Conan - Gesammelte One- Shots von Sorako ================================================================================ Der olfaktorische Sinn ---------------------- - - - - - - - "Hey Haibara." Conan dribbelte seinen Fußball ein letztes Mal und warf dem in eine Zeitschrift vertieften blonden Mädchen einen schrägen Blick zu. "Du meckerst ständig an mir herum, dass ich mich zu auffällig verhalte... aber du setzt dich auf einem Kinderspielplatz auf eine Bank und liest biologische Fachzeitschriften?" Ai sah auf und bedachte ihren Leidensgenossen mit einem ihrer patentierten ausdruckslosen Blicke. "Es ist keine Fachzeitschrift, Kudou- kun, sondern eine Laienzeitschrift." "Trotzdem würde keine normale Siebenjährige so etwas lesen.", entgegnete Conan. Allerdings - es sollte ihm recht sein, wenn Ai sich ausnahmsweise mal weniger paranoid verhielt. Conan sah sich kurz um, doch der Spielplatz war weitestgehend leer. Bis auf ihre drei Freunde hinten bei den Schaukeln und ein paar kleinere Kinder mit ihren Müttern im Sandkasten hatten sich die meisten schon in ihre Häuser zurückgezogen. Immerhin herrschte für diesen Abend eine Taifun- Warnung, und am Horizont bauten sich schon die ersten dunklen Wolken auf. "Es mag trivial sein, ist aber durchaus interessant als Denkanstoß." Unbeeindruckt sah Ai wieder auf ihren Artikel herab. "Wusstest du, dass der Geruchsinn bei der Kommunikation zwischen Menschen eine viel größere Rolle spielt, als den meisten bewusst ist?" Conans Blick wurde noch schräger. "Wenn du mir damit dezent mitteilen willst, dass ich dringend mal wieder duschen sollte, dann..." "Unsinn. Es geht darum, dass Menschen viele Dinge unterbewusst auf olfaktorischem Wege wahrnehmen. Liebespaare fühlen sich aufgrund ihres Geruchs besonders zueinander hingezogen, sie erkennen sich sogar daran. Gleichzeitig kann ein Geruch aber auch über spontane Antipathie entscheiden. Ich frage mich..." Ais Miene verdunkelte sich sichtlich. "Ist es das, was ich wahrnehme, wenn ein Mitglied der Schwarzen Organisation in der Nähe ist?" "Sofern sie nicht alle ein einheitliches Parfum benutzen, halte ich das für unwahrscheinlich.", kommentierte Conan trocken und nahm ihr kurzerhand das Magazin weg. "Vergiss doch mal die Schwarze Organisation und..." "Conan- kuuuu~n! Ai- chaaaa~n!" Die durchdringenden Stimmen von Ayumi, Mitsuhiko und Genta schallten über den Spielplatz, als die drei auf Ai und ihn zugerannt kamen. "Es fängt an zu regnen.", erklärte Ayumi etwas außer Atem. "Und Mama hat gesagt, ich soll nach Hause kommen, wenn es regnet." ,Umso besser. Dann kann ich zuhause in Frieden die Neuverfilmung von "Eine Studie in Scharlachrot" ansehen, bis Ran und Kogoro zurückkommen.', Conan grinste in froher Erwartung, während Ai ihm stumm und mit hochgezogenen Augenbrauen ihre Zeitschrift wieder wegnahm und in ihrer Tasche verstaute. - - - - - - - Aus dem gemütlichen Abend vor dem Fernseher wurde allerdings nichts, weil Kogoro schon wieder da war und es sich mit seinen beiden Freunden namens Alkohol und Fernbedienung in seinem Lieblingssessel breit gemacht hatte. Kurz zog Conan in Erwägung, zu Professor Agasa oder seinem "richtigen" Zuhause zu gehen, aber Ran würde ihm die Hölle heißmachen, wenn er bei Taifunwarnung noch allein draußen umherspazierte. So saß er brav am Tisch und schmierte mit erzwungener Duldsamkeit seine Hausaufgaben für den morgigen Tag in seine Grundschulhefte, als die Haustür aufging und eine bis auf die Knochen durchnässte Ran in die Wohnung floh. Conans Herz machte einen kleinen Hüpfer. Selbst im triefend nassen Zustand war Ran der einzige Lichtblick in seinem verkorksten Leben. ,Oder *besonders* in diesem Zustand', kommentierte eine verräterische innere Stimme angesichts der nassen Kleidung, die Rans Figur deutlich betonte. Conan rief sich zur Ordnung. "Hallo, Ran...- neechan!" "Was für ein Wetter." Ran sah weniger glücklich aus. "Nimmst du mir die Einkäufe ab, Conan- kun? Ich muss mich umziehen." *Liebespaare fühlen sich aufgrund ihres Geruchs besonders zueinander hingezogen.*, hallte Ais Stimme durch seinen Kopf, als sich Ran zu ihm herunterbeugte, um ihm die durchweichte Einkaufstüte zu reichen. Automatisch atmete Conan tief ein - Ran roch nach Sommerregen, dem Pfirsichshampoo, das sie immer benutzte, und... wie Ran eben. Angenehm und beruhigend. Conan schüttelte leicht den Kopf. Jetzt ließ er sich schon von Ais komischen Bemerkungen beeinflussen. "Danke, du bist ein Schatz." Damit verschwand Ran in ihr Zimmer, und Conan bereitete sich eine weitere Aufheiterung an diesem Abend, indem er die nasse Tüte und ihren Inhalt pflichtschuldig vor Kogoro ausbreitete, ein unschuldiges "Wo soll ich das hintun, Onkel Kogoro?" zirpte und dessen Fernsehabend damit fürs erste ruinierte. - - - - - - - Kogoro zahlte ihm diese Aktion später heim, indem er an diesem Abend noch penetranter als sonst schnarchte und Conan, der inmitten von Kogoros stinkenden Socken, leeren Bierdosen und sonstigem Müll auf seinem Futon lag, beim besten Willen nicht einschlafen ließ. Der Taifun, der nicht weniger laut um ihr Haus heulte und die Fenster erzittern ließ, machte die Angelegenheit nicht einfacher. Seufzend setzte sich Conan auf und schenkte seinem temporären Erziehungsberechtigten im Halbdunkeln einen säuerlichen Blick. "Sollte ich nie wieder groß werden, werde ich Schriftsteller und schreibe ein Buch mit dem Titel "Die Wahrheit über Meisterdetektiv Mouri Kogoro".", knurrte er leise. Damit tappte er aus dem Zimmer - schlafen konnte er ohnehin nicht, und vielleicht konnte er in der Zwischenzeit mal ungestört fernsehen oder ein Buch lesen, das über Doraemon- Niveau war. Doch der angestrebte gemütliche Platz vor dem Fernseher war abermals bereits belegt. "Ran- neechan? Was machst du denn hier?" Ran hatte sich in eine Decke gehüllt, ihre Arme um ihren Körper geschlungen und sich tief in den Sessel gekauert. Auf dem Tisch lag ein unbenutztes Buch und eine kleine Lampe. Conan bemerkte ihren unruhigen Blick - und erinnerte sich. Wenn Ran etwas hasste, dann waren es Unwetter. Doch Ran, ganz in ihrer Mutterrolle, wollte sich ihre Angst nicht anmerken lassen. "C- Conan- kun! Kannst du auch nicht schlafen?" Conan schüttelte nur den Kopf. Er hatte Rans leicht geröteten Augen wohl bemerkt... wahrscheinlich waren ihre Gedanken in ihrer Furcht vor dem Unwetter wieder zu ihm - also zu Shinichi - gewandert, und sie hatte sich wieder zusätzlich auch noch um ihn Sorgen gemacht. "Du musst keine Angst haben.", erklärte Ran mit einem leicht gezwungenen Lächeln. "Es ist nur ein Taifun. Morgen werden einige Bäume umgefallen sein, aber drinnen kann uns nichts passieren." KRACH! Der Sturm nutzte Rans Versuch, sich selbst zu beruhigen, dazu, seinem Lärmen auch noch Blitz und Donner hinzuzufügen. Ran zuckte zusammen und unterdrückte einen kleinen Schrei. Conan, der näher an den Sessel herangetreten war, sah sich plötzlich von zwei Armen umfasst und fest umklammert. "Und das ist nur ein Gewitter.", erklärte Ran leicht zitternd. "Kein Grund zur Aufregung." Selbst wenn Conan etwas Aufmunterndes zu sagen gewusst hätte, Rans Umklammerung ließ ihm kaum Luft zum atmen. Wieder fiel ihm Rans angenehmer Duft auf, der ihm nun völlig umfing, und er verscheuchte Ais dozierende Stimme über den menschlichen Geruchssinn aus seinem Kopf. "Aber ich versteh' das.", fuhr Ran fort. "Als ich in deinem Alter war und Mama gerade ausgezogen war... da konnte ich bei Unwettern auch nicht gut schlafen. Du vermisst deine Eltern bestimmt?" "Hm.", machte Conan und nickte, was sollte er auch sagen? Ran lockerte ihre Umarmung und lächelte ihn an. "Magst du vielleicht bei mir schlafen, bis das Unwetter vorbei ist?" Conan riss die Augen auf. Es wäre nicht das erste Mal, dass er seit seiner Verjüngungskur mit Ran ein Bett teilte, aber seit den letzten Monaten hatte sie jeden Kontakt mit ihm vermieden, den man, wäre Conan älter, als "unschicklich" auslegen könnte - als wisse sie im Unterbewusstsein längst über ihn Bescheid. Ob absichtlich oder nicht - seit sie ihm mehrere Male beinahe auf die Schliche gekommen war, hatten sie nicht mehr zusammen in einem Bett geschlafen. ,Sie muss wirklich Angst haben, wenn sie ihren Verdacht gegen mich jetzt so ignoriert.', dachte Conan, und ,Wenn ich ihr das jetzt nicht ausrede, wird Ran mich hinterher *töten*, wenn ich ihr alles gestehe.' "Oh, sch- schon gut, Ran- neechan, ich kann auch..." KRACH! Sein Einwand wurde im Keim erstickt, als Ran ihm bei ihrem abermaligen Zusammenzucken die Luft abschnürte. "... bitte?", fragte sie ganz leise. "Ich mag' nicht alleine sein." Und damit konnte er unmöglich noch irgendeinen weiteren Protest einlegen. ,Was soll's.', dachte Conan, während Ran die Decke ergriff und ihn abtransportierte wie einen überdimensionalen Teddybären. ,Wenn ich ihr die Wahrheit sage, verzeiht sie mir entweder... oder sie tötet mich sowieso für die Episode in der heißen Quelle.' - - - - - - - Warm. Angenehm. Conan erwachte dadurch, dass lange, braune Haare ihm das Gesicht kitzelten - nicht seine, wohlgemerkt - und fand sich in einem sanften, jedoch nachdrücklichem Klammergriff. Außerdem hatte Ran ihr Gesicht in seiner Schulter vergraben und schlummerte selig, tief und fest. ,Hm. Nicht die schlechteste Art, aufzuwachen... oh. Stimmt. Ich bin ein kleines Kind.' Sechs Uhr morgens, verriet ihm sein vorsichtiger Blick auf Rans Wecker, und das Unwetter hatte nachgelassen. Durch den Spalt im Vorhang konnte er sehen, wie im Osten das erste Licht durch die dicken Wolken drang. Ganz, ganz vorsichtig versuchte Conan, Rans Umarmung zu lösen. Wenn sie aufwachte, würde ihr ihr Verhalten von letzter Nacht sicher peinlich sein, und dazu hegte er immer noch den Verdacht, dass sie zumindest im Unterbewusstsein sehr wohl wusste, wer er wirklich war... Doch Ran murrte nur unwillig im Schlaf, zog ihn wieder zu sich heran und vergrub ihr Gesicht in seinen Haaren. "Komm zurück... Shin...ichi." Conan erstarrte zur sprichwörtlichen Salzsäule und wagte kaum zu atmen. Plötzlich war Ais Stimme wieder da. *Liebespaare fühlen sich aufgrund ihres Geruchs besonders zueinander hingezogen, sie erkennen sich sogar daran...* ,Ooooh, verdammt, verdammt, sie weiß es, sie weiß es, sie weiß es, sie kann mich *riechen*...', hämmerte es in Conans Kopf, und nur seine eingeengte Position verhinderte eine spontane Flucht. "Warum... lügst du mich an?", murmelte Ran, und Conans Herz raste noch schneller - auch wenn das kaum noch möglich war. Das war zuviel. Er musste weg. Er musste sofort weg. Conan wand sich hastig ohne Rücksicht auf Verluste aus ihren Armen. Natürlich riss Ran das aus ihren Träumen, er hörte sie murmeln und gähnen. Ihren suchenden Händen, die den entlaufenen Teddybären- Ersatz vermissten, ausweichend und sich aus der Bettdecke schälend sprang Conan aus dem Bett und flitzte wie von tausend Teufeln gehetzt zur Tür. "IchbinschonmalinderSchulebisheuteAbendRanneechan!" "Mbwhugh... Conan- kun? Was..." Verschlafen richtete sich Ran auf. "Was für ein Traum..." - - - - - - - "Wovon redest du?" Ai sah von ihrem Buch auf und beäugte den aufgelösten Jungen, der vor ihrem Pult stand, als wäre er nicht mehr ganz richtig im Kopf. "Na, was du mir gestern erzählt hast! Wie genau Menschen andere Menschen an ihrem Geruch erkennen können! Mensch, Haibara, bist du taub?" Ai betrachtete Conan eingehend. Der geschrumpfte Teenager sah aus, als habe er die Nacht durchgemacht und gerade Gin und Vodka draußen auf dem Schulflur vorbeispazieren sehen... und seine merkwürdige Frage deutete darauf hin, dass... "Du machst dir Sorgen wegen Ran?" Conans Blick verriet Ai, dass sie ins Schwarze getroffen hatte. "Wirklich, Kudou- kun. Dafür hättest du dir nicht die Nacht um die Ohren schlagen müssen... der spezielle Geruch eines Menschen ändert sich, wenn er erwachsen wird. Das macht die Hormonumstellung. Und ich habe doch gesagt, es ist eine Sache des Unterbewusstseins." Spöttisch fügte sie hinzu: "Du brauchst also keine Angst zu haben, dass deine Freundin eines Tages an dir schnüffelt und sagt "Bist du das, Shinichi?"." Conan starrte sie kurz ungläubig and und klappte dann stöhnend auf seinem Stuhl zusammen. "Mann. Ich war für einen Moment echt in Sorge." Ai wandte sich schweigend, jedoch amüsiert wieder ihrer Lektüre zu. Es lag ihr auf der Zunge, anzumerken, dass Ran ihn lange genug kennen müsste, dass sich ihr Unterbewusstsein auch an ihn und seinen Geruch als Kind erinnern sollte... doch der gute Junge sah ohnehin schon so gerädert aus, dass sie ihm das nicht zumuten wollte. Allerdings nahm sie sich vor, ihm jetzt öfter aus Zeitschriften vorzulesen. + + fin (11.04.2006) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)