timeless von FALL_Fanell (ehemals : "untiming") ================================================================================ Erinnerungsfetzen ( die erste ) ------------------------------- Erinnerungsfetzen ( die erste ) Ein ruhiges, dumpfes, leises aber extrem nerviges und überflüssiges Pfeifen. Direkt in meinen Ohren, in meinem Kopf. Als hätte ich seit neuestem die Gabe Hundepfeifen zu hören. Okay, manchmal hätte ich tatsächlich schwören können, sie gehört zu haben, was mir nie jemand geglaubt hatte, aber dieses~ Pfeifen im Moment ... das ist keine Hundepfeife, ganz sicher nicht. Dazu ist es in seinem schrillen Ton zu sehr unterdrückt, als höre ich es nur durch ein Kissen. Oder aber dem ist sogar so, dass ich es durch ein Kissen höre ... gehört hatte~! Denn genau in dem Moment, als ich darüber nachdenke, bricht es ab. Unvermittelt, einfach so, ohne Vorwarnung. Nichts. Nicht, dass mich das stören würde, im Gegenteil, ich bin heilfroh, dass es endlich aufhört, doch wird es ersetzt. Nur Sekundebruchteile später brummt es, schmerzt es in meinem Kopf und ich muss die Augenlider aufeinander pressen, um mich nicht dem Drang auszusetzen, laut aufzuschreien. Ich habe das Gefühl, es hämmere von innen gegen meine Schädeldecke, wie ein ,Mann im Ohr', nur in diesem Fall im Kopf, auf einer gigantischen Fläche Sand, die mit dem entsprechenden Gerät geebnet werden muss. Ich habe Glück, denn auch dieses Gefühl verebbt langsam, aber stetig und ich kann wieder kontrolliert atmen, nachdem ich kurzzeitig die Luft hatte anhalten müssen, um nicht doch noch dem Schrei nachzugeben. Ich nutze die Chance, der halbwegs eingetretenen Ruhe in meinem Kopf, um zu versuchen, die Augen zu öffnen, was - zugegebenermaßen zu meiner eigenen Verwunderung - tatsächlich funktioniert. Ich hatte erwartet, mich nicht mehr regen zu können. Kein Wunder, wenn man so wie ich zugerichtet worden war. Ich atme tief aus und das Erste, was in mein Blickfeld fällt, ist natürlich - wie kann es auch anders sein - mein viel zu langer Pony. Wann bin ich das letzte Mal bei einem Frisör oder etwas ähnlichem gewesen? Muss auf jeden Fall schon eine Weile her sein. Vielleicht sollte ich das als nächstes in Angriff nehmen. Zumindest würde mir das ein wenig dabei helfen, mal wieder klar zu sehen, was in diesem Moment nicht ganz der Fall ist. Ich sehe nur verschwommen die blonden Strähnen, die in mein Gesicht fallen und dafür sorgen, dass das, was sich noch in meinem Blickfeld befindet, erst recht nicht zu erkennen ist. Es ist nicht viel und im ersten Moment kann ich nur eine weiße Wand und ein paar bunte Flecken erkennen, die sich irgendwann, sollte ich dann demnächst mal wieder klar sehen können, sicher als irgendwelche Gegenstände entpuppen würden. Aber jetzt ist es noch zu verschwommen. Ich muss ja echt heftig was abbekommen haben. Das Pfeifen kehrt zurück, ganz langsam aber es sorgt dafür, dass ich die Augen wieder schließe und mich wieder darauf konzentriere, mich nicht lauthals bemerkbar zu machen. Dabei fällt mir auf, dass es ein anderes Pfeifen ist als vorhin. Es ist nicht mehr dauerhaft, ununterbrochen, sondern rhythmisch, wie ein Takt, den man zu einer Musik vorgibt. Musik ist allerdings keine zu hören. Nur das stetige, gleichmäßig Piepen, das mir sicher bald so sehr auf die Nerven gehen würde, dass ich den Urheber einfach zu Kleinholz verarbeite, nur damit es endlich aufhört. Guter Vorsatz. Jetzt müsste man den nur noch in die Tat umzusetzen versuchen, indem man die Augen wieder öffnet, sich aufsetzt und erst einmal nachsieht, um was es sich eigentlich handelt, das mich derart um meine wohlverdiente Ruhe bringt. Ja~ ... Ruhe habe ich sehr wohl verdient, ich bin immerhin das Opfer in dieser Sache gewesen. Was kann ich denn dafür, dass sich da jemand als Pseudo-,Retter in der Not' hatte aufplustern müssen. Mir fällt auf, dass ich mich nicht mehr an den Namen erinnere. Ist wohl auch nicht so wichtig. Aber so einfach, wie das ist, sich alles auszumalen mit dem Aufrichten und so, so schwer ist es, das in die Tat umzusetzen. Ein falscher Gedanke an die rechte Hand, die man zum Aufstützen nutzen will und schon zieht ein pochender Schmerz vom Kopf über die Schulter bis in eben jene Hand hinab, die alle Bewegung, sollte sie stattgefunden haben, wieder verharren lässt und mich in die ursprüngliche Position zwingt - vorausgesetzt, sie hatte sich innerhalb dieser wegen Sekunden überhaupt verändert. Noch einmal atme ich tief durch und öffne wieder langsam die Augen, versuche noch einmal zu erkennen, um was es bei den bunten Flecken handelt. Ich habe Glück, mein Blickfeld ist tatsächlich Klarer geworden und ich kann immerhin schon sicher sagen, dass das hier nicht~ meine Wohnung ist und auch nicht die, von einem meiner Freunde. Was mir natürlich die Frage aufdrängt, wo~ ich eigentlich genau bin. Ich zwinge mich dazu, die auftretenden Schmerzen zu ignorieren und den Kopf langsam zu drehen, den Blick zu meiner rechten Hand zu wenden und diese erwartungsvoll anzustarren. Ein hoch auf die Selbstbeherrschung, ich schaffe es tatsächlich die Hand kurz zu heben und etwas weiter oben wieder abzulegen, wo ich mich auf eben diese stütze und langsam zur Seite rolle, den Blick zur Seite wendend, um nicht irgendwo dagegen zu prallen. Mich einfach auf den Bauch fallen lassend, atme ich wieder tief durch. Ich hasse es, auf dem Rücken zu liegen. Warum auch immer, es ist nun mal einfach so. Verklag mich doch! Ich werde ganz sicher nicht auf einmal damit aufhören, es zu hassen, nur weil ich gerade feststelle, dass ich in einem Bett liege, das so blendend weiße Wäsche hat, dass ich die Augen schließen muss und dass es nur einen Ort gibt, der mir spontan zu solcher Bettwäsche einfällt ... und ich stelle fest, dass es noch so einige Sachen gibt, die ich abgrundtief hasse. Das lange Liegen auf dem Rücken, wovon ich immer Halsschmerzen bekomme - heute habe ich Schmerzen überall, da fällt das nicht auf, aber es ist eine Tatsache - ist nur eines davon. Dazu gehört auch dieser Ort. Ich hasse ihn, verabscheue ihn und immer, wenn es nur eine winzige Wahrscheinlichkeit gibt, ihm zu entkommen, nutze ich sie, nur um nicht hier sein zu müssen. Ist es dann noch verwunderlich, dass ich nicht ruhig liegen bleiben kann? Ich ziehe beide Hände neben meine Brust und stütze mich wieder auf die Hände auf, drücke mich in eine halbwegs aufgerichtete Position, soweit das von der Bauchlage aus möglich ist und sehe auf die hellweiße Wäsche und meine Hände hinab. Ich kann wieder voll klar sehen. Das ist doch schon mal etwas. Nicht viel, weil mir immer noch alles weh tut, aber immerhin. So kann ich wenigstens nicht gegen die nächste Glastürlaufen, die mich an meiner Flucht aus diesem Gebäude hindern will. Was aber gerade meine Aufmerksamkeit wirklich auf sich zieht, ist das stechende Gefühl in meinem rechten Handrücken und die Kanüle, die samt Schlauch an eben diesem Handrücken festgeklebt ist. Ich lasse mich auf die Seite fallen, will die Kanüle samt Nadel und so, aus und von meiner Hand entfernen, als ich feststelle, dass ich mich auf die gleiche Seite hatte fallen lassen, wie ich mich eben schon gerollt hatte. Folglich beweise ich mir damit gerade, dass diese Krankenhausbetten doch nicht so groß sind, wie sie einem im Fernsehen immer vorkommen. Kurz bevor ich mit einem dumpfen Knall auf dem Boden aufkomme, spüre ich ein Ziehen und Zerren an dem gewissen Handrücken, aus dem sich die Nadel jetzt durch den Schwung löst. Diese Kabel - Schläuche? - sind ganz offensichtlich auch nicht sonderlich lang. Doch das war nicht das Einzige, worüber ich mir gerade Sorgen mache. Denn kaum, dass ich den Boden erreiche, scheinen noch mehr Kontakte zu reißen, denn das Piepsen weitet sich schlagartig wieder in ein durchgezogenes, schrilles Pfeifen aus und zwingt mich, die Hände ruckartig gegen die Ohren zu pressen. Ein EKG? EEG? Ich konnte die noch nie auseinander halten. Jedenfalls das Teil, das meine Herzfrequenz aufzeichnet und jetzt natürlich keine Frequenz mehr zum Aufzeichnen findet. Ich stelle mich darauf ein, jeden Augenblick von einer Meute Ärzte und Schwestern umringt zu sein, die genauso hellweiße Sachen tragen, wie das Bett, in dem ich bis eben noch gelegen hatte. Geht es als Notwehr durch, wenn ich denen irgendwas entgegen werfe, nur damit sie nicht mehr aussehen, als wollten sie mich damit verstrahlen oder erblinden lassen? Ich empfinde es durchaus als schwere Körperverletzung, überhaupt so angestrahlt zu werden. Womit waschen die das eigentlich? Mit Bleichmittel mit eingebautem Neonweiß? Das ist fast so schlimm, wie frisch gefallener Schnee, auf den die Sonne drauf knallt. Jedoch geschieht in den nächsten anderthalb Minuten rein gar nichts, bis auf die Tatsache, dass ich die Geduld verliere und mich langsam, aber sicher aufrapple. Mit den Händen mich überall abstützend, wo ich entlang gehe und was immer ich dafür finden kann, taumle ich, als hätte ich zu viel getrunken, oder zu wenig geschlafen, in Richtung des Gerätes, das diesen unsagbar schrillen Ton von sich gibt, mit dem man jeden noch so geplagten Gehörgang noch einmal überstrapaziert und ich bin mir sicher, dass mein~ Gehör noch halbwegs feinfühlig ist. Zumindest noch~. Folglich stellt sich das Hämmern in meinem Kopf wieder ein, das das Schrillen zu übertönen versucht. Ich muss mich einem anderen Problem stellen : Dieses Gerät abzuschalten. Es hat etwa fünfhundert gleichfarbige Knöpfe, von denen nicht einer aussieht, als würde er dazu dienen, die Lautstärke zu regeln, geschweige denn, es abzustellen und macht auch nicht den Eindruck, als würde es irgendwann von allein aufhören. Deshalb mache ich es mir so leicht wie möglich, ziehe den ganzen Karren, worauf das Gerät steht, ein paar Zentimeter zu mir heran, gehe ein paar Schritte darum herum und lasse mich dann auf die Knie fallen. Mit einer einzelnen, präzisen Bewegung ziehe ich eiskalt den Stecker und klaue dem Teil halt einfach den Strom. Problem gelöst! Langsam lasse ich mich sinken, lehne mich gegen die Wand und setze mich auf meine Füße, lege die Hände in meinem Schoß ab und senke den Blick auf diese ab. Mein rechter Handrücken ist Blutverschmiert und an meiner linken Hand habe ich am Zeigefinger ein Pflaster um die Fingerkuppe gebunden. Das ist alles? Das auf dem Handrücken kommt immerhin davon, dass die Nadel so abrupt herausgezogen worden war. Aber insgesamt sind meine Hände in einer besseren Verfassung, als ich das erwartete hatte. Immerhin hatte ich doch auch zugeschlagen in dieser Auseinandersetzung, die mich hergebracht hatte. Doch die Knöchel sind heil. Sofort balle ich die Hände zu Fäusten, öffne sie wieder und balle sie abermals, als erwarte ich, dass die Verletzungen doch noch kommen. Doch das Einzige, was ich damit bewirke, ist, dass die Schmerzen im restlichen Körper mehr und mehr abklingen. Nur das schwache Pochen der Verletzung auf dem Handrücken bleibt. Außerdem das Hämmern im Kopf, weshalb ich die linke Hand hebe und sie gegen die Stirn halte, in der Hoffnung, es würde so auch verebben. Doch diesen Gefallen tut es mir natürlich nicht. Jedoch erkenne ich jetzt, weshalb mir der Kopf so wehtut. Über die gesamte Höhe der Stirn trage ich einen festen Druckverband. Um den ganzen Kopf, wie ich feststelle, als ich die Konturen des Verbandes nachfahre und das Ende zu finden hoffe. Gleichzeitig erhebe ich mich langsam noch einmal, indem ich mich auf die malträtierte Hand stütze und wieder alle herumstehenden Gegenstände als Stütze nutze. Mein Kopf fliegt herum und ich bleibe abrupt, wie angewurzelt stehen, als sich hinter mir die Tür zu diesem kleinen Raum öffnet und ich aus vier Paar Augen verblüfft, entsetzt, perplex und durchaus überrascht angestarrt werde. Hiroto kenne ich. Seit der Mittelschule. Damals waren wir zufällig in einer Klasse gelandet, aber wir hatten uns auf Anhieb verstanden. Allerdings sind wir durch unsere Raufereien, Reibereien und dämlichen Ideen immer und überall aufgefallen - vor allem in der Mittelschule, was sich aber mit dem Wechsel in die Oberstufe nicht wirklich geändert hatte. Seitdem sind wir Kumpels und prügeln uns auch gegenseitig windelweich, so war das nicht. Aber irgendwie gehört das zu unserer Art der Freundschaft. Es baut uns auf. Vor allem mich. Das Mädchen ... ist aus meiner Klasse. Gesehen habe ich sie schon mal, aber wirklich aufgefallen ist sie mir eigentlich nie. Sie ist nicht hübsch, meiner Meinung nach jedenfalls. Außerdem ist sie extrem zickig und nervt mich andauernd damit, ich solle doch bitteschön nicht auf Schwächeren herum hacken. Hey, man, sie brauchen sich ja nur entsprechend zu wehren, dann wären sie nicht mehr schwächer und ich würde aufhören, auf ihnen herumzuhacken. Bin ich nicht sozial? Der ,Knirps', anders kann man ihn einfach nicht nennen. Oh, vielleicht noch ,laufender Meter'. Viel größer ist er eh nicht. Na gut, anderthalb Meter, aber mehr wirklich nicht! Trotzdem habe ich das Gefühl, glückselig Lächeln zu müssen, als ich diese Punkfrisur sehe, die der Kleine immer trägt. Nicht schön, aber selten und durchaus Aufsehen erregend. Ob das Natur ist oder ob er sich jeden Morgen drei Stunden mit dem Spiegel beschäftigt, hatte ich mich schon des Öfteren gefragt, aber nie ausgesprochen. Ich lächle aber nicht. Im Gegenteil, ich starre mindestens genauso perplex zurück und die vierte Person, die Krankenschwester mit dem angesprochenen - Augenkrebs verursachenden - Fummel um die Schultern und Hüften - hey, gut gebaut! - nehme ich gar nicht mehr richtig wahr, so schnell hat diese mich gepackt und ins Bett zurückgeordert. Erstens : Ich bin in einem verdammten Krankenhaus, in einem erblinden lassenden, weißen Bett mit einer Krankenschwester, die es gerade geschafft hatte, mich~ ins Bett zurück zu schaffen. Irgendetwas läuft hier mächtig schief. Ganz besonders die Tatsache, dass ich nicht einmal den Hauch einer Chance gehabt hatte, mich gegen sie zu wehren. Seit wann bin ich so schwach, dass ich nicht einmal mehr gegen eine Krankenschwester ankomme, die aussieht, als würde sie sich eher mit Mode, als mit Hanteln beschäftigen? Zweitens : Was zum Henker wollen die Göre und der Knirps hier? Die Göre kann mich auf den Tod nicht ausstehen, meckert den lieben langen Tag an mir herum und den Knirps hatte ich doch eigentlich die letzten Monate erfolgreich zur Schnecke gemacht, damit er mir nicht mehr mit seinem haarsträubenden Optimismus mit Freundschaft und dem Kram auf die Nerven geht. Ich habe Hiroto, der mir ganz freundschaftlich mit kräftigen Hieben den Kopf wäscht, wenn ich mal wieder eine Woche lang die Schule geschwänzt hatte. Drittens : Seit wann ist der Knirps eigentlich so groß? Habe ich nicht eben noch was von anderthalb Metern erzählt? Der hier ist genauso groß, wie das Gör. Ohne Haare! Also irgendetwas läuft hier ganz und gar nicht gut ... richtig ... wie auch immer. Jedenfalls nicht so, wie ich das in Erinnerung habe. Ganz zu schweigen davon, dass der Knirps ... dass Yûgi - er ist ja jetzt groß genug für einen eigenen Namen - einen Kettenanhänger trägt, der verdächtig danach aussieht, dass es der Inhalt aus dem Kästchen ist, dass ich ihm vor kurzem geklaut gehabt hatte, um einen Teil davon im Schulpool zu versenken. "Jôno'uchi-kun?". Ich hasse es, wenn man mich so ansieht! Hey, Punkt drei auf meine Liste heute. Irgendwie überwiegt das gerade sehr deutlich gegenüber Sachen, die ich mag. Hamburger! Aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass ich hier im Krankenhaus so etwas zu essen bekomme. In einem amerikanischen Krankenhaus wäre das etwas anderes, aber hier~ gibt es doch höchstens dieses absolut abartige, widerlich gesunde und - wahrscheinlich gerade deshalb - extrem eklige Nattô, das ich sonst erfolgreich umgehe, indem ich in der Schulkantine einfach nicht essen gehe und zuhause mir eh immer selbst etwas mache. Mal abgesehen von der Tatsache, dass die Wahrscheinlichkeit, dass mein Vater für Nahrung irgendeinen Finger krumm machen würde, gegen Null geht. Alkohol zählt in dieser Hinsicht definitiv nicht~ als Nahrung! Yûgi sieht mich mit großen, betroffenen und ehrlich besorgten Augen an. Ein Blick, den ich bei ihm nie vorher gesehen hatte, weshalb ich etwas verdutzt zurück sehe und kein Wort herausbringe. Der Blick selbst ist mir bekannt. Ich bekomme ihn regelmäßig von meiner Schwester zugeworfen, wenn ich sie ausnahmsweise mal sehe, was in den letzten Jahren auch immer seltener geworden ist. Doch von Yûgi bin ich bisher nie so angesehen worden. Irgendetwas muss ich verpasst haben. Mir wird ein Fieberthermometer zwischen die Lippen geschoben, weshalb ich aus meiner Starre aufwache und das Thermometer sofort wieder ausspucke und mich mit einem giftigen Blick zu der Krankenschwester umsehe, die mich perplex ansieht. Sie hat doch nicht etwa tatsächlich erwartet, dass ich weiter auf dem Ding rumkauen würde? Falsch gedacht, Püppie! Ich bin in meinem derzeitig Leben mindestens fünftausend Mal verprügelt worden, die Hälfte davon ohne Grund und ich habe nie ... wirklich nie~ auch nur einmal deswegen an einem Metallstab rumgeknabbert und werde ganz sicher nicht auf einmal damit anfangen, nur weil mir 'ne Schnitte wie die mir das Teil in den Hals schiebt! Finster funkle ich zu ihr hinauf, als sie das Teil wieder an sich nimmt, es abwischt, einmal schüttelt und mir wieder entgegen hält. Aber sie kann mich jetzt so bettelnd und flehend und was-weiß-ich-ähnlich ansehen, dieses Folterwerkzeug werde ich nicht annehmen. Nie! Meine Schwester kann mir die Ohren voll heulen, kein Problem, aber ich werde es trotzdem nicht in den Mund nehmen. Wer weiß, wer noch alles da drauf gesabbert hat? Die Schwester atmet noch einmal tief durch und verstaut das Thermometer in der kleinen Tasche an ihrem Schwesternhemdchen. Mir geht durch den Kopf, wie es gewesen wäre, wenn sie es hätte fallen lassen und sie sich hätte danach bücken müssen. Das wäre endlich mal ein positives Highlight heute geworden, aber diese Freunde gönnt man mir ganz offensichtlich nicht. Im Gegenteil, die Schwester wirft mir noch einen letzten Blick zu, bevor sie etwas auf einem kleinen Block notiert und dann den Raum mit den Worten ,Ich lass euch jetzt besser allein mit ihm.' verlässt. ,Ja verschwinde bloß, mach 'n Abgang, verdünnisier dich, such dir 'n anderes Opfer!'. So in etwa kann man die Blicke definieren, die ich ihr hinterher werfe und ich hätte wetten können, jeder Anwesende kann das bestätigen. Inklusive dem Gör, Mazaki Anzu, dem Knirps, Mutô Yûgi und meinem Kumpel Honda Hiroto. Letzterer kennt mich, der weiß sicher sogar, was ich gedacht hatte, als sie das Thermometer weggepackt hatte und ich bin mir sicher, ihm hätte das auch gefallen. Mein Blick zieht ruckartig zurück zu Hiroto, dem ich einen finsteren Blick widme und dann wild gestikulierend zu Anzu und Yûgi deute. Die beiden zucken regelrecht zusammen, was ich im ersten Moment irgendwie belustigt beobachte, bevor ich tatsächlich zu sprechen beginne und dabei feststelle, dass es verdammt heiser und unkontrolliert klingt, als hätte ich seit Wochen nicht einen Ton gesagt. "Wieso hast du diese Individuen hier angeschleppt? Seit wann brauchst du jemanden, der unterwegs auf dich aufpasst? Ganz zu schweigen davon, dass ich mich nicht erinnern könnte, jemals von irgendjemandem außer dir Hilfe gebraucht zu haben, wenn ich mal wieder nach einer Prügelei halbtot wieder zu mir gekommen bin!". Die drei sehen mich nicht nur mehr erschrocken an, nein völlig perplex und baff sind sie, als hätte ich ihnen gerade mein größtes Geheimnis eröffnet, aber das geht wirklich niemanden was an. Nur mich! Nicht Hiroto, von dem ich aber glaube, dass er es nicht als so dramatisch ansehen würde, nicht Yûgi und schon gar nicht Anzu! Sie ist eine Frau! Am liebsten würde ich sie gerade Achtkant rauswerfen. Was will die überhaupt hier? Sehen, wie ich nach einer Prügelattacke aussehe? Bin ich ein Museumsstück? Kann mal bitte endlich jemand etwas erwidern? "Jôno'uchi-kun, gehts dir gut?" "Ja, man, alles Bestens, siehst'e doch, bin fit wie'n Turnschuh!". Gibt es hier jemanden, der die Ironie nicht~ gehört hatte? Nein? Gut! Ich fange nämlich gerade an, mich ziemlich verarscht zu fühlen. Erst schleust Hiroto diese Bälger ein, nur um mir noch ein paar Tiefschläge für heute zu verpassen und dann muss ich an ihm feststellen, dass meine Erinnerung sich irgendwie nicht so recht mit dem deckt, was jetzt gerade vor sich geht. Ich hebe deshalb ruckartig wieder die Hand, an dessen Handrücken immer noch das verschmierte Blut klebt und halte sie offen den anderen hin, sodass sie ruhig sind. Ich muss das mal eben sortieren. Es hat doch damit angefangen gehabt, dass ich das Puzzleteil im Schulpool versenkt hatte. "Wieso ... bist du nicht verletzt, Mutô-kun? Honda-kun, du warst doch auch dabei.". Hiroto nickt, ein gutes Zeichen, doch Yûgi schüttelt den Kopf. Bei ihm kann ich das irgendwie nicht zuordnen, ist das jetzt gut oder schlecht, dass er den Kopf schüttelt? Doch dann kommt Yûgi langsam an mein Bett, in dem ich sitze - zum Liegen hatte sie mich nicht bewegen können. Hah! - und hebt eine Hand, die er auf die meine legt, als wäre es eine ganz natürliche Geste. Doch ich ziehe meine sofort weg, als er sie berührt. Soweit kommt es noch, dass ich mich von jemandem anfassen lasse, der zu doof und klein ist, um Basketball zu spielen und lieber allein in einem Klassenzimmer hockt. Gleichzeitig schenke ich Yûgi einen viel sagend angewiderten Blick. Doch der Kleine lässt sich davon gar nicht beirren. Ungerührt bleibt er trotzdem an meinem Bett stehen und sieht zu mir auf. "Wir waren doch gar nicht da, als du im Geräteschuppen aufgeräumt hast. Aber ehrlich, es tut uns leid! Wir hatten versprochen, rechtzeitig zu helfen, aber wir sind ... nicht schell genug gewesen. Wir haben dich dann nur ... ". Ich hebe wieder die Hand ruckartig an, um ihn zum Schweigen zu bringen, was ganz offensichtlich Wirkung zeigt. Muss ich mir merken, vielleicht hilft das auch, wenn er mir wieder mit dem anderen Kram kommt, von wegen ,Ich will einen guten Freund, bla, sülz'. Doch das ist gerade gar nicht mein Problem. Nein! Mein Problem ist, dass er von etwas ganz anderem spricht, als ich! Okay, ich hatte bisher nicht präzisiert, wovon ich rede, aber ich bin definitiv nicht~ der Ansicht, dass ich Hilfe in einem Geräteschuppen gebraucht hätte. Schon gar nicht von Knirps Yûgi, der unter einem Bock hindurch laufen kann und noch weniger von Göre Anzu, die mir nur wieder mit ihren Höflichkeitsfloskeln und Benimmregeln dumm gekommen wäre. Mit anderen Worten, oder um es kurz zu machen. Wovon zum Teufel redet der da? Geräteschuppen? Da bin ich nie gewesen. Sport habe ich zwar fast nie geschwänzt, aber beim Aufräumen habe ich auch nicht geholfen. Was habe ich in einem Geräteschuppen zu suchen? Zumal ich mir sicher bin, dass ich wegen dieser Schulhofprügelei hier bin. Wegen ein paar Schlägen und Tritten und nicht wegen einem aufdringlichen Gerät - um was es sich auch immer handelt. Offenbar ist mein Gesichtsausdruck aussagefähig genug, sodass sich der Kleine Hilfe suchend zu den anderen beiden umsieht und besonders Hiroto überfragt anblickt. Doch auch die beiden zucken nur mit den Schultern. Deshalb übernehme ich das einfach. "Du warst~ rechtzeitig da, Mutô-kun! Deswegen frag ich doch nur so blöd! Du hast immerhin auch was abbekommen gehabt. Wegen dir hat er doch überhaupt erst von uns abgelassen gehabt.". Hektisch deute ich bei dem letzten Satz zwischen mir und Hiroto hin und her, starre Yûgi aber fassungslos an. Was quasselt der denn da? Ich und Hiroto sind von diesem Schrank verdroschen worden, weil wir angeblich Yûgi schikaniert hatten. Okay, wir hatten~ ihn schikaniert, aber das ist jetzt nicht Teil des Problems. Doch Yûgi scheint kein Wort von dem zu verstehen, was ich ihm an den Kopf werfe. "Jôno'uchi-kun, wie heißt du, wie alt ... " "Kami-sama! Was soll die Scheiße?". Ich hebe resignierend die Arme und verdrehe theatralisch die Augen. Als ob ich nicht wüsste, wie ich heiße, verdammt. Ruckartig lasse ich die Arme wieder fallen. Na schön, wenn es ihn glücklich macht und mich dann für die nächsten zwölf Monate in Ruhe lässt, bitte schön, soll er sein Frage-Antwort-Spielchen haben. "Jôno'uchi Katsuya, Geburtstag 25. Januar, Blutgruppe B! Du hältst mir nicht einen~ Finger vor die Nase, um zu fragen, wie viel ich sehe. Zufrieden? ... Ach ja, 16 Jahre alt, Klasse 1-E, der Domino-Oberschule! Das wolltest du noch. Bin ich jetzt geheilt, Doktor?". Okay~ ... das ist nicht die Reaktion, die ich erwartet oder sogar erhofft hatte. Ich habe erwartet, dass sie nicken würden, erleichtert durchatmen oder mich auslachen oder ... oder ... mir fallen später noch welche ein! Aber es passiert nichts in dieser Hinsicht. Gar nichts. Die drei stehen da, nur Yûgi weicht ein paar Schritte zurück, zu den anderen und sie starren mich irgendwie schockiert an. Das gefällt mir nicht. Ganz und gar nicht. Irgendetwas an meinen Worten muss jetzt nicht gepasst haben. Wenn ich nur wüsste, was? Yûgi reißt sich zuerst wieder zusammen und holt tief Luft, wirft mir dabei wieder diesen ehrlich besorgten, diesmal auch etwas schockierten Blick zu. "Jôno'uchi-kun! Du wirst bald 19, hast die Schule längst erfolgreich abgeschlossen und studierst seit knapp einem halben Jahr Jura!". *** ~ TBC ~ *** Dieses Kapitel ist unheimlich schnell runtergetippt gewesen. Es hatte sich praktisch verselbstständigt. Nicht eine der Figuren ist wirklich charactergetreu ... Tut mir leid, falls ich einen der Charas wirklich~ versaut hab ... << Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)