Aris Taral?“ „Danke, K.I, aber nein. Wir bauen das AO-Feld in voller Stärke auf – JETZT!“ Zwischen den Mechas wurde ein großes, rot schimmernde Feld sichtbar. Es lag den besagten halben Kilometer über ARTEMIS, war aber in Richtung Westen stark geneigt. Acht Sekunden nachdem das Feld etabliert worden war, traf die Schockwelle ein und schlug auf dem KI-Feld auf. Auf ARTEMIS begannen die Wände zu vibrieren, als die starken Schutzschirme der Station über Gebühr beansprucht wurden. Kurzfristig lieferten die Generatoren einhundertdreißig Prozent Leistung, um die Schilde stabil halten zu können. Nicht wenige schlossen mit ihrem Leben ab. Dann sahen erstaunte Offiziere und Mannschaften, wie die Schockwelle an ihnen vorbei raste. „Sie haben es nicht geschafft?“, rief jemand aufgeregt. Jerry Thomas, der Commander der Plattform aber riss enthusiastisch die Faust hoch. „Im Gegenteil! Es hat funktioniert! Sie haben die Schockwelle aus dem Kurs gebracht! Jetzt wird aus dem falschen Streifschuss ein Richtiger!“ Die Schiffe, die auf dem Atlantik lagen und das Geschehen aus erster Hand hatten beobachten wollen, sahen ein spektakuläres Schauspiel, als Schockwelle und KI-Schild miteinander interferierten. Und es wurde noch besser, als die Welle weiterraste, ohne ARTEMIS auch nur anzukratzen. Die Schockwelle tauchte tiefer in die Atmosphäre ein und ionisierte in den dichteren Schichten die Luft. Über der Plattform fielen vereinzelte Lichtpunkte Kilometerweit in die Tiefe, bevor sie sich fangen konnten. An der Atlantikküste warteten tausende Menschen. Es waren einige Lebensmüde darunter, ein paar Fatalisten, aber das Gros bildeten Menschen, die tatsächlich darauf vertrauten, dass die UEMF sie retten würde. Als die Schockwelle deutlich sichtbar in ihre Richtung raste, war das Entsetzen groß. Aber dann zog das energiereiche, in allen Regenbogenfarben strahlende Band über ihre Köpfe hinweg und hinterließ einen Leuchteffekt in der Luft, der gleißender, heller und schöner als die Aurora Borealis war. Dieses Phänomen setzte sich im Inland weiter fort. Abertausende Menschen sahen in den dämmrigen Himmel und beobachteten die Energiewelle dabei, wie sie die Erde und damit ihr Land harmlos passierte. Auch hier kam es zu den Leuchteffekten. Bevor die Welle die Westküste erreichte, verließ sie die tieferen Atmosphäreschichten wieder. Das Leuchtphänomen setzte sich nicht weiter fort, und die unglaubliche Gefahr raste auf einen Kurs davon, der sie in die Sonne stürzen lassen würde. Aber das Leuchten blieb den Amerikanern und jedem, der einen Fernsehsender sah, der die phantastischen Bilder übertrug, die ganze Nacht über erhalten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)