timeless von FALL_Fanell (ehemals : "untiming") ================================================================================ Erinnerungsfetzen ( die dritte ) -------------------------------- Erinnerungsfetzen ( die dritte ) ‚Kaiba Setô’. Seepferd. Also die Kanji des einen Namens. Aber ich glaube, mich zu erinnern, dass ich ihn aus irgendeinem triftigen Grund nicht ‚Kaiba’ nenne, sondern ‚Setô’. Aber nicht wegen der Vertrautheit, die sonst ausschlaggebend dafür ist, dass man den Vornamen nutzt, sondern ein ganz anderer Grund, der mit dem Namen ‚Kaiba’ zusammen hängt. Es will mir nur nicht einfallen, was es ist. Nervös, gelangweilt und vermutlich auch ein bisschen unausgelastet zupfe ich immer wieder an einem Stück der Bettdecke, auf der ich sitze – auf die ich mich gesetzt hatte, nachdem er gegangen war. Er hatte mir nur noch einen letzten, ausdruckslos gespielten, aber irgendwie richtig sehnsüchtigen Blick zugeworfen, hatte sich dann aber abgewandt und war einfach gegangen. Ohne ein letztes Wort, oder eine letzte Geste. Ich gewöhne mich langsam an dieses helle, strahlende Weiß, das Decke, Kissen und überhaupt das Bett ausstrahlen, während ich dort auf der Decke sitze. Mit angezogenen Beinen, einen Arm darum geschlungen, die Stirn auf dem Unterarm abgelegt, die Augen, trotz der Gewöhnung an das Weiß, geschlossen. Fast so, wie ich auch auf dem Plastikstuhl gesessen hatte, nur dass ich jetzt nichts ansehe und statt dessen mir die wenigen Sekunden ins Gedächtnis zurück rufe, in denen er mir den Kuss gegeben hatte. So im Nachhinein wundere ich mich irgendwie, dass ich ihn einfach hatte machen lassen. Immerhin … er ist genauso ein Kerl, wie ich. Kühler, größer zwar, aber ein Mann! Verboten gut aussehend und mit einer derart sexy Stimme ausgestattet, dass es fast schon sträflich ist, dass er überhaupt existiert. Aber ich muss zugeben, einen Moment lang sogar darüber nachgedacht zu haben, wie es wäre, wenn er meinen Namen verführerisch aussprechen würde. Nicht so arrogant wie vorhin, als er es vergeblich versucht hatte, halbwegs freundlich zu sein. Ich stelle fest, dass ich mir gerade sämtliche Vorzüge von ihm aufzähle, ohne es eigentlich zu wollen und schon hebe ich den Blick etwas, lasse ihn mit geöffneten Augen durch den Raum schweifen und versuche krampfhaft, genug Nachteile an ihm zu finden, um das Ganze wenigstens entsprechend abzurunden. Dummerweise sind ‚unnahbar’ und ‚kalter Blick’ die einzigen beiden, die mir spontan einfallen. ‚Größer als ich’ kann durchaus als Vorteil verwendet werden. Eine Sache macht mich aber stutzig. Deshalb hebe ich auch eine Hand langsam an und lege die Fingerkuppen gegen meine Lippen, fahre sie vorsichtig nach, als könnte ich sie aufreißen. So, wie er es mit seinen Lippen auch getan hatte. Sanft, bettelnd, aber zurückhaltend, als wäre er sich nicht ganz sicher, ob es richtig ist, mich zu küssen. Ehrlich gesagt, ich weiß es auch nicht. Aber ich weiß, dass es mir seitdem besser geht und ich weiß, dass es sehr wohl richtig ist - irgendwie widerspreche ich mir gerade selbst. Zumal ich mir fast sicher bin, dass es sogar so sein muss~; dass es mir falsch vorgekommen wäre, hätte er es nicht getan. Ich frage mich nur, in welcher Beziehung ich zu ihm stand. Er ist mal mein Klassenkamerad gewesen, aber das ist sicher kein Grund, mich zu küssen. Vor allem nicht so~. Wäre es kurz, gequält und die Einlösung einer bekloppten Wette gewesen, hätte ich das mit ‚Klassenkamerad’ in Verbindung bringen können. Aber so nicht. Nicht mit dieser Zärtlichkeit, mit der er es getan hatte und die ich ihm irgendwie im ersten Moment gar nicht zugetraut hatte. Ich lasse mich ruckartig mit den Kopf zurück in das Kissen sinken, weshalb ich ganz kurz schmerzverzerrt die Augen schließen muss. Verdammt, ich hab vergessen, dass ich immer noch den Basketballkorb im Kopf habe. Deshalb rolle ich mich sofort auf eine Seite, sodass mein Hinterkopf wieder frei liegt. Ich kann es eh nicht leiden, auf dem Rücken zu liegen. Doch bevor ich mich auf den Bauch drehe, prüfe ich vorsichtshalber, wie weit die Bettkante noch entfernt ist. Erst dann lasse ich mich wieder auf die Brust sinken und vergrabe das Gesicht im Kissen, wodurch ich die Luft anhalten muss. Atmen geht nicht mehr. Ich denke nicht wirklich ernsthaft gerade darüber nach, ob ich und … ‚Setô’ mal eine Beziehung gehabt haben, oder? Ich halte mir die Ohren zu, als könnte mir tatsächlich jemand auf meine gedanklich gestellte Frage antworten. Aber das Einzige, was ich höre, ist die inzwischen wieder eingetretene, etwas hektische Geräuschkulisse vor meinem Zimmer. Das muss ich mir merken und ab jetzt immer kurz vorher rausgehen. Dann hab ich wenigstens meine Ruhe vor kreischenden Bälgern, meckernden Eltern, übermüdeten Ärzten und überforderten Krankenschwestern. „Kon’nichi wa~! Ich bringe Ihnen das Mittag!“. Zur selben Kategorie gehört das Individuum, das gerade voller Tatendrang, mit Übelkeit verursachender, übertrieben guter Laune in mein Zimmer gesprungen kommt, die Tür vorwarnungslos aufreißt und sich stolz präsentiert. Ich schnaube in das Kissen und glaube zuhören, wie sie zusammen zuckt, aber ich sehe es nicht. Ich sehe gar nichts, ich kann nur raten, aber es riecht verdächtig nach … „Da Sie an sich kerngesund sind, nur ein paar einzelne, blaue Flecken haben und sich auch sonst, den Umständen entsprechend, hervorragend bewegen können, dürfen Sie ganz normal Mittag essen. Aber kommen Sie aus dem Kissen raus, sonst muss ich Ihre Portion wieder mitnehmen. Aber ich werde sie Ihnen sicher kein zweites Mal vorbei bringen, ich liebe~ Ramen!“. Das ist Folter, nur dass diese übermotivierte Tussi das nicht zu wissen und schon gar nicht zu merken scheint. Deshalb hebe ich ruckartig den Kopf, sehe sie finster an und setze mich wieder auf, halte ihr beide Hände offen hin. Ich will diese Nudeln! Erstens habe ich, wie es mir vorkommt, seit Tagen nichts Richtiges gegessen, zweitens sind Nudeln immer noch besser als Natto und drittens … habe ich dann endlich etwas, was ich der nächsten glänzenden Krankenschwester entgegen werfen kann, damit sie aufhört, mich zu verstrahlen! Dieses Etwas da in meiner Tür, das jetzt langsam auf mich zu kommt, trägt ebenfalls dieses übertreiben helle Weiß über die Schultern, aber bei ihr sieht es nicht ganz so aufgetakelt aus, wie bei der anderen, die versucht hatte, mich an einem Metallstab ersticken zu lassen. Deshalb nur sage ich ja auch nichts. Sonst hätte ich ihr einen ganzen Haufen übler Beleidigungen an den Kopf geworfen. Immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass ich dann genauso reagieren würde, wie ‚Setô’, der auch nicht gerade freundlich auf mich reagiert … mich aber dann geküsst hatte! Aber ich will jetzt und hier ganz sicher nicht über eine der Krankenschwestern herfallen. Zumal die sicher nicht so einverstanden damit wäre, wie ich bei ihm eben. Mal abgesehen davon, dass es sicher unwahrscheinlich ist, dass ich über eine Krankenschwester herfalle. Sie stellt mir einen kleinen Tisch über die Beine, auf dem die kleine Schüssel mit der Suppe steht und auch noch verführerisch riecht und dampft und mich einfach nur drauf starren lässt. Nicht nur diese Krankenschwester mag diese Nudeln, das kann ich bezeugen und noch bevor sie wirklich die Tür hinter sich schließen kann, habe ich längst angefangen, mich wie ausgehungert darauf zu stürzen. Die Tatsache, dass ich mir gerade die Zunge halb verbrenne, lasse ich mal außen vor und kümmere mich lieber um die Nudeln, die man mir gebracht hat. Aber wahrscheinlich hätte ich mich heute auch auf Nattô gestürzt, muss ich gerade zugeben, denn ich merke erst jetzt, wie viel Hunger ich tatsächlich habe. Ich muss Yûgi dringend fragen, wie lange ich geschlafen habe. Außerdem will ich endlich wissen, wieso~ ich eingeliefert worden bin, welches Datum heute ist, wie ich mit dem Studium jetzt weitermachen soll, welche Durchschnittsnote ich am Jahresende gehabt habe, wie ich auf die bekloppte Idee gekommen war, Jura zu studieren, wann ich mit diesem seltsamen Sprachgebrauch begonnen hatte, ob ich mit Setô zusammen bin … oder nein, lieber, ob ich überhaupt eine Beziehung führe … wie es meiner Schwester geht … Ich setze von den Nudeln ab und sehe nur noch in die Schüssel hinab, wo ich die letzten paar Nudeln beobachte. Meine Schwester. Daran habe ich bisher ja noch gar nicht gedacht. Ich weiß nicht mal, wie es ihr~ in den letzten drei Jahren ergangen war. Wahrscheinlich ist sie inzwischen erblindet. Immerhin hat Kaa-san ganz sicher nicht die Muße, ihr zu helfen und weder ich noch mein Vater haben das Geld dazu. Ich bin ja schon froh, dass ich überhaupt halbwegs über die Runden komme. Eine Operation ist da doch nie drin, zumal sie ja nur in Deutschland durchgeführt werden kann. Es sei denn, man beordert die Spezialisten dafür hierher, aber das wäre sicher noch teurer, als Shizukas Reise nach Deutschland. Nur langsam sammle ich mit den Stäbchen die restlichen Nudeln nun doch noch aus der Schüssel. Jetzt bekomme ich endlich wieder etwas Vernünftiges zu essen, da sollte ich das wenigstens auch nieder machen. Den Nori kann ich zwar eigentlich nicht leiden, aber heute ist er irgendwie genauso gut, wie die Nudeln selbst. Liegt sicherlich daran, dass ich einfach nur Hunger habe. Gerade so kann ich die Nudeln wirklich leeren, als die Tür zu meinem Zimmer wieder aufgeht. Irgendwie hektisch klammere ich mich an die Schüssel, in der Erwartung, dass die Schwester von vorhin wieder kommt und sie mir wegnehmen will. Aber statt einer Schwester kommt sie~ zur Tür rein und völlig baff lasse ich die Stäbchen fallen, die klackernd auf dem kleinen Tisch aufkommen. Es ist … Shizuka! Schwester! Also, meine~ Schwester, die kleine, auf die ich immer aufgepasst habe. Aber das ist sie nicht mehr. Ich erkenne sie sofort als Shizuka, aber sie sieht … toll aus! Sie hat sich total verändert. Ihre Haare sind länger, sie hat ein echt hübsches Gesicht - nicht, dass ich Ahnung hätte, aber sie ist definitiv hübscher als Anzu! Wow~ … Das ist Shizuka. Meine kleine Schwester. Sie sieht gar nicht mehr wie eine kleine Schwester aus, auf die man aufpassen muss. Im Gegenteil. Obwohl sie ihre Schuluniform trägt, scheint sie sich gut allein durchschlagen zu können. Mit ihrem üblichen Lächeln kommt sie etwas schüchtern zu mir hinüber und sieht mich trotzdem sorgenvoll an. Eilig nehme ich die Stäbchen wieder auf, lege sie auf die Schüssel und stelle das samt Tisch neben mich auf dieses Gerät, das ich heute Morgen erfolgreich abgestellt habe. Einen Augenblick überlege ich, wieso das noch niemand kontrolliert hat und wieso mich noch keiner eingehender untersucht hat. Immerhin sah es ja so aus, als hätte ich eine Art Koma gehabt. Aber keiner geht mehr darauf ein. Shizuka nimmt sich einen Stuhl und stellt ihn sich an mein Bett, wo sie sich auch setzt und dann wieder lächelnd zu mir hinauf sieht. In dieser Hinsicht hat sie sich kein bisschen verändert. Lieb, niedlich und jetzt auch … hübsch! Ich kann mir gerade lebhaft vorstellen, wie sie zum „Valentins Day“ oder zum „White Day“ mit Geschenken und Grüßen überhäuft wird. Ein Mädchen, das von überall angehimmelt wird, aber alle abblitzen lässt. Hoffe ich jedenfalls, dass sie nicht auf alles~ eingeht! Sie ist meine~ Schwester! Eine falsche Berührung, Leute … ich führe Selbstgespräche! „Yûgi-kun hat mich angerufen und Bescheid gesagt, dass du wach bist. Aber auch, dass du dich im Moment noch nicht an alles erinnerst. Das ist nicht schlimm. Ich kann dir ja das Wichtigste erzählen.“. Das hatte Yûgi auch schon versucht und bis jetzt ist nichts dabei herausgekommen. Das Letzte, was ich noch machen könnte, wären die Karten anzusehen. Aber ich … hab irgendwie Bammel davor, sie anzusehen. Weiß auch nicht, wieso. Irgendwas sträubt sich da in mir. Eine Vorahnung - lol! Dabei kann da eigentlich nichts Schlimmes bei sein. So~ aufregend kann mein Leben nicht gewesen sein. Zumal es ja immerhin nur drei Jahre sind. Oh, hey, Sekunde. Seit wann sind es nur~ drei Jahre? Das ist trotzdem zu viel. Shizuka hat sich extrem verändert, Yûgi ist viel größer geworden und ich bin oder war oder was-auch-immer mit einem riesigen Kerl liiert, der mich erst nieder macht und dann verführt! Ist der eigentlich schizo und ich habe nur mit einer Seite was zu tun? Das würde einiges erklären, aber danach sah er eigentlich nicht aus. „Schwänzt du deswegen jetzt eigentlich die Schule, Imôto-chan? Es ist doch gerade mal Mittag.“. „Nein, keine Sorge.“. Sofort hebt sie beschwichtigend die Hände und hält sie irgendwie abwedelnd vor die Brust. Wäre sie nicht meine Schwester würde ich die Geste wohl nutzen, um noch ganz andere Sachen anzustarren und frage mich ernsthaft, wieso ich~ mit einem Kerl was zu tun habe! Was noch nicht bewiesen ist! Aber auch nicht abgestritten … Ich muss dringend mit dem reden! „Wir hatten Schulausflug und als ich meiner Lehrerin gesagt habe, du seiest wach, hat sie mich regelrecht her gescheucht.“. Halt, Stopp! Zwei Fragen habe ich noch, bevor du weiter redest! Sofort hebe ich deshalb eine Hand, in der Hoffnung, dass es die gleiche Wirkung hat, wie bei Yûgi und dessen … meiner~ Clique. Aber sie hält nicht still. Redet einfach weiter. Anscheinend hat man sie~ anders erzogen, als die anderen drei. Oder ich habe zu wenig mit ihr zu tun gehabt, was mich nicht wundern würde. „Deswegen bin ich dann auch gleich hergekommen, um dich zu sehen. Ich bin ja so froh, dass du wieder wach bist. Ich war zu dem Zeitpunkt auch in der Schule. Wie es sich gehört, ich konnte dir noch weniger helfen, als Yûgi-kun oder so. Die waren ja wenigstens auf dem gleichen Campus. Aber wahrscheinlich hätte ich ohnehin nicht viel tun können. Tut mir leid.“. Leicht schüttele ich den Kopf, um ihre letzte Aussage zu dementieren. Dafür kann sie ja nichts. Ich weiß noch immer nicht genau, was~ eigentlich passiert ist, aber so, wie es bisher aussieht, scheint es ja was schwerwiegendes gewesen zu sein. Da hätte sie mir wirklich nicht helfen können. Es sei denn, sie hat in den letzten drei Jahren … Moment mal! ‚zu sehen’?? Da~ … im ersten Satz, nachdem ich die Hand gehoben hatte. Sofort hebe ich beide Hände an und halte sie gegen ihre Wangen, drehe ihr Gesicht ganz zu mir und sehe ihr in die Augen. Das konnte nicht sein. Wann war das passiert? „Du kannst sehen? Wer war das? Ich muss mich bedanken!“. Sie sieht mich einen Moment etwas perplex an, verstummt aber sofort, bevor sie die eigenen Hände ebenfalls hebt und gegen meine legt, sich irgendwie an meine Hände ankuschelt. „Das warst du~, Nii-chan! Du hast damals die Operation bezahlt.“. „Wie? Aber … “. Wovon denn? Ich hab nie Lotto gespielt, also kann es kein Gewinn gewesen sein. Ungläubig starre ich sie an und sie fängt an zu kichern. Noch einmal kurz kuschelt sie sich an, bevor sie meine Hände von sich nimmt und aufsteht, um das Bett herum geht. Von dem kleinen Tisch neben meinem Bett nimmt sie den Stapel Karten, den Hiroto dorthin gelegt gehabt hatte, den ich mir mehr oder weniger hatte anschauen wollen, mit dem es mir angeblich besser gehen sollte. „Hiermit! … und weil Yûgi-kun dein mit Abstand bester Freund ist und Honda-kun dich immer so gut unterstützt hat.“. Ich strecke etwas zögerlich eine Hand aus, weshalb sie mir die Karten sofort reicht und ich sie noch etwas unsicher annehme. Doch zuerst sehe ich nur den Kartenrücken an und sie fängt an, mir die Geschichte zu erzählen. Darüber, wie ich sie angerufen und von dem Preisgeld bei einem Turnier erzählt hätte. Dass ich ihre Operation bezahlen würde, ganz gleich, was es kostet. Dass 90% des Geldes tatsächlich dafür drauf gegangen sind und ich den Rest auf einem Konto liegen habe, an das ich danach nicht einmal mehr ran gegangen bin. Wahrscheinlich hat sich da durch ein paar Zinsen auch wieder ein bisschen was angesammelt. Wie in Trance drehe ich derweil den Stapel um und schaue die Karten durch. Doch wider erwarten kann ich keines der Bilder mir ins Gedächtnis rufen, die sie mir erzählt. Selbst die nicht, von denen ich ihr nach dem Turnier erzählt hatte. Vor allem solche Sachen, wie das, als ich mich mit einem bösen Geist, der von einem Jungen namens ‚Ryô-kun’ Besitz ergriffen hatte, anlegte. Ich kenne Ryô nicht einmal. Ich muss Yûgi bei Gelegenheit nach ihm fragen. Mehr am Rande bekomme ich ihre weiteren Erzählungen mit, doch bei einem Satz muss ich aufsehen, sie etwas irritiert anstarren. ‚Mit dem Hubschrauber von Kaiba-kun von der Insel weg’? „Hubschrauber? Setô-kun hat einen Hubschrauber?“. „Ach, wieso denn –kun? Ich weiß, ihr habt im Moment Probleme, aber es klingt besser, wenn du das –kun wieder weglässt.“. Probleme? Ohne ‚-kun’? Das heißt, ich bin echt mit ihm zusammen! Ich muss wieder einen Blick aufsetzen, der wohl alles aussagte, immerhin hob sie daraufhin eine Hand kurz an das Gesicht und sah mich entschuldigend an. „Ach, stimmt ja, entschuldige. Du weißt ja im Moment nichts davon.“. „Erzähls mir!“. Ich lege hektisch den Stapel Karten weg und sehe sie ernst an. Ich will das jetzt wissen. Bin ich mit ihm zusammen? War ich das mal? Wenn nicht, was genau habe ich mit ihm zu schaffen, wenn ich ihn ohne Anrede nennen soll? Zumal mir gerade auffällt, dass ich immerhin den Vornamen benutzt habe. Aber das liegt auch immer noch daran, dass ich das Gefühl habe, dass mit seinem Nachnamen etwas nicht stimmt und ich ihn nicht benutzen will~! „Ihr … eigentlich habt ihr euch gegenseitig immer die Pest an den Hals gewünscht.“. Sie kichert. Ich weiß zwar spontan nicht, was daran so lustig ist, wenn man sich derartig nicht ausstehen kann, aber bitte. Zumal es hier um mich und jemanden geht, der aussieht, als könne er jede~ Frau haben, wenn er nur wollte. Aber nein, er gibt sich mit mir~ ab. Mit mir! Ich bin laut, unordentlich, ungehobelt und habe einen Gossenslang – und mit so was ist jemand angeblich zusammen, der einen – meiner Meinung nach hässlichen, weißen - Maßanzug eines teuren Modelabels trägt! Irgendwas stimmt hier nicht. Definitiv! „Aber … irgendwann war es so schlimm, dass ihr einfach nicht mehr ohne den anderen ausgekommen seid. Kaiba-kun ist richtig aggressiv geworden, wenn du nur mal drei Tage nicht gesagt hast, wo du warst. Obwohl du nur Erkältet warst und keine Chance gehabt hast, die Nachricht der Schule zukommen zu lassen. Du hingegen … “. Irgendwie beschämt wendet sie den Blick ab. Na, so~ schlimm kann das ja nicht sein. Noch mehr, als sonst konnte ich mich ja schlecht blamiert haben. „Er war mal anderthalb Monate nicht da, wegen einer Firmenbesprechung. Einer wichtigen~ Besprechung, die er weder abblasen noch verschieben konnte und er hat auch keine Möglichkeit gehabt, sich zu melden. Kurz vorher hattest du mir gebeichtet gehabt, dass du dich gerade wegen der Streitereien und Kabbeleien und der ganzen Behandlung von ihm … “. Langsam hebt sie wieder den Blick, sieht mich traurig und ein bisschen mitgenommen an. Ich werde mich wohl kaum in mein Zimmer eingeschlossen haben und geheult. „Du hattest mir erzählt, dass du dich in ihn verliebt hättest und … “. Irgendwie hatte ich das erwartet. Ich weiß nicht. Irgendwie! Aber wahrscheinlich ganz einfach wegen dem, was heute Vormittag passiert war, als er mich geküsst hatte und ich mich danach schlagartig besser gefühlt habe. Es ist noch da. Alles! Ich kann mich nur nicht daran erinnern. Deshalb war es mir sofort besser gegangen. Langsam und zögerlich hebt sie eine Hand, deutet zu meinen Händen und senkt den Blick wieder ab, schluchzt leise. „Du hast damals gedacht, dass er wegen dir einfach geflohen war, um dich nicht mehr ertragen zu müssen. Das hat dich so fertig gemacht, dass du … dass du … “. Sie kommt irgendwie nicht weiter, deshalb hebe ich die Hände und zeige sie ihr, doch sie greift nur sofort danach und dreht sie auf den Rücken, sodass die Handflächen nach oben zeigen. Ich senke den Blick auf ihre und meine Hände ab. Ihre zittern leicht, doch meine Aufmerksamkeit fällt auf zwei längliche, schwach rötliche Streifen auf meinem linken Handgelenk und ich muss reglos verharrt darauf starren. „Du hast versucht, es ihm Recht zu machen, als Beweis für deine Empfindungen, weil er dir nicht glauben wollte.“. Es muss schon eine ganze Weile her sein, weil es nur noch sehr schwach rot ist, im Grunde bereits komplett verheilt. Nur die Narben sind noch da. Die Narben, die entstehen, wenn man sich die Pulsadern aufschneidet. Nur diese beiden Narben. Mehr nicht. Kein Ritzen, keine kleineren Schnitte. Nur diese beiden. Wieso … waren sie mir vorher nicht aufgefallen? Ich muss wirklich … wirklich~ verzweifelt gewesen sein. Eigentlich hatte ich mir so etwas nie zugetraut. Ich habe langsam das Gefühl, dass jedes Mal, wenn ich eine Frage beantwortet bekomme, sich hundert Neue aufstellen. Eine Kettenreaktion. Richtig schlimm! Wie konnte es soweit kommen, dass ich von irgendetwas so mitgenommen werde, dass ich so verzweifelt bin, mir das Handgelenk aufzuschneiden? Da geht doch nicht! Ich komme mit allem klar! Meistens! Eigentlich immer! Ich habe nie auch nur mit dem Gedanken gespielt, geschweige denn über eine Ausführung nachgedacht. Das Ausführen selber völlig außer Acht gelassen. Ich bin suizidgefährdet! War es … wie auch immer. Völlig gedankenverloren starre ich immer noch auf die Narben, als Shizuka ihre Hand hebt und vor meinem Gesicht wedelt, meine Aufmerksamkeit sucht und bekommt. Sofort hebe ich den Blick wieder an, nicke schwach, dass ich wieder halbwegs voll da wäre. Einen Moment sieht sie mich noch besorgt an, bevor sie endlich wieder lächelt und auch mich wieder etwas fröhlicher damit stimmt. Ihr Lächeln ist ansteckend. Für mich und … sie erzählt weiter. „Kaiba-kun hat seine Reise deswegen abgebrochen und ist nach hause zurück gekommen. Ich weiß nicht, welche Konsequenzen das für das Treffen und die Ergebnisse daraus gehabt hat. Aber ich weiß, dass er~ es gewesen ist, der dich nach deinem Suizidversuch wieder auf die Beine gebracht hat. Er hatte es nämlich bemerkt, wieso du das getan hast und … etwas später hat er versprochen, dir ab jetzt zu glauben. Im Gegenzug dazu hast du dich richtig reingehängt, um die Schule ordentlich abzuschließen.“. Sie lächelt noch einmal richtig und hebt die Hände wieder etwas an, legt sie auf meine Handgelenke, sodass ich von den Narben abgelenkt werde. Doch in dem Moment muss ich sie unterbrechen und eine der vielen Fragen loswerden, die mich schon länger beschäftigen. „Welchen Durchschnitt habe ich? Mutô-kun meinte, ich studiere Jura. Das geht wohl kaum mit maximal 3,0.!“. „Nein, das wäre wirklich etwas wenig. Du hast dich innerhalb eines halben Jahres auf 2,5 hochgearbeitet, aber die Klasse freiwillig danach noch einmal wiederholt und dann mit 1,3 abgeschlossen. Dadurch warst du sofort für das Studium angenommen.“. Überfordert! Das ist wahrscheinlich die genaueste und kürzeste Bezeichnung für meinen Zustand gerade. 1,3? Das geht doch gar nicht! Wie habe ich das denn gemacht? Gespickt? Abgeschrieben? Klausurbögen geklaut? 1,3 habe ich nie auf ehrliche, verdiente Weise geschafft. Auf keinen Fall. Zumal das wie ein Abschluss klingt, der regelmäßig von Klassenbesten erreicht wird. Ich war nie~ Klassenbester. Ganz sicher nicht! „Ach ja, jetzt hätte ich fast etwas vergessen.“. Eilig kramt sie in ihrer kleinen Schultasche, in der sie nur das Nötigste dabei zu haben scheint. Aber sie hatte vorhin etwas von einem Schulausflug erzählt gehabt. Da braucht man ja natürlich nicht viel. Aus einem der wenigen Hefter nimmt sie eine Glückwunschkarte und reicht sie mir, die ich auch gleich annehme. Eine Karte an mich? Von einer ganzen Gruppe? Immerhin sind da x Unterschriften drin. „Von deiner Studiengruppe gute Besserung und vom Universitätsrat viele Glückwünsche. Sie hoffen vor allem, dass du ihnen bald wieder hilfreich unter die Arme greifen kannst. Die Vorbereitungen für das Campusfest hängen nämlich fest, seit du die Organisation nicht mehr leitest.“. Uah~ … hör doch mal auf, andauernd mir irgendwas vorzubeten, was ich vorher gedanklich abgestritten habe! Ich bin kein erfolgreich-Schulabschluss-Typ, ganz zu schweigen von 1,3 und noch weniger Jura! Ich kann kein Schulfest organisieren! Ich kann nicht mal mich selbst richtig organisieren. Ich will nicht mehr. Kann ich nicht einfach noch mal aufwachen und feststellen, dass mein derzeitiger Zustand doch von dieser dummen Schulhofschlägerei kommt? Meinetwegen auch mit gebrochenem Arm! *** ~ TBC ~ *** Dieses Kapitel hat eine ganze Menge Zeit beansprucht. Vor allem, weil ich kurz vor dem Auftauchen Shizukas ne Fette Verschnupfung mir eingefangen hatte und gerade noch klar denken konnte. An FF schreiben war gar nicht zu denken … x__X … Zumal meine Gedanken eh um die LBM06 gekreist sind und darum wie ich mit dem miesen Gleichgewichtssinn aka Erkältung da noch heil ankomme … XD Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)